Sonntag, 29. Dezember 2013

--->>> wurde auch beschlossen die "Therapieunterbringung", sowie die polizeiliche Dauerüberwachung auszubauen. [via Linke Zeitung]

 
 
Repression Durch Grosse Koalition
 
Geschrieben von: Thomas Meyer-Falk - https://linksunten.indymedia.org
 
[via Linke Zeitung]
 
 
 
 
In den mehrere Monate dauernden Koalitionsverhandlungen von CDU/CSU und SPD im Bund wurde auch beschlossen die „Therapieunterbringung", sowie die polizeiliche Dauerüberwachung auszubauen.

Therapieunterbringung

Unter Ziffer 5.1. des Koalitionsvertrages (auf S. 145 vgl. http://www.tagesschau.de/inland/koalitionsvertrag136.pdf) heißt es, man wolle „zum Schutz der Bevölkerung vor höchstgefährlichen, psychisch gestörten Gewalt- und Sexualstraftätern" die Möglichkeit der nachträglichen Therapieunterbringung schaffen.

Das bisher gültige ThUG (Therapieunterbringungsgesetz) wurde im Eilverfahren als Antwort auf mehrere Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geschaffen. Der EGMR stellte fest, die BRD habe die Menschenrechtskonvention verletzt, als sie zum einen die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung einführte, aber auch, als sie zum anderen rückwirkend die bis dato auf 10 Jahre begrenzte (erste) Unterbringung in der SV faktisch auf „lebenslang" verlängerte (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/inpol/oS1yFmwNM0.shtml).

In Folge der Urteile aus Strasbourg kamen dutzende Verwahrte auf freien Fuß. Um angesichts der Medien, die einige der Entlassenen auf Schritt und Tritt verfolgten, so dass der Mob vor deren Wohnungen aufzog (exemplarisch die Vorgänge in Insel, http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/knast/UjQ0YawFxF.shtml), solche Freilassungen künftig zu vereiteln, wurde vom Bundestag ein Gesetz beschlossen, welches die weitere Inhaftierung ermöglicht, sofern auf Grund eines Urteils des EGMR feststeht, dass die bisherige Inhaftierung menschenrechtswidrig ist.

Da im Zuge einer Reform des Rechts der Sicherungsverwahrung zumindest teilweise die nachträgliche SV abgeschafft wurde, will nun der Gesetzgeber das ThUG ausweiten, und damit die vom EGMR für menschenrechtswidrig erklärte nachträgliche Verhängung der Sicherungsverwahrung unter neuem Namen wieder einführen.

Hiergegen formiert sich Widerstand aus der Fachwelt (http://www.strafvollzugsarchiv.de/index.php?action=archiv_beitrag&thema_...). 39 ProfessorInnen, AnwältInnen [auch Richter und ein Staatsanwalt], SozialarbeiterInnen und ein Pfarrer lehnen mit Nachdruck diese Pläne ab. In ihrem Offenen Brief vom 30. November 2013 bringen sie ihre zehn zentralen Kritikpunkte vor: die Pläne der Koalition seien unter anderem evident menschenrechtswidrig, es sei auch gar nicht möglich, zuverlässig zu entscheiden, wer tatsächlich „gefährlich" und wer „ungefährlich" sei. Die nachträgliche Unterbringung würde durch die Haft bedingte psychische Schäden durch weitere Freiheitsentziehung bestrafen, das Klima in den Gefängnissen würde sich (weiter) verschlechtern. Außerdem würden psychisch Kranke stigmatisiert, da hier ein Missbrauch der Psychiatrie erfolge, da psychische Krankheit mit Gefährlichkeit gleichgesetzt werde.

Polizeiliche Dauerüberwachung

Weiter heißt es im Koalitionsvertrag: „Die längerfristige Observation von entlassenen Sicherungsverwahrten stellen wir auf eine gesetzliche Grundlage".

Durch die schon oben erwähnte Freilassung zahlreicher Sicherungsverwahrter sahen sich einige Landeskriminalämter und Ortspolizeibehörden veranlasst, einige der Ex-Verwahrten rund-um-die-Uhr von jeweils bis zu fünf PolizistInnen bewachen zu lassen, auf Schritt und Tritt. Die damit einhergehenden psychischen Belastungen habe ich anderer Stelle näher skizziert (http://www.freedom-for-thomas.de/thomas/texte/inpol/XrYJVVf1Ob.shtml). Nach einer von dem Betroffenen selbst erkämpften Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20120227_1bvr002212.html) erklärte schließlich das Verwaltungsgericht Freiburg diese Form der Dauerüberwachung für rechtswidrig (https://linksunten.indymedia.org/de/node/79987).

Denn das BVerfG hatte eine gesetzliche Grundlage für diese intensiv in die Grundrechtsposition eines Menschen eingreifende Dauerbewachung gefordert und nur für eine Übergangszeit die Generalklauseln in den Polizeigesetzen für (noch) ausreichend angesehen.

D.h. die „GroKo" in Berlin möchte nunmehr die 24-Stunden-Bewachung von freien BürgerInnen legalisieren. Als einziger Rückzugsraum bleibt einem/einer Betroffenen nur das eigene Zimmer. Sobald man sich dann außerhalb des Raumes aufhält, folgen die PolizeibeamtInnen einem auf Schritt und Tritt, teilweise fast auf Tuchfühlung, ggf. über Jahre (wie in dem oben beschriebenen Fall, in dem dann erst das VG dem Spuk ein Ende setzte). Wie ein Mensch, auf diese Weise stigmatisiert, sich wieder in Freiheit einleben können soll, bleibt Geheimnis der Koalition.

Bewertung

Für Gefangene und Verwahrte bedeutet die Koalitionsvereinbarung weitere Unsicherheit und weitere Verschärfungen ihrer Lebensbedingungen. Die Freiheit jemals wiederzuerlangen, wenn man einmal als „gefährlich" abgestempelt ist, und das geht leichter, als Viele sich vorstellen können, wird immer unwahrscheinlicher. Den Gefängnisleitungen wird mit einer Einführung einer nachträglich zu verhängenden Therapieunterbringung, welche, dies nur am Rande, nach einer Gesetzesreform in den Sicherungsverwahrungsanstalten vollstreckt wird, ein praktisches Zuchtmittel an die Hand gegeben: sie können damit drohen, bei unliebsamem Verhalten für eine entsprechende Antragstellung zu sorgen, mit der potentiellen Gefahr lebenslanger Freiheitsentziehung.

Strafgefangene, die bereit sind, sich innerhalb des Vollzuges einer Therapie zu unterziehen, werden es sich drei Mal überlegen, ob sie sich gegenüber TherapeutInnen öffnen, denn diese sind verpflichtet alle prognoserelevanten Informationen weiterzugeben, so dass die therapeutisch gewonnenen Informationen letztlich auch zur Verhängung der nachträglichen Therapieunterbringung führen können, nämlich dann, wenn diese für eine „psychische Störung" und „Gefährlichkeit" sprechen.

Rechtsanwältin Anette Scharfenberg (http://anwaltsbuero-im-hegarhaus.de) aus Südbaden und Fachanwältin für Strafrecht beklagte, der Gesetzgeber gebe einfach keine Ruhe und die Pläne der Koalition würden auf alle Fälle nichts Gutes bedeuten.

Dem ist nichts hinzuzufügen.


Thomas Meyer-Falk, c/o JVA (SV-Abtl.)
Hermann-Herder-Str. 8, D-79104 Freiburg
https://freedomforthomas.wordpress.com
http://www.freedom-for-thomas.de

https://linksunten.indymedia.org/de/node/102369




--->>> #Freihandelsabkommen -->> Hoher Preis für wenig Wachstum [via Böckler impuls]

Hoher Preis für wenig Wachstum
[Böckler impuls - Ausgabe 19/2013 vom 27.11.2013 - Seite 3]
 


-->> Kapitalistische Realität -->> 1200 Milliardäre und 1 Milliarde Hungernde [via RotFuchs] immer lesenswert!!

 
 
Kapitalistische Realität: Wo Marx und Engels ins Schwarze trafen
1200 Milliardäre und 1 Milliarde Hungernde
[RotFuchs - Ausgabe Dezember 2013 - Seite 6]



vertiefend -->>> Reallöhne in Deutschland gegenüber Vorjahresquartal gesunken [via Frankenpost]

 
Reallöhne in Deutschland
[Frankenpost - Ausgabe vom 20.12.2013 - Seite 1]
"Die Reallöhne in Deutschland sind vom dritten Quartal 2012
bis zum dritten Quartal 2013 um 0,3 Prozent gesunken."
 



Samstag, 28. Dezember 2013

"Es ist bequem, mit den Wölfen zu heulen (...)" [Bürgermut, Weihnachtansprache v. 24.12.1971 von Gustav Heinemann]

 

Bürgermut

Liebe Mitbürger!

Wir alle wissen es: auch an dieser Weihnacht als Fest des Friedens zwischen Gott und den Menschen wird Krieg geführt und Gewalt ausgeübt.

