Umstrittene Lesung
Sarrazin spricht vor vollem Haus in Halberstadt
Der frühere Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin hat am Donnerstagabend in Halberstadt im "zweiten Anlauf" vor mehr als 400 Besuchern seine umstrittenen Thesen zum Thema Integration von Ausländern in Deutschland vorgestellt.
Rund 20 Polizisten überwachten die Lesung in der Moritzkirche.
Ein Mann wurde aus der Kirche verwiesen. Er trug ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Danke, Thilo Sarrazin" und hatte vor dem Eingang ein großes Pappschild mit der Aufschrift "Meinungsfreiheit bewahren!" und "Deutschland, wohin gehst du?" aufgestellt.
Nach der Lesung ließen sich zahlreiche Gäste von Sarrazin dessen Buch "Deutschland schafft sich ab" signieren. Pfarrer Hartmut Bartmuß, einer der Organisatoren, verteidigte die umstrittene Veranstaltung. Man habe in Ostdeutschland erlebt, dass "man uns viele Jahre sagen wollte, was man hören und lesen darf und was nicht", sagte er MDR aktuell.
Deshalb hätten viele Menschen die Organisatoren ermutigt, die bereits einmal abgesagte Veranstaltung erneut zu organisieren. Sarrazin selbst sprach am Donnerstag von einem "Sturm im Wasserglas". Er sei jederzeit für Gespräche offen.
Scharfe Kritik von der Evangelischen Kirche
Sarrazin war der Einladung von Bartmuß und einem weiteren Pfarrer gefolgt. Die Veranstaltung war aber vor allem in der evangelischen Kirche selbst höchst umstritten gewesen. Kritiker hatten moniert, dass Sarrazin mit der gewählten Veranstaltungsform - einem Podiumsgespräch - eher eine Bühne für die Darstellung seiner Position geboten werde und kritische Diskussionen über seine Thesen dadurch kaum möglich würden.
Im Vorfeld der Veranstaltung hatten Mitarbeiter der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands in einem offenen Brief scharfe Kritik an den verantwortlichen Pfarrern geübt: Die Kirche dürfe einem Autor, der populistische, sozialdarwinistische und in Teilen rassistische Positionen vertrete, kein Podium bieten, auf dem er ohne Widerspruch seine Thesen darlegen könne.
Sarrazin sollte schon im März in Halberstadt auftreten. Auch dagegen hatte es in der evangelischen Kirche heftige Kritik gegeben. Landesbischöfin Junkermann hatte ihr Veto gegen die Lesung eingelegt. Sie hatte befürchtet, dass die NPD die Veranstaltung für ihren Wahlkampf missbrauchen könnte. Sarrazins Auftritt war daraufhin abgesagt worden.
"Deutschland schafft sich ab"
Sarrazin hatte im vergangenen Jahr sein Buch "Deutschland schafft sich ab" veröffentlicht. Wegen der darin enthaltenen kontroversen Thesen zu Einwanderern und Demografie nahm er den Hut als Bundesbank-Vorstand. Die SPD leitete ein Ausschlussverfahren ein. Es soll noch in diesem Monat beginnen.
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