Freitag, 16. Oktober 2015

Aus #Sicht d. #BGB d. #BRD war DDR ein Unrechtsstaat - da Konzerne, Banken, Großgrundbesitzer enteignet wurden

 

 
 
Die DDR - ein Unrechtsstaat? Aber ja doch!
[RotFuchs - Ausgabe März 2015 - Seite 5]



:Die #öffentliche #Stimmung richtet sich immer öfter nicht gegen die Armut - #sondern #gegen #die #Armen [via heise.de]

 

 

Eure Armut kotzt uns an!

 
[via heise.de]
 
 
 
 

Die öffentliche Stimmung richtet sich immer öfter nicht gegen die Armut - sondern gegen die Armen

Wer in Berlin in einen Supermarkt geht, dem kann es passieren, dass ihm beseelte Freiwillige der Kampagne "Laib&Seele" auflauern. Diese Initiative für "Lebensmittelspenden", initiiert vom rbb und der evangelischen Kirche, gibt mehrmals im Jahr die Parole aus: "Eins mehr!" Supermarkt-Kunden sollen dann ein erworbenes Food-Produkt als Armenzehrung entbehren. Wie gut, dass zumindest eine dieser christlich Engagierten genau weiß, dass sich die Armen auch mit wenig zufrieden geben: "Kaufen Sie einfach eine Packung der billigsten Spaghetti, die es hier gibt, und spenden Sie sie uns!"

Mit denen, die den Armen helfen wollen, scheint das oft so eine Sache: Ihr Streben nach einer "gerechten" Gesellschaft verdeckt vielleicht ihre eigentliche Motivation. Diese besteht allzu oft leider wohl eher aus christlicher Genügsamkeit oder leidenswilligem Almosen-Sozialismus - oder aber daraus, aus dem Geschäft mit der Armut selber zu profitieren, wie die Armeen von Sozialarbeitern und anderen professionellen Kümmerern, die in diesem Tätigkeitsfeld aktiv sind. Die Doppelmoral offenbart auch das deutsche Stiftungswesen, das - wie etwa die "Aktion Mensch" - unter dem Deckmantel der Mildtätigkeit Behindertenarbeit im Niedriglohn-Bereich fördert.

Fast auf den Tag genau zum zehnjährigen Hartz-IV-Jubiläum segnete die Bundesregierung letzte Woche den neuen Armuts- und Reichtumsbericht ab - wie bekannt, in einer mehrmals inhaltlich redigierten Version (FDP schafft Armut in Deutschland ab – zumindest auf dem Papier).

In den Wochen zuvor beherrschte ein ähnliches Thema die Zeitungsseiten und wurde in mehreren Talk-Shows breit diskutiert: die Armutseinwanderung. Dabei wurde gerne mit "besorgniserregenden" Zahlen hantiert: Rund 160.000 Rumänen und Bulgaren seien 2011 laut statistischer Erfassung nach Deutschland gekommen, gegenüber dem Vorjahr eine Verdopplung. Am Rande wurde dann darauf hingewiesen, dass nur etwa die Hälfte davon auch in Deutschland geblieben ist. Nichtsdestotrotz gab der Deutsche Städtetag im Januar ein Positionspapier heraus, in dem er betont, dass die Armutszuwanderung ein erhebliches "Gefährdungspotential für den sozialen Frieden in den Quartieren" darstelle.

Präsident des Städtetages ist der Münchener SPD-OB Christian Ude, der bereits zuvor die Bürger seiner Stadt wörtlich zu "Unfreundlichkeit" gegenüber Bettlern aufforderte, um für diese die Innenstadt unattraktiv zu machen. In der Zeitschrift Städtetag aktuell (2/2013) wurde noch einmal nachgelegt: "Fälle von Bettelei führen zu Problemen in der Nachbarschaft."

Auf Druck des Innenministers Friedrich verzichtete die EU letzte Woche auf die weitergehende Freizügigkeit für osteuropäische EU-Bürger. Die Zahlen zur bedrohlichen Armut in Deutschland werden heruntergerechnet, die Zahlen zu den armen Einwandereren aus dem Ausland werden hochgerechnet. Eine merkwürdige Schizophrenie scheint es jedoch auch allgemein zu geben in der Wahrnehmung des Armuts-Themas durch die Mehrheitsgesellschaft.

Während die Politik kurz nach den Hartz-IV-Reformen noch betonte, es ginge darum, wieder allen Bevölkerungsteilen den Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zur Wohlstandsgesellschaft zu eröffnen, so deutete sich seit dem Beginn der Finanzkrise das Eingeständnis der Eliten an, dass solch eine Vollbeschäftigung und universale Teilhabe wie zu früheren Zeiten gar nicht mehr möglich ist - schon gar nicht in Konkurrenz zu den "emerging markets" der BRIC-Staaten, die ihr rasantes Wirtschaftswachstum nicht auf Sozialstandards gründen.

Bildungspolitik wird zur Kampfzone zwischen Mittel- und Unterschicht

Seitdem setzt man ordnungspolitisch eher auf eine gezielte Förderung der bereits wohlhabenden Mittelschicht. Besonders von der diversen Unterstützung kinderreicher Familien profitieren nur die, die bereits über Einkommen verfügen. Die praktische Realisierung der Bildungsgutscheine dagegen scheitert in vielen Kommunen immer noch an der Bürokratie. Die Bildungspolitik wird offensichtlich immer mehr zur Kampfzone zwischen Mittel- und Unterschicht, wie vor einiger Zeit in Hamburg am massiven bürgerlichen Protest gegen die Abschaffung der Hauptschulen sichtbar wurde.

Durch die bundesweit eingerichtete größere Unabhängigkeit der Schulen - die damit zueinander in Konkurrenz traten - ist mittlerweile auch ein Kampf entbrannt um die besten Schüler. Schüler aus "Problemfamilien" und mit "Auffälligkeiten" gelten dagegen als Lernbehinderung für die anderen Schüler und zudem als betreuungs- und damit kostenintensiv. In Berlin-Prenzlauer Berg gibt es zumindest eine öffentliche Schule, die zur Einschulung die Anschaffung eines Apple-Laptop für 1000 Euro von den Eltern verlangt. Eine stärker werdende Selektion in Arm&Reich gibt es auch in anderen Problembereichen: Während sich die Kanzlerin persönlich dafür stark machte, Opfer der isländischen Pleite-Banken zu entschädigen, wird der Verbraucher- und Rechtsschutz für arme Konsumenten vernachlässigt.

Ein qualitativer Zugang zu Telekommunikation oder Internet ist für Menschen ohne geregeltes Einkommen quasi unmöglich. Die Prozesskostenhilfe etwa wurde in einigen Rechtsbereichen bereits eingeschränkt, weitere restriktive Neureglungen werden bereits vom Justizministerium erarbeitet - besonders betreffen wird dies ALG II-Empfänger und arme Rentner, aber auch Beschäftigte im Niedriglohn-Bereich, die sich ansonsten keinen Rechtsanwalt leisten könnten.

Sehr auffällig ist auch das Missverhältnis der Aufmerksamkeit im Heim- und Missbrauchsskandal: Der zahlenmäßig relativ geringe sexuelle Missbrauch in katholischen Einrichtungen wurde wochenlang zum medialen Top-Thema, umgehend wurden Hilfsfonds, Opferberatungen etc. eingerichtet. Betroffen vom Missbrauch waren vor allem Internatsschüler aus wohlhabenderen Familien. Die systematische Ausbeutung und Misshandlung von hunderttausenden Heimkindern in den Nachkriegsjahren dagegen fand erst mit jahrzehntelanger Verspätung den vereinzelten Weg in die Berichterstattung der großen Medien, obgleich der körperliche Schaden erheblich größere Ausmaße hatte und spätere Erwerbstätigkeit verhinderte. Diese Heimkinder entstammten fast ausnahmslos den unteren Schichten, hatten "gefallene" Mütter. Bis heute wurden zumeist gar keine, teils allenfalls symbolische Entschädigungen gezahlt.

Vom unkultivierten Anti-Bild der Mittelschicht

In Gänze betrachtet wirkt es, als hätte die Politik und auch die Mehrheitsgesellschaft die Unterschicht bereits komplett aufgegeben. In großen Teilen Mecklenburg-Vorpommerns gibt es nicht einmal mehr eine funktionierende Infrastruktur: Der ÖPNV wird ausgedünnt, Ärzte schließen ihre Praxen, Banken und Supermärkte ihre Filialen - es ist einfach zu wenig Kaufkraft vorhanden. Im Ruhrgebiet werden mittlerweile ganze Stadtteile abgerissen - kurioserweise dienten die verlassenen Straßen in den letzten Jahren als Drehorte für den ARD-Tatort.

Dafür, dass die neue Armut aber alleine in Deutschland Millionen von Menschen betrifft, kommt sie in den Medien nur sehr selten vor: Zwar wird gerne über die allgemeine Wohlstandsbedrohung durch den globalisierten Turbo-Kapitalismus diskutiert, die alltägliche Zerstörung von Millionen Biografien, die alleine durch Geldmangel verursacht wird, kommt aber nur randständig vor oder wird in stereotyper Dramaturgie aufgewärmt: sozialromantische Reportagen über nächtliche Flaschensammler, Mutmach-Dokus über alleinerziehende Mütter, die es irgendwie doch schaffen, oder die beiden ALG II-Empfänger, die ein populär gewordenes Hartz-IV-Kochbuch schrieben. Als sie vom Stern TV-Moderator gefragt wurden, ob man denn vom Regelsatz wirklich gut essen könne, wiesen diese darauf hin: "Süßigkeiten muss man sich natürlich verkneifen." Anerkennendes Klatschen danach vom Publikum für so viel Selbstdisziplin.

Massenhafte und dauerhafte Armut gehört mittlerweile also nicht nur ganz normal zu Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt - sie wird sogar instrumentalisiert, um der Wohlstands-Mittelschicht die Angst einzureden, wie schlimm es doch auch sie treffen könnte, wenn nicht die "alternativlose" Sparpolitik befolgt werde. Geradezu chic ist es mittlerweile geworden, von der Position des scheinbar aufgeklärten Menschen aus bestimmte Gruppen auszumachen, die angeblich mit steigender Gewalt die an sich friedliche Bundesrepublik bedrohen, da sie das unkultivierte Anti-Bild der Mittelschicht darstellen: Rockergruppen, Jugendliche mit Migrationshintergrund, Sinti und Roma.

Die Fakten interessieren aber nicht, wenn dieses Zerrbild gezeichnet wird: Die Hells Angels haben selbst laut BKA nur 1000 Mitglieder, die Jugendgruppen-Gewalt ging laut letztem Bericht des Innenministeriums stark zurück, die meisten Sinti und Roma in Deutschland und Europa leben völlig unauffällig und gehen bürgerlichen Berufen nach. Die politische und mediale Beschäftigung etwa mit diesen drei Personengruppen steht faktisch auch in keinem Verhältnis zum volkswirtschaftlichen Milliarden-Schaden, den andere Kriminelle verursachen. Beispielsweise fand in Berlin letzte Woche wieder mal eine Großrazzia in über zwanzig Arztpraxen statt, mehrere Ärzte wurden verhaftet. Der groß angelegte Abrechnungsbetrug ist laut Staatsanwaltschaft im Millionenbereich zu verorten.