Flüchtlinge verlassen ihre Heimat; Kinder rufen nach einem Stück Brot.

Menschenrechte werden mißachtet.

(...)

Wir haben gelernt, das der Staat kein höheres Wesen mit Anspruch auf
unterwürfigen Gehorsam ist.

(...)

Wir besitzen einen großartigen Freiheitsbrief in der Gestalt unseres
Grundgesetzes, das zum erstenmal in unserer Geschichte jedem von

uns unantastbare, jeder staatlichen Gewalt vorgehende Freiheitsrechte zuspricht.

Achten wir diesen Freiheitsbrief, und schöpfen wir seine Möglichkeiten aus?

(...)

Wir alle haben die Freiheit, nach unserem Gewissen zu leben.

Wir alle haben die Freiheit, unsere Meinung zu äußern,

einschließlich der Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit.

(...)

Auch ich weiß, daß Recht und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen.

Wo es an Übereinstimmung fehlt, geht es darum, sie Schritt um Schritt herbeizuführen.

Auf der anderen Seite ist es aber auch so, daß wir uns selber in unserem
Freiheitsraum einengen, wo wir nicht mutig genug sind, wo wir nicht die
Zivilcourage haben, ihn auch gegenüber unserer Umgebung wahrzunehmen.

Die Grundrechte können uns wohl davor schützen, daß wir - wie unter dem
nationalsozialistischen Regime - wegen freier Meinungsäußerung mit dem
Verlust der Freiheit oder gar mit dem Leben zu bezahlen.

Sie können uns aber nicht gewährleisten, daß wir sie untereinander gelten lassen.

Im Umgang mit unseren Mitbürgern müssen wir alle selber unsere
Freiheit erkämpfen.

Was ich meine ist dies:

Es ist bequem, unangenehme Wahrheiten zu verschweigen.

Es ist bequem, sich um eine Kindesmißhandlung in der Nachbarschaft
nicht zu kümmern.

Es ist bequem, mit den Wöfen zu heulen, wenn ein Wohngebiet sich gegen ein
neues Heim für körperlich oder für geistig behinderte Mitmenschen in seinem
Bereich wehrt, wie es auch unlängst in Bayern vorgekommen ist.

Bequem ist es ebenfalls, im Betrieb schweigend zuzusehen, wenn ein Gastarbeiter
wie ein minderwertiger Mensch behandelt wird.

In solchen und unzähligen anderen Fällen kommt es jeden Tag darauf an,
als einzelner nicht vor der Hürde stehenzubleiben, die da lautet:
Was tun die anderen, was tut man nicht?

Solidarität ist eine gute Sache, wenn sie in Hilfsbereitschaft für diejenigen

geübt wird, die selber nicht mithalten können.

Solidarität ist eine schlechte Sache, wo sie als ein gemeinsames Schweigen geübt

wird, anstatt beim Namen zu nennen, was man schlecht oder gefährlich hält.

Nur wer bekennt, findet den, der mit ihm bekennt.

Nur wer Bürgermut lebt, macht andere Bürger lebendig.

Sprechen wir also das, was wir denken oder meinen, auch dann aus,
wenn es unserer Umgebung nicht gefällt!

Wir wollen eine Gemeinschaft der Vielfalt sein.

Wo aber alle dasselbe denken, denkt wahrscheinlich niemand sehr viel.

Wo einer sich den Bürgermut nehemen läßt, etwas Gebotenes trotz

möglicher Schwierigkeiten zu tun, trägt er dazu bei, daß unsere

Freiheiten in Gefahr geraten.

(...)

Das tut auch, wer als Vorgesetzter, als Behördenvertreter oder als
Politiker seine Macht einsetzt gegen diejenigen, die Mißstände oder
Ungerechtigkeiten aufdecken.

Wir gefährden unsere eigene Freiheit auch dann, wenn nicht
ebenfalls jeder andere sagen kann, was ihn bewegt.

Jeder von uns ist  nur so lange ein freier Bürger,
als wir alle es sind.

(...)

[Bürgermut, Weihnachtansprache 1971 v. 24.12.1971, Gustav Heinemann,
Präsidiale Reden, edition suhrkamp, 2. Auflage, 1977, Seiten 201ff


Sonntag, 8. Dezember 2013

Solidaritätsbekundung durch einen Bremer Pastor und zugleich ein emotionaler Appell gegen die derzeitige Praxis bei Hartz IV

 

Pastor solidarisiert sich

 
[via altonabloggt]
 
 
 

Eine berührende Solidaritätsbekundung durch einen Bremer Pastor und zugleich ein emotionaler Appell gegen die derzeitige Praxis bei Hartz IV und den geplanten Verschärfungen:

(…)"Ich möchte neben Dir bleiben – in verstärkter Solidarität. Und ich möchte aktiv mitwirken an spürbaren Verbesserungen in unserem Land. Darum erkläre ich gegenüber der Arbeitsagentur und denen, die ihre Verschärfungen ggf. politisch und administrativ umzusetzen bestrebt sein werden, ausdrücklich meinen persönlichen Widerstand. Ich werde mich gegen die Menschenrechte auf Würde, materielle Versorgung und psychosoziales Wohlergehen verletzende Sanktionspraxis mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln einsetzen. (…) … weiter 

http://altonabloggt.files.wordpress.com/2013/12/lieber-b__bremen_bge.pdf

Ergänzungen:

Im Jahre 2009 hatte sich die Diakonie eindeutig gegen Sanktionierungen ausgesprochen (Diakonie Texte | Positionspapier | 07.2009 (http://www.diakonie.de/media/Texte-2009-07-Rechtsstellung.pdf) – besonders S. 9 und 18) – sowie sehr konkrete Gesetzesänderungen gefordert, vor allem ein Ende der Sanktionen.

Inge Hannemann hatte im Oktober in Bremen viele unhaltbare Zustände bis hin zu massiven Verletzungen der Grundrechte aus der Sicht und Erfahrung einer engagierten Jobcentermitarbeiterin dargestellt. Zu der Abendveranstaltung waren ca. 100 Teilnehmer gekommen, darunter viele Betroffene. Die von ihnen erlittenen Kränkungen und seelischen Verletzungen, die Ohnmacht gegenüber einer sich übermächtig gebärdenden Organisation prägten deutlich die Stimmung im Saal. Das wurde in vielen Gesprächsbeiträgen, den spürbaren Erleichterungen der Teilnehmer über Hannemanns Bestätigung der erlebten Missstände und auch den zahlreichen Fragen deutlich. Es ging um unterschwellige und offene Angst und Ohnmacht, die zu Wut oder Verzweiflung führen und seelisch krank machen. Hannemann hat deutlich betont, dass nicht nur viele der "Kunden", sondern auch überforderte, schlecht ausgebildete und selbst leidende Mitarbeiter der Jobcenter leiden. Die ganze Veranstaltung ist dokumentiert unter http://www.youtube.com/watch?v=iWo252g7FV0.

http://www.youtube.com/watch?v=iWo252g7FV0

Kommentare von Veranstaltern und Besuchern sind unter https://www.grundeinkommen.de/28/11/2013/ueberwindung-der-hartz-iv-falle-durch-bedingungsloses-grundeinkommen-eine-veranstaltung-in-bremen.html zu lesen.

Kurz nach dieser Veranstaltung erfuhren wir von Plänen der Arbeitsagentur zu weiteren Verschärfungen der jetzt schon unhaltbaren Sanktionspraxis http://www.welt.de/politik/deutschland/article121609442/Arbeitsagentur-fordert-schaerfere-Hartz-IV-Regeln.html?config=print. Daraufhin ist der Brief an B. entstanden.

Wer sich diesem Brief anschließen möchte, kann eine kurze Antwortmail an InitiativeBGE.BEK@nord-com.net mit Angabe des eigenen Namens und / oder Berufs-/ Funktionsbezeichnung senden. Wir werden versuchen, diesen Brief und die Unterstützungsbekundungen weiter öffentlich bekannt zu machen.

Und hier geht es zur Online-Petition 46483 im Bundestag zur Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und Grundsicherung. Danke!

https://epetitionen.bundestag.de/content/petitionen/_2013/_10/_23/Petition_46483.html



Montag, 2. Dezember 2013

Ja, da muss ein Slogan her: 'SPD - damit die Kleinen noch kleiner werden!' --->>> SPD braucht nicht Reformen -->> bei der gibt es längst nur Normen...

 
Das NEIN entscheidet!
 
von Dieter Braeg
 
 
[via scharf-links.de]
 
 
 

Nachfolgend die ersten 6 Sätze des Koalitions- vertrages, der viel Druckerschwärze, verpackt in Unverbindlichkeitsgeschwurbel, auf fast zweihundert Seiten, der dem Volk Ohren und Hirn verstopft.

