Mittwoch, 30. Juni 2010

Reaktionen auf "Das Schwenken der Fahnen - eine Einübung in Gleichschaltung für alles Mögliche"


Reaktionen auf "Das Schwenken der Fahnen –

eine Einübung in Gleichschaltung für alles Mögliche"

(Nachdenkseiten)http://www.nachdenkseiten..de/?p=6049


Auf meine Thesen – siehe hier und Anhang am Ende – gab es heftige Reaktionen, kritische und unterstützende. Wir geben das Echo wieder und beginnen mit einer kritischen Mail meines Herausgeberkollegen Wolfgang Lieb, ansonsten chronologisch.

Am Ende folgt auch eine kleine Replik von mir.

Entgegnungen zum Beitrag von Albrecht Müller

  1. Wolfgang Lieb

Lieber Albrecht,
Offen gestanden, ich bin auch (Das "auch" bezieht sich auf die kritische Mail Nr. 4., AM) etwas erschrocken über den Zusammenhang den Dumit der Begeisterung für das WM-Fußballteam und der "Gleichschaltung" bei anderen existenziellen Fragen herstellst. Ich bin nicht der Meinung, dass das Fähchenschwenken oder das Herumlaufen in Fußballtrikots gleichzusetzen ist mit der Bereitschaft, zu glauben, Deutschland werde am Hindukusch verteidigt. Ich sehe darin auch nicht zwingend eine gefährliche "nationalistische" Formierung. Das schon deshalb nicht, weil an jedem Wochenende Fußballfans nicht mit schwarz-rot-gold sondern mit den Farben ihres Lieblingsvereins durch die Straßen ziehen.
Man kann über das Fan-Wesen lange philosophieren, man kann im (kommerziellen) Sport insgesamt Opium fürs Volk sehen, was aber kaum bestreitbar ist, dass Fußball weltweit eine Faszination auf die Menschen ausübt.

Ich glaube nicht, dass meine Kinder bei der EM – als sie noch in Deutschland waren – Opfer einer nationalistischen Uniformierung waren, nur weil sie mit dem Hemdchen der Nationalmannschaft zum "public viewing" (englisch: der öffentlichen Leichenschau) gegangen sind und gefeiert haben. Die Jugendlichen auf den Kirchentagen tragen auch Schals in entsprechenden Farben. Die Massenbegeisterung für den Fußball ist auch kein deutsches Phänomen. Die Fußball-WM ist der Beweis, dass es sie weltweit gibt.
Der Fan identifiziert sich mit seinem Team und leidet mit ihm. Aber es ist bei 90 Prozent der Fans eben ein Spiel.
Wenn Du mit den jungen Leuten sprichst, dann wirst Du feststellen, sie wollen gemeinsam feiern, sie wollen Spannung haben, sie wollen ihre Unterstützung für das Team zum Ausdruck bringen. Da ist noch ein weiter Schritt zu nationalistischer Uniformierung, abgesehen davon, dass die jungen Leute gar nicht uniformiert sind, sondern wie Du bei jedem Kameraschwenk über die Tribünen sehen kannst, teilweise lustig kostümiert sind.
Schwar-rot-gold sind sozusagen die Vereinsfarben.
Ich bin bei Fahnen genauso allergisch wie glaube ich unsere Generation überhaupt, aber die jungen Leute marschieren nicht einer Fahne nach, sie schwenken sie um ihre Sympathie für ihre Manschaft zum Ausdruck zu bringen. Ich will jetzt keine lange Abhandlung über Fußballfans schreiben. Und auch ich sehe die Gefahr der Ablenkung von wichtigeren Fragen durch das Prinzip Brot und Spiele.
Aber ich finde, Du wirst den allermeisten Fußballfans nicht gerecht, wenn Du sie als politisch "gleichgeschaltet" verurteilst.

  1. H. G.
Hallo H. Müller,
ich habe x mal dasselbe im Bekanntenkreis gesagt. Seit vielen Jahren. Kein Einziger hat mir je zugestimmt. Das Besondere dabei ist, daß ich 54 Jahre aktiv Sport betrieben habe, bis zur Bandscheibe jetzt. Die Bekannten eher weniger oder meist gar nicht. Bayern Anhänger meist…
Die, die am meisten jubeln, sind nie auf dem Sportplatz gestanden, von den Tennisrentnern bin ich fast der einzige, der kein Premiere oder Sky wie das jetzt heißt, hat. Jeder jetzt ein Experte, wenn er kaum Tennis spielen kann oder noch nie Fußball spielte.
Man muß es feststellen, die ganze Sippe hat alles drin:

Exportweltmeister
  • Hartz 4 ist zu hoch
  • Linke = Kommunisten
  • Regierung reformiert zu wenig , nicht in der Richtung , die Sie wollen
  • Schwarz Rot Gold übers ganze Haus ( ! )
  • Politik sei eine Hure ….

    Was man erlebt ist der radikale ungebildete Mittelstand, hündisch und ohne jede Moral in seiner Ausprägung als ehemals exzellent verdienender Angestellter.
    Nazi wenn es wieder gefordert wird. Da beißt die Maus keinen Faden ab.
    Zu bequem sich zu informieren. Internet ist nicht , Spiegel und Focus normal, die sich besonders klug halten, rühmen die Zeit…
    Die Ungeheuerlichkeit ist schon lange  die Sportgleichschaltung der Medien, das hat man bei den Nazis eben auch gelernt, bis zu den Sportarten hin:
    ZDF und ARD bringen am Sonntag hintereinander zu 90 % exakt dasselbe. Fußball und Motorsport. Das wird häufig von sportfremden Moderatoren präsentiert, für ein unsportliches Publikum. Die guten Moderatoren, denen man unterstellt, daß sie eine anständige Arbeit machen wollen, dürfen offensichtlich nicht.
    Die Masse muß erreicht werden.
    Die Moderatoren werden reich. Der Weizenbierschullehrer Waldmann hat seine Firma in Zürich und macht mit der ARD Geschäfte. Beckmann wird Millionär sein, Kerner sicher auch. Der Netzer, der bei ISL Höchstgelder von der ARD (erreichte), wird Mitschwätzer, der Gebührenzahler löhnt. Unwürdigst  für alle Gremien. Und natürlich gewollt im Sinne der Verjauchung. Angeblich haben die Öffentlich Rechtlichen 550 Leute in Südafrika. Sky aus England für alle Spiele 70.
    Höchstattraktive Sportarten kommen nicht mehr vor – Tischtennis z.B., Badminton gar nicht.
    Sendungen wie früher der Sportspiegel die hinter die Kulissen schauten, gibt's seit vielen Jahren nicht mehr. Auch die  Dritten haben Claqueure immer dabei.
    ….
    Der Rechnungshof monierte die hohen Gagen … – 10 Mio wenn ich es recht weiß und die größte Sauerei ist, daß von meinen Gebühren, Profiboxen finanziert wird, da sind wir noch näher an dem, was Sie schrieben.
    … 
    R.-S.

    Lieber Albrecht Müller,
    wenn eine Gesellschaft für immer mehr Menschen so wenig Möglichkeiten für identitätsstiftende Lebenszusammenhänge bereithält, bleibt im Rahmen mentaler Verelendung nur die Identitätsfindung durch Selbstaufblähung mit einer großen Idee, der Nation oder dem Fußball (oder es wird mehr gesoffen oder es werden mehr Psychopharmaka konsumiert). Vor rd. 40 Jahren hat Gerhard Vinnai dies in seiner Studie "Fußballsport als Ideologie" mit dem Satz: "Die Tote auf dem Fußballfeld sind die Eigentore der Beherrschten" auf den Punkt gebracht.
    Wir machen übrigens mit ihm am (fußballspielfreien) Montag, den 5.7. in Dortmund die nächste Veranstaltung im Rahmen des NachDenkTreff.

    … und einen schönen Gruß

  • A. B.

    Sehr geehrter Hr. Müller !

    Ich habe große Zweifel an Ihrer These, dass die Fähnchenschwenker sich vermutlich auch beim Krieg am Hindukusch und u.a. der Wirtschaftspolitik an den Regierungszielen orientieren.
    Die Fußballbegeisterung großer Teile der Bevölkerung macht bekanntlich auch vor den politisch Interessierten nicht halt. Sie hat für viele Menschen vor dem Hintergrund ihrer Lebensverhältnisse und der Perspektiven eine Ventilfunktion. Das ein großer Teil der Fähnchenschwenker im Normalleben Bildzeitung liest und sich leider nicht für Politik interessiert ist sicherlich richtig. Doch man sollte die Menschen nicht unterschätzen. Die Umfragen zu den in Rede stehenden Themen zeigen doch deutlich, dass das Gros der Bevölkerung die Regierungsvorhaben ablehnt. Die Menschen können hier sehr gut differenzieren. Ich fürchte viel eher, dass die Regierung versuchen wird in der Zeit der Weltmeisterschaft,an den Fähnchenschwenkern vorbei, Fakten zu schaffen.

    Mit freundlichen Grüßen

  • M. B.

    Sehr geehrter Herr Müller,

    ich lese seit einiger Zeit die NDS, habe auch Ihr Buch "Meinungsmache" gelesen und stimme Ihnen in vielem zu, z.B. was die neoliberale Ideologie angeht oder die Volksverdummung in den Medien.
    Bei einigen Beiträgen (z.B. allzu unkritischen gegenüber der Ex-SED) stand ich jedoch schon kurz davor, eine Mail an Sie zu schreiben, um mein Unverständnis zu äußern.