Die Grenzen verlaufen nicht zwischen den Völkern, sondern zwischen den Klassen

Der millionenschwere Reeder Peter Krämer sprach einmal in einem Interview davon, dass die Gruppe, die mit Abstand die größte politische Lobby hätte, die Reichen seien. In den letzten Jahren aber ist zudem eine Hetze gegen Arme salonfähig geworden. Der Publizist Matthias Matussek beispielsweise interpretierte den Hype um die ESC-Gewinnerin Lena dergestalt, dass nun endlich die "normalen" Jugendlichen der Mittelschicht aufbegehrten gegen die ständige öffentliche Konzentration auf Problemjugendliche aus Randbezirken.

Der alte linke Spruch, wonach die Grenzen nicht zwischen den Völkern verlaufen, sondern zwischen den Klassen, erfährt etwas verändert, neue Wahrheit: Die Mittelschicht verbündet sich quasi mit "denen da oben" gegen die "da unten" und am liebsten gegen die "ganz unten". Der barbarische Sexualmord an einer Studentin in Indien wurde im Nachklang immer mehr zu einer Kollektivtat der wirtschaftlich Abgehängten stilisiert. Die ARD berichtete von Rachetaten an Slumbewohnern. Die Mittelschicht der indischen Kasten-Gesellschaft demonstrierte zu Hunderttausenden gegen die Ungerechtigkeit gegenüber Frauen - nicht aber gegen die in fast ganz Asien barbarische Armut und soziale Ausgrenzung, die doch erst die patriarchalisch-gewalttätigen Strukturen aufrechterhält und einen Ausbruch aus der Armut für Frauen und Männer unmöglich macht.

Theodor W. Adorno formulierte einmal einen pessimistischen Satz zur mangelnden Widerständigkeit der Armen: "Und sei ihr eigenes Schicksal auch das Schlimmste: Sie erkennen es als das ihre an." Die heutige Gesellschaft in der Krise ist anscheinend gänzlich zurückgekehrt zu solch einer Wahrnehmung der Unveränderbarkeit von sozialen Gegebenheiten und zu einem "anthropologischen" Klassenkampf von oben gegen unten: Selbst seriöse Medien reden mittlerweile von "Hartz IV-Charakteren", als ob der Charakter eines Menschen alleine durch den ökonomischen Stand in der Konkurrenzgesellschaft sichtbar wird.

Jegliche kritische Betrachtung der gesellschaftlichen Zurichtung der Individuen, wie sie Freud, Marx, Benjamin, aber auch die Pop-Kulturen der 70er oder 80er vornahmen, scheint vergessen. In der sozialen Frage gilt vermehrt wieder der Biologismus: oben ist oben, unten ist unten, und so bleibt es für immer. Oder wie es ein chinesischer Milliardär vor kurzem einem "Tagesthemen"-Reporter ins Mikrofon sprach: "Wer nicht reich ist, ist faul."

Und wenn man den faulen Armen dann doch mal Geld gibt, dann geben sie es nur für Alkohol und Fast Food aus, wie Sigmar Gabriel in der Debatte um die Bildungsgutscheine meinte. In der Debatte um die Krankenversicherung in den USA wiesen Gegner der staatlichen Krankenversicherung gerne darauf hin, dass die Ausgaben in die Höhe schnellen würden, wenn auch bisher Nicht-Versicherte aus der rauchenden und Fast Food-affinen working class umfassend behandelt würden. So wird dann in der öffentlichen Kampagne gegen die Armen ein Ressentiment durch ein anderes scheinbar argumentativ unterstützt.

Auch die Unterhaltungs-Industrie hat die Armen längst als plakative Opfer entdeckt: Hartz IV-Witze bringen nicht nur Stefan Raab in "TV Total" immer die erfolgreichsten Lacher des Publikums ein. Eine sehr seltene Stimme der Vernunft im Comedy-Schwachsinn war da fast nur der Kabarettist Wilfried Schmickler. Er gab auf der Neuauflage des "Arsch huh, Zäng ussenander"-Konzerts in Köln Ende letzten Jahres das Gedicht "Wat normal is" zum Besten:

"Wenn die Reichsten den Ärmsten Kredite geben -
Zum Sterben zu viel und zu wenig zum Leben.
Wenn sie dann, kurz bevor diese Ärmsten verrecken
Ganz schnell noch die Pfändungsbescheide vollstrecken.

Wenn die Schleuser und Schlepper die Hoffnung verkaufen,
Und die Käufer in schwimmenden Särgen ersaufen.
Wenn die Mörder ihr Gewissen in den Brieftaschen tragen
In Hochsicherheitstrakten mit Selbstschussanlagen

Wenn die Räuber und Diebe dann endlich verschwinden,
Weil sie nirgends mehr etwas Verwertbares finden.
Wenn dann keiner die Taten der Täter beklagt,
Und schon gar keiner mehr nach den Opfern fragt.

Dann ist das alles in allem völlig normal."




wie Politik unter #Deckmantel des #Fortschritts immer deutlicher #soziale #Rechte #unterminiert, #soziale #Sicherheit #abschafft ...

 

Die neoliberale Domestizierung der Sozialen Arbeit

 
[via nachdenkseiten.de]
 
 
 

Wir alle sind – auf Gedeih und Verderb – auf unser Gesundheits- und Sozialsystem angewiesen. Aber wer weiß schon genau, wie die Systeme funktionieren? Wie sie sich verändert haben? Wer begreift noch den Sinn und die Auswirkungen staatlicher Verordnungen, der »Reformen« der letzten Jahre? Wer begreift, wie die Denkgifte [PDF] der neoliberalen Ideologie mehr und mehr die Institutionen durchdrungen, sich in den Köpfen und Herzen der Menschen festgesetzt haben und hierdurch etwa den Armen immer besser weißzumachen vermögen, sie selbst seien ihres Unglückes Schmied.

Diese Entwicklung beobachtet der Pädagoge und Familientherapeut Matthias Heintz auch im Bereich der Sozialen Arbeit sowie der Kinder- und Jugendhilfe, weswegen er zur Abwehr der immer massiveren Angriffe auf diesen Bereich auch das „Bündnis Kinder- und Jugendhilfe – für Professionalität und Parteilichkeit" ins Leben gerufen hat.

Jens Wernicke sprach mit ihm darüber, wie Politik unter dem Deckmantel des Fortschritts immer deutlicher soziale Rechte unterminiert, soziale Sicherheit abschafft sowie einer Ökonomisierung und Privatisierung der öffentlichen Daseinsvorsorge in die Hände spielt.

Herr Heintz, Sie waren knapp zwei Jahrzehnte in der Kinder- und Jugendhilfe tätig und sind Mitbegründer des
Bündnisses Kinder- und Jugendhilfe. In einem aktuellen und lesenswerten Buch skizzieren Sie gemeinsam mit Prof. Mechthild Seithe massive Angriffe auf diesen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge und befürchten dessen nahen Exitus. Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung?

Spätestens seit der politischen Weichenstellung zur Agenda 2010 durch die damalige rot-grüne Bundesregierung können wir einen zunehmenden Wandel im Verständnis des Verhältnisses vom Staat zum Bürger erkennen. Die Errungenschaften einer sozialdemokratischen Ära, gestaltete Demokratie als eine Regierungsform vom Bürger und für den Bürger zu definieren, verbunden mit dem System der sozialen Marktwirtschaft, geht in großen Schritten verloren. Wir sind mittlerweile in einem neoliberalen Zeitalter angelangt, in einem ökonomisierten Staat, dessen ethische Prämisse lautet: „Jeder ist seines Glückes – und somit eben auch Unglückes – Schmied."

Dieses System der Entsolidarisierung hat sich inzwischen in allen gesellschaftlichen Bereichen eingenistet und eben auch in der öffentlichen Versorgung. Der Staat zieht sich zunehmend aus seiner Verantwortung zurück und überträgt sie auf den Einzelnen, gut zu erkennen etwa in dem Dogma der Agenda 2010: Fördern und Fordern. Wobei sich das Fördern offenbar auf die Lernhilfe für nicht leistungswillige oder -fähige Menschen im Hinblick auf das Erlernen der funktionalen An- und Einpassung in das Regelwerk eines marktorientierten Systems bezieht. In der duldsamen und schweigenden Unterordnung finden wir die Maxime der pädagogischen Ethik des Neoliberalismus.

In der Praxis erkennen wir heute ein Gesellschaftssystem, in dem der Staat sich zunehmend aus dem Bereich der öffentlichen Daseinsfürsorge zurückzieht. Diejenigen Menschen, die beispielsweise durch Langzeitarbeitslosigkeit aus der gesellschaftlichen Teilhabe herausgefallen sind, werden über Systeme wie Hartz IV verwaltet, kontrolliert und diszipliniert. Die öffentlichen Ressourcen werden bewusst knapp gehalten. Dort, wo die Versorgung für die Menschen nicht ausreicht, wird auf mildtätige Hilfe aus der freien Wirtschaft und von den am System Teilhabenden gesetzt, gern verbunden mit dem viel besungenen bürgerschaftlichen, ehrenamtlichen Engagement.

So können die öffentlichen Kassen strategisch knapp gehalten sowie ggf. mit dem Prinzip des Outsourcing öffentliche Dienstleistungen privatisiert werden, seit dem Bankencrash insbesondere auf kommunaler Ebene immer verbunden mit dem Totschlagargument des Sparzwangs und der Rettungsschirme. Hier finden wir im klassisch marktwirtschaftlichen Sinne eine Win-Win-Situation. Der Staat entzieht sich seinen sozialen Verpflichtungen, um diese in Richtung der Interessen der freien Wirtschaft zu verlagern und hierdurch in Zeiten ökonomischer Globalisierung „Standortsicherung" zu betreiben. Die Unternehmen können wiederum mit ihrem Engagement im Sozialen Sektor, gerne über die Gründung von Stiftungen, ihre Steuerpolitik regulieren, nehmen erheblichen Einfluss auf Politik und Meinungsbildung und haben darüber hinaus noch beste und günstige Publicity.

Ganz nebenbei lässt sich über die Strategie der Ökonomisierung auch ein subtiles Kontrollelement im Hinblick auf die arbeitende Bevölkerung gestalten, da diese mit der permanenten Bedrohung des potentiellen Abstiegs in den Hartz-IV-Bereich lebt und entsprechend die Zwangssysteme des freien Marktes wie etwa Lohndumping, prekäre Arbeitsverträge und anderes stillschweigend, bewusst oder unbewusst akzeptiert. Insbesondere die im Bereich der Sozialarbeit, des Gesundheits- und Bildungswesens Tätigen sind auf diese Weise in eine erduldende Anpassungshaltung geraten, die selbst bei großem Leidensdruck kaum Widerstand hervorruft.

In der Gesamtentwicklung können wir in gewissem Sinne seit rund 20 Jahren eine Rückentwicklung in feudalherrschaftliche Zeiten konstatieren, nur dass die Macht heute nicht mehr bei Adel und Klerus, sondern in den Händen der Führenden der freien Marktwirtschaft liegt. Ich bezeichne dies auch als Amerikanisierung unserer Gesellschaft oder als ein System des Neofeudalismus.

Und welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf die konkrete soziale Arbeit vor Ort?

Die inzwischen gesellschaftlich weitgehend geduldete systematische Politik der knappen Kassen im öffentlichen Bereich führt logischerweise auch den Bereich der Sozialen Arbeit in eine drastische Engführung. Das ist durchaus weder eine schicksalhafte noch eine naturgegebene Entwicklung, sondern im von mir zuvor beschriebenen, ökonomisierten Sinne gemacht und gewollt.