„Die Koalition aus CDU, CSU und SPD sieht Deutschlands Chancen in einer mittelständisch geprägten und international wettbewerbs- fähigen Wirtschaft, deren Kern auch weiterhin eine moderne, dynamische Industrie ist. Die Fundamente der Sozialen Marktwirtschaft wollen wir mit Blick auf neues Wachstum und mehr Beschäftigung stärken. Wir werden unternehmerische Verantwortung und gute Sozialpartnerschaft gleichermaßen stärken. Auf den Finanzmärkten wollen wir uns weiterhin für eine wirksame Regulierung einsetz- en und das Prinzip von Risiko und Haftung sicherstellen. Wir wollen stärkere Anreize für nachhaltiges Handeln innerhalb von Unternehmen setzen. Dazu werden wir im Dialog mit der Wirtschaft wirksame Maßnahmen zur Langfristorientierung der Vergütungs- und Bonisysteme prüfen."

Sigmar Gabriel meint dazu, dies sei der „Koalitionsvertrag für die kleinen Leute"! Diese „kleinen Leute" sind so unwichtig, dass sie im Koalitionsvertrag gar nicht vorkommen.

Ja, da muss ein Slogan her: 'SPD - damit die Kleinen noch kleiner werden!'

Damit es dann später auch für einen Ministerposten im Kabinett Merkel reicht, zieht jetzt die Spitze der Sozialdemokratie, die so stumpf ist wie immer, mit Dumpfdumm- worten durchs Land. Man „verkauft" der SPD Mitgliedschaft ein Vertragswerk, das man mit jenen Kräften abgeschlossen hat, die man, so war die Wahlkampfparole – ablösen wollte!

Die zentralen Themen und Forderungen mit denen man diese nichtunsere Deutschland- welt durch Sozialdemokratie verändern wollte, die sind so verbindlich Unverbindlich, wie ein Krückstock ohne Blindenhund. Da sich in der SPD niemand findet, der den Schäuble machen will, ist die zentrale Antwort zu all jenen „Erfolgen" der Sozialdemokratie in diesem Vertrag der Unverbindlichkeitskoalition:

Schäuble sagt Nein!

Ob Mindestlohn, Rentenreform, Vermögenssteuer, Energiewende oder die Bürgerver- sicherung – die anscheinend nicht nur sprachlich auf die Bürgerinnen verzichtet – es ist eine demütige Verbeugung vor den Reichen und Besitzenden, deren Eigentum man auch per Vorratsdatenspeicherung schützt.

Sigmar Gabriel und seine „Koalitionsvertragsverkaufskolonne" zieht durch die Lande und beansprucht, gegenüber der Mitgliedschaft die Deutungshoheit!

Wer Deutungshoheit verlangt, der braucht die Unterheit samt jenem Untertanen den Heinrich Mann (vergessen seit Jahren, dank der Einschaltquotenkultur) so trefflich im gleichnamigen Roman schilderte.

Da passt ja dann auch, was zur Kultur im KoalitionsbürgerinnenBürgerBetrugskoaliti- onsvertrag steht und per KulturNichtkompetenz der CDUSPDCSU droht:
„Der Analyse, dem Austausch und der Reflexion dienen eine verstärkte Kulturpolitikfor- schung und eine ggf. gesetzlich zu sichernde Kulturstatistik. Dazu gehört auch die Wei- terentwicklung einer qualifizierten Besucherforschung, die wertvolle Rückmeldungen zu künstlerischen Angeboten gibt."

Kehren wir, bevor der Besucherforscher Gabriel im Souffleurkasten erstickt, zurück zur Deutungshoheit.

Dort wo, wie in Dresden beim schon lang verdrängt und vergessenen Parteitag, Deut- ungshoheit verkündet wurde, da wird der hoheitlichen Macht das Wort geredet.

Bald will diese SPD die keinen Boden mehr unter den Füßen findet, ihre schäbige Ge- schichte mit diesem Koalitionsvertrag schmücken, da passt es, wenn man die Deut- ungshoheit verkündet und jene Anmaßung betreibt, die nur die EINE Wahrheit zulässt, nämlich die approbierte, sanktionierte, zugelassene, verordnete und an die Mitglieder „verkaufte".

Als es um Kriegskredite für den Kaiser ging, im vorigen Jahrhundert war man „dabei" und jetzt vertragskoaliert man. Da schreitet es sich gut, Seit an Seit mit jenen, die einen immer wieder als Bündnispartner benutzen können, wenn im Haus Kapital die Kacke am Dampfen ist.

Erinnern wir uns doch mal an die Deutungshoheit in der Antike. Das Orakel von Delphi sprach zunächst nur einmal im Jahr am Geburtstag des Apollon, dem siebenten Tag des Monats Bysios, später am siebten Tag jeden Monats im Sommer. Im Winter legte es für drei Monate eine Pause ein.

Aus DelphiBerlin erreicht mich die Nachricht

„Künde dem darbenden Volke, diese im Koalitionsvertrag schöngefügte SPD ist gefallen. Das arbeitende Volk und die Armen und Schwachen besitzen keine Zuflucht mehr, die heilige Solidarität ist verwelkt, ihre Quelle schweigt für immer."

Fehlt noch was?
Nun, die Mitgliedschaft wird nicht NEIN sagen.

Wenn dann anschließend das feine Koalitionsleben beginnt, was dann, wenn's Zeit wird für „Reformen"?

Schäuble sagt NEIN!

Er muss sparen! Am Staat. An Sozialleistungen. An den Ärmsten der Armen. Weil wir im internationalen Wettbewerb stehen.

SPD braucht nicht Reformen
bei der gibt es längst nur Normen
Der BescheissDummokratie:
Politik macht man mit Nieten,
Zu viel kämpferische Typen
Wär'n ein Schuss ins Knie
SPD es gibt keinen Weg - geh!

Ein Rat an die Mitgliedschaft: Das NEIN entscheidet!

Dieter Braeg


VON: DIETER BRAEG




--->>> Diener des Kapitals --->>> Steinmeier -> d. entscheidenden Steuersenkungen von über 60 Milliarden Euro, durch eine SPD geführte Regierung gab

 
 
 
Diener des Kapitals
 
von G. Karlfeld
 
[via scharf-links.de]
 
 
 

Vor einigen Tagen zitierte ich, „die parlamen- tarische Demokratie ist die Kulisse für die Diktatur des Kapitals", die Rede des SPD-Frak- tionsvorsitzenden  auf dem Deutschen Arbeitgebertag 2013 [1] verdeutlicht dies, meiner Meinung nach, in seltener Offenheit.

Steinmeier machte das Kapital darauf aufmerksam, dass es die entscheidenden Steuersenkungen von über 60 Milliarden Euro, durch eine SPD geführte Regierung gab. Genauso wie die Reform der Arbeitsverwaltung, die Flexibi- lisierung der Arbeitszeiten und die Halbierung der Beiträge zu Arbeitslosenversicherung. Er nannte das mutige Reformpolitik.

Er hat auch auf die Opfer hingewiesen, die das gekostet hat, man hat sich beschimpfen lassen müssen und hat Wahlen durch diese Reformpolitik verloren. Er beklagte sich über eine unterkühlte Zuneigung zur SPD durch die dortigen Vertreter des Kapitals, im Ver- gleich mit der Unionsparteien, trotz dieser mutigen Reformpolitik.

Ich will nun diese Rede so interpretieren wie ich sie verstehe.
Da beklagt sich ein sehr fleißiger Diener und Knecht über zu wenig Zuneigung und Aner- kennung für die risikoreiche Arbeit. Seine Gegenüber, das Kapital sagt sich, was will er denn, er hat doch seinen Lohn bekommen, er hat doch politische Karriere gemacht.

Herr Steinmeier hat offensichtlich übersehen, dass auch ein fleißiger Knecht, Knecht bleibt. Er bestärkt dies, ohne dass es ihm bewußt ist, auch noch in seiner Rede. Auch wenn man sich noch so für die Herrschaften einsetzt, wird noch lange keine Augenhöhe hergestellt. Im Gegenteil, man verliert eher an Achtung. Wenn man die Erwartungen nicht mehr erfüllen kann, heißt es, der 'Moor hat seine Schuldigkeit getan, der Moor kann gehen'.

Man darf dies jedoch nicht an der Person Steinmeier fest machen, sie kann und wird jederzeit durch eine andere ersetzt werden. Ich möchte auch nicht behaupten, dass ich an seiner Stelle anders, besser, moralischer gehandelt hätte. Jeder könnte mit seinem Lebenslauf an seiner Stelle stehen. Der Mensch wird sein Leben lang geprägt durch sein Umfeld.

Das eigentliche Problem ist, dass eine Handvoll Menschen über die gesellschaftlichen Belange entscheiden kann, sowohl im Staat wie in den gesellschaftlichen Organisationen wie Parteien, Gewerkschaften usw..
Treffen nur Wenige die gesellschaftliche Endscheidungen, treffen sie sie auch nur für Wenige, die Masse muss schauen wo sie bleibt, wo sie wohnt, wo sie arbeitet, wie sie über die Runden kommt.

Arbeiter sind auch nicht die besseren Menschen, die sogenannten Betriebsratsfürsten sowie die abgehobenen Funktionärseliten in den Gewerkschaften könnten allesamt diese Rede gehalten haben.

In diesem Sinne
alle Macht den Räten!