    Heute ist es nun soweit: Dass ein Volk mit seiner Nationalmannschaft fiebert und feiert und dabei deren Trikots und Farben trägt, ist keine "gefährliche nationalistische Uniformierung" wie Sie schreiben, sondern (endlich wieder) unverkrampfter Patriotismus.
    Diese Freude und Geselligkeit als "Gleichschaltung" (ein belasteter Begriff aus der Nazi-Diktatur) zu bezeichnen, ist – pardon – absurd und passt nicht zu dem Bild, das ich mir bislang von Ihnen gemacht habe.
    Von einem "großen Sprung [...] von Gleichschaltung" "im Zusammenhang mit der
    Fußball-Weltmeisterschaft" hab ich jedenfalls nichts bemerkt.
    Im Übrigen glaube ich, können wir beruhigt davon ausgehen, dass spätestens ab dem 12. Juli der "Uniformierungsgrad" in der Bevölkerung wieder drastisch abnehmen wird.

    Bitte nehmen Sie diesen Artikel wieder zurück. Er ist Munition für Ihre Gegner.

    Mit den besten Grüßen

  • K. G.

    Das Kurzzeitgedächnis oder auch RAM-Gedächtnis, ist bei vielen Deutschen noch sehr gut intakt, wenn es um den kurzfristigen Erfolg oder dem eigenen Überleben geht. Das Langzeitgedächtnis vieler Deutscher wird von den Meinungsmachmedien derzeit formatiert wie eine Festplatte. Alle Daten werden unwiderruflich gelöscht. Die Generation, die auf uns zukommt, wird bedingt durch eine informative Reizüberflutung, alles außer Kontrolle geraten lassen.  In diesem Gesellschaftsstadium befinden wir uns zur Zeit. Wir werden im Chaos enden. Was ich mit Chaos meine, möchte ich hier nicht beschreiben.

    Versetzen Sie sich mal in einen 18- jährigen deutschen Jugendlichen von heute. Sie kennen keinen Krieg, Sie kennen kein authoritäres Elternhaus. Vielen wird im Elternhaus kein Respekt gegenüber Autoritäten gelehrt. Vielleicht wissen Sie noch nicht einmal, daß Sie ein Wahlrecht haben. Stattdessen kennen Sie das Internet mit ihren sozialen Netzwerken. Chatten. Handy. Sie kennen nur noch Spaß und Fun. Die WM ist für Sie nur ein Mittel um Fun zu haben. Viele wissen noch nicht einmal, was ein Abseits ist. Deutschland muss gewinnen. Dann können wir uns auf den Strassen mehr erlauben.

    Nach dem Deutschland – England (4:1) musste ich durch einen Kreisverkehr. Ich kam erst sehr spät rein. Mit Ihren Fahnen kreisten sie ununterbrochen im Kreis. Der Spaß, den sich diese Generation leistet, wird immer größer. Auch ein "Erfolg" dieser Meinungsmachmedien.

    Und dann frage ich mich: Wie wäre ich heute, wenn ich 18 wäre? Kann ich den Jugendlichen von heute dies übel nehmen?

    Meine Antwort: Nein! , weil sie die harten Realitäten, die von den Meinungsmachmedien geschönt werden, noch nicht richtig kennengelernt haben. Ein klein wenig harte Realität brauchen wir wieder. Und sie wird kommen, wenn es an der Zeit ist; wenn harte Realitäten keine Meinungsmache mehr zulassen.

    Mit freundlichen Grüßen

    und machen Sie weiter so.

  • J. R.

    Sehr geehrter Herr Müller,
    ich stimme Ihrer Analyse weitestgehend zu.
    Dennoch bleibt eine entscheidende Frage vorerst unbeantwortet:

    "Wie wirkt die Macht der Interessengruppen (Banken, Regierung, etc.) konkret in die Berichterstattung der Öffentlich – Rechtlichen hinein?"
    Will heißen: Wie und mit wem geschieht das?
    Reicht es, Personalentscheidungen zu manipulieren wie im Falle ZDF-Koch-Brender?
    Wird direkt auf verantwortliche Redakteure und Programm-Direktoren Einfluss genommen?

    Oder: Was das Schlimmste wäre:
    Hat sich die Herrschaft der Eliten bereits so tief in den Gehirnen der Medienmacher verankert, dass die dazu gehörigen Personen gar nicht mehr manipuliert zu werden brauchen?
    Was meinen Sie, Herr Müller?

    Und: Wer in Deutschland könnte so etwas solide erforschen?

    Mit freundlichen Grüßen

  • D.H.

    weiterhin danke für Eure Website.
    Das Fahnenschwenken als, nunja, wiedereinüben von nationalem Uniformieren findet schon statt – ich persönlich sehe das weniger kritisch, im Zeitalter der EU, sofern es uns beschert bleibt, ist das mit ein bißchen Glück alles Folklore.
    Ganz anders jedoch die Fans. Neben der Hetze der englischen (nett zusammengestellt hier) und deutschen Medien vor dem Spiel (die dt. Nationalmannschaft habe gegen Ghana "SS-Uniformen" getragen z.B.) und den erstaunlich fairen Kommentaren danach (siehe z.B. hier), so machten doch die Fans interessant:
    Während des Spiels zeigten die Kameras mehrfach englische Fans in Fliegeruniformen und am Ende die deutsche Antwort: Fans mit aufblasbaren englischen Spitfire-Modellen, die sie abstürzend darstellten.
    Was zum Geier soll das? Und wo soll das denn hinführen?
    Dahin???
    Aber die interessanteste Frage ist: Wem nützt sowas?

    beste Grüße und alles gute,
    D. H.
    Kreisvorsitzender
    Jusos

  • F.K.

    zunächst möchte ich mein allgemeines Wohlwollen Ihrem Projekt gegenüber zum Ausdruck bringen. Ich bin erst vor wenigen Tagen auf Ihre Seite gestoßen, aber finde die Idee und ihre Ausführung großartig.
    Nichtsdestotrotz habe ich einige Fragen zum Artikel von Albrecht Müller vom 28 Juni, bei denen Sie mir hoffentlich weiterhelfen können. Es werden dort die Thesen geäußert: "Wer gemeinsam Fahnen für den Sieg Deutschlands bei einem Fußballspiel schwenkt, ist vermutlich auch gemeinsam eher bereit zu glauben, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt.
    Wer gemeinsam in einem Flaggenmeer jubelt, der ist vermutlich auch eher bereit, sich bei einem Disput über den richtigen Weg in der Wirtschaftspolitik an dem zu orientieren, was die Mutter der Nation von sich gibt.
    Wer kollektives Denken und Fühlen im Fußball-Wettstreit mit anderen Nationen eingeübt hat, ist auch bereit, sich bei anderen Fragen kollektiv und auf der Linie der Mehrheitslinie der eigenen Führung zu orientieren und dem so genannten Mainstream zu folgen."
    Den Gedanken über die Gleichschaltung der Medien kann ich nachvollziehen, bei den zitierten Thesen stellt sich mir jedoch die Frage, woher sie kommen. Können Sie mir dort weiterhelfen? Literaturhinweise oder ähnliches würden mir schon völlig ausreichen.
    Vielen Dank für Ihre Mühe.

    Mit freundlichen Grüßen

  • T.C.
     
    zu Ihrem gestrigen Beitrag "Das Schwenken der Fahnen" fiel mir ein Abschnitt im Buch "Die verblödete Republik" (Thomas Wieczorek) ein. Unten ein zum Thema passendes Zitat aus dem Buch.
    Ich gehe -wie Thomas Wieczorek auch- (fett dargestellt am Ende des Zitats) stark davon aus, dass der "Fußballpatriotismus" in der auch gegenwärtig dargebotenen Form beabsichtigt ist.
    Unsere politische Elite samt ihrer meinungsschaffenden Medien können sich die Hände reiben. Sie arbeiten höchst erfolgreich. Mich machen diese Ereignisse sprachlos. Ich mache mir viele Gedanken darüber, ob und wie man diese breite Masse wieder in einen Normalzustand "zurückbiegen" kann. Dann schweben mir Visionen vor, wie z. B. eine Stunde vor Spielbeginn auf den Public-Viewing Plätzen Kabarettauftritte zu senden: Volker Pispers, Georg Schramm, Urban Priol, Winfried Schmickler, Hagen Rether in Bestform, als "warm-up"… Die Realität bleibt aber wohl leider die, in welcher jeden Tag aufs Neue versucht werden muss, Bekannten, Kollegen, Nachbarn die Augen zu öffnen und bei Ihnen den festen neoliberalen Lack anzukratzen. Frustrierend, wenn ich dann soeben lese, dass heute abend bei Hart aber Fair über die Präsidentenwahl morgen diskutiert wird und mal wieder kein Vertreter der Linken eingeladen wurde, welche als demokratische Partei ja auch eine Kandidatin aufgestellt hat. Stattdessen steht dort Herr Jörges allein in diesem Jahr das gefühlte zehnte Mal vor der Kamera. Die Linkspartei wird dort heute wohl mal wieder sehr negativ dargestellt werden – ohne sich durch Anwesenheit wehren zu können. Das finde ich sehr bedenklich. Es ist aber gleichzeitig auch wieder ein konkretes Stück der Meinungsmache, worauf man seinen Bekanntenkreis gut hinweisen kann.
     