Die Einsparung von öffentlichen Mitteln ist dabei nur ein Effekt. Im Verständnis der Logik des Neoliberalismus geht es immer auch darum, die Menschen zu kontrollieren, zu disziplinieren und darüber zu funktionalisieren. Das gilt im sozialen Bereich für deren Adressaten ebenso wie für die professionellen Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter.

Im Kern geht es darum, das dreifache Mandat der Sozialen Arbeit – sozialanwaltschaftliche Ermöglichung und Wahrung der individuellen Autonomie, Ermöglichung der gesellschaftlichen Teilhabe sowie die Reflexionsfähigkeit der eigenen Situation unter den gegebenen gesellschaftlichen Verhältnissen- auf den Aspekt der Integration zu reduzieren, und zwar gemäß eines funktionalen Anpassungsverständnisses. Das gilt in der Umsetzung der Sozialarbeit wiederum sowohl für deren Adressaten wie auch die Sozialarbeiter selbst.

In der Praxis zeigen sich die Auswirkungen dieser Politik vor allem in der Verknappung der professionellen Arbeitsstrukturen, insbesondere im Bereich der personellen Ressourcen, was im betriebswirtschaftlichen Verständnis am meisten Sinn macht, da das Einsparungspotential hier am größten ist. In privatwirtschaftlichen Sozialunternehmen steigert dies die Gewinnspanne, im öffentlichen Bereich werden so Gelder eingespart.

Die Auswirkungen dieser, in der zynischen Wortwahl betriebswirtschaftlich orientierter Sozialarbeit formulierten „effizienten und verschlankten Strukturen" tragen die Adressaten, die auf Hilfe und Unterstützung angewiesenen Bürger, aber auch die Sozialarbeitenden selbst. Dies geschieht in Zeiten, in denen allgemein, aber auch speziell in der Kinder- und Jugendhilfe in den letzten Jahren ein kontinuierlicher Anstieg der Hilfebedarfe sowohl quantitativ als auch qualitativ zu verzeichnen ist. Immer öfter geraten junge Menschen und ihre Familien in Krisen, die komplexer werden und eine entsprechend umfassende und nachhaltige Hilfen erforderlich machen.

Parallel zu dieser Entwicklung arbeiten die Kommunen an einer Art Simplifizierung der Hilfen, was insbesondere die akuten Hilfen zur Erziehung nach dem § 27 SGB VIII betrifft, auf die Eltern und ihre Kinder einen Rechtsanspruch haben. Diese Hilfeformen, die konzeptionell auf eine nachhaltige Beziehungsarbeit angelegt sind, werden heutzutage teils drastisch gekürzt oder aber gar nicht mehr gewährt.

Stattdessen agieren die Kommunen gerne mit der Strategie, den anspruchsberechtigten jungen Menschen und ihren Eltern kostengünstige Hilfeformen außerhalb des Kanons der Hilfen zur Erziehung anzubieten, beispielsweise in Form von Elternkursen im Bereich von Präventionsmaßnahmen oder in Gruppenangeboten für Kinder im Stadtteil (wobei auch in diesen Bereichen das Spar- und Verknappungsdiktat entgegen anderslautender politischer Versprechen vorherrscht). Beliebt ist auch die Verlagerung der Hilfen in den Kindergarten bzw. die Schulen, die ohnehin schon bis zum Anschlag ausgelastet sind, ins Gesundheitswesen oder in ehrenamtlich gestaltete Unterstützungsmaßnahmen. In der professionelle Angebote ersetzenden Ehrenamtlichkeit erlebt die Soziale Arbeit aktuell einen massiven Angriff, der einen wesentlichen Teil ihres gegenwärtigen Deprofessionalisierungsprozesses ausmacht. Gut zu den Armen und Hilfebedürftigen zu sein, das kann doch jeder und sollte auch jedem, der ein Herz hat, ein Selbstverständnis sein und im Ehrenamt ausgelebt werden. Schließlich zeigen die Großen aus Wirtschaft und Politik bei Benefizveranstaltungen im Blitzlicht der Fotografen, wie man die Nicht-Besitzenden bekocht, bedient und füttert. Also, wo hat die Soziale Arbeit hier noch ihre Legitimation?

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch. Die oben genannten Interventionen einer gemeinwesenorientierten Arbeit, der Prävention und ergänzender Ehrenamtlichkeit sind wichtig und unverzichtbarer Bestandteil in einer solidarisch und demokratisch orientierten Gesellschaft. Jedoch verfehlen sie in ihrer ökonomisierten Variante eine umfassende und nachhaltige Unterstützung in den vielen Fällen, in denen Familien mit hochkomplexen Problemen eine entsprechend profunde Hilfe benötigen. Und ganz nebenbei wird über diese simplifizierende und bagatellisierende Steuerungspolitik der Kinder- und Jugendhilfe zunehmend der Rechtsanspruch auf Hilfe zur Erziehung umgangen und ausgehöhlt.

Wichtig ist ebenfalls zu erwähnen, dass neben den knappen personellen Ressourcen die sozialpädagogischen Fachkräfte häufig im Rahmen schwacher und befristeter Arbeitsverträge arbeiten, was eine Stabilisierung der Beziehungsarbeit mit den betroffenen Familien verunmöglicht. Ein Schelm, der hier an eine Bergwacht denkt, die mit porösen Seilen und verrosteten oder recycelten Haken und Ösen den in Not Geratenen zur Hilfe eilt.

Kurzum: Das System wird ausgehöhlt, umgangen, deprofessionalisiert, kaputt rationalisiert und ist bereits jetzt kaum noch in der Lage, adäquat zu tun, wofür es geschaffen worden ist.

Und bei den Kindern und Familien, denen ja geholfen werden soll: Was geschieht und verändert sich da?

Seit etwa zwanzig Jahren sind im Zuge der skizzierten Neoliberalisierung der gesellschaftlichen Verhältnisse die Familien einem immer größeren Druck ausgesetzt. Das Leben der Familien unter marktliberalen Bedingungen fokussiert sich ganz auf die Aspekte der flexiblen Anpassung an die Anforderungen der Arbeitgeber. Und diese sind kaum kompatibel mit den entwicklungsbedingten Bedürfnissen der Kinder. Diese werden oft deutlich zu früh aus der Eltern-Kind-Bindung herausgenommen. Und die Eltern sind den hohen Anforderungen des Arbeitsmarktes, der Dauererreichbarkeit und der permanenten Verfügbarkeit und Mobilität immer seltener gewachsen. Diese Situation hat sich durch die Wirkung der neuen Kommunikationsmedien verschärft. Weder die Partnerschaft, noch die Elternschaft können so in einer für die Kinder so wichtigen stabilen und gelassenen Haltung gelebt werden. So ist es auch zu erklären, dass Partnerschaften und insgesamt die für eine vitale Entwicklung des jungen Menschen wichtigen familiären und außerfamiliären Beziehungsstrukturen brüchig geworden sind und immer brüchiger werden.

In einem prinzipiell exorbitant reichen Land akzeptiert die neoliberale Politik eine hohe Armutsrate, nicht nur der Familien, die unter den oft entwürdigenden und demütigenden Bedingungen von Hartz IV leben müssen, sondern auch einer wachsenden Zahl von Familien, die knapp oberhalb des ALG II-Bezuges leben und kaum über die Runden kommen. Die Zahl der Kinder, die in Deutschland in Armut leben müssen, steigt seit Jahren kontinuierlich an. Armut ist in beschämender Weise zu einem zentralen gesellschaftlichen Phänomen und Problem in unserem Land geworden.

Die Folgen dieser chronischen Armut auf das Lebens- und Entwicklungsproblem der Familie und speziell der Kinder sind hinreichend bekannt und viel diskutiert. In der neoliberalen Praxis unserer Gesellschaft ist sie jedoch, abgesehen von plakativen medialen Empörungen und damit einhergehenden medial gehypten Hilfsaktionen, nicht nur akzeptiert, sondern im Denken vieler Menschen vielfach sogar als selbstverschuldet legitimiert.

Andererseits erleben wir in den marktliberalen Gesellschaften einen hohen Konsumdruck, der durch verschiedene Mechanismen noch künstlich verstärkt wird. Vor allem Kinder und Jugendliche sind als Konsumenten die wichtigste Zielgruppe der Industrie, ganz gleich, wie sinnig, unsinnig oder gar gefährlich dieser Konsum für sie ist.

Exemplarisch möchte ich den exzessiven Medienkonsum der jungen Menschen oft schon ab dem Kindergartenalter nennen, nicht nur in Bezug auf die Quantität, sondern ebenso im Hinblick auf die Inhalte des Konsumierten. Kinder werden von der Wirtschaft in dieser Gesellschaftsform oft rücksichtslos ausgebeutet und in allumfassender Weise dauerhaft überfordert. Dieser Aspekt systematischer und struktureller Kindeswohlgefährdung wird in Zeiten, in denen permanent die Rechte der Kinder und der Kinderschutz betont werden, jedoch tabuisiert. Darüber wird geschwiegen. Er ist als Ursache mannigfacher Probleme schlicht nicht präsent. Stattdessen ist es populär geworden, die Verantwortung für die Wohlstandsverwahrlosung vieler Kinder auf die Eltern zu schieben. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund des beschriebenen Wandels zur neoliberalen Marktwirtschaft wenig mehr als eine zynische Ablenkungsstrategie. Außerdem werden auf diese Weise in marktliberaler Logik die Nachfragepotentiale für eine privatisierte Sozialwirtschaft gesichert. Die Sängerin Dota Kehr hat diese Logik in ihrem Song „die Funktionalisierer" am Ende so treffend beschrieben: „Und selbst aus der Angst und dem bitteren Erwachen, glaubt mir, da kann man was draus machen …. da kann man was draus machen!"

 

 

Können Sie die Überforderung des ökonomisierten Kinder- und Jugendhilfesystems im Umgang mit den komplexen Problemen der Kinder- und Jugendlichen unter den von Ihnen beschriebenen heutigen Lebensbedingungen bitte anhand eines Beispiels skizzieren?

Lassen Sie mich ein Praxisbeispiel konstruieren, in dem verschiedene der genannten Faktoren kulminieren. Es ist in dieser Zusammenstellung durchaus realistisch und auch von mir in den vergangenen 10-15 Jahren so erlebte Praxis. Auch die einzelnen Elemente unzureichender Hilfe allein können bereits erhebliche negative Folgen im Hilfeprozess nach sich ziehen.

Nehmen wir also die 14-jährige Jugendliche H., die seit geraumer Zeit regelmäßig dem Schulunterricht fernbleibt. H. kommt aus einem belasteten Elternhaus, da die Eltern sich vor drei Jahren nach einer lange anhaltenden Konfliktphase getrennt haben und die Konflikte nun im Hinblick auf die Gestaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge anhalten. H. fühlt sich zwischen den Eltern hin- und hergerissen. Die ohnehin schwierige finanzielle Situation der Eltern hat sich im Zuge der Trennung noch verschärft. Der Vater kommt seiner Unterhaltsverpflichtung nur unzureichend nach. Die Mutter hält sich und ihre zwei Kinder – es gibt noch einen achtjährigen Bruder – mit verschiedenen Jobs gerade so über Wasser.