[1] www.youtube.com/watch?v=c1OomcaIePc&t=954s


VON: G. KARLFELD




Sonntag, 1. Dezember 2013

Vorurteile b. Menschen mit höheren Einkommen b. Obdachlosenabwertung + Abwertung v. Langzeitarbeitslosen am deutlichsten zunahmen

 

 

Deutsche Missstände: Zu ihrer Entstehung und Überwindung – Einblicke in Ursachen, Theorie und Praxis
 
[via Wirtschaft und Gesellschaft]
 
 
 

Eine Rezension der heute bei Suhrkamp erschienenen zehnten und letzten Folge "Deutsche Zustände"

Deutsche Zustände, Folge 10, heißt der heute erschienene, letzte Band einer zehnjährigen Forschungsreihe. Der Titel, so verrät der Herausgeber, Wilhelm Heitmeyer, Leiter des Instituts für Interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld, ist bei Heinrich Heine entlehnt.

Unter dem Titel "Französische Zustände" hatte Heine aus seinem Pariser Exil für die Augsburger Allgemeine Zeitung geschrieben. Heines Ziel: "Das Verständnis der Gegenwart." Sein Motiv: "Wenn wir es dahin bringen, dass die große Menge die Gegenwart versteht, so lassen die Völker sich nicht mehr von den Lohnschreibern der Aristrokratie zu Hass und Krieg verhetzen."

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Hass ist ein diffuses Gefühl, in dem häufig Ängste, Verletzung, Ausgrenzung und Aussichtslosigkeit ihren Ausdruck finden. Darum geht es auch in der Untersuchung zur "Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit". Das ist der offizielle Name der Langzeitstudie, der aufgrund seiner Sperrigkeit sicherlich zurecht nicht als Titel für die Buchausgabe verwendet wurde. Dem daraus ableitbaren Anspruch auf Allgemeinverständlichkeit wird das Buch, trotz der Komplexität der Untersuchung, auch im Text gerecht.

"Was denken die Menschen? Wie verändern sich ihre Einstellungen? Welche Erfahrungen machen sie? Wie nehmen sie die Dinge wahr und wie verarbeiten sie ihre Eindrücke? Und nicht zuletzt: Welche Folgen hat das für schwache Gruppen in dieser Gesellschaft?" So beschreibt Heitmeyer zusammenfassend den Gegenstand und Fokus der Deutschen Zustände.

Der größte Erfolg gegen die im Buch aufgezeigten deutschen Missstände, so dann auch der Gedanke, der sich bei mir während der Lektüre einstellte, wäre sicherlich gegeben, wenn die Medien ihm genausoviel Aufmerksamkeit schenken würden wie dem Buch Sarrazins. Die Medien und Sarrazin aber sind selbst Teil der in den Deutschen Zuständen aufgezeigten Missstände.

"Rohe Bürgerlichkeit"

Heitmeyer schreibt einleitend: "Die Ergebnisse verweisen auf Entwicklungen, im Zuge welcher die Gesellschaft unterhalb des Radars der öffentlichen Aufmerksamkeit zunehmend vergiftet wird." Sein Augenmerk richtet sich auf die unterschiedlichen Lebensbedingungen, unter denen die Menschen auf Krisen reagieren. Dabei sticht heraus, dass in der Zeit von 2009 bis 2010 die Vorurteile bei Menschen mit höheren Einkommen bei Rassismus, Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Obdachlosenabwertung und der Abwertung von Langzeitarbeitslosen und Sexismus am deutlichsten zunahmen. Auch aufgrund dieser Entwicklung schließt Heitmeyer: "Entsicherung, Richtungslosigkeit und Instabilität" sind zur neuen Normalität geworden, die Nervosität scheint über alle sozialen Gruppen hinweg zu steigen."

Heitmeyer attestiert der deutschen Gesellschaft eine "explosive Situation als Dauerzustand" und warnt vor einer "rohen Bürgerlichkeit", die sich dadurch auszeichnet, "dass in bürgerlichen Kreisen offensichtliche Versuche unternommen werden, privilegierte Positionen zu wahren und abzusichern." Das ginge, so Heitmeyer, auch mit der Abwertung und Desintegration von als "nutzlos" etikettierten Menschen einher. Die auch durch einen Rückzug aus der Solidargemeinschaft gekennzeichnete rohe Bürgerlichkeit würde dabei auch über liberale Tages- und Wochenzeitungen ventiliert.

Die Rolle der Medien

Der Rolle der Medien widmet sich auch der Journalist Gunter Hofmann unter der Überschrift: "Das soziale und der Zeitgeist, Eine Einlassung auf das letzte Jahrzehnt".

Hofmann schlussfolgert, dass von den Medien "fast unisono, einschließlich der liberalen Blätter (mit Ausnahme kleiner Randphänomene wie dem Freitag, gelegentlich auch noch der taz) der Zwang ausging, einen neoliberalen Kurs einzuschlagen: "Die ´soziale Frage´ galt nicht nur als vernachlässigbar, sie wurde vielmehr regelrecht als Traditionsballast diffamiert, den man abschütteln müsse, um in der zunehmenden Weltmarktkonkurrenz nicht abgehängt zu werden."

Hofmann bezieht sich dabei ausdrücklich auf die rotgrüne Bundesregierung, die 1998 Helmut Kohls Koalition ablöste. Vor dem von Hofmann gezeichneten Hintergrund wundert es nicht, dass, wie Hofmann fast lapidar feststellt, "die Krise des herrschenden Kapitalismus nicht etwa die europäische Sozialdemokratie oder Linksparteien gestärkt hat." Ausführlich widmet sich Hofmann in einem späteren Kapitel der Politik Schröders von 1998 bis 2005 und dem Zusammenspiel von Politik und Medien.

Rückschlüsse auf die deutsche Sozialdemokratie und die deutschen Medien

Die Analyse Hofmanns sollte insbesondere der deutschen Sozialdemokratie zu Denken geben, deren drei Kanzlerkandidaten nicht nur die Agenda-Politik seit 1998 bis heute maßgeblich mitgetragen haben und bestimmten, sondern sich auf dem gerade zurückliegenden SPD-Bundesparteitag auch noch ausdrücklich lobend auf jene Regierungszeit bezogen. Vor dem Hintergrund der Lektüre der Deutschen Zustände wirft die Rede des SPD-Parteichefs, in der er die Neuausrichtung der SPD mit dem Bundesparteitag für abgeschlossen erklärte, noch einmal mehr ihre dunklen Schatten auf eine etwaige sozialdemokratische Regierung voraus, sollte sich der Zustand der SPD nicht vorher noch hin zu den Bedürfnissen der Bevölkerung und zu den ökonomischen und sozialen Voraussetzungen für gesellschaftlichen Zusammenhalt neu ausrichten.

Hofmann spannt schließlich den Bogen von einer "veränderten Bürgerlichkeit", über Journalisten, Sozial- und Politikwissenschaftler bis hin zu den Lehrstühlen für Ökonomie, "die fast ausschließlich einseitig besetzt wurden." Seine Analyse besticht durch journalistische Qualität – und Aktualität, denn selbst das jüngste "Erschrecken" des konservativen Kommentators Charles Moore und des FAZ-Herausgebers Frank Schirrmacher ist noch mit in seinen Text eingeflossen.

Bei aller Anerkennung, die Frank Schirrmacher zu Recht für seine Offenheit, in seinem Feuilleton kritische Stimmen zu Wort kommen zu lassen, erhielt, stimmt doch die kritische Frage Hofmanns zumindest nachdenklich: "Kommt das große Erwachen jetzt ausgerechnet von dieser Seite, deren Sensibilität für gesellschaftliche Verwerfungen zuvor nicht sonderlich ausgeprägt war? Gut möglich, und es gibt Gründe dafür. Es ist auch das Erschrecken über das, was unter dem eigenen Banner geschah."

Ich denke dabei – gerade vor dem Hintergrund der in den Deutschen Zuständen aufgezeigten "rohen Bürgerlichkeit" – daran, dass auch ein Frank Schirrmacher Sarrazin das Prädikat Bildungsbürger verlieh, ohne das "Bildungsbürgertum" entsprechend zu hinterfragen, und daran, dass er Sarrazin auch noch eine vollständige Seite der FAZ-Weihnachtsausgabe für einen Gastbeitrag in seinem Feuilleton einräumte, in dem Sarrazin noch einmal unwidersprochen seine kruden Thesen als von niemandem widerlegt verbreiten durfte. Und das, obwohl die Wissenschaftlerin, die Psychologin Elsbeth Stern, auf die sich Sarrazin hauptsächlich bezog, ihn längst widerlegt hatte. Elsbeth Sterns vernichtendes Urteil damals: "Sarrazin hat nicht verstanden, wie die Vererbung die Entwicklung von Intelligenz beeinflusst."