    Hier nun der o. g. Abschnitt aus dem Buch "Die verblödete Republik":
     
    "Fußball fasziniere deshalb die Massen, lehrt Sepp Herberger, "weil man nicht weiß, wie es ausgeht". Aber das erklärt nicht, warum erwachsene und kultivierte Männer – denn es betrifft keinewegs nur fanatische jugendliche Unterschichtler – ihr persönliches Wohlbefinden und Lebensgefühl an Fußballresultaten binden, auf die sie selbst keinerlei Einfluss haben.
    Ein Grund ist sicherlich jener dumpfe "Stolz-auf"-Nationalismus, der beileibe nicht nur bei braunen Sumpfgruppen in den diffusen "Stolz, ein deutscher zu sein" mündet: Man heftet sich die Erfolge der Mitglieder "seiner" Gruppe an die eigene Brust: Dichter, Denker, Fußballer – zu anderen Zeiten und bei anderen Nationen mögen es Boxer, Handballer, Maler, Schauspieler sein. Ehe man sichŽs versieht, ist es da, das "Ich bin Deutschland-Gefühl". Zehnjährige Nachwuchskicker sind Ballack, Poldi, Schweini oder Frings und die Älteren sind es -unausgesprochen natürlich- ebenso. Anders lässt sich die bis an die Infarktgrenze gehende Aufregung kaum erklären, und auch nicht, warum zumindest geheuchelte Fußballbegeisterung  für Politiker Pflicht ist.
    Hier aber lauert der völkische Pferdefuß und die Riesenchance zur Massenverblödung, gerade weil das gemeinsame Anfeuern des "eigenen" Teams an sich harmlos und symphatisch anmutet. Dazu ein Beispiel: In einer deutschen Fankurve könnten rein theoretisch ein Dieb und der Bestohlene, ein Vergewaltiger und sein Opfer, ein Firmenboss und ein von ihm Entlassener, ein Todesraser und eine Hinterbliebene direkt nebeneinander sitzen. Würden die zueinander sagen: Vergessen wirs und feuern wir gemeinsam Deutschland an? Genau dies fordert und beabsichtigt aber der "Fußballpatriotismus" als Spielart des völkischen Nationalismus."
      
    Viele Grüße von einem Leser und Förderer Ihrer nachdenkseiten!

     

    Kurze Replik von AM auf die Mails:
    Eigentlich habe ich nichts zurückzunehmen. Aber betonen will ich, dass ich die Fußballfreunde nicht beleidigen wollte, (was ich auch nicht tat.)
  • Ich hatte meine Hypothesen sehr vorsichtig formuliert. Deshalb treffen mich manche kritischen Bemerkungen nicht. Da kann ich nur raten, den angehängten Text nochmals nachzulesen.
  • Der Kern, dass das gemeinsame Schwenken der Fahnen und alles, was damit einhergeht, zur Uniformierung führen kann und kritisches Denken auszuschalten vermag, ist nach meinem Eindruck schlüssig.
  • Zum Hintergrund meines Unbehagens: Ich habe als Kind die Beflaggung (fast) jedes Hauses erlebt und ich war dann stolz darauf, nach 1945 in einem quasi flaggenlosen Land aufzuwachsen. Und jedes Mal, wenn ich eine US-Flagge hinter dem US-Präsidenten sah, bin ich zusammengezuckt. Heute ist das üblich, auch bei uns. Einen Fortschritt sehe ich darin nicht.
  • Der beste Beleg für meine These ist die oft, zu oft gelebte Praxis der USA, wo mit Berufung auf die Nation viel zu vieles möglich ist.
  • Übrigens: Nicht alle Argumente der Mail-Schreiber, die meine Thesen unterstützen, teile ich.

    Anlage:
    Auszug aus dem Beitrag vom 28.6.2010:

    Das Schwenken der Fahnen – eine Einübung in Gleichschaltung für alles Mögliche
    Ein Beitrag über Gleichschaltung wie jener
    vom 26. Juni löst Fragen aus: Ist das wirklich so? Wie wird die Gleichschaltung erreicht? Wie bei den Medien? Wie bei vielen Menschen? Zurzeit erleben wir im Zusammenhang mit der Fußball-Weltmeisterschaft einen großen Sprung von getätigter und potentieller Gleichschaltung großer Menschenmassen. Fahnenschwenken im Kollektiv scheint mir der erste Schritt zur Uniformierung, im konkreten Fall noch dazu einer gefährlichen nationalistischen Uniformierung. Der erste harmlose Schritt. Albrecht Müller. Mehr.

    Mit dem Fahnenschwenken beim Fußball wird vermutlich auch die Gleichschaltung zu anderen existenziellen Fragen programmiert

    Wer gemeinsam Fahnen für den Sieg Deutschlands bei einem Fußballspiel schwenkt, ist vermutlich auch gemeinsam eher bereit zu glauben, Deutschlands Sicherheit werde am Hindukusch verteidigt.
    Wer gemeinsam in einem Flaggenmeer jubelt, der ist vermutlich auch eher bereit, sich bei einem Disput über den richtigen Weg in der Wirtschaftspolitik an dem zu orientieren, was die Mutter der Nation von sich gibt.
    Wer kollektives Denken und Fühlen im Fußball-Wettstreit mit anderen Nationen eingeübt hat, ist auch bereit, sich bei anderen Fragen kollektiv und auf der Linie der Mehrheitslinie der eigenen Führung zu orientieren und dem so genannten Mainstream zu folgen.
    Alles was wir hier in den NachDenkSeiten an Aufklärungsarbeit über das erfolgreiche Sparen und die richtige Wirtschaftspolitik schreiben, wird schon deshalb schwer vermittelbar sein, weil es im speziellen Fall die Vorstellungen einer anderen Nation, der USA, unterstützt und deshalb im Widerstreit zu der nationalen Position, der Meinung von Frau Merkel, liegt. Im Beitrag vom 26. Juni war darauf hingewiesen worden, dass hier ein Konflikt, im konkreten Fall ein Konflikt mit der Regierung einer andere Nation, genutzt wird, um Meinung zu machen.
    usw.

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    --->>> GeorgSchramm - Systematische Volksverdummung durch die Medien <<<---

     
     


    Zu guter Letzt: GeorgSchramm –

    Systematische Volksverdummung durch die Medien

    (Nachdenkseiten)



    Quelle:
    YouTube 

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    Zu guter Letzt: Georg Schramm: Oberstleutnant Sanftleben über den Wirtschaftskrieg (NDS)

       


    Zu guter Letzt:

    Georg Schramm: Oberstleutnant Sanftleben über den Wirtschaftskrieg

    (Nachdenkseiten)


    Quelle:
    YouTube

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    Raucher haben weniger vom Leben - zumindest was die Nachtruhe betrifft (psychoneuro)

       

    Magazin
    psychoneuro 2008; 34: 116
    DOI: 10.1055/s-2008-1074828

    © Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
     
     
    Schlaflos durch Nikotin - Raucher haben weniger vom Leben - zumindest was die Nachtruhe betrifft

     

    Nach einem Vergleich der EEG-Muster ist bei Rauchern (≥ 20 Zigaretten/d) während der Nacht der Anteil der Alphawellen (15,6 vs. 12,5%) höher und der Anteil der Deltawellen (59,7 vs. 62,6%) geringer als bei Nichtrauchern.

    Dies bedeutet, dass Raucher weniger Zeit im Tiefschlaf verbringen als Nichtraucher.

    Auch nach eigener Einschätzung schlafen Raucher schlechter. 22,5% der Raucher, aber nur 5% der Nichtraucher gaben an, unruhig geschlafen zu haben und sich nur wenig erholt zu fühlen.

    Diese Schlafstörungen führen die Untersucher zum einen auf die anregende Wirkung von Nikotin zurück, das auch die Freisetzung von Dopamin, Noradrenalin, Serotonin und Acetylcholin stimuliert.

    Zum anderen hat Nikotin eine Halbwertszeit von nur etwa zwei Stunden, sodass auch leichte Entzugssymptome den Schlaf beeinträchtigen können. Allerdings war die Anzahl der untersuchten Personen nur gering.

    Lediglich 40 Teilnehmer der Sleep Heart Health Study (n = 6 400) rauchten mindestens 20 Zigaretten am Tag und waren gleichzeitig so gesund, dass sie die Kriterien für diese Studie erfüllten - ein weiteres Argument, um Raucher zum Aufhören zu motivieren.

    KW

    Quelle: Zhang L et al. Power spectral analysis of EEG activity during sleep in cigarette smokers. Chest 2008; 133 (2): 427-432

    Click here to download:
    psycho-02-01 (4 KB)

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    Kollaps von BP wäre kein Systemrisiko (Nachdenkseiten)


    Kollaps von BP wäre kein Systemrisiko

     

    (Nachdenkseiten)


    Die Federal Reserve Bank von New York hat offenbar die Verbindungen grosser Finanzinstitute zum Energiekonzern BP untersucht.

     

    Es sei jedoch kein systemisches Risiko für die Wall Street entdeckt worden, sollte der Öl-Multi zusammenbrechen.

    Quelle: NZZ

     

    http://www.nzz.ch/nachrichten/panorama/kollaps_von_bp_waere_kein_systemrisiko_1.6304407.html

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    Doping im Fußball - Nix sehen, nix hören, nix sagen (taz)


    Doping im Fußball

    Nix sehen, nix hören, nix sagen

    (taz)
     
    http://taz.de/1/sport/wm-2010/artikel/1/nix-sehen-nix-hoeren-nix-sagen/
     

    Doping? Drogen? Die Fifa stellt sich so dumm wie blind:

    Es gibt keine unabhängigen Beobachter, und die Fifa-LaborantInnen glauben nur an das Gute im Sportler.

    VON ANDREAS RÜTTENAUER

    Heute ist der einzige Doping-Fall der Fifa rehabilitiert: Diego Maradona trainiert die argentinische Nationalmannschaft. Foto: reuters

    JOHANNESBURG taz | Er war kein Genie mehr. Er war schon verkommen zum kleinen, dicken Diego. Und dann das! WM 1994. Argentinien schlägt, angetrieben von einem unglaublichen Diego Maradona, Griechenland mit 4:0. Das dritte Tor schießt der alternde Meister, 33 war er seinerzeit, höchstselbst. Der Star schien sich einmal mehr neu erfunden zu haben.

    Und noch einen phänomenalen Auftritt legte er hin. Beim 2:1 gegen Nigeria beschwerte sich der ein wenig lahm gewordene Maradona zwar des Öfteren, wenn er in die Gasse geschickt wurde und einem Ball nachlaufen musste, seine Pässe und seine Übersicht waren am Ende doch spielentscheidend. Dann platzte die Bombe. In Maradonas Urinprobe wurde Ephedrin gefunden, eine verbotene Substanz. Die Fußball-WM hatte einen ersten großen Dopingfall. Es ist dies bis heute der einzige Dopingfall bei einer Weltmeisterschaft.