Die Schule, welche anfangs über einen erheblichen Zeitraum die Eltern über das unerlaubte Fernbleiben in Unkenntnis hielt, spricht mittlerweile von Schulverweigerung. Die Zusammenarbeit zwischen Schule und Elternhaus läuft nur schleppend, weil zum einen die Mutter mit den Alltagsbelastungen nach der Trennung überfordert ist, sich vom Vater in der Erziehung der Kinder nicht unterstützt fühlt und sich in Umgangskonflikten mit ihm und den Ex-Schwiegereltern aufreibt. Zum anderen ist die Schule selbst personell knapp ausgestattet, sodass die wichtige Elternarbeit nur mühselig gestaltet werden kann. Außerdem gibt es eine wachsende Zahl an auffälligen bzw. problembelasteten Schülerinnen und Schülern. Bei einer Gesamtschülerzahl von 1.500 gibt es eine einzige Schulsozialarbeiterin, die sich neben ihrer Projektarbeit nur sporadisch einzelner Schülerinnen und Schüler annehmen kann.

Im Elterngespräch mit der alleinerziehenden Mutter empfiehlt der Klassenlehrer der Mutter, sich Unterstützung in der Erziehungsberatungsstelle zu holen. Dort erhält sie nach längerer Wartezeit einen Termin, erlebt aber, dass fortlaufende Termine aufgrund der hohen Auslastung der Fachstelle nur alle paar Wochen möglich sind. Die Mitarbeiterin empfiehlt der Mutter dringend, an dem Eltern- und Umgangskonflikt zu arbeiten, den sie als maßgeblich für H.´s Verweigerungshaltung hält. Die Mutter sieht sich gegenwärtig außerstande, an dieses Thema heranzugehen, schon gar nicht gemeinsam mit dem Vater. Die Erziehungsberaterin, die nur mühsam ihre vielen Fälle terminlich koordinieren und bewältigen kann, nimmt diese Haltung der Mutter mit Ungeduld und Unzufriedenheit zur Kenntnis. Sie rät der Mutter am Ende des zweiten Termins, H. zwecks diagnostischer Abklärung in der kinder- und jugendpsychiatrischen Institutsambulanz anzumelden. Die Beratungsstelle darf aufgrund kommunaler Kürzungsmaßnahmen keine eigene Diagnostik mehr vornehmen. Dort angekommen erfährt die Mutter, dass H. erst drei Monate später einen ersten Untersuchungstermin erhält, da auch hier die Grenzen der Auslastung längst erreicht sind.

Es vergehen Wochen und Monate ohne greifbare Hilfe für H. und ihre Familie. Die Situation mit H., die sich immer mehr in ihre virtuellen PC-Welten zurückzieht. spitzt sich zu. Der Mutter gelingt es nur noch selten, mit H. in Kontakt zu kommen. H. besucht, trotz vieler Versprechen ihrer Mutter gegenüber, nur noch selten den Unterricht. Schließlich macht die Schule Druck, indem sie der Mutter nahelegt, sich an das Jugendamt zu wenden. Ansonsten könne H. nicht weiter an dieser Schule verbleiben.

Mit Widerwillen und verunsichert sucht H.´s Mutter mit ihrer Tochter den Allgemeinen Sozialen Dienst, kurz ASD, des Jugendamtes auf. Die Fachkraft dort führt mit Mutter und H. ein ausführliches Gespräch, an dessen Ende zu beider Überraschung die Empfehlung der Fachkraft steht, die bereits begonnene Erziehungsberatung fortzusetzen und zunächst einmal die Diagnostik in der Kinder- und Jugendpsychiatrie durchzuführen und deren Ergebnisse abzuwarten. Zusätzlich empfiehlt die Fachkraft eine Trennungs- und Scheidungselterngruppe für beide Eltern, welche im ortsansässigen Familienzentrum angeboten wird. Diese Gruppe werde durch eine Sozialpädagogin angeleitet, die wöchentlich mit den Trennungseltern arbeite.

Mutter und Tochter verlassen einerseits erleichtert das Jugendamt, weil ja nichts Schlimmes dort passiert ist. Andererseits ist die Mutter irgendwie frustriert und genervt, da sie wieder kein Stück weitergekommen ist. Eine Gruppe werde sie mit diesem für sie belastenden und beschämenden Trennungsthema ganz gewiss nicht aufsuchen, schon gar nicht gemeinsam mit dem Ex, der seinerseits wohl kaum zur Teilnahme an einer solchen Gruppe zu bewegen sein wird. H. ist es egal. Sie möchte einfach nur in Ruhe gelassen werden und mit allem nichts mehr zu tun haben. Die wichtige Information, dass Eltern einen Rechtsanspruch auf "Hilfe zur Erziehung" haben und diese beim Jugendamt beantragt werden kann, wurde der Mutter bislang nicht mitgeteilt. Die Mitarbeiterin der Erziehungsberatungsstelle klärt nun jedoch über den Rechtsanspruch der Eltern auf "Hilfe zur Erziehung" auf.

Diese sucht mit dem Wissen um den Rechtsanspruch die Fachkraft beim Jugendamt ein zweites Mal auf und drängt auf die Antragstellung, auch unter Verweis darauf, dass sich H.´s Situation verschlimmert habe und sie sich als Mutter mit all den Belastungen, der Sorge um H., dem Dauerkonflikt mit dem Vater und der kaum noch zu bewältigenden Doppelbelastung von Beruf und Familie chronisch überfordert fühle. Schließlich willigt die Fachkraft ein und das Team des Jugendamtes kommt nach gemeinsamer Beratung zu dem Schluss, der Familie eine sozialpädagogische Familienhilfe zu gewähren, die zunächst probehalber mit einem niedrigen Stundensatz eingesetzt und auf ein halbes Jahr befristet wird.

H.´s Mutter erlebt die für diese Hilfe eingesetzte Sozialpädagogin, die parallel sechs Familien zu betreuen hat, nach anfänglich gutem Beginn immer ungeduldiger. Auch der Sozialpädagogin gelingt unter den knapp bemessenen Zeitressourcen kein konstruktiver und vertrauensvoller Zugang zu H. und ihrer Mutter. Ebenso wenig gelingt eine Kontaktaufnahme zu H.´s Vater, der weiterhin im Hintergrund gegen die Mutter agiert und H. selbst permanent in Loyalitätskonflikte verstrickt. H.´s Mutter fühlt sich zunehmend von der Sozialpädagogin bedrängt, bevormundet und kontrolliert. Sie empfindet Scham und Versagensgefühle und versucht sich nach und nach den anberaumten Terminen zu entziehen.

Nach negativen Rückmeldungen der Sozialpädagogin an die fallverantwortliche Fachkraft des ASD kommt es zu zwei Versuchen, der Mutter zu erklären, dass sie konstruktiv mitarbeiten und sich um Umsetzung der Ratschläge der Familienhelferin bemühen müsse. Kurze Zeit danach bricht das Jugendamt wegen der nicht vorhandenen Kooperationsbereitschaft der Familie die Hilfe ab. Zurück bleiben eine frustrierte, überforderte Mutter und eine Jugendliche, die von allen einfach nur noch in Ruhe gelassen werden möchte, und deren Situation sich zunehmend verschlechtert.

Wagen wir eine Prognose? Und wenn sie nicht gestrandet sind, dann dümpeln sie auch heute noch, mit Tausenden von im Stich gelassener Familien auf dem Meer der Hoffnungslosen in der restlos überfüllten und seeuntüchtigen MS Agenda 2010. Nächster Zielhafen: Psychiatrie, Knast oder Straße?

In Summe: Da gibt ein System also vor, zu helfen, hält diese Hilfe jedoch kaum überhaupt vor, und beschädigt dadurch die Betroffenen womöglich nur noch mehr, die Ohnmacht, Hilflosigkeit und Resignation erfahren und deren Probleme in dieser Zeit nur größer und größer werden. Ganz zu schweigen vom allgemeinen Trend, aus Zeit- und Geldgründen Kinder dann eben psychiatrisch zu „behandeln" anstatt ihnen wirklich zu helfen.

Wenn es so schlimm um die Profession bestellt ist, warum gibt es dann scheinbar keine Gegenwehr gegen diese Negativentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe? Das System fährt doch offensichtlich … immer mehr gegen die Wand.

Nun, was würden Sie machen, wenn Sie unter prekären Arbeitsbedingungen arbeiten, sagen wir, mit einem Zwei-Jahresvertrag mit eventueller Verlängerungsoption, eine Familie zu versorgen hätten? Unter diesen Bedingungen macht kaum jemand den Mund auf – aus Angst vor drohender Arbeitslosigkeit und den damit einhergehenden existentiellen Konsequenzen.

Darüber hinaus fürchte ich, dass die Zeit der gesellschaftlichen Lähmung und der seit langem währenden Überbetonung des Individuums gegenüber Werten des Sozialen und der Solidarität inzwischen zu einem quasi reflexhaften Anpassungsverhalten an die Gesetze einer marktliberalen Kultur geführt hat.

Insofern finden wir insgesamt jüngere Generationen vor, die sich, so sozialisiert, im Wesentlichem kaum mehr kritisch verhalten können oder aber kaum die Anstrengung kritischer Auseinandersetzung auf sich nehmen wollen bzw. können. Sie kennen häufig überhaupt nur noch die Bedingungen und entsprechende Deutungsmuster einer, wie Kanzlerin Merkel es so treffend bezeichnet hat „marktkonformen Demokratie".

Und diese Veränderungen sind inzwischen so tief in der Gesellschaft verankert, dass es auch den vermeintlich kritisch denkenden Sozialarbeitenden schwerfällt, alternative Perspektiven einzunehmen.

Die Ausbildung bzw. das Studium der Sozialpädagogik und ähnlicher Studiengänge hat unter dem beschriebenen politischen Wandel mit der Einführung der so genannten Bologna-Reformen ebenfalls enorm gelitten. Die Dogmen des Marktliberalismus werden sowohl über die strukturellen Erfordernisse des Studiums als auch über die betriebswirtschaftlich gefärbten Inhalte der Studiengänge vermittelt, sodass die nachwachsenden Generationen in diesem Berufsfeld diese ökonomisierte Variante Sozialer Arbeit zumeist als selbstverständlich erachten. Diejenigen Hochschul- und Fachhochschullehrenden, die noch ein anderes, fachliches Verständnis von Sozialpädagogik vermitteln, sind in der Minderzahl und stehen zudem selbst in der Gefahr, in ihren Lehrinstitutionen unter Druck gesetzt zu werden.

Die neoliberale Ideologie [PDF] ist einfach allerorten manifest und die Verhältnisse arbeiten ihr nur weiter zu.

Und was wäre in dieser gesellschaftlichen Situation sinnvollerweise zu tun? Was wünschen oder raten Sie?

Wünschen würde ich mir, dass die Menschen sich endlich wieder auf die Errungenschaften humanistisch orientierter und sozialer Bewegungen in Richtung Freiheit und Demokratie besinnen, wie sie trotz allen Militarismus', aller feudaler, autoritärer und faschistischer Strömungen und Epochen und ihren entsprechenden Erziehungs- und Bildungsmethoden immer wieder durchdringen konnten und so zumindest in Teilen des 20. Jahrhunderts zentrale gesellschaftliche Wertesysteme in Richtung der Achtung der Menschenwürde, der Realisierung von Demokratie und sozialer Gerechtigkeit ermöglicht haben.

Freiheit ist im Zeitalter des Marktliberalismus zur Freiheit des Konsums der am System Teilhabenden reduziert worden. Soziale Gerechtigkeit ist spätestens mit der Einführung der Agenda 2010 weggespült und durch Ellenbogendogmen wie „Leistung lohnt sich wieder!" oder „Fördern und Fordern!" ersetzt worden. Leider habe ich nur wenig Hoffnung, dass hier in absehbarer Zeit ein gesellschaftlicher Wandel eintreten wird. Dafür funktionieren die Prinzipien des „Teile und herrsche!" und „Brot und Spiele" im medialen Zeitalter einfach zu gut.