Die teils überbordende – unter den Umständen einer nun schon seit vielen Jahren gleichgeschalteten Medienlandschaft ja auch nachvollziehbare – Anerkennung, die Schirrmacher jetzt für die Öffnung seines Feuilletons gezollt wird, ist im Ergebnis doch auch nur Ausdruck des krisenhaften Zustands deutscher Medien. Gesund wäre es, würden Politikteil, Wirtschaftsteil und Feuilleton gleichermaßen verschiedene Meinungen wie selbstverständlich zum Zuge kommen lassen. Die Wirklichkeit ist bekanntlich eine andere. Einen persönlichen Beleg dafür lieferte vor nicht allzu langer Zeit auch der Tagesspiegel. Da durfte der Kolumnist Harald Martenstein auf der Titelseite des Tagesspiegel am Sonntag den größten ökonomischen Blödsinn verbreiten, eine Replik aber wurde mit fadenscheinigen Verrenkungen abgelehnt. Am Tag der Ablehnung aber erschien noch einmal der gleiche ökonomische Tenor aus der Feder des Chefredakteurs höchstpersönlich. Ein Paradebeispiel für die Abgründe des deutschen Medienbetriebs.

Gunter Hofmann fragt in den Deutschen Zuständen:

"Wird es einen Rückweg in eine Debatte über Alternativen, über postneoliberale Ökonomie, über ein Regelwerk zur Zähmung des radikalen Marktkapitalismus geben?"

Hofmanns Antwort:

"Vorstellen kann man sich das nicht. Anfangen müsste es ja damit, dass die moderne Demokratie über ihre eigenen Defizite und Deformationen laut reflektiert."

Bei der Vorstellung des Buches auf der Bundespressekonferenz wurde bekannt, dass die Wochenzeitung Die Zeit 2007 den Verfassern der Deutschen Zustände die Zusammenarbeit mit dem Hinweis aufkündigte, dass deren Berichterstattung zu kritisch sei.

Den Provokateuren und Menschenfeinden Sarrazin und Sloterdijk widmet Hofmann schließlich breiten Raum in seiner Analyse, genauso wie dem "Marketing-Journalismus" und der "Talkshow-Kultur". Er bemängelt dabei unter anderem die Reduzierung von Politik auf Entertainment.

Bemerkenswerte Breite und Tiefe der Schilderungen

Angesichts der Kompaktheit des Buches ist es kaum zu glauben, in welcher Breite und Tiefe das Phänomen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit untersucht wird. An die generalisierenden Teile von Heitmeyer und Hofmann schließen sich empirische Studien über die Abwertung von Asylbewerbern, Sinti und Roma an. In einem weiteren Teil wird die Entwicklung rechtspopulistischer Orientierungen und Parteien untersucht.

Der Zusammenhang zwischen konjunkturellen Schwankungen, den damit verbundenen Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt und deren Auswirkungen auf Fremdenfeindlichkeit ist ein weiterer Gegenstand, der im Zeitverlauf untersucht wird. Ein Fazit daraus: "Die andauernde Prekarisierung ist in 2011 trotz positiver Arbeitsmarktstatistiken keine erfolgversprechende Voraussetzung für die Zukunft."

Es werden darüber hinaus die Bedeutung von Jugendarbeitslosigkeit untersucht, die Frage nach Zusammenhalt und Vielfalt in der Gesellschaft, die Entwicklung von Vorurteilen gegenüber Muslimen und Juden und antisemitische Einstellungen bei Jugendlichen aus muslimisch geprägten Sozialisationskontexten. Dem Rechtsextremismus und der Demokratieentwicklung in Ostdeutschland und den Opfern rechsextremistischer Gewalt sind jeweils eigene Teile gewidmet.

Hervorragend und originell zugleich auch der Beitrag von Albrecht von Lucke: "Populismus schwergemacht. Die Dialektik des Tabubruchs und wie ihr zu begegnen wäre." Nicht nur zeigt Lucke auf, wie die Medien im Umgang mit Populisten wie Martin Walser, Jürgen W. Möllemann, Heinz Buschkowsky, Eva Herman, Jörg Haider und Thilo Sarrazin komplett versagen. Lucke erklärt die kalkulierten Verhaltensmuster dieser Provokateure und worauf es ankommt, diesen Tabubrechern wirksam zu begegnen.

Ein Kompendium für selbständiges Denken und Handeln

Aufgrund ihrer Breite und Tiefe und ihrer analytischen Sorgfalt sind die Deutschen Zustände nicht nur für eine einmalige Lektüre bestimmt. Das Buch ist ein Kompendium, das sich auch aufgrund des desolaten Zustands weiter Teile deutscher Medien und Politik lohnt, stets griffbereit zu halten, um sich und andere ein Stück weit gegen die oberflächliche und teils gemein gefährliche Meinungsmache zu schützen. Es öffnet die Augen, fördert die eigene Meinungsbildung und hilft im Umgang mit der um sich greifenden, nicht nur gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Die Langzeitstudie mag mit dieser letzten Untersuchung abgeschlossen sein. Die Aufgabe aber, die deutschen Missstände zu überwinden, bleibt.

In seiner "Bilanzierung" schreibt Heitmeyer: "Nach zehn Jahren der Forschungen gilt weiterhin: Die Würde des Menschen ist antastbar. Die Aktivitäten bestimmter politischer Bewegungen und Parteien bleiben – trotz zivilgesellschaftlichem Engagements – für bestimmte Gruppen lebensgefährlich."




vertiefend! #Abwertung v. #Langzeitarbeitslosen, #Obdachlosen + #Behinderten #zugenommen #haben [auch im #SiliconSaxony #DD]

 
 
 

 

Angst vor dem Absturz

und der kulturellen Vielfalt

führt zum Hass auf Minderheiten

 
[via heise.de]
 
 

Nach dem Abschlussbericht der Studie über die "Deutschen Zustände" leben wir in explosiven Zeiten, weil Unsicherheit Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtspopulismus und Gewaltbereitschaft verstärkt

Seit 10 Jahren erforscht das Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld die "Deutschen Zustände" nach den Zeichen und der Präsenz von "Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" (GMF). Darunter werden neben Fremdenfeindlichkeit Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Sexismus und Homophobie verstanden, also Formen der Abwertung identifizierbarer Gruppen von Menschen, die nicht als gleichwertig betrachtet werden, weil sie irgendwie anders, fremd oder "unnormal" sind. Eingebettet wird die Frage, wie viel Vielfalt oder Multikulturalismus eine Gesellschaft akzeptiert oder aushält mit der, was eine Gesellschaft zusammenhält (siehe auch: Sind die Deutschen "ausgesprochen fremdenfreundlich" oder gibt es eine "anhaltend menschenfeindliche Situation" in Deutschland?).

Gestern wurde der abschließende zehnte Band der Studie vorgestellt, für die jeweils jährlich eine repräsentative Auswahl von 2000 Menschen telefonisch befragt wurden, und konstatiert, dass sowohl Fremdenfeindlichkeit und Rassismus, beispielsweise gegenüber Sinti und Roma, als auch die Abwertung von Langzeitarbeitslosen, Obdachlosen und Behinderten zugenommen haben. Zurückgegangen sind hingegen die Islamfeindlichkeit nach einem Peak im Jahr 2010, Antisemitismus, Sexismus und Homophobie. Gleichwohl sagen weiterhin mehr als 30 Prozent, sie fühlten sich durch die Anwesenheit der Muslime im Land manchmal wie Fremder (2010: 38,9%) und sind islamfeindliche Aussagen nun wieder auf dem Stand von 2003.

Und 54 Prozent meinen, wer neu im Land ist, müsse sich erst mal mit weniger zufrieden geben (2010: 64,7%). Und 29, 3 Prozent sagen, man solle die in Deutschland lebenden Ausländer in ihre Heimat zurückschicken, wenn Arbeitsplätze knapp werden (2010: 24,%). Der Wunsch nach einer homogenen Wir-Gesellschaft zeigt sich daran, dass 47 Prozent der Ansicht sind, es lebten zu viele Ausländer in Deutschland. Das sind zwar weniger als 2002, für die Forscher ist die Veränderung aber nicht signifikant. Klar ist jedoch, dass die GMF keine Randerscheinung ist, sondern aus der Mitte der Gesellschaft, aus der vom Absturz bedrohten Mittelschicht, kommt (Die Verrohung der Mittelschicht).

Die GMF wird wie bei einer Krankheit auch als "Syndrom" bezeichnet. Das legt nahe, dass bei aller Vielfalt der Symptome unterstellt wird, es gebe eine gemeinsame Erklärung für GMF, was wiederum bedeuten müsste, dass es zufällig ist, wie sich die GMF bei den Menschen ausprägt, und dass bei einem Fehlen der Ursache das Syndrom nicht oder nur höchst marginal auftreten dürfte.

Die Hypothese der Studien war, dass soziale Unsicherheit oder Desintegrationsängste die Menschen, da ihnen keine soziale Anerkennung zuteil wird oder sie zu wenig erhalten, zum GMF-Syndrom, also zur Abwertung von Menschengruppen bzw. zur eigenen Überhöhung, zur Gewaltlegitimation und zum Rechtsextremismus treiben kann. Letzterer geht einher mit einer Ablehnung der Demokratie und der Neigung zu einem autoritären System. Vieles erinnert etwa an die These vom autoritären Charakter.