    Alles gut also? "Ich glaube, dass es keine Dopingkultur gibt." Das sagt Pieter van der Merwe. Er ist Leiter des Dopinglabors in Bloemfontein, das für die Fifa die Dopingproben bei dieser WM analysiert. "Die Angst vor Sperren und der Stigmatisierung in der Öffentlichkeit sind viel zu groß." Worte eines Wissenschaftlers.

    Ein Anti-Doping-Kämpfer ist der freundliche Doktor der Chemie nicht. Beinahe schon naiv ist sein Glaube an das Gute im Sportler. Den Wettkampf zwischen Analytikern und den Sportlern, die sich mit wissenschaftlicher Unterstützung einen Vorteil gegenüber den Laboren verschaffen wollen, hält er für überbewertet. "Das ist doch zu aufwändig", meint der Chef des von der Welt-Anti-Dopingagentur Wada akkreditierten Labors.

    "Viele Sportler werden auch erwischt, ohne dass sie die Absicht hatten zu betrügen", sagt er und verweist auf die vielen Nahrungsergänzungsmittel, die verbotene Substanzen erhalten. "Aber die Wada unternimmt ja auch einiges, um die Sportler aufzuklären." Nein, der freundliche 60-Jährige ist wahrlich kein Hardliner im Kampf gegen Sportbetrug.

    "Es gibt keine Dopingkultur im Fußball", das hat in den Tagen dieser WM auch Michel d'Hooghe gesagt. Der Belgier ist in der Exekutive, der Regierung der Fifa, für medizinische Fragen zuständig. Als Mitglied von Sepp Blatters Fußballfamilie sind von ihm keine kritischen Worte in Bezug auf Doping zu erwarten. Dass Fälle von organisiertem Doping im Fußball belegt sind, weiß indes sicher auch d'Hooghe.

    Vor der Jahrtausendwende hat Riccardo Agricola, der Teamarzt von Juventus Turin, die ganze Mannschaft, zu der damals auch der große Zinédine Zidane gehörte, mit Unmengen verbotener Substanzen präpariert. 281 Medikamente enthielt die Privatapotheke des Dopingarztes. Agricola wurde von einem italienischen Gericht deswegen zu 20 Monaten Haft verurteilt.

    Auch Eufemiano Fuentes, der Mann, der das Blut so vieler Radler - unter anderem Jan Ullrich - aufgefrischt hat, gab einmal zu, dass auch Fußballer von Real Madrid und dem FC Barcelona bei ihm ein und aus gingen. Vor Gericht hat er dies jedoch nie bestätigt. Der französischen Tageszeitung Le Monde hat Fuentes dazu gesagt: "Der Fußball ist zu groß."

    Von der Größe des Fußballs hat auch das Dopinglabor in Bloemfontein profitiert. Vor der WM wurde Pieter van der Merwes Labor, das es seit 1992 gibt, erweitert und mit neuen Geräten im Wert von einer halben Million Euro ausgestattet. "Majestix", "Sterix", "Urbofix"- bunte Sticker kleben auf den teuren Maschinen. Die Mitarbeiter haben sich nette Namen ausgedacht für die Geräte, die in den Urinproben Steroide, Epo oder Wachstumshormone entdecken sollen.

    "Asterix und Obelix waren ja so etwas wie die ersten Doper", lacht van der Merwe. Acht Mitarbeiter hat er. Die haben in den Tagen der WM nicht viel mehr als sonst zu tun. In jedem Spiel werden zwei Spieler ausgelost, die nach der Partie ihren Urin abgeben müssen. Mitarbeiter der medizinischen Kommission der Fifa versiegeln die Proben und schicken sie per Kurier nach Bloemfontein zur Analyse. 24 Stunden später liegen der Fifa die Ergebnisse vor. Bis jetzt waren alle Proben negativ. Doch darüber darf van der Merwe nichts sagen. Einzig der Weltverband gibt Auskunft über die Ergebnisse.

    Im Gegensatz zum Internationalen Olympischen Komitee bleibt der Anti-Doping-Kampf bei einer WM in der Fußballfamilie. Während das IOC sein Kontrollprogramm während der Spiele von der Wada überwachen lässt und im Vorfeld der Spiele eng mit der Welt-Anti-Doping-Agentur zusammenarbeitet, gibt es bei Weltmeisterschaften kein Monitoring.

    Die Proben werden von Fifa-Ärzten genommen. Wada-Generalsekretär David Howman meint dazu: "Wir wurden von der Fifa eingeladen, das Kontrollprogramm während der WM zu beobachten. Aus Gründen der Logistik und der Finanzen verzichten wir aber darauf, unabhängige Beobachter nach Südafrika zu entsenden." Der große Fußball kann machen, was er will.

    Die Möglichkeiten, die der Kodex der Welt-Anti-Doping-Agentur den Sportverbänden gibt, Betrüger dann zu überführen, wenn es neue Analysenmethoden gibt, nutzt der Fußballverband nicht. Nach diesen Regeln können die genommenen Dopingproben acht Jahre lang aufbewahrt werden. Sportler, die gegen die Dopingbestimmungen verstoßen haben, können für längst vergangene Dopingvergehen bestraft werden. "Ich weiß nicht, was das für einen Sinn haben soll", sagt Pieter van der Merwe. Man habe ja dann nur noch die B-Probe. "Nein, das bringt nichts."

    Dass mit derartigen Nachtests schon etliche Sportler des Dopings überführt worden sind, scheint er gar nicht zu wissen. Für die Lagerung des Urins von Sportlern war sein Labor ohnehin nicht ausgestattet. Gerade einmal acht nicht allzu große Kühlschränke hatte er zur Verfügung, bevor sein Labor erweitert wurde. Jetzt verfügt sein Labor über einen riesigen begehbaren Kühlraum. Vielleicht braucht er den, wenn dereinst die afrikanischen Sportverbände beginnen, effektive Anti-Doping-Programme zu entwickeln. Neben einem Labor in Tunesien ist das von Bloemfontein das einzige von der Wada akkreditierte Institut auf dem Kontinent.

    32.000 Dopingproben wurden 2009 im Fußball genommen. Nur 0,3 Prozent davon waren positiv. Und in den meisten Fällen seien keine klassischen Dopingsubstanzen nachgewiesen worden, sondern Kokain oder Marihuana. Der das vorrechnet, ist Jiri Dvorak, der Chefmediziner der Fifa. Die Zahlen spiegeln für ihn die Realität im Fußball wider. Demnach hätte der Fußball in der Tat kein Dopingproblem.

    Doch Dvorak weiß, dass die Sportmediziner der WM-Teams alles andere sind als nur Heiler. Er steht in engem Kontakt mit den medizinischen Abteilungen der Nationalverbände und hat Studien initiiert, die zeigen, dass es sich bei den Sportärzten im Fußball um die gleichen Menschentuner handelt, wie sie etwa im Radsport unterwegs sind.

    Ohne pharmazeutische Unterstützung läuft beinahe kein Spieler auf. Bei den Weltmeisterschaften 2002 und 2006 wurden weit mehr als 10.000 Dosen von Medikamenten verabreicht. Einzelne Spieler wurden mit sieben unterschiedlichen Mitteln präpariert, bevor sie auf das Feld geschickt wurden.

    Einmal waren 22 von 23 Spielern eines Teams mit pharmazeutischen Präparaten fit gemacht worden. Verboten war das nicht. Entweder es handelte sich um Schmerzmittel, die nicht auf der Wada-Verbotsliste stehen, oder es lagen Ausnahmegenehmigungen vor. Auch wenn die Fifa also weiter jede Dopingkultur im Fußball abstreitet, eine Kultur der pharmazeutischen Menschenoptimierung gibt es allemal.

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    Fußball im Abseits - Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel


    Fußball im Abseits –

    Partynationalismus und Starkult kommen vor dem Spiel

    (Nachdenkseiten)


    Deutschland blüht wieder einmal im Glanze seines schwarz-rot-goldenen Glücks. "Wir" sind wieder Deutschland und die ganze Nation scheint bemüht, die Nationalismusexzesse der WM 2006 noch zu überbieten.

     

    Die Nationen-Marketing-Maschine scheint täglich mehr Produkte in den Nationalfarben auf den Markt zu werfen und die Bürger scheinen sich gegenseitig in ihrem Partynationalismus überbieten zu wollen.

     

    Wenn sich dieser Tage die Eine oder der Andere kritisch zu diesen Tendenzen äußert, verhallen diese Anmerkungen nahezu unbemerkt und die Fragen danach, was den neuen Nationalismus befeuert, wer die Nutznießer sind und ob durch die vermeintlich harmlosen Fußball-Nationalisten Schaden entsteht, bleiben entsprechend unbeantwortet. (…)

     

    Professor Freerk Huisken, der bis 2006 in Bremen die Professur für Politische Ökonomie im Ausbildungssektor innehatte, stellt dabei fest, dass bei den aktuellen Fußball-Großereignissen der Sport eigentlich in den Hintergrund trete. Das Entscheidende sei "die Gelegenheit, eine nationale Feier zu organisieren und deutschen Nationalismus ins Zentrum einer Feier zu stellen". (…) Was kann man nun Schlechtes daran finden, dass Menschen scheinbar völlig entpolitisiert feiern und ihr Leben genießen?

     

    Das Problem, meint Huisken weiter, sei, dass der Partynationalismus eben jenen schade, die ihn betreiben.

     

    Die Sonntagsnationalisten sähen in ihrem Handeln einen weiteren Beweis, dass sie es mit Deutschland doch gut getroffen hätten. Das ändere zwar nichts an ihren Alltagssorgen, aber die ließen sich im Bewusstsein, zu einer Siegernation zu gehören, vielleicht etwas besser aushalten.