Fraglich ist im Augenblick wohl vor allem, wie die aktuelle Flüchtlings- bzw. Einwanderungssituation Einfluss auf den gegenwärtigen Stillstand nehmen wird. Nicht nur diesbezüglich dürfen wir die jetzige Flüchtlingswelle als echte Chance für unsere gesellschaftliche Entwicklung sehen.

Und im Hinblick auf das Thema Ökonomisierung der Kinder- und Jugendhilfe rate ich allen engagierten Kolleginnen und Kollegen, den Lehrenden an Fachschulen, Fachhochschulen und Universitäten, den Studierenden, aber auch den verantwortlichen Jugendhilfepolitikern, inne zu halten und darüber nachzudenken, in welcher Gesellschaft wir eigentlich leben wollen, welche Aufgabe die Soziale Arbeit und speziell die Kinder- und Jugendhilfe hat und was unsere ureigene sozialpädagogische Fachlichkeit ausmacht.

Soziale Arbeit ist eine Menschenrechtsprofession und hat somit ein eindeutiges und parteiliches Mandat für die Menschen, die gesellschaftlich an den Rand gedrängt bzw. ausgeschlossen werden bzw. von Marginalisierung bedroht sind. Sie hat Entwicklungen vorzubeugen, die das Prinzip von Oben und Unten bedienen oder, so diese sich realisieren, sie offen zu benennen, zu skandalisieren und zur Gegenwehr aufzurufen.

In diesem Sinne hat Soziale Arbeit und insbesondere die Kinder- und Jugendhilfe mit ihrem sozialpädagogischen Auftrag auf den Ebenen der Prävention, der Gemeinwesen- und Einzelfallarbeit immer auch eine politische Dimension. Das betrifft nicht allein die Arbeit mit den Adressatinnen und Adressaten, sondern ebenso die professionellen Fachkräfte selbst. Denn wie sollen wir Menschen in ihrem Bestreben nach Autonomie begleiten, wenn wir selbst für uns und unsere Arbeitsbedingungen systematische Ausbeutung, Entwertung, stillschweigende Duldung teils unhaltbarer Arbeitsbedingungen und andere Formen prekärer Arbeit stillschweigend erdulden?

Die gegenwärtige Kinder- und Jugendhilfepolitik geht ganz im Einklang mit der ökonomisierten Politik trotz scheinbarer Gesprächsbereitschaft und oberflächlichem Verständnis für die fachlichen Positionen ihren Weg jedoch unbeirrt weiter. Hinter den aufgehübschten Fassaden einer Hochglanz-Jugendhilfe wird die Umsteuerung in Richtung einer ökonomisierten Kinder- und Jugendhilfe unnachgiebig weiterverfolgt. Inzwischen gibt es sogar eindeutige Signale aus der Politik, die gesetzlichen Grundlagen des SGB VIII, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, der seit Jahren währenden kommunalen Praxis anzupassen, die sich an betriebswirtschaftlicher und verwaltungstechnischer Effizienz orientiert.

Unser in 2010 gegründetes Bündnis Kinder- und Jugendhilfe – für Professionalität und Parteilichkeit hat sich aus diesem Grund nach verschiedenen vergeblichen Versuchen eines ernsthaften Dialogs mit der Politik über die Zukunft unseres Fachbereiches entschieden, diesen Dialog vorerst zu beenden. Stattdessen gehen wir nun mit einem Aufruf zu einem Memorandum auf allen Ebenen in die Öffentlichkeit, um ein Bewusstsein für die gegenwärtige Lage der Kinder- und Jugendhilfe zu schaffen. Wir hoffen, dass alle engagierten Menschen, die mit der gegenwärtigen Fremdbestimmung der Sozialen Arbeit sowie der Kinder- und Jugendhilfe im Speziellen nicht einverstanden sind und noch nicht resigniert haben, diesen Aufruf lesen und durch ihre Zeichnung unterstützen.

Noch ein letztes Wort?

Wenn ich mir eine kleine Anekdote sozusagen als Epilog erlauben darf… Ich tituliere ihn mal als "von Häuptlingen, Häppchen und Ungehorsam": Ich saß vor einiger Zeit beruflich in einer Arbeitsrunde, bei der ein von Bundesmitteln gefördertes Projekt – übrigens ein klassisches Projekt der "Neuen Steuerung" – in der betreffenden Kommune als Zwischenergebnis durch einen Vertreter des Bundesministeriums überprüft werden sollte. Nachdem die das Projekt ausführenden Ehrenamtlichen und Professionellen zwei Stunden lang ihre wirklich kreativen und engagierten Ergebnisse monatelanger Arbeit präsentiert hatten, sollten in einer darauf folgenden zweiten Runde nur die politisch Verantwortlichen, sprich Geschäftsführer, Kommunalpolitiker und eben jener Mensch vom Bundesministerium miteinander ins Gespräch gehen.

In der Pause zwischen dem einen und dem anderen Gesprächsforum wurden fein dekorierte Häppchen gereicht. In Freude auf eine kleine Stärkung nach zwei intensiven Stunden und bevor wir Fachkräfte wieder in den mühsamen Arbeitsalltag entlassen wurden, griff meine Hand in Richtung eines dieser Häppchen. Da stürzte einer der Geschäftsführer auf mich zu und deutete symbolisch eine körperliche Maßregelung meiner allzu selbstbewussten Hand an und sprach unmissverständlich: "Stopp, das ist nur für Häuptlinge." Vielleicht war meine Hand intuitiv selbstbewusster als mein Denken. Denn ich griff dennoch beherzt zu, führte den wohlschmeckenden Happen in meinen Mund und sprach: "Dieser Happen schmeckt mir besonders gut."

Ich bedanke mich für das Gespräch.

 

Matthias Heintz, 51, ist Diplom-Pädagoge und systemischer Familientherapeut. Er hat 2 Söhne. Er ist seit knapp 20 Jahren in der Erziehungsberatung tätig, heute als Berater in einer kirchlichen Sozial- und Lebensberatungsstelle tätig, sowie in eigener systemischer Praxis. Seit rund 10 Jahren arbeitet er zudem als Lehrbeauftragter an der Hochschule Magdeburg-Stendal, insbesondere im Fachbereich „Kindheitswissenschaften". Er ist Mitbegründer des „Bündnis Kinder- und Jugendhilfe – für Professionalität und Parteilichkeit".

 

Weiterlesen:

Buch: Mechthild Seithe und Matthias Heintz: „Ambulante Hilfe zur Erziehung und Sozialraumorientierung. Plädoyer für ein umstrittenes Konzept der Kinder- und Jugendhilfe in Zeiten der Nützlichkeitsideologie".




Mittwoch, 14. Oktober 2015

Leser-/innen-Mails zum Umgang der Medien mit den Demonstranten gegen TTIP und Zusammenhängendes [lesenswert!!!]

 
 

Leser-/innen-Mails zum Umgang der Medien mit den Demonstranten gegen TTIP und Zusammenhängendes

 
[via anchdenkseiten.de]
 
 

Zum Beitrag von heute Vormittag „Die herrschenden Meinungsmacher sind um Welten überlegen und obendrein skrupellos. Macht Aufklärung da überhaupt noch Sinn?" sind interessante Mails gekommen, auch zu der angeblichen Vermischung von rechts mit links, und damit zwangsläufig auch zu Ditfurth.

Wir geben einige Leserbriefe wieder. Dabei lassen wir Anreden und Freundlichkeiten weg, sagen aber auf diesem Weg tausendmal danke für die freundschaftlichen Ermunterungen. Statt vollen Namen werden Initialen genannt.

Am Ende der Zusammenstellung steht eine Mail zum Spiegel-Titel dieser Woche. Das gehört zum gesamten Thema der Dominanz dummer und niederträchtiger Agitation in unseren Medien.

Albrecht Müller.

Hier chronologisch nacheinander E-Mails, die die Redaktion der NachDenkSeiten seit heute früh erreichten:

Betr.: Anti-TIPP-Demonstration
Zur Einschätzung Jutta Dittfurths:

Ich war selbst auf der Demo und bin mitgelaufen und dabei nicht nur an einer Stelle hängen geblieben, habe also sehr viele Fahnen sehen können. Dabei stachen die Sozialdemokraten allerdings keineswegs hervor. Es gab eine Fahne der Jusos und eine Fahne eines Arbeitskreises der SPD aus NRW zu sehen. Das war es aus meiner Sicht auch schon. Zu allen möglichen rechten Demonstraten habe ich Ähnliches zu berichten. Nur kurz trauten sich Vertreter der AfD, ihr Plakat hochzuhalten; sie wurden niedergebrüllt und im weiteren Verlauf habe ich auch ein AfD-Plakat zerrissen am Boden liegen sehen. Andere rechte Organisationen traten aus meiner Sicht gar nicht mit Bannern, Postern oder Plakaten in Erscheinung. Jedoch muss ich eingestehen, dass eine, im Nachhinein betrachtet, eher merkwürdig anmutende Gruppe Flugblätter verteilte, die die LINKEn als Hauptverursacher für TTIP und Co. darzustellen versuchte. Leider habe ich das Flugblatt zerknüllt und weggeworfen, weil es einfach nur Stuss enthielt. Mehr war von rechten Gruppen jedoch nicht zu vernehmen und selbst dieses Bisschen scheint unter dir Kategorie „Kann man nicht verhindern; einige kommen immer durch" zu fallen.

Mit freundlichen Grüßen
F. E.

 

Betr.: Jutta Ditfurth heute zitiert in den NachDenkSeiten
Nur eine kleine Anmerkung wie perfide hier gearbeitet wird:

Jutta Ditfurth schreibt: „Man distanzierte sich erst auf der Demo ein bisschen von ihnen, als ein negativer Kommentar (ein schlechter Beitrag bei Spiegel online) erschienen, die Sache also öffentlich geworden war."

Nun kam der Bericht in SPON absichtlich viel früher, als die Demo offiziell begann, um die Teilnehmerzahlen niedrig zu deklarieren.

Logisch, daß sich die Sprecher erst nach Beginn der Demo, also auf der Demo von xyz distanzieren können.

Frau Ditfurth nutzt also trickreich die Zeiten, um es so aussehen zu lassen, als sei die Distanzierung eine Reaktion auf SPON.

Leider regnet es unentwegt unzählige dieser Tricks in die Massen. Und das Zeug verfestigt sich durch ständige Wiederholung.

Es ist schon interessant, wie man der „Querfront" bzw. den entsprechenden Gruppen vorwirft, daß sie sich gegenseitig zusprechen, aufstacheln, bestätigen und sich so in einer Spirale befinden und nicht mehr kapieren wie dumm, minderwertig und wenige sie sind.

Das läßt sich doch einfach auf die Mainstream-Medien kaprizieren: Es sind nur relativ wenige, die in ständiger Wiederholung, sich gegenseitig einladen und fortlaufend ihren eigenen Mist bestätigen…

M. H.

 

So sehr ich die heutige Frage danach, ob angesichts der Übermacht und der Skrupellosigkeit der manipulierenden Medien Aufklärung überhaupt noch Sinn macht, nachfühlen kann (auch an dieser Stelle und aus diesem Anlass ein herzliches Dankeschön für Ihren Einsatz in den vergangenen zwölf Jahren!), so bedingungslos ist meine Antwort darauf „Ja!".

Das ist für jemanden, der nicht täglich in der Schusslinie steht, der nicht täglich sein Gesicht hinhalten muss und der nicht täglich die Arbeit macht, natürlich leicht gesagt. Das Ungleichgewicht zwischen denen, die etwas tun (Sie), und denen, die dieses Tun konsumieren (wir, Ihre Leserschaft), ist ja tatsächlich beträchtlich. Und vielleicht lassen die Gründe, die ich für mein „Ja!" habe, dieses Ungleichgewicht sogar noch größer erscheinen:

Denn ich meine, dass

  1. es das falsche Zeichen an die Gegenseite wäre. Gäben Sie tatsächlich auf, hätten die anderen schon gewonnen.
  2. es eine Notwendigkeit der politischen Hygiene ist, dass es die Nachdenkseiten gibt. Ohne dieses unermüdliche Korrektiv wären die manipulierenden Medien um eine bedeutsame Gelegenheit ärmer, an Ihren Fehlern und Fehlentwicklungen zu wachsen. Man mag argumentieren, dass es denen herzlich egal sein kann, weil sie selbst ja nicht unter ihren Fehlleistungen leiden. Aber es geht hierbei ja nicht um Wirksamkeit als Maßstab. Sondern darum, dass die Möglichkeit gegeben ist (oder in der Retrospektive: gegeben war).
  3. die Nachdenkseiten eine wirksame Kur gegen die täglich drohende Paranoia ist. Zu wissen, wie wir alle manipuliert werden und gleichzeitg zu erleben, wie wenigen Menschen das etwas auszumachen scheint, kann für aufgewachte Menschen auch zu einer psychischen Belastung i.S.v. Einsamkeitsgefühlen und/ oder Depressionen werden. Die Lektüre z.B. der Nachdenkseiten hilft bei der Wahrnehmung, mit den genannten Erlebnissen nicht alleine zu stehen.

Fazit:

Ja! bitte auf jeden Fall trotzdem weitermachen! Und wenn das Ungleichgewicht zwischen uns Konsumierenden und Ihnen zu groß wird, Mitarbeitsformen entwickeln und etablieren, welche die Last auf mehrere Schultern verteilt. Ich wäre dabei!

K. G.

 

ich kann Ihre eigenen Zweifel angesichts der Übermacht der Manipulatoren und der Wirkung von deren Treiben nur zu gut verstehen. Aber bitte geben Sie nicht auf. Diese Bitte geht an alle bei den Nachdenkseiten.

T G.

 


ich war Teilnehmer der Anti-TTIP-Demonstration, habe auch auf die Plakate und Transparente achtgegeben und habe nur ein einziges SPD-Plakat gesehen. In meiner Erinnerung war das früher, z.B. bei Demos gegen den Nato-Doppelbeschluss anders. Kann es sein, dass das Thema TTIP in der SPD bereits „durch ist".

S. H.

 


bitte unbedingt weitermachen. Sie erweisen der Gesellschaft einen unbezahlbaren Dienst, gerade jetzt, wo es bspw. bei TTIP um die Wurst geht

Das mediale Establishment ist doch längst mit Rückzugsgefechten befasst. Sie haben da halt einen empfindlichen Nerv getroffen :-).

Wie wichtig Ihre Arbeit ist, kann man auch an kleinen Details festmachen: Da werden demnächst wohl 20 Milliarden durch die HSH Nordbank für den Steuerzahler fällig und es ist weniger als eine kleine Randnotiz, fast schon eine Selbstverständlichkeit, ohne viel Aufhebens darum. Gleichzeitig wird ein einstelliger Milliardenbetrag zur Flüchtlingshilfe agitativ ausgereizt.

Vielleicht sollte man sich bei den NDS doch noch einmal verstärkt darüber Gedanken machen, wie man die Reichweite erhöhen könnte (Flyer mit ein paar Keyfacts zum download und verteilen, Aufkleber DIN-A 5 oder 6 etc. zum Versenden) Die Stammleserschaft hätte bestimmt noch andere gute Ideen, wenn man sie fragt und würde sicher auch multiplizieren. (Anmerkung A. M.: Das ist richtig)

J. Z.

PS: Selbst wenn man den Wirkerfolg der NDS pessimistisch beurteilen würde, so bliebe in jedem Fall auf der Habenseite, dass die gesellschaftliche Erosion von den NDS mindestens verlangsamt wird und wurde.

 

ich habe ihren Beitrag gelesen. Leider haben Sie in Vielem Recht.

Zwar finde ich Ihre Beiträge manchmal insgesamt ein wenig zu ausschweifend und manchmal zu wenig bodenständig, alles in Allem muss ich Ihnen aber beipflichten.

ich war am Wochenende in Berlin. Mit dem Video von mir habe ich versucht ein bisschen von der Stimmung wieder zu geben.  Warum der Zähler seit gestern auf 61 stehen geblieben ist, weiß ich nicht. Vielleicht muss ich unter YouTube was ändern.

„Die herrschenden Meinungsmacher sind um Welten überlegen und obendrein skrupellos. Macht Aufklärung da überhaupt noch Sinn?"

Die Frage habe ich mir speziell seit Samstag auch intensiv gestellt. Die Demo in Berlin  war Spaß an der Politik,  viele junge Menschen, der Wunsch nach Veränderung.  In den Medien kam davon nichts 'rüber.

Für diejenigen aber, die dachten,  Sie hätten die politische Meinungsbildung in Deutschland voll im Griff, war die TTIP-Demo wahrscheinlich ein Horrorszenarium.  Für die herrschenden Meinungsmacher also ein Debakel.  Dass diese  agitatorisch noch zulegen, ist zu vermuten.  Manchmal muss man jemanden provozieren, um zu erkennen, dass er ein Arschloch ist.

H. J.

 

ich habe Ihren Beitrag: „Die herrschenden Meinungsmacher sind um Welten überlegen und obendrein skrupellos. Macht Aufklärung da überhaupt noch Sinn?" mit großem Interesse gelesen.

Dazu möchte ich bemerken, dass der WDR in dem von Ihnen erwähnten Beitrag sogar zu Lügen greift um die Gegner von TTIP zu diskreditieren.

Es heißt in dem Text im 2ten Absatz:

„Alles Schnee von gestern. Die Vertragstexte stehen mittlerweile im Netz."

Das stimmt so nicht. Meines Wissens handelt es sich hierbei nicht um die Vertragstexte, sondern lediglich um „Verhandlungstexte", die online gestellt wurden.

D. K.

 

Ihre Frage: „Macht Aufklärung da überhaupt noch Sinn?" ist zum Glück nur rhetorisch. Und sie ist eindeutig mit „Ja" zu beantworten.

Es ist wichtig, dass den Darstellungen der Herrschenden über ihre Weltsicht eine Antwort gegeben wird. Bei Brecht steht das in etwa so:

„Wenn die Herrschenden gesprochen haben, werden die Beherrschten sprechen…" (in Lob der Dialektik).

Man würde an sich und der Welt vollends irre werden, wenn man sich immer und nur allein im Gegensatz zu der Beschreibung der Welt befände, die uns in so breiter Front und derart massiv und schon so lange von den Meinungsmachern vorgesetzt wird.

Zu Jutta Dutfurth, es ist tragisch, dass da jemand nicht merkt, dass sie sich (vielleicht aus Starrheit im Denken, nicht einsehen können, einen Fehler gemacht zu haben?) für etwas einspannen lässt, was sie selbst absolut ablehnt.

Sehr geehrter Herr Müller, ich kann Sie – und Ihre Kollegen, Freunde und Helfer bei den Nachdenkseiten – nur bestärken, weiter den Propagandisten des Bestehenden entgegen zu wirken.

W. W.

 

Impression vom „Probe-Aufstand"

Unvergesslicher 10. Oktober 2015: Stoppt TTIP, TTIP ohne uns, bremst die Macht der Konzerne. Flaggen, Fahnen, Spruchbänder, Trommelwirbel, Trompeten, Transparente – ein farbenfrohes Bild, ein großes Gedränge bereits am Berliner Hauptbahnhof. Lachende Gesichter, Einmütigkeit bei Menschen allen Alters, Familien mit Kindern. Vor uns ein junges Ehepaar. Sie führt einen etwa fünfjährigen Jungen an der Hand. Er schräg hinter ihr. Auf dem Arm ein Kleinkind. Sie dreht sich immerfort nach ihrem Mann um, ein unsagbar liebes Lächeln im Gesicht. Sie strahlt ihn an. Eine stille und wunderschöne Szene. Ruhige Gewissheit in schrillender Umgebung. Im Interesse des Lebens, nur darum geht es. Welch ein Bild… Fröhlichkeit gegen dumpfes Gebaren der USA, das Freihandelsabkommen durchsetzen zu wollen. Ein endlos scheinender Demonstrationszug bewegt sich vom Bahnhof durch die Innenstadt in Richtung Siegessäule. Langsam, ganz langsam geht es vorwärts. Laute Musik, wieder Trommeln. Eine tolle Stimmung wie schon lange nicht mehr.

Meine Gedanken schweifen zurück. 11. Oktober 1949: Mit Fackeln, mit Trommeln und Trompeten – die Gründung der Republik wird gefeiert. Auf dem Marx-Engels-Platz. Großes Hoffen, große Erwartungen an ein humanistisches Deutschland. Dann der sich anbahnende Abbruch großen Bemühens – der 4. November 1989. Meine Frau und ich wieder dabei, auf dem Alex. Für eine bessere Politik der DDR. Gute Worte am Rednerpult. Alles ohne Gewalt. Doch die Kapitalkeule zerschlägt jegliche Bürgerinitiativen für eine andere und bessere DDR. Jahrzehnte später, in den Jahren nach 2013 bis 2015: Demos gegen Fluglärm in Friedrichshagen. Wieder sind wir dabei. Und heute bei dieser größten Demo seit Jahren in Berlin. Die Macher sprechen von 250.000 Teilnehmern, die Polizei nur von 150.000. Ganz doofe beschränken sich auf nur 100.000 Teilnehmern.

Ein Aufruf, ein Nein, ein Wille einer Masse von Bürgern, die mit über 600 Bussen und mit Sonderzügen aus allen Teilen Deutschlands angereist kamen. Die im Neoliberalismus zu Einzelkämpfern abgestempelten und unter der Flagge der Vielfalt zu allen Meinungen zugelassen Bürgern finden hier und heute zu einem großartigen WIR zusammen. Man fühlt sich mitgerissen, in eins mit der Einsicht: Wir lassen uns vom US-Kapital im Bündnis mit dem in der BRD nicht in die Suppe spucken. Aber was tun, wenn die Obrigkeit sich nicht zuckt? Auf einem Schild lese ich: Aufstand. Das wärs, denke ich. Wem sollte da der Schreck in die Glieder fahren? Am anderen Ufer der Spree sehen die friedlich demonstrierenden Volksmassen das Regierungsviertel. Nach nicht bestätigten Augenzeugenberichten baut man dort bereits eine Mauer um den Sitz der Regierung und des Parlaments. Man tüftelt darüber, wie man sich ein neues Volk wählen könne…

Achtung: In Stellung gebracht wurden indessen rings um das Regierungsviertel – und nicht nur dort – die berüchtigten vom Kapital ausgehaltenen Medienkanonen mit den hochbezahlten Flachzangen, den Medienkanonieren. Einer von ihnen ist Alexander Neubacher. Er reitet wie Münchhausen im SPIEGELONLINE vom 10.10.2015 u.a. folgende Attacke:

„Die dümmsten Parolen auf den Anti-TTIP-Plakaten bedienen dabei genau jene Ressentiments, mit denen in rechten Kreisen schon immer gegen „die Hochfinanz", „die Konzerne" und „das Kapital" gehetzt wurde. Dass bei diesen „Konzernen" in Deutschland einige Millionen Menschen beschäftigt sind, die wiederum ihre Arbeitsplätze zu einem wesentlichen Teil dem Handel mit anderen Ländern verdanken, scheint keine Rolle zu spielen."

Harry Popow

 

Der Leserbrief zum Spiegel-Titel dieser Woche.

bitte schauen Sie sich mal das Titelblatt des aktuellen „Spiegel" an: ein Bomber fliegt optisch dem Leser direkt ins Gesicht  und die dicke Schlagzeile lautet: „Putin greift an" . Diesmal in Syrien. Aber der Leser soll eindeutig das Gefühl haben, dass Putin ihn hier zuhause in Deutschland bedroht. Im Internet betrachtet, wackelt sogar noch das Flugzeug hin und her – der Verfasser hat offensichtlich ein faible für Kriegssspiele am Computer. Vielleicht ist er denen noch nicht lange entwachsen, hat der noch Realitätsbezug?

Es entspricht in allem dem „Stoppt Putin" bezüglich der Ukraine-Krise letztes Jahr.

Der dazugehörige Artikel- ich habe den Spiegel nicht gekauft und den gleichen Artikel auf Spiegel online nicht gefunden – kann leider nicht kopiert werden. Daher habe ich nur den ersten Teil lesen können. Er ist auf dem Niveau der BILD-Zeitung, äußerst primitiv und ausschließlich personalisierend. Putin wird, wie üblich als absolut skrupellos bezeichnet, seine, – nur seine –  Absichten als imperialistisch. Betont wird geschildert, wie er gelassen und souverän Sport treibt, alles, was das Testosteron eines durchschnittlichen Mannes in Wallung bringt und ihn in Hahnenkampf-Stimmung versetzt – fehlt nur noch die hübsche Frau am Arm.

Hormongesteuerte Steinzeit-Reflexe scheinen beim Thema Russland-Berichterstattung eine große Rolle zu spielen.

Da sind die Nazis aber bald herausgefordert um noch mithalten zu können….

Ich muss sagen, ich habe dergleichen Exzesse bei RT-deutsch, beispielsweise über Obama, der ja sicher auch lässig Sport treibt, während er den IS, oder eher Syrien, bekriegt und seine Drohnen im Jemen Zivilisten abschießen, bisher nicht gesehen, ich werd mal darauf achten und nun öfter als bisher in deren Sendungen schauen.

Weiterhin wird im Artikel natürlich gefragt, wie anlässlich der Ukraine damals, wie lange wir uns das mit ansehen sollen, soll wohl heißen, ohne militärisch einzugreifen. Da kann jemand den Krieg wohl nicht erwarten.

Die Frage, was es für Deutschland bedeuten könnte, gegen Russland militärisch einzugreifen, wird nicht gestellt. Millionen Tote, ein verwüstetes Land –  och….

Wie logisch ist es, einerseits Putins Russland, als extrem skrupellos und bedrohlich für uns aufzubauen und andererseits ganz sorglos die Konfrontation mit ihm anzuheizen??

Selbst überzeugte Putin-Hasser müssten an dieser Stelle doch mal eine Minute nachdenklich werden. Oder zerstört das viele Testosteron diese Fähigkeit?

Millionen Tote durch einen Krieg mit Russland scheinen den Spiegel nicht zu interessieren – aber sehr wohl ob TTIP – Gegner vielleicht „antisemitisch" und „verschwörungstheoretisch" wären.

Es ist schon frustrierend , dass es immer noch nicht möglich zu sein scheint, dass verschiedene Gegenöffentlichkeitsmedien sich anlässlich solcher Exzesse zusammentun, um solchen gefährlich verzerrenden Darstellungen öffentlichkeitswirksam entgegenzutreten und aufzuklären.

Wenn ich den/die verantwortlichen Spiegel-Journalisten vor mir hätte, wäre Waterboarding a la Guantanamo ein Streicheln, verglichen mit meinen Phantasien davon, was ich mit diesem widerlichen, verbrecherischen Abschaum gerne anstellen würde! Aber das sind meine privaten süßen Träumereien. 

H.-M. Sch.




48. In die örtlichen Beiräte der Arbeitsagenturen und Jobcenter sind grundsätzlich Arbeitslosenvertreter aufzunehmen!

 
 
 
--->>>
 
Unsere 95. Thesen
 
 
48. In die örtlichen Beiräte der Arbeitsagenturen und Jobcenter sind grundsätzlich Arbeitslosenvertreter aufzunehmen!
 
[via Junge Welt]
 
 
 
 
»Wir sehen uns dazu veranlaßt, weil genau wie zu Luthers Zeiten das Gefüge unserer Gesellschaft in Unordnung ist. Die Schere zwischen Oben und Unten, zwischen Reich und Arm klafft in nie da gewesenem Ausmaß auseinander.
(…) Wir wollen mit unserem Thesenanschlag ein Zeichen dafür setzen, dass es an der Zeit ist, Widerstand zu leisten.«
1. Der Kapitalismus ist menschenfeindlich!

2. Die kapitalistische Marktwirtschaft ist nicht sozial, sondern asozial!

3. Im Kapitalismus geht alle Macht von den Privatbesitzern der Produk­tionsmittel und nicht vom Volke aus!

4. Der Kapitalismus bringt täglich Millionen Menschen in der Welt durch Hunger und Unterernährung um!

5. Der Kapitalismus zerstört in seinem Wachstumsstreben unsere natürliche Umwelt!

6. Die herrschende Meinung ist immer die Meinung der Herrschenden!

7. »Demokratie« bedeutet Volksherrschaft und fängt an der Basis an!

8. Es gibt in einer Klassengesellschaft keine »absolute Demokratie«!

9. Um der Grundgesetzforderung, daß das Volk der Souverän in der Ausübung der Demokratie ist, Geltung zu verschaffen, muß bei wichtigen Entscheidungen der Innen-, Außen- und Sicherheitspolitik ein Volksentscheid stattfinden!

10. Da das bestehende Grundgesetz nicht mehr in seiner ursprünglichen Fassung vorhanden ist, und ohnehin bis zur deutschen Vereinigung nur als Provisorium gedacht war, ist eine Verfassungskommission mit dem Entwurf einer neuen Verfassung zu beauftragen, die dann nach Veröffentlichung und breiter Diskussion in der Bevölkerung durch Volksentscheid in Kraft gesetzt wird!

11. Die Abgeordneten des Bundestages und der Landesparlamente sind nicht ihrem Gewissen verpflichtet, sondern ihren Geldgebern aus den Konzernzentralen und aus privaten Nebeneinkünften!

12. Die Gesetze schreiben nicht die bürgerlichen Politiker, sondern die Konzernvertreter der privaten Wirtschaft, die als »Berater« in den Ministerien sitzen!

...
 



21. Um Arbeit fair zu verteilen, muß eine 30-Stunden-Arbeitswoche eingeführt werden!

 

 
 
 
21. Um Arbeit fair zu verteilen,
muß eine 30-Stunden-Arbeitswoche eingeführt werden!

Unsere 95 Thesen

 
[via Junge Welt]
 

#Unternehmer u. ihre #Verbände sind d. #Gegner u. nicht d. Sozialpartner d. #Gewerkschaften u. d. #Lohnabhängigen!

 

 
Unsere 95 Thesen
 
 
--->>>
 
 
24. Unternehmer und ihre Verbände sind die Gegner
und nicht die Sozialpartner der Gewerkschaften und der Lohnabhängigen!
 

Unsere 95 Thesen

 
[via Junge Welt]
 

Mittwoch, 7. Oktober 2015

Jetzt treten auch d. Eliten nach#unten - #zunehmende #Abwertung v. #Arbeitslosen u. #Armen

 
 

"Jetzt treten auch die Eliten nach unten"

Interview | Beate Hausbichler, 17. Juni 2012, 18:00
 
[via Der Standard]
 
 
 
 

In ihrem neuen Buch "Wir müssen leider draußen bleiben" kritisiert Kathrin Hartmann Sozialprojekte und die zunehmende Abwertung von Arbeitslosen und Armen

Die Tafeln verbreiten sich seit Jahren weltweit mit großem Erfolg und werden von allen Seiten gelobt. Die Idee der Tafeln (oder "Food Banks") ist, Bedürftige mit überschüssigen oder aussortierten Lebensmitteln zu versorgen, die von Handelsketten gespendet werden. Allein in Deutschland gibt es mehr als 880 Tafeln, bei einigen davon hat die Autorin Kathrin Hartmann recherchiert und herausgefunden: Wo solche Sozialprojekte sind, muss noch lange keine Menschlichkeit und schon gar keine Gerechtigkeit herrschen - eher im Gegenteil. So auch in Bangladesch, wo sich Hartmann ein weiteres weltweit anerkanntes Sozialprojekt genauer ansah: die Mikrokredite.

In ihrem neuen Buch "Wir müssen leider draußen bleiben" beschreibt sie den Ausschluss von Menschen aus der Konsumgesellschaft, die zunehmende Verachtung dieser Ausgeschlossenen und wie Sozialprojekte herrschende Strukturen festigen. Beate Hausbichler traf die Autorin zum Gespräch über herblassende Ehrenamtlichkeit, die Währung Dankbarkeit und den Grund, warum inzwischen auch die Bildungselite nach unten tritt.

dieStandard.at: Sie beschreiben in Ihrem Buch die wachsende Abwertung von Unterprivilegierten. Welche Entwicklungen sind dafür verantwortlich?

Hartmann: Sozialabbau funktioniert nur, wenn man Menschen selbst die Schuld an ihrer Armut gibt oder sie als Sozialschmarotzer diffamiert - diese Abwertung ist durchaus beabsichtigt. Es gibt ein Interesse daran, das Gegensatzpaar Leistungsgerechtigkeit und Sozialschmarotzertum aufrechtzuerhalten, obwohl natürlich beides ein Mythos ist. Viele Studien belegen, dass es das Sozialschmarotzertum nicht gibt, und wir wissen auch, dass Vermögende ihren Reichtum nicht durch Leistung bekommen haben.

Zudem fühlt sich die Mittelschicht vom Abstieg bedroht. Derzeit finden wir aber eine Situation vor, in der nicht nur der Boulevard nach unten tritt, sondern zunehmend auch das bildungsbürgerliche Milieu - auch aus Abstiegsangst.

dieStandard.at: Sie erwähnen in Ihrem Buch einen Artikel von Peter Sloterdijk, der 2009 ein umverteilendes Steuersystem als "kalte Hilfe" bezeichnete, Freiwilligkeit würde hingegen dem Geben wieder mehr Würde verleihen. Ein angesehener Intellektueller, der für den Abbau des Sozialstaates in die Bresche springt: Wie konnte das passieren? Abstiegsangst auch bei der Bildungselite?

Hartmann: Im Grunde war dieses Statement von Sloterdijk in der "FAZ" einfach ein feiner formulierter Boulevard. Die Studie "Gruppenspezifische Menschenfeindlichkeit" hat gezeigt, dass die Abwertung von Armen auch zunehmend in der Oberschicht zu finden ist - obwohl Sloterdijk wohl eher zur gehobenen Mittelschicht, zum Bildungsbürgertum gehört.

Heute fühlen sich selbst die Eliten um ihren gerechten Anteil betrogen. Das liegt möglicherweise daran, dass es immer mehr Krisenherde gibt, der Kampf um die Fleischtöpfe verstärkt sich, und diejenigen, die an den Töpfen schon dran sind, verteidigen ihre Privilegien. Der Ton ist rauer geworden, als die Frage aufkam, wer die Kosten der Finanzkrise übernimmt.

dieStandard.at: Die "freiwilligen Gaben" sind auch der Kern Ihrer Kritik an den Tafeln: Die Staaten würden zunehmend die Aufgabe, Verteilungsgerechtigkeit zu schaffen, an diese Organisationen auslagern. Sie zeigen in Ihrem Buch aber auch, dass die Tafeln für viele nicht mehr entbehrlich sind. Wir brauchen sie, aber sie sind eigentlich falsch? 

Hartmann: Es stimmt, dass die Tafeln für viele lebensnotwendig geworden sind, doch sie sind ja bei weitem nicht in der Lage, alle zu versorgen, die es bräuchten. Dass im reichen Deutschland Menschen darauf angewiesen sind, sich für weggeworfene Lebensmittel anzustellen, dass Hungerarmut in Deutschland existiert - das hätte die Politik längst zum Handeln bringen müssen. Studien zeigen, dass zum Beispiel Langzeitarbeitslose nicht an jedem Tag des Monats drei Mahlzeiten zu sich nehmen oder Hungerperioden haben, um den Strom zahlen zu können.

Die Tafeln sind für die Politik ein angenehmer Stellvertreter, da kann man dann auch schön das Ehrenamt loben und sich aus der Affäre ziehen, weil die Armen ja versorgt werden. Doch die Tafeln werden nicht allein von Ehrenamtlichen betrieben, sie werden von Unternehmen und Konzernen unterstützt. Durch die Tafeln verschaffen sie sich ein gutes Image und lenken von der Verschwendung durch die produzierten Überschüsse ab.

Ein zentrales Problem an den Tafeln ist auch, dass Freiwilligkeit nie einen Ersatz für einklagbare Rechte bietet. Bei der Tafel gibt es keine Ansprüche, sondern Almosen.

dieStandard.at: Warum werden eigentlich derart große Überschüsse produziert?

Hartmann: Es gibt nur ein paar Handelsketten, die den Markt dominieren und die um die Spitze konkurrieren. Da geht es eigentlich nur um Nuancen: Sei es, dass schon jeder Salat mit nur einem welken Blatt aussortiert wird oder dass Waren angeboten werden, die letztendlich niemand kauft, zum Beispiel Erdbeeren im Winter: Viele wollen das gar nicht, doch die Ketten bieten sie weiter an, mit dem Argument: Falls sie doch jemand will, könnte ja der oder die zur Konkurrenz gehen. Auch das Brotregal muss bis zum Ladenschluss randvoll sein - es geht also um den Kampf um Kunden und Margen.

dieStandard.at: Auch die privaten Ehrenamtlichen kommen in Ihrem Buch nicht sehr gut weg. Sie haben sie bei den Tafeln mitunter schnell sehr unfreundlich erlebt, wenn sich die Menschen dort nicht so verhalten, wie das von einem Bedürftigen erwartet wird. Brauchen wir ein breiteres Bild von Armut?

Hartmann: Man vergleicht Armut noch immer mit Bildern, die wir aus den 80ern kennen: Kinder mit aufgeblähten Bäuchen - das hält man noch immer für die "echte" Armut, die es ja bei uns nicht gebe. Wir haben aber "relative Armut", viele verstehen darunter "Ist ja nicht so schlimm". Doch das bedeutet "arm im Vergleich zum Rest der Gesellschaft, in der der Arme lebt". "Absolute Armut", also dass man etwa kein Dach über dem Kopf hat, gibt es in Europa auch.

Durch diese ganze Sozialschmarotzer-Propaganda kommt die Idee auf, dass diese Menschen Betrüger sein könnten - da heißt es dann misstrauisch: "Die haben doch immer das neueste Handy." Bei einer Tafel ist mir auch zu Ohren gekommen, dass "die halt einfach weniger rauchen sollten". Da hatte ich schon den Gedanken: Oh Gott, hoffentlich werde ich nie so arm, dass ich hier stehen muss.

Natürlich arbeiten bei den Tafeln sehr viele nette Menschen, doch es ist ein riesiger Unterschied, auf welcher Seite des Tisches man steht. Und die Währung, die bei der Tafel gültig ist, ist Dankbarkeit. Das ist wie eine moralische Schuld, die man in Wirklichkeit nie einlösen kann, weil die Vorstellung herrscht, dass Armut mit einem richtigen oder falschen Verhalten zusammenhängt.

dieStandard.at: Sie schreiben, Armut bedeute politischen Ausschluss. Wie könnten die vielen von relativer Armut Betroffenen eine stärkere politische Stimme bekommen?

Hartmann: Hartz-IV-EmpfängerInnen sind jeden Tag damit beschäftigt, diesen Amtsirrsinn mitzumachen. Es ist Wahnsinn, wie viel Energie und Arbeitskraft einfach sinnlos verpufft. Und sie bekommen auch noch vermittelt: Du bist nichts wert, du bist uns eine Last. Da entsteht natürlich das Gefühl, dass man sowieso nicht gehört wird.

Im Grunde muss es damit anfangen, dass die Mittelschicht versteht, dass wir alle in einem Boot sitzen. Und dass die eigentliche Bedrohung darin besteht, dass wir die Solidarität aufgeben und nach unten treten. Mehr Gerechtigkeit, etwa mehr Steuern für Reiche, könnte den Druck von der Mittelschicht nehmen - dann wäre auch die Bereitschaft größer, über neue Alternativen nachzudenken. In Deutschland und auch in Österreich wünschen sich 80 bis 90 Prozent eine gerechtere Wirtschaftsordnung - daher glaube ich, dass Veränderung möglich ist.

dieStandard.at: Noch zu einem anderen großen Sozialprojekt, das Sie ebenfalls kritisieren: Sie waren in Bangladesch und haben sich dort die Situation von Mikrokreditnehmerinnen angesehen.

Hartmann: Diese Kredite bedeuten auch nichts anderes als Schulden. In Bangladesch habe ich gesehen, dass sich die Frauen durch diese Kredite nicht aus der Armut befreien konnten, sie sind mehrfach verschuldet, bei mehreren Mikrokreditinstituten. Ihr Leben ist nur mehr darauf ausgerichtet, das Geld zurückzuzahlen. Schaffen sie es nicht, werden ihnen Kühe oder Ziegen weggenommen. Zum Teil wird ihnen sogar das Haus abgebaut, während sie auf dem Feld sind, oder sie müssen ihr Land verkaufen, was für kleine Bauern eine Katastrophe ist, weil sie die Grundlage verlieren, für sich selbst sorgen zu können.

Die Kredite dienen auch nicht der Ermächtigung der Frauen. In den meisten Fällen nehmen die Männer das Geld - Frauen können oft nicht lesen und schreiben und wissen nicht, was sie da unterschreiben. Auch hier profitieren - wie immer - Banken und westliche Investoren. Viele landen letztlich in den Slums der Städte, wo sie auch erwünscht sind, weil sie für fast kein Geld die dreckigste Arbeit verrichten.

dieStandard.at: In einem älteren Buch von Ihnen, "Ende der Märchenstunde", legen Sie sich mit KonsumentInnen an, die nur bio und "fair" kaufen. In Ihrem aktuellen Buch nun mit dem Ehrenamt der Tafeln und den Mikrokrediten. Warum kritisieren Sie Leute oder Projekte, die es doch gut meinen?

Hartmann: Ich bin immer sehr skeptisch, wenn etwas so einhellig für gut befunden wird. Das sind oft einfache pragmatische Lösungen, das finde ich verdächtig. Wenn zum Beispiel, wie im Falle der Mikrokredite, die Deutsche Bank das toll findet und die Kirche auch - dann ist das ja eigentlich komisch. Oder warum sehen sich die LOHAS (Lifestyle of Health and Sustainability, Anm.), die früher die konsumkritischen Ökos ausgelacht haben, nun als die Retter der Welt - nur weil sie einkaufen? Warum sind sich die Wirtschaft und die Politik so einig, dass die Tafeln gut sind?

Diese drei Dinge - die LOHAS, die Tafeln und die Mikrokredite - haben gemeinsam, dass es nur ums Ökonomische geht und dass die Wirtschaftselite davon profitiert. Es geht bei all diesen Dingen nicht darum, Strukturen der Armut in Frage zu stellen, sondern darum, einfach so weiterzumachen wie bisher - aber mit gutem Gewissen. (Beate Hausbichler, dieStandard.at, 17.6.2012)





Zur Vertiefung!! -->#unsere #rechtsextrem #denkenden #Nachbarn, #Vorgesetzten, #Kita-Erzieher, #Polizisten, #Sachbearbeiter

 
 

Kolumne
Liebe rechtsextreme Mitbürger!

Ein Drittel der Bürger denkt, dass Ausländer hier nicht hergehören.

Das braucht die NPD gar nicht erst zu fordern.

 

[via Frankfurter Rundschau]

http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-liebe-rechtsextreme-mitbuerger-,1472602,11168002.html

Rechtsextremes Denken ist in unserer Bevölkerung offenbar unausrottbar vorhanden. Nicht die pathologisch Verrückten, die mit einer Waffe in der Hand mordend durch die Gegend ziehen, sind das Problem.

Sondern unsere rechtsextrem denkenden Nachbarn, Zeitungsabonnenten, Vorgesetzten, Personalchefs, Eltern, Lehrer, Kita-Erzieher, Polizisten, Sachbearbeiter auf der Behörde und so fort. Rechtsextreme sind keine zoologische Besonderheit, keine Naturgewalt aus Zwickau.

Ein Drittel der Befragten einer großen Studie der Friedrich-Ebert Stiftung vom letzten Jahr stimmte diesem Satz zu: „Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet". Genauso viele meinen, dass „Ausländer kommen, um den Sozialstaat auszunutzen", und dass bei knappen Arbeitsplätzen „Ausländer wieder in ihre Heimat" geschickt werden sollten. Das ist nicht NPD-Gedankengut. Die NPD nutzt die vorhandenen Einstellungen.

Wenn das jeder Dritte denkt, wäre das jeder dritte Kollege, der mir auf dem Gang begegnet, jeder dritte Parlamentarier, jeder dritte Arzt. Bestätigt wird die Studie durch eine andere, die „antidemokratische Mentalitäten in Europa" untersucht und zu ähnlichen Ergebnissen kommt. Nie gibt es eine Studie über die Deutschen, die besagt, dass wir kein Rassismus Problem haben. Innenminister Friedrich beschimpfte das Ergebnis einer Untersuchung über Rechtsextremismus in Bayern als Frechheit und Denunziation seiner Landsleute.

In Wikipedia habe ich mir die Liste der „Persönlichkeiten aus Hof" angesehen. Wilhelm Grimm (1889-1944), NSDAP-Reichstagsabgeordneter. Karl Fritsch (1901-1944), NSDAP-Politiker, Innenminister des Freistaates Sachsen. Klaus Beier (* 1966), NPD Politiker. Das steht da vollkommen selbstverständlich. Wer hat es geschrieben? Wer hat es nicht gelöscht? Warum gibt es keine Liste bedeutender „Nazis in Hof"? Das alles betrifft auch die Wikipediaseiten der Berliner oder Frankfurter Persönlichkeiten.

Mittwoch in der Süddeutschen Zeitung