Die Forscher gehen jedenfalls davon aus, dass das von ihnen untersuchte Jahrzehnt in allen Hinsichten - im politischen, sozialen, wirtschaftlichen und religiösen Bereich und auch in dem der Lebensstile - als "entsichert" beschrieben werden könne und verweisen dabei etwa auf "Signalereignisse" wie den 11.9. und die Islamfeindlichkeit, Hartz IV und die Ängste vor dem Abstieg sowie die Finanz-, Wirtschafts- und Schuldenkrise. Für die Desintegration spreche, dass zwischen 2002 und 2006 die Angst vor Arbeitslosigkeit, vor geringerem Lebensstandard oder vor der Zukunft zugenommen habe. 2011 sagen immerhin schon 56 Prozent, dass der Zusammenhalt der Deutschen gefährdet sei, und 74 Prozent sehen die Gesellschaft allmählich auseinanderfalle. Instabilität sei in der Dauerkrise zur Normalität geworden, das Vertrauen in die Politik und Demokratie sinke, während das Gefühl der Machtlosigkeit steige. Gleichzeitig herrsche eine "Mentalität der Besserverdienenden", die die soziale Spaltung verstärke, gleichzeitig breite sich eine "Ökonomisierung des Sozialen", in der Gruppen als nutzlos oder ineffektiv, also als minderwertig herabgestuft werden, wie dies auch der faschistischen Ideologie eigen war.

Die Ideologie einer homogenen Gesellschaft ist die größte Bedrohung

Belegt wird von der Auswertung der Umfrage, dass die Menschen, die Deutschland als überfremdet empfinden (50%) oder die zu viele kulturelle Unterschiede für einen Zusammenhalt als schädlich betrachten (37%), sich auch eher als benachteiligt oder krisenbedroht sehen: "Gefühle des Ausschlusses, der Vereinzelung und Desintegration gehen mit Verunsicherungen über den Zustand (der Gesellschaft) einher." Gleichzeitig sehen sich diese Menschen natürlich auch bedroht von den Anderen und Fremden, über die man sich stellt, um sie zu degradieren. Wer sich durch kulturelle Vielfalt bedroht sieht und der Ideologie einer homogenen Gesellschaft anhängt, wertet bestimmte Gruppen stärker ab und zwar alle, die von der Umfrage erfasst wurden. Interessant wäre gewesen, ob die Abwertung auch bestimmte Gruppen in herrschenden Eliten betrifft (Reiche, Banker, Politiker etc.), aber das war leider nicht die Fragestellung. Allerdings hätte sie das Bild abgerundet, denn eine Schlussfolgerung der Autoren lautet:

Erst die Ideologie der gleichförmigen Gesellschaft überführt die Bedrohung des Zusammenhaltes der Gesellschaft in die Ungleichwertigkeit.

Zuvor war die Rede von einer "homogenen Volksgemeinschaft", auf die der Begriff der "gleichförmigen Gesellschaft" wohl Bezug nimmt. Nimmt der aus Ängsten vor dem Zerfall der Gesellschaft und allgemein vor der Destabilisierung getriebene Anhänger einer "homogenen Volksgemeinschaft" eine höchst hierarchische und ungleiche Volksgemeinschaft in Kauf, was mit dem Hang zum autoritären Regime der Fall zu sein scheint? Oder richtet sich die Sündenbockstrategie bzw. die Strategie, durch Abwertung der noch Schwächeren sich selbst zu erhöhen, auch gegen die sozialen Machtstrukturen?

Immerhin billigen zwischen 10 und 20 Prozent Gewalt (19 Prozent stimmen der Aussage zu: "Wenn sich andere bei uns breit machen, muss man ihnen unter Umständen unter Anwendung von Gewalt zeigen, wer Herr im Hause ist"), während 11 Prozent befürworten, dass man manchmal Gewalt einsetzen muss, um nicht den Kürzeren zu ziehen. Das Gewaltpotenzial sei zwar nahezu seit 2002 unverändert, es sei aber wieder ein leichter Anstieg seit dem letzten Jahr festzustellen. Zwar sind jüngere Menschen eher zur Gewalt bereits, die Billigung der Gewalt ist aber unter den Älteren höher. Das ergänzt sich also und zeigt, dass die Jungen mitunter das ausagieren, was sie sich die Älteren nicht zu tun trauen, aber für gut heißen. Dabei steigen Gewaltbilligung und -bereitschaft, je stärker die Menschen rechts orientiert sind. Das Gewaltpotenzial ist sogar in der politischen Mitte höher als bei denjenigen, die eher links oder links sind. Die Befürwortung von Gewalt hängt zudem direkt mit der GMF zusammen.

Tröstlich mag erscheinen, dass der Rechtspopulismus an Attraktivität eingebüßt hat, allerdings ist die Islamfeindlichkeit nicht zurückgegangen. Als bedenklich sehen es die Autoren, dass die zum Rechtspopulismus Neigenden fast durchweg sagen, dass sie keinen Einfluss darauf haben, was die Regierung macht, woraus gefolgert wird, dass die politische Entfremdung zunimmt und die parteipolitische Integration schwindet. Überdies sei hier die Protest- und Gewaltbereitschaft gestiegen. Es könnte also von dieser Seite her gefährlicher werden.

Erstaunlich ist, dass man bei Politically Incorrect oder bei der Ein-Themen-Partei Die Freiheit zu den Ergebnissen der Studie bislang ebenso schwiegt wie bei der NPD, obwohl die Studie doch vornehmlich die Szene analysiert, von der die Rechtspopulisten und die Rechten ihre Anhänger holen. Vermutlich gehen die von den Autoren gezogenen Zusammenhänge den Ideologen der Rettung des Abendlandes und der Islamfeindlichkeit doch zu nahe, zumal Rechtspopulismus heute eben heißt, vom Antisemitismus zum Antiislamismus übergewechselt zu sein, während man die USA, Israel und irgendwie den Kapitalismus schätzen kann, aber politisch wird es bei den Rechtspopulisten sowieso ziemlich dünn..




#Workfare [auch im #SilliconenSaxony #Dresden] ist #Warfare #gegen einen #Aufstand der #Armen - #Bürgerarbeit [via bag-plesa]

 

Bürgerarbeit

http://www.bag-plesa.de/texte/I.f.s.G.Wiesbaden_buergerarbeit-2010-08-11.htm

by. Rainer W. Monzheimer, I.f.s.G. e.V., Wiesbaden &xnbsp;Inhalt aus Wikipedia

Bürgerarbeit ist eine Bezeichnung für sehr unterschiedliche Konzepte zur Ausübung von Tätigkeiten im öffentlichen Interesse, für die kein regulärer Arbeitsmarkt besteht.

Der diesbezügliche Sprachgebrauch ist im einzelnen uneinheitlich. Teilweise wird darunter eine freiwillige Tätigkeit verstanden, teils aber auch die Zuweisung einer Maßnahme, die im Falle der Weigerung des Betroffenen mit für ihn nachteiligen Sanktionen bewehrt ist.

Im letzteren Fall handelt es sich um ein Konzept der sogenannten Workfare, das darauf abzielt, die Bezieher von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende (vor 2005: Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe) zu aktivieren und in einer gemeinnützigen Arbeit auf kommunaler Ebene einzusetzen.

Konzept der Bayerisch-Sächsischen Zukunftskommission 1996/1997

Das Konzept der Bürgerarbeit geht ursprünglich auf die „Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen" zurück, die in den Jahren 1996 und 1997 unter dem Vorsitz von Meinhard Miegel einen dreiteiligen Bericht vorlegte, der den Titel trug: „Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland: Entwicklung, Ursachen, Maßnahmen".[1]

Die Kommission, der u.a. auch der Soziologe Ulrich Beck angehörte, definierte die Bürgerarbeit als ein

freiwilliges gesellschaftliches Engagement, das projektgebunden (und damit zeitlich begrenzt) in kooperativen, selbstorganisierten Arbeitsformen unter der Regie eines Gemeinwohl-Unternehmers autorisiert, abgestimmt mit dem (kommunalen) Ausschuß für Bürgerarbeit ausgeschrieben, beraten und durchgeführt wird. Bürgerarbeit wird nicht entlohnt, aber belohnt und zwar immateriell (durch Qualifikationen, Ehrungen, die Anerkennung von Rentenansprüchen und Sozialzeiten, ‚Favor Credits' etc.). Materiell erhalten diejenigen ein Bürgergeld, die hierauf existentiell angewiesen sind. Die Maßstäbe sind die gleichen wie bei der Gewährung von Sozialhilfe; deshalb können die erforderlichen Mittel aus den Haushalten der Sozialhilfe und gegebenenfalls der Arbeitslosenhilfe entnommen werden. Jedoch, die Bezieher von Bürgergeld sind – bei sonst gleichen Voraussetzungen – keine Empfänger von Sozial- oder Arbeitslosenhilfe, da sie in Freiwilligen-Initiativen gemeinnützig tätig sind. Auch stehen sie dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung, wenn sie das nicht wünschen. Sie sind keine Arbeitslosen.[2]"

Es handelt sich demnach bei der Bürgerarbeit um eine neue Form des Ehrenamts,[3] das aber sozial anerkannt wird und das insbesondere auch eine Bezahlung in Form eines Bürgergelds mit sich bringt, welches höher bemessen ist als die damaligen Fürsorgeleistungen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe. Wesentlich ist, dass es sich dabei um eine freiwillige Tätigkeit handeln soll, „jenseits der Erwerbsarbeit und jenseits der Arbeitspflicht für Sozialhilfeempfänger".[2]

Einführung der Grundsicherung für Arbeitsuchende 2005

Die vorstehenden Grundgedanken wurden dann bei der Neufassung des Sozialhilfe- und Arbeitslosenhilferechts im Zuge des sogenannten Hartz-Konzepts nicht mehr aufgegriffen. Das 2005 in Kraft getretene Sozialgesetzbuch II konzentriert sich in seiner Zielsetzung darauf, „erwerbsfähige Hilfebedürftige bei der Aufnahme oder Beibehaltung einer Erwerbstätigkeit [zu] unterstützen und den Lebensunterhalt [zu] sichern" (§ 1 SGB II). Der „Grundsatz des Forderns" ist dort seitdem in § 2 SGB II enthalten. Dort heißt es in § 2 Abs. 1 S. 3 SGB II: „Wenn eine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in absehbarer Zeit nicht möglich ist, hat der erwerbsfähige Hilfebedürftige eine ihm angebotene zumutbare Arbeitsgelegenheit zu übernehmen".

Die Erbringung von Leistungen kann davon abhängig gemacht werden, dass der Betroffene eine solche Tätigkeit aufnimmt, soweit sie ihm zumutbar ist. Rechtsgrundlage für solche Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung ist § 16d SGB II. Sie sind umgangssprachlich als sogenannte „Ein-Euro-Jobs" bekanntgeworden. Die Ablehnung eines solchen Tätigkeit durch den Betroffenen kann mit der Kürzung des Leistungen nach § 16d SGB II sanktioniert werden, wenn es ihm zumutbar gewesen wäre, die Tätigkeit anzunehmen und sie auszuüben.

Vornehmlich in Bayern, in Sachsen[4] und in Sachsen-Anhalt wurden arbeitslose Hilfebedürftige zu einer sogenanntenBürgerarbeit" in öffentlichen Einrichtungen verpflichtet, deren Bezahlung durch die Kommunen nur leicht oberhalb der Regelsätze zur Grundsicherung liegt.

Geplante Bürgerarbeit ab 2011

Die Bundesregierung hat zur Jahresmitte 2010 angekündigt, ab Januar 2011 eine neue Form von Bürgerarbeit einzuführen. Vorbild seien die Projekte in Sachsen-Anhalt. Dabei handele es sich um „die konsequenteste Form des Förderns und Forderns".[5][6] 160.000 Langzeitarbeitslose seien für das dreijährige Programm ausgewählt worden. Sie würden in einer „mindestens sechsmonatigen ‚Aktivierungsphase'" „getestet".[5] Wer danach noch nicht vermittelt worden sei, werde nach Maßgabe der Kommunen zu einer gemeinnützigen Arbeit herangezogen (beispielsweise bei der Seniorenbetreuung, bei Sportvereinen, bei der Arbeit in öffentlichen Gartenanlagen). Dabei würden den Betroffenen für 30 Stunden Arbeit pro Woche 1080 Euro gezahlt, bei 20 Wochenstunden seien es 720 Euro.[7] In diesen Beträgen ist der Sozialversicherungsaufwand des Arbeitgebers enthalten. Nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge verbleibe dem Betroffenen im Fall der 30-Stunden-Woche ein Entgelt von 900 Euro.[5] An dem Programm seien etwa die Hälfte der Grundsicherungsträger beteiligt.[7] Die Mittel hierfür entstammten dem Bundeshaushalt (1,3 Milliarden Euro) und dem Europäischen Sozialfonds (200 Mio. Euro pro Jahr).[7] Dies reiche aus, um 34.000 „Bürgerarbeitsplätze" zu finanzieren.[7]

Kritik

Das ursprüngliche Konzept der Bürgerarbeit war vor allem wegen seiner resignativen Tendenzen kritisiert worden: Einerseits werde am Ethos der Arbeitsgesellschaft festgehalten, indem die Erwerbsarbeit als Norm und die Bürgerarbeit als Ausnahme für diejenigen angesehen werde, die von der Erwerbsarbeit ausgeschlossen seien. Andererseits würde es aber durch die Einführung der Bürgerarbeit und des Bürgergeldes zu einer nicht wünschenswerten Bürokratisierung des ehrenamtlichen Sektors kommen. Dem hielt Ulrich Beck entgegen, es gehe bei dem Konzept gerade darum, sich von den hergebrachten Modellen zu lösen. An die Stelle von bezahlter Arbeit trete seiner Auffassung nach nicht unbezahlte Arbeit, sondern „Arbeit". Das Bürgergeld solle nicht „nackt" gezahlt werden, „sondern mit Angeboten der inklusiven Gesellschaft auf aktive Mitwirkung" verbunden sein.[8]

Die aktuell diskutierten Konzepte der Bürgerarbeit als Workfare-Programm werden von allen gesellschaftlichen Gruppen kritisch beurteilt. Auch von konservativer Seite wird die Gefahr gesehen, hierdurch könnten reguläre Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst verdrängt werden.[9] Die Erfahrung habe gezeigt, dass in Sachsen-Anhalt nur ein Zehntel der Betroffenen anschließend eine reguläre Stelle gefunden hätten.[9] Es bestehe die Gefahr, dass mehrere Millionen Euro an Steuergeldern damit „verpulvert" würden.[9] Die Grünen vermuten zudem, die nun vorgesehene Bürgerarbeit ziele nur darauf ab, einen neuen Anlass zum Sanktionieren von Hartz-IV-Beziehern zu schaffen, um die Betroffenen so aus dem Leistungsbezug zu drängen.[5] Die Linkspartei bezeichnete das vorgesehene Programm aus dem gleichen Grund als eine Erpressung von Arbeitslosen.[5] Der DGB wies darauf hin, dass die angekündigten Einkünfte aus der Bürgerarbeit in vielen Fällen nicht existenzsichernd sein werden, so dass ergänzende Leistungen gewährt werden müssten.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen: Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland: Entwicklung, Ursachen, Maßnahmen. 1996/1997. Teil I, Teil II, Teil III.
  • Ulrich Beck. Kapitalismus ohne Arbeit. In: DER SPIEGEL 20/1996, 140–146.

Weblinks

Nachweise

  1. Kommission für Zukunftsfragen Bayern–Sachsen. Bayerisches Landesportal. Abgerufen am 9. Juli 2010.
  2. a b Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen: Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland: Entwicklung, Ursachen, Maßnahmen. Teil III: Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungslage. S. 148f. (PDF, abgerufen am 9. Juli 2010). – Gliederungsbullets in Fließtext umgesetzt.
  3. Marcel Erlinghagen: Die sozialen Risiken „Neuer Ehrenamtlichkeit". Zur Zukunft des Ehrenamtes am Beispiel der „Bürgerarbeit". In: Aus Politik und Zeitgeschichte. (B 25-26/2001), S. 33–38.
  4. Dresden: Bürgerarbeit für Arbeitslose ab 1. April. de.wikinews.org, 20. Februar 2007.
  5. a b c d e f Von der Leyen stellt „Bürgerarbeit" vor. In: Spiegel Online. 9. Juli 2010.
  6. Kerstin Schwenn: Bürgerarbeit für Arbeitslose. In: FAZ.net 9. Juli 2010.
  7. a b c d Bürgerarbeit ist konsequentes Fördern und Fordern. Bundesarbeitsministerium. Pressemitteilung, 9. Juli 2010.
  8. Ulrich Beck. Kapitalismus ohne Arbeit. In: DER SPIEGEL 20/1996, 140ff., 144, 146.
  9. a b c Kerstin Schwenn: Kostspielige Bürgerarbeit. In: FAZ.net 9. Juli 2010.

 




Freitag, 22. November 2013

Billiglöhne für Briefzusteller: Postboten von Job-Centern müssen mit Hartz IV aufstocken um 20:15 Uhr auf #tagesschau24 am 22.11. #KONTRASTE

 
 
Billiglöhne für Briefzusteller: Postboten von Job-Centern müssen mit Hartz IV aufstocken
 
 
Kontraste
Sendung vom 21.11.2013
 
Wiederholung am 22.11.2013 um 20:15 Uhr auf tagesschau24
 
[via rbb-online.de]
 
 
 

 

Ob in Zwickau, Chemnitz oder Oldenburg: Überall lassen öffentliche Auftraggeber ihre Post vom billigsten Anbieter transportieren. Die Folge: Für viele Postzusteller bleibt meist nur der Gang aufs Amt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

"Unfassbar", "Skandalös!" - viele unserer Zuschauer waren geschockt, als wir in der vergangenen Sendung über Dumpinglöhne bei Postzustellern berichteten. Briefträger, die die Post daheim auf dem Küchentisch sortieren müssen, und die nach Brief-Stückzahl bezahlt werden - das, so schrieben uns viele, sei trauriger Alltag in der Zustellerbranche. Als wir auch noch erfuhren, dass offenbar auch Städte, Behörden und Gerichte beim Dumpinglohn-System mitmachen, wollten wir es kaum glauben. Also haben Susanne Katharina Opalka und Sascha Ademek nachgefasst.

Das hier ist Behördenpost und zwar die eines ganzen Tages in der Stadt Chemnitz in Sachsen. Den Großauftrag dazu hat die Stadt dem Brief-Unternehmen Citypost erteilt.

KONTRASTE
„Dürfen wir Sie mal fragen, was Sie für'n Stundenlohn haben hier?"


Zusteller
„Nein, das wird nichts."


KONTRASTE
„Dürfen Sie nicht drüber reden?"


Zusteller
„Nein."

Über die Löhne zu reden, ist vielen zu heikel. Sie haben Angst um ihren Job.

Die Zusteller erhalten allmorgendlich die Briefe von den Verteilzentren der Citypost. Eine Briefträgerin ist bereit, verdeckt mit uns über ihren Lohn zu reden. Ihr Arbeitstag beginnt Zuhause mit dem Sortieren der Briefe:

Zustellerin
„Danach laufe ich los und bin dann noch mal zwei bis drei Stunden nach Gebiet und Weitläufigkeit unterwegs. Würde ich jetzt mal im Schnitt sagen vier Stunden pro Tag Arbeitszeit. Auf 200 Sendungen gerechnet ergibt das durch 0.045 Euro 9 Euro für die ganzen Briefe zustellen. Das wäre dann ein Stundenlohn von Zwei Komma noch was."


KONTRASTE
„Warum arbeitet man für 2,25 Euro?"


Zustellerin
„Tja. Die Not zwingt einen dazu, pure Verzweiflung."

Im Kofferraum des Citypost-Transporters vor dem Chemnitzer Rathaus entdecken wir Hinweise auf weitere öffentliche Auftraggeber. Gerichte und Justizbehörden in Chemnitz sind darunter, sogar das örtliche Jobcenter. Ausgerechnet diese Behörde lässt ihre Post von einer Firma versenden, die ihre Mitarbeiter derart niedrig entlohnt.

Ein Interview will das Jobcenter nicht geben, dafür behindert man lieber die Dreharbeiten. Für die Behörde ist die Sache mit den Briefträgerlöhnen brenzlig.

Denn eigentlich erhalten Briefträger nach dem Tarif der Deutschen Post AG einen Stundenlohn ab 11 Euro 48. Generell hat das Bundesarbeitsgericht einen Lohn, der um ein Drittel unter diesem ortsüblichen Tarif liegt - wie zum Beispiel die 2 Euro 25 - für sittenwidrig erklärt. Für den Arbeitsrechtler Professor Schüren ist klar erkennbar, ab wann Löhne sittenwidrig sind:

Prof. Peter Schüren
Arbeitsrechtler Universität Münster

„Es kommt einfach darauf an, dass diese Löhne auskömmlich sein müssen. Das kann man sehr schnell ausrechnen. Wenn jemand mit den Stücklöhnen auf 4 Euro kommt, dann ist es ganz klar eine sittenwidrige Gestaltung."

Die Brief-Firma haben wir mit dem Vorwurf offenbar sittenwidriger Löhne konfrontiert. Kein Interview und bis heute - auch keine schriftliche Antwort.

Die Citypost hat in Chemnitz fast ein Monopol für Behördenpost. Die Stadt hat die Firma nach einer Ausschreibung beauftragt. Ein wichtiges Kriterium bei der Vergabe: das „wirtschaftlich günstigste Angebot". Mit den Folgen für die Zusteller konfrontieren wir die Oberbürgermeisterin, die zugleich für die SPD über die Koalition in Berlin verhandelt:

KONTRASTE
„Sie als Stadtverwaltung beschäftigen ja auch die City Post, werden damit Dumpinglöhne nicht unterstützt?"


Barbara Ludwig (SPD)
Oberbürgermeisterin Chemnitz

„Also ich gehe davon aus, dass wenn so ein Mindestlohn gilt der auch für solche Firmen gilt und damit ist das dann auch erledigt."

Warten auf den gesetzlichen Mindestlohn? Nicht nötig, sagt Ralf Leinemann, ein renommierter Experte für Auftragsvergaben. Behörden könnten schon jetzt ganz legal Dumpinglöhne verhindern und in ihren Ausschreibungen anständige Löhne fordern:

Ralf Leinemann
Anwalt für Vergaberecht

„Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen würde dann die Stadt eine Vorgabe machen und sagen: „Liebe Bieter, wenn Ihr bei diesen Auftrag mit bieten wollt, dann verlange ich von euch die Erklärung, dass die Mitarbeiter, die diesen Auftrag erbringen, auch einen Mindestlohn von 8€ oder 8,50€ erhalten werden."

Städte, die auf solche Mindeststandards verzichten, lassen am Ende die Steuerzahler für die Dumpinglöhne aufkommen.

Oldenburg. Hier gibt es ein anderes Brief-Unternehmen namens Citipost - dieses schreibt sich mit i. - und es hat hier fast alle Behörden als Auftraggeber, inklusive Arbeitsagentur und Jobcenter. Zusteller wie Heinrich K. arbeiten für ein Subunternehmen dieser Citipost, für einen so niedrigen Stundenlohn, dass er womöglich bald mit Hartz IV-Geld aufstocken muss:

Heinrich K.
„Weil: davon kann ich keine Miete und nix zahlen, das reicht nicht."

Post-Zusteller im ländlichen Raum im Auftrag der Citipost - ein harter Job, denn egal ob Brief oder kiloschwerer Katalog, für ihn gibt's nur 8 Cent pro Stück. Ein 10-Stunden-Fulltime-Job und trotzdem kommen am Monatsende nur gute 800 Euro brutto heraus. Nun muss der Steuerzahler einspringen: Das Jobcenter zahlt noch einmal gute 300 Euro hinzu.

Ein Unding, findet die Gewerkschaftssekretärin Katrin Radloff von Verdi. Schon seit vier Jahren kämpft sie gegen das Lohndumping bei den Zustell-Gesellschaften und macht den Skandal publik. Sie empört besonders, dass ausgerechnet die Arbeitsagentur ihre Behördenpost von einer Billigfirma verteilen lässt:

Cathrin Radloff
Verdi Oldenburg

„Dass die Arbeitsagenturen da auch noch die Aufträge verteilen, das finde ich eigentlich schizophren, zum einen gehen die hin, verteilen damit ihre Sendung, geben das als Zustellauftrag dort hin, wissen aber genau was die Leute verdienen, und gleichzeitig kommen die Leute dort hin und sagen, ich muss mein Gehalt aufstocken, weil das Geld zum Leben nicht reicht, da werden Steuergelder verschleudert, und ja im Prinzip wird die Firma mit Steuergeldern subventioniert."

Dazu wollen wir gern die Zustellgesellschaft befragen. Kein Interview. Man schickt uns in das Verlagsgebäude der Nord-West-Zeitung. Der Verlag gehört zu den Mit-Eigentümern der Citipost. Auch hier gibt es niemanden, der Auskunft gibt. Auf der jährlichen Lobby-Veranstaltung des Bundesverbandes Briefdienste diese Woche in Berlin schließlich treffen wir auf einen Vertreter der Citipost Nordwest. Angeblich weiß er von nichts:

KONTRASTE
„Die Zustellgesellschaft zahlt acht Cent Stücklohn."


Henning Lüschen
Citipost Nordwest

„Die Zustellgesellschaft ist ja eine eigenständige Gesellschaft. Wenn Sie eine Frage zur Zustellgesellschaft haben, gerne die Zustellgesellschaft fragen."


KONTRASTE
„Da waren wir, die haben uns zu Ihnen geschickt."


Henning Lüschen
Citipost Nordwest

„Also, die Mitarbeiter der Zustellgesellschaft sind Mitarbeiter der Zustellgesellschaft. Wenn die eine Entlohnung haben, bitte auch dazu die Zustellgesellschaft fragen."

Doch da waren wir ja schon. Erfolglos.

Und der Oldenburger Oberbürgermeister hat keine Zeit für uns. Kein Interview. Und keine Silbe zu den Dumpinglöhnen. Gerade erst gab die Stadtverwaltung der Citipost den Zuschlag zu einem Großauftrag für ihre gesamte Behördenpost.

Die Zustellgesellschaft aus Oldenburg hat uns heute nun doch geantwortet: die Briefträger, so schreibt man uns, erhielten "grundsätzlich 10 Cent" pro Brief. Grundsätzlich. Die Lohnabrechnungen der Zusteller, die wir gesehen haben, widersprechen dem.

 

Beitrag von Susanne Katharina Opalka und Sascha Adamek