     

     Und das politische Ergebnis ihres unpolitischen Nationalismus könnte dann darin bestehen, dass sie immer mehr Einschränkungen in Kauf nehmen.

     

    Der Fußballsoziologe Gerd Dombowski zitiert in diesem Kontext Alexandre Vaz: "Das verdinglichte Bewusstsein findet im Sport ein besonders günstiges Umfeld, weil das Vergnügen des Sportzuschauers nicht nur bedeutet, das Leiden zu vergessen, sondern es zu feiern". (…)

     

    Eine weitere Gefahr wird in der 5. Folge der Suhrkamp-Reihe Deutsche Zustände – der größten quantitativen Studie in Deutschland zu gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit – von Wilhelm Heitmeyer ausgemacht.

     

    Er konstatiert: "Kampagnen, die darauf abzielen, nationalistische oder patriotische Einstellungen zu schüren, bergen die Gefahr, die Abwertung von anderen Gruppen zu fördern." (…)

     

    Laut Huisken ist die Art und Weise, wie Vorbilder im Fußball kreiert werden, eine Pervertierung eines eigentlich harmlosen Spiels, bei der es letztlich nur noch um Anerkennung und Wert der Person gehe und bei der die Übergänge zur Gewalt lediglich die radikalsten Erscheinungsformen davon seien.

     

    Dabei sei der Starkult um einzelne Personen "das mediale Schmiermittel der demokratischen Lüge Nummer eins, dass nämlich jeder hierzulande seines Glückes eigener Schmied ist". Der Kreis, der mit der Fußball-WM als staatlich bereitgestellter nationaler Partydroge beginnt, schließt sich somit mit dem Vorbild des durchsetzungsfähigen Fußballmillionärs, dessen Erfolgen jeder in der kapitalistischen Demokratie nacheifern kann. Am Ende steht der Bürger, der sich seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit vor lauter Schwarz-Rot-Gold gar nicht recht bewusst wird.

    Quelle: Hintergrund

     

    http://www.hintergrund.de/20100623962/politik/inland/fussball-im-abseits-partynationalismus-und-starkult-kommen-vor-dem-spiel.html

     

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    Dienstag, 29. Juni 2010

    Vortrag über das Leitbild des Vaters in der frühen Bundesrepublik [idw]


    Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
    Goethe-Universität Frankfurt am Main, Bernd Frye, 28.06.2010 14:10

    Wie Vati die Demokratie lernte

    Vortrag über das Leitbild des Vaters in der frühen Bundesrepublik von
    Prof. Till van Rahden (Université de Montréal) am 5. Juli 2010 am
    Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-Universität


    FRANKFURT/BAD HOMBURG. Das Ende der Nazidiktatur blieb nicht ohne
    Auswirkungen auf die Stellung des Mannes in der Familie.

    Die Suche nach neuen Formen der Vaterschaft bildete ein Leitmotiv der
    frühbundesrepublikanischen Debatte über das Verhältnis von Demokratie
    und Autorität. In der Rede vom "demokratischen Vater" experimentierten
    die Westdeutschen mit einem Lebensgefühl, das es ihnen erlaubte, die
    Nachkriegsdemokratie nicht nur als Schicksal, sondern als Chance zu begreifen.

    Diese Aspekte beleuchtet der Historiker Prof. Till van Rahden von der Université de Montréal
    in seinem öffentlichen Vortrag "Das Lächeln der Verfassungsrichterin - Das Ende des Patriarchats und
    die Suche nach Demokratie in der frühen Bundesrepublik" am Montag, 5.
    Juli, um 18.00 Uhr im Forschungskolleg Humanwissenschaften der Goethe-
    Universität, Am Wingertsberg 4, 61348 Bad Homburg.

    Der Wandel in der politischen Kultur der frühen Bundesrepublik wurde
    durch die Rechtsprechung flankiert. Im Juli 1959 erklärte das
    Bundesverfassungsgericht den sogenannten "väterlichen Stichentscheid",
    wonach dem Vater die letztendliche Entscheidungsgewalt in der Familie
    zugesprochen wurde. für verfassungswidrig. Damit verwarf es zwei
    Paragraphen des Gleichberechtigungsgesetzes von 1957, in denen sich
    ein patriarchalisches Verständnis elterlicher Autorität
    niedergeschlagen hatte. Diese Entscheidung war ein Meilenstein auf dem
    Weg zur Gleichberechtigung von Müttern und Vätern. Die Argumentation
    des Gerichts entsprach einem damals verbreiteten Bedürfnis, Autorität
    in der Familie nicht mehr als ein natürliches Vorrecht des Vaters zu
    interpretieren.

    Till van Rahden forscht in diesen Wochen auf Einladung des Frankfurter
    Exzellenzclusters "Die Herausbildung normativer Ordnungen" als Fellow
    am Forschungskolleg Humanwissenschaften. Sein Forschungspartner ist
    Prof. Andreas Fahrmeir, Historiker an der Goethe-Universität und
    Angehöriger des Clusters. Fahrmeir übernimmt auch die Einführung und
    Moderation beim Vortrag seines Fachkollegen. Die interessierte
    Öffentlichkeit ist herzlich willkommen. Um Anmeldung wird gebeten.

    Till van Rahden ist Professor für Geschichte und Inhaber des Canada
    Research Chair in German and European Studies an der Université de
    Montréal. Gegenwärtig befasst er sich vorrangig mit dem Wandel von
    demokratischen Leitbildern in der Bundesrepublik Deutschland. Zu
    seinen jüngsten Publikationen zählen "Demokratie im Schatten der
    Gewalt. Geschichten des Privaten im deutschen Nachkrieg" (hg. mit D.
    Fulda, S. Hoffmann und D. Herzog, erscheint 2010 im Wallstein Verlag)
    sowie "Jews and other Germans. Civil Society, Religious Diversity and
    Urban Politics in Breslau, 1860 to 1925" (University of Wisconsin
    Press 2008).

    Andreas Fahrmeir ist Professor für Neuere Geschichte mit dem
    Schwerpunkt 19. Jahrhundert an der Goethe-Universität und Prinicipal
    Investigator des sozial-und geisteswissenschaftlichen
    Forschungsverbundes "Die Herausbildung normativer Ordnungen".
    Demnächst erscheint sein Buch "Revolutionen und Reformen. Europa 1789
    - 1850" als erster Band der neuen Reihe "Geschichte Europas" im C.H.
    Beck Verlag.

    Anmeldung: Andreas Reichhardt, Tel: (06172) 13977-16, Fax: (06172)
    13977-39,

    a.reichhardt@forschungskolleg-humanwissenschaften.de

    Informationen: Bernd Frye, Tel: (06172)13977-14, frye
    @forschungskolleg-humanwissenschaften.de

    Arten der Pressemitteilung:
    Buntes aus der Wissenschaft

    Sachgebiete:
    Geschichte / Archäologie
    Gesellschaft
    Politik

    Weitere Informationen finden Sie unter
    http://www.forschungskolleg-humanwissenschaften.de



    Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
    http://idw-online.de/pages/de/news376724

    Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
    http://idw-online.de/pages/de/institution131

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    "Direkte Steuern runter, indirekte Steuern rauf" (via Nachdenkseiten)


    Direkte Steuern runter, indirekte Steuern rauf

    (Nachdenkseiten)

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=6027#h06


    Kein anderes großes EU-Land hat die Körperschaftssteuer und damit die Belastung für Unternehmen in den vergangenen Jahren so stark gesenkt wie Deutschland. Der Steuersatz ging zwischen den Jahren 2000 und 2010 um 21,8 Punkte zurück.

     

    Laut einer Aufstellung des europäischen Statistikamts Eurostat liegt Deutschland damit in der EU-Rangliste der Steuersenker auf dem zweiten Platz hinter Bulgarien. Unter dem Strich ist die Körperschaftssteuer in der Bundesrepublik aber mit 29,8 Prozent noch deutlich über dem EU-Schnitt von 23,2 Prozent.

    Bei anderen Steuerarten fallen die Entlastungen in Deutschland deutlich geringer aus. Der Spitzensatz der Einkommensteuer ging den Angaben zufolge binnen zehn Jahren um 6,3 Prozent zurück. In diesem Bereich senkten aber sieben andere EU-Staaten den Satz um mindestens zehn Prozentpunkte.

     

    Der höchste Spitzensatz ist derzeit mit 56,4 Prozent in Schweden zu zahlen. Auch in Belgien, Dänemark, den Niederlanden, Österreich und Großbritannien liegt der Höchstsatz der Einkommensteuer bei 50 Prozent oder darüber.

    Im Gegensatz zu den Senkungen der direkten Steuern stiegen indirekte Steuern seit dem Jahr 2000 in Deutschland deutlich an. Der reguläre Satz der Mehrwertsteuer wurde in dieser Zeit um drei Punkte auf 19 Prozent angehoben. Nur Zypern und Griechenland beschlossen im selben Zeitraum mit einem Plus von jeweils fünf Prozentpunkten eine deutlichere Erhöhung.

     

    Die Hälfte der EU-Staaten erhebt derzeit Umsatzsteuern in derselben Höhe wie zehn Jahre zuvor. Die Tschechische Republik und die Slowakei senkten ihre Sätze sogar.

    Quelle 1: Tagesschau

     

    http://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmenssteuern100.html

    Quelle 2: Eurostat [PDF - 59 KB]

     

    http://www.eds-destatis.de/de/press/download/10_06/095-2010-06-28.pdf

    Anmerkung WL:

    Die Autoren merken vermutlich gar nicht, dass sie mit dieser Statistik einen Beleg für den Steuersenkungswettlauf innerhalb der EU liefern. Zur gleichen Zeit redet alle Welt über eine sog. Verschuldungskrise. Da wäre einmal die "schwäbische Hausfrau" am Platze: wenn man systematisch die Einnahmen senkt, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass man sich schon bei gleichbleibenden Ausgaben verschulden muss. Wir haben keine Verschuldungskrise sondern einen Steuersenkungswahnsinn.
    Unser Leser U.F. weist uns noch auf Folgendes hin: Tatsächlich werden in diesem Artikel nur die Prozentsätze der Spitzensteuer auf Einkommen aufgeführt, was von dem Autor des o.g. Artikels der ARD unkritisch übernommen hat.

    In der Broschüre "Die wichtigsten Steuern im internationalen Vergleich 2009″ des Bundesministerium der Finanzen [PDF - 1.1 MB] werden zudem der Geldbetrag des zu versteuernden Einkommens, ab dem der Spitzensteuersatz beginnt, genannt. Und siehe da, in unserem Lande zahlt man erst die 47,48% incl. Soli ab 250.400,- €, in Frankreich, das den Spitzensteuersatz im Zeitraum 2000/2009 um 13% auf 45,8% senkte, schon bei 69.505,- €. Die anderen sechs Mitglieder der EU sind Volkswirtschaften, die schwerlich mit der BRD zu vergleichen sind. Aber selbst Luxemburg versteuert ein Einkommen ab 39.885,- € mit dem Spitzensteuersatz von 39%. (Ob es nicht absurd ist, den Spitzensatz schon ab 40.000 Euro zu erheben sei dahingestellt. Anmerkung RS)


    Die Pressemitteilung als auch die Broschüre des BFM sind aber hiervon unabhängig interessant hinsichtlich anderer steuerlicher Entwicklungen im internationalen Vergleich. Allerdings fällt auch hier wieder die ideologische Brille, mit der in Pressemitteilung das Zahlenmaterial gewertet wird, auf: Es wird das arithmetische Mittel der Sätze der 27 Staaten gezogen statt den Median zu nennen. Da Großbritannien im Jahre 2010 den Spitzensteuersatz um 10%-, Schweden um 4,9%-, Portugal 2%- und Lettland 1%-Punkte senkte, wirke sich die Absenkungen in den anderen Volkswirtschaften auf den Durchschnitt nicht so stark aus. Und diese Absenkungen sind heftig!

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    Bittere Wahrheiten - Zum 100.Geburtstag von Erich Kuby (taz + Nachdenkseiten)

     

    BERUFEN Er sah sich als ein Aufschreiber, der berichten zu wollen als demokratische Tugend begriff:
    Zum 100. Geburtstag von Erich Kuby erscheint "Mein ärgerliches Vaterland" neu

    VON JAN SCHEPER


    Ein "Bundesnonkonformist", ein "Wegbereiter der Studentenbewegung" von 1968, das "linke Gewissen der Nation": Die Liste der Titel, die Erich Kuby mal widerwillig, mal anerkennend erhalten hat, ist lang. Als Kuby im Jahr 2005 in Venedig starb, hatte er die Bundesrepublik fast 50 Jahre schreibend begleitet; besser gesagt, mit ihr und um sie fortwährend gestritten. An die 40 Bücher hat Kuby zu Lebzeiten abgeliefert, neben zahlreichen Hörspielen und einigen Drehbüchern.

    Vor allem aber war der "Nestbeschmutzer von Rang", wie ihn Nobelpreisträger Heinrich Böll einst nannte, ein im positiven Sinne vom kritischen Journalismus Besessener. In der pünktlich zu seinem Geburtstag - Kuby wäre am heutigen Montag 100 Jahre alt geworden - im Berliner Aufbau-Verlag erschienenen Neuauflage der Artikelsammlung "Mein ärgerliches Vaterland" schreibt Kuby von sich selbst: "Ich wurde kein Schreiber, sondern ein Aufschreiber, und ich begehre, schuld daran zu sein."

    Die Worte sind dem rund 600 Seiten starken Werk vorangestellt und verdeutlichen jenes Credo, dem Kuby in den hier zusammengefassten Beiträgen von 1946 bis 1989 treu bleibt. Es ist das die Verantwortung suchenenden und Verantwortung fordernden Beobachters. Gerade nach Ende des Zweiten Weltkrieges geschieht dies im Sinne des kritischen Berichts gegenüber einer sich neu definierenden Gesellschaft und Politik im besetzten Deutschland.

    "Er war ein Linker, aber kein Ideologe. Er wollte von Anfang an, 45, eine andere Bundesrepublik, ein anderes Deutschland", schrieb der Autor Peter O. Chotjewitz. Kubys "ärgerliches Vaterland" liest sich wie ein Augenzeugenbericht, dessen Kraft in der klaren perspektivischen Ausrichtung des Autors liegt - vorausschauend, gründlich und schlicht packender als die Unmengen von bunt bebilderten, emotionale Effekte haschenden Fernsehdokumentationen à la Guido Knopp. Er zeichnete sich durch eine bemerkenswerte narrative Vitalität aus und verlor nie das nötige Quäntchen Emphase.

    Und Erich Kuby gelingt es zeitlebens, in fast allen relevanten Printmedien zu publizieren. Er beginnt 1947 als Chefredakteur der einflussreichen Zeitschrift Der Ruf, wechselt ein Jahr später zur Süddeutschen Zeitung. Gegen Ende der 50er-Jahre schreibt er für die Welt und den Spiegel, bevor er seine bis 1980 dauernde Redaktionstätigkeit für den Stern aufnimmt.

    Bundesweit bekannt wird Kuby mit dem Buch "Rosemarie, des deutschen Wunders liebstes Kind", das sich mit der Biografie der ermordeten Frankfurter Prostituierten Rosemarie Nitribitt auseinandersetzt, und der deutschen Doppelmoral während der Wirtschaftswunderzeit. Auch sein Buch "Der Fall ,Stern' und die Folgen" um die gefälschten Hitler-Tagebücher wird ein Bestseller. Im Jahr 2005 erhält er posthum den Kurt-Tucholsky-Preis für sein Gesamtwerk.

    "Mein ärgerliches Vaterland" enthält neben den journalistischen Arbeiten ebenso Vorträge, Arbeitsnotizen und Briefentwürfe. Die Texte sind chronologisch geordnet und jeweils mit einer kurzen Einleitung versehen, die mal boshaft, mal humorvoll, gelegentlich auch polemisch eitel in die Thematik einführt und so ein Lesen gegen den Strich ermöglicht. Von der Geburtsstunde des Grundgesetzes über die Präsidentschaft Walter Scheels bis zu den RAF-Selbstmorden in Stammheim - durch Sprünge beim Lesen gewinnt das Buch an historischer Spannung und gesellschaftlicher Dynamik.

    Stilistisch gesehen ist Kuby ein Vielverwerter der journalistischen Formen. Die Grenzen zwischen Reportage, Leitartikel, Kolumne und Kommentar verschwinden oft, was aber eher fruchtbar als störend erscheint. Dennoch hat Kuby den Hang zum Prosaischen mehr als zum politischen Feuilleton. Das erinnert an Tucholsky, mit dem er auch die Vorliebe für ein Arsenal an Pseudonymen teilt, und bei besonders bissigen Passagen an die journalistischen Arbeiten von Heinrich Heine.

    Bei aller Ausprägung wacher Kritik sind es doch letztlich die schlichte Gabe zur Beobachtung und deren unspektakuläre Dokumentation, die seinen Arbeiten eine besondere Qualität verleiht. Es gilt, bittere gesellschaftliche Wahrheiten zu schildern, wie folgende Szene an einem Bahnhof im Herbst 1947: Als ein Mann einen im bereits überfüllten Zug sitzenden Beamten um Hilfe bei dem Einstieg durch ein Fenster bittet, weist ihn dieser mit der Begründung zurück, das sei verboten und der Zutritt zum Wagon nur mit entsprechendem Ausweis möglich, was zu folgendem Dialog führt:

    "Du schweiniger Hund, wir waren im KZ, und ihr macht euch hier breit, aber wartet, ihr Saubande, ihr verfluchte, wenn es wieder zum Kämpfen kommt, gegen euch kämpfen wir, gegen euch, gegen euch …! Er schüttelte die Faust, indes der Ministerialrat bemerkte: Hoffentlich kämpft ihr dann besser."
    Erich Kuby: "Mein ärgerliches Vaterland". Aufbau-Verlag, Berlin 2010, 610 Seiten, 16,95 €

    Erich Kuby "wollte von Anfang an eine andere Bundesrepublik, ein anderes Deutschland"

    PETER O. CHOTJEWITZ

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    --->>> Das Leben einer Hotel-Hungerlöhnerin <<<--- (Nachdenkseiten)


    Das Leben einer Hotel-Hungerlöhnerin

    (Nachdenkseiten)



    Eigentlich fallen Zimmermädchen unter die Kategorie Mindestlohn.

     

    Doch viele Hotels sind äußerst kreativ, um die Reinigungskräfte mit weniger abzuspeisen – auf Kosten der Steuerzahler.

    Das alles ist nur zu verstehen, wenn man in ihren Arbeitsvertrag schaut.

     

    Und dort steht, Mindestlohn hin, Mindestlohn her: "Die Vergütung richtet sich nach der Anzahl der bearbeiteten Hotelzimmer."

     

    Und die sieht so aus: 50 Cent für die Reinigung eines Zimmers, in dem der Gast noch weitere Nächte bleibt. 75 Cent für das Bad dieses Zimmers.

     

    3,50 Euro für ein großes Zimmer, wenn Gäste abreisen und die Betten frisch bezogen werden müssen, 2,80 Euro für ein kleines.

     

    Um aber auf den gesetzlichen Mindestlohn zu kommen, müsste Petra R. pro Stunde in mehr als sechs Zimmern die Betten machen und die Bäder putzen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wie jeder weiß, der seine Wohnung selbst in Ordnung hält.

    Verlierer Nummer zwei ist der Steuerzahler. Petra R. kann trotz ihrer 40 bis 50 Arbeitsstunden pro Woche nicht von ihren Einkünften leben.

     

    Also bittet sie Monat für Monat beim Jobcenter um einen Zuschuss: Sie ist eine der sogenannten Hartz-IV-Aufstocker. Ebenso oft taucht sie beim Wohnungsamt auf, um Wohngeld zu beantragen. Bezahlt wird all dies aus Steuergeldern.

     

    Ein weiteres Geschenk für die Hotelbranche.

    Quelle: FTD

     

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    Nestbeschmutzer von Rang - Zum 100.Geburtstag von Erich Kuby (Dresdner Neueste Nachrichten)


    Nestbeschmutzer von Rang

    (DNN - 28-06-2010 - Seite 6)


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    Wenn der Hund im Kinderwagen sitzt (Wiesbadener Kurier)


    Wenn der Hund im Kinderwagen sitzt
    (Wiesbadener Kurier - 18-06-2010 - Seite 1)

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    Bayern entscheiden über blauen Dunst (DNN - 28-06-2010 - Seite 1)


    Bayern entscheiden über blauen Dunst

    (DNN - 28-06-2010 - Seite 1)


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    --->>> Menstruation und Migräne <<<--- (Gynäkologische Endokrinologie)

     

    Gynäkologische Endokrinologie
    © Springer Medizin Verlag 2006
    10.1007/s10304-006-0137-x

    Originalien

    Menstruation und Migräne
    Behandlung menstrueller Migräneattacken mit Rizatriptan

    A. Gendolla1, 2 Contact Information

    (1)  Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen,
    (2)  Klinik und Poliklinik für Neurologie, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 55, 45147  Essen

    Contact Information A. Gendolla
    Email: astrid.gendolla@uni-essen.de

    Online publiziert: 8. Februar 2006

    Zusammenfassung  Die Menstruation löst bei vielen Frauen Migräneattacken aus. Diese Attacken treten einige Tage vor, zu Beginn oder kurz nach Beginn der Blutung auf. Gerade junge, sonst gesunde Frauen, die in der Regel keine ärztliche Hilfe benötigen, wenden sich in erster Linie an ihren Gynäkologen und fragen nach den Zusammenhängen und einer guten Therapie. Im Folgenden wird über die Zusammenhänge und die Erfahrungen von Gynäkologen mit dem Triptan Rizatriptan (MAXALT®) 10 mg zur Behandlung der menstruellen Migräne unter Praxisbedingungen berichtet: 720 Patientinnen berichteten mittels Tagebuchaufzeichnungen über die Therapieergebnisse bei 2 Migräneattacken, die im Zusammenhang mit ihrer Menstruation auftraten. In dieser Studie wurden die Therapieverläufe von Patientinnen dokumentiert, von denen 85% MAXALT® 10 mg und 15% MAXALT® lingua 10 mg einnahmen. Ihre Zufriedenheit mit der medikamentösen Therapie hielten die Patientinnen in Tagebüchern fest, von denen 548 ausgewertet werden konnten. In diesen gaben über 90% der Patientinnen an, dass sie eine schnelle Wirkung verspürten, weniger in ihren üblichen Aktivitäten eingeschränkt waren und die einfache Darreichungsform schätzten. Schmerzfrei wurden ca. 80% der Patientinnen. Im Verlauf der Studie traten insgesamt 9 unerwünschte Ereignisse auf. Kein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis wurde berichtet.

    Schlüsselwörter  Migräne - Menstruation - Attackenbehandlung - Triptane - Tagebuch

    Menstruation and migraine

    Treatment of menstrual migraine attacks with rizatriptan

    Abstract  Many woman report that menstruation triggers migraine attacks. These attacks occur some days before, during or after the onset of menstruation. Young and otherwise healthy women often consult gynaecologists with this problem. We report the results of a study conducted in a primary care setting with gynaecologists treating menstrual migraine with 10 mg rizatriptan. The study included 720 patients who reported treatment of two consecutive migraine attacks occurring around the time of menstruation: 85% of the patients took rizatriptan 10 mg conventional tablets (Maxalt) and 15% used the melt wafer (Maxalt lingua). Data of 548 diaries could be evaluated. Over 90% of the patients reported a fast onset of action, improvement of disability and satisfaction with the ease of handling the medication; 80% reported being pain free. Nine adverse events were reported in this study, none of which were serious.

    Keywords  Migraine - Menstrution - Teatment of acute attacks - Triptans - Diary


    Migräne ist eine ldquorFrauenkrankheitldquo. Jahrhundertelang hat Frauen mit Migräne das Stigma des Neurotizismus oder der eingebildeten Krankheit (Hysterie) angehaftet. Erkenntnisse zur Genetik, Pathophysiologie und Therapie der Migräne konnten diese Vorurteile ausräumen. Migräne ist eine chronische, neurobiologische Erkrankung, die heutzutage gut therapierbar ist.


    Klinik und Pathophysiologie der Migräne

    Klinik

    Der typische Migränekopfschmerz ist einseitig, stechend pulsierend, verschlechtert sich bewegungsabhängig und weist als fakultative Begleitsymptome Nausea, Vomitus, Photo- und Phonophobie auf [8].

    Epidemiologie

    Die Prävalenz der Migräne beträgt bei Männern 3–9% und bei Frauen 13–19%. Der Erkrankungsbeginn liegt hauptsächlich zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr. Vor der Pubertät beträgt die Häufigkeit der Migräne 4–5%, wobei es keinen geschlechtsspezifischen Unterschied gibt [8, 14, 15]. Dies zeigt die Bedeutung hormonaler Einflüsse auf die Migräne bei Frauen. Migräneattacken bei Frauen sind oft länger und intensiver.

    Pathophysiologie

    Kopfschmerz und Begleitsymptome

    Bei der Entstehung des Migränekopfschmerzes kommt es zu einer Dilatation meningealer Blutgefäße. In den Gefäßwänden liegen C-Fasern, die dann den pulsierenden Schmerz vermitteln. Darüber hinaus kommt es zu Plasmaextravasion mit Freisetzung von proinflammatorischen und exzitatorischen Neuropeptiden (Substanz P, CGRP, VIP), die ihrerseits die Vasodilatation unterhalten. Im Tierversuch können sowohl Triptane als auch Azetylsalizylsäure, nichtsteroidale Antirheumatika und Ergotamine diese neurogene Inflammation blockieren. Bei Menschen ließ sich während einer Migräneattacke ein erhöhter Blutspiegel von CGRP (ldquorcalcitonin gene-related petideldquo) in der Jugularvene nachweisen [3]. Autonome Symptome wie Nausea und Vomitus sind der Mitbeteiligung des Hirnstamms zuzuschreiben. PET- (ldquorpositron emission tomographyldquo-)Studien weisen auf den Hirnstamm als möglichen ldquorMigränegeneratorldquo hin [19].

    Aura

    Die vaskuläre Hypothese ging ursprünglich davon aus, dass eine Minderperfusion der Hirnrinde zu neurologischen Ausfällen führt. Dies ist in der Zwischenzeit widerlegt. Die neurogene Hypothese postuliert eine ldquorspreading depressionldquo, bei der es nach einem kurzen Exzitationspuls zu einer Hemmung der kortikalen Aktivität kommt, die sich mit einer Geschwindigkeit von 2–6 mm/min über die Hirnrinde ausbreitet. Dieses elektrophysiologische Phänomen konnte in der Zwischenzeit mittels funktioneller Kernspintomographie und Magnetenzephalographie belegt werden [4].

    Genetik

    Migräne ist eine genetisch determinierte Erkrankung. Für bestimmte Untergruppen von Migräne (familiär hemiplegische Migräne) sind Erbgänge und Genloki bereits gesichert [13].

    Rizatriptan ist ein oral wirksamer Serotonin- (5-HT-)Rezeptoragonist aus der Klasse der Triptane mit hoher selektiver Affinität zu humanen 5-HT1B- und 5-HT1D-Rezeptoren. An den oben genannten intrakraniellen Strukturen dominieren die von Rizatriptan selektiv aktivierten Serotoninrezeptorsubtypen 5-HT1B und 5-HT1D. Im Jahr 2002 wurden die Triptane als Mittel der 1. Wahl bei Migräneattacken in die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) aufgenommen [2].

    Menstruelle Migräne

    Die höchste Migräneinzidenz innerhalb des Zyklus besteht innerhalb von etwa 2 Tagen vor bis zu 2 Tagen nach Beginn der Menstruation. In diesem Zeitraum ist die Attackenhäufigkeit doppelt so hoch wie außerhalb der Periode. Die Diagnose ldquormenstruelle Migräneldquo hatte in die erste Version der Kopfschmerzklassifikation der Internationalen Kopfschmerzgesellschaft (International Headache Society, IHS) keinen Eingang gefunden [12]. Weniger als 10% aller Frauen mit Migräne haben eine rein menstruelle Migräne, d. h. Migräneattacken nur zu diesem und keinem anderen Zeitpunkt im Zyklus [15]. Bei etwa 60% aller Frauen steigt jedoch die Migränehäufigkeit während der Menstruation [7].

    Die Pathophysiologie der menstruellen Migräne ist weitgehend ungeklärt [15]. Der Abfall von Östrogenen fungiert als Trigger. Sommerville formulierte 3 Hypothesen, die bis heute nicht widerlegt sind:

    1)  Durch den langsamen, prämenstruellen Östrogenabfall entsteht eine vulnerable Phase, in der eine Migräneattacke entstehen kann. 2)  Initial hohe Östrogenspiegel sind eine Voraussetzung zur Entstehung der menstruellen Migräneattacke. 3)  Bei kontinuierlich hohen Östrogenspiegeln kann die Migräne sistieren [14, 16, 17, 18].Durch Östrogensubstitution und damit kontinuierlich hohen Spiegeln kann in Einzelfällen die Migräneattacke ausbleiben. Bei Frauen, die in der Menopause waren und nicht mehr an Migräne litten, konnten durch Gabe von Östrogenen Migräneattacken ausgelöst werden. Dabei fallen die Attacken zeitlich mit dem Abfall des Östrogenspiegels zusammen. Bei Frauen ohne Migräneanamnese ließ sich keine Attacke provozieren. Für die Hypothese, dass fallende Östrogenspiegel Migräneattacken triggern, sprechen Studien mit Substanzen, die den Östrogenspiegel senken, wie Danazol oder Tamoxifen [11, 14]. Bislang konnte jedoch keine schlüssige Theorie etabliert werden, die erklärt, warum Migräneattacken perimenstruell gehäuft auftreten [4, 5, 8, 10].


    Therapie der menstruellen Migräne

    Beobachtungsplan

    Die Studie wurde als Anwendungsbeobachtung bei niedergelassenen Ärzten der Fachrichtung Gynäkologie durchgeführt. Jeder Arzt konnte den Therapieverlauf von 1–5 Patientinnen dokumentieren. Es wurden demographische Daten (Geburtsdatum, Geschlecht, Größe und Gewicht) und Daten zur Anamnese (Diagnose, Anamnese der Migräneattacken und deren Relation zum Zeitpunkt der Menstruation sowie bisherige medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlung) erhoben. Maximal 2 Migräneattacken sollten von den Patientinnen in Form eines ldquorTagebuchsldquo dokumentiert werden. Abgefragt wurden darin das Datum des Beginns der Migräneattacken, der Name des eingenommenen Medikaments und eine Beurteilung der medikamentösen Therapie. Zum Abschluss sollte der behandelnde Arzt Angaben zur Fortsetzung der Therapie machen und Gründe zu Fortsetzung bzw. Abbruch der Therapie nennen. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen wurden abgefragt und auf einem gesonderten Dokumentationsbogen beschrieben.

    Statistische Auswertung

    Die Auswertung dieser Anwendungsbeobachtung erfolgte mit Methoden der deskriptiven Statistik.

    Alle erhobenen Parameter wurden je nach Merkmalsart entweder durch eine Mittelwertsanalyse (arithmetisches Mittel, Median, Standardabweichung, Minimum und Maximum) ausgewertet oder mittels Häufigkeitsverteilung (Anzahl, Prozent) beschrieben. Insbesondere Symptome der Migräneattacken und der Therapieverlauf unter MAXALT® 10 mg (Erreichen der Schmerzfreiheit) wurden analysiert. Außerdem wurden unerwünschte Arzneimittelwirkungen und Therapieabbrüche ausgewertet.


    Ergebnisse

    Zahl der Patientinnen

    Insgesamt wurden 901 Dokumentationsunterlagen an 277 Ärzte ausgegeben; 720 (80%) wurden zurückerhalten. Von 548 Patientinnen standen auch Tagebuchinformationen zur Verfügung. Die demographischen Angaben sind in Tabelle 1 zusammengefasst.

    Tabelle 1  Demographische Angaben

    Mittelwert±SD

    Alter (Jahre)

    39,5±10,4

    Gewicht [kg]

    65,4±9,4

    Größe [cm]

    167,5±6,2

    SD Standardabweichung.

    Diagnose

    Die Migräneerkrankung war bei den Patientinnen im Mittel seit 10,6 Jahren bekannt, bei 30,3% der Patientinnen seit 1–5 Jahren, bei 17,2% der Patientinnen seit 5–10 Jahren und bei 38,5% der Patientinnen seit mehr als 10 Jahren.

    Die Migräneattacke dauerte in den 3 Monaten vor Beginn der Erhebung durchschnittlich 2 Tage, bei ca. 28% der Patientinnen bis zu 1 Tag, bei etwa der Hälfte (ca. 47%) bis zu 2 Tagen und bei ca. 20% der Patientinnen bis zu 3 Tagen. Bei ca. 4% der Patientinnen dauerte ein Migräneanfall länger als 3 Tage (meist 4 Tage).

    Bei 91% der Patientinnen führten die Migräneattacken zur Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit (Tabelle 2). Etwa 19% der Patientinnen wurden während der Anfälle sogar bettlägerig.

    Tabelle 2  Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit wegen Migräneattacken in den letzten 3 Monaten vor Beginn der Erfassung

    Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit

    n

    [%]

    Ja, bettlägerig

    135

    18,8

    Ja, eingeschränkt

    520

    72,2

    Nein

    55

    7,6

    Keine Angabe

    10

    1,4

    n Anzahl der Patientinnen, % Prozentsatz der Patientinnen, bezogen auf die Gesamtanzahl.

    Bei der Mehrheit der Patientinnen traten die Migräneattacken entweder vor Beginn der Menstruation (ca. 45%) oder gleichzeitig mit Beginn der Menstruation (ca. 41%) auf. Nur eine geringe Anzahl Patientinnen (ca. 8%) dokumentierte Migräneattacken nach Beginn der Menstruation. Die Migräneattacken mit Beginn vor Eintritt der Menstruation verteilten sich wie folgt: Etwa 27% begannen 1 Tag, ca. 24% 2 Tage und 9% 3 Tage vor Menstruationsbeginn. Die Migräneattacken mit Beginn nach Menstruationseintritt verteilten sich wie folgt: Etwa 19% begannen 1 Tag, ca. 12% 2 Tage und ca. 16% 3 Tage nach Menstruationsbeginn.

    Bisherige Therapie

    Der größte Teil der Patientinnen (ca. 76%) behandelte Migräneattacken vor Erhebungsbeginn medikamentös, davon ca. 69% mit Analgetika/nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR) und ca. 16% mit Triptanen. Eine nichtmedikamentöse Behandlung ihrer Migräne gab ca. ein Viertel der Patientinnen an.

    Darreichungsform

    Über vier Fünftel der Patientinnen verwendeten Rizatriptan in Form von MAXALT® 10 mg, während 14,9% MAXALT® lingua 10 mg einsetzten.

    Wirksamkeit

    Die Wirksamkeit der Therapie mit Rizatriptan wurde den Tagebuchinformationen entnommen. Dazu konnten die Tagebuchinformationen von ca. 540 Patientinnen mit 1053 Migräneattacken ausgewertet werden. Der mittlere Abstand zwischen 2 Migräneanfällen betrug etwa 36 Tage. Bei mehr als der Hälfte der Patientinnen trat die 2. dokumentierte Migräneattacke innerhalb von 3–5 Wochen nach der 1. Attacke auf.

    Bei der Beurteilung der medikamentösen Behandlung gaben über 90% der Patientinnen an, dass sie eine schnelle Wirkung verspürten, weniger in ihren üblichen Aktivitäten eingeschränkt waren und die einfache Darreichungsform schätzten. Schmerzfrei durch die medikamentöse Behandlung wurden ca. 80% der Patientinnen, während dies bei etwa 16% nicht der Fall war (Abb. 1).

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    Abb. 1  Beurteilung der medikamentösen Behandlung, n=548 (alle Patientinnen mit Tagebuch)


    Die positive Beurteilung der Migränetherapie mit Rizatriptan spiegelt sich auch in den Antworten der Patientinnen auf die Frage nach der bevorzugten Behandlung wider. Fast zwei Drittel bevorzugten diese medikamentöse Behandlung (Abb. 2).

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    Abb. 2  Bevorzugte medikamentöse Behandlung


    Fortsetzung der Therapie

    Bei der überwiegenden Mehrheit der Patientinnen wurde die Therapie mit Rizatriptan (MAXALT® 10 mg bzw. MAXALT® lingua 10 mg) am Ende der Erhebung fortgesetzt (über 90%). Nur etwa 7% setzen die Therapie nicht fort.

    Verträglichkeit

    Insgesamt wurden während der Erhebung 9 unerwünschte Ereignisse bei 4 Patientinnen dokumentiert (0,56% aller Patientinnen). Es wurde kein schwerwiegendes unerwünschtes Ereignis berichtet.


    Fazit für die Praxis

    Migräne ist eine Erkrankung, deren Neuerkrankungsgipfel zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr liegt. Dies ist üblicherweise der Zeitraum, in dem die ansonsten oft gesunden Frauen zwar einen Gynäkologen, aber keinen Hausarzt konsultieren. Daher ist es wichtig, dass Migräne beim Gynäkologen diagnostiziert und auch behandelt werden kann, um Patientinnen unnötiges Martyrium durch falsche Attribution zu ersparen (ldquorimmer wenn ich meine Regel habe, werde ich aggressiv und dann bekomme ich Kopfschmerzenldquo). Die vorliegende Anwendungsbeobachtung belegt, dass Triptane, in diesem Fall Rizatriptan (Maxalt® 10 mg), sich zur Therapie der menstruellen Migräne gut eignen. Bei allen theoretischen Überlegungen zum wissenschaftlichen Wert von Anwendungsbeobachtungen zeigt sich auf dem Gebiet der Migräne zunehmend, dass die Beurteilung durch den Patienten selber ein bevorzugter Wirkungsparameter ist. Die Migränetherapie mit Triptanen ist wirksam und Erfolg versprechend und ermöglicht den Patientinnen, ihre Erkrankung eigenständig zu behandeln, was den Weg in Praxen und Notfallambulanzen aufgrund einer Migräneattacke unnötig macht.


    Empfohlene Literatur

    Diener HC (2003) Kopfschmerzen. Thieme, Stuttgart

    Diener HC (2002) Kopf- und Gesichtsschmerzen. Thieme, Stuttgart New York

    Diener HC (2002) Migräne — Ein Buch mit sieben Siegeln? 100 Fragen und 100 Antworten, 3. Aufl. Thieme, Stuttgart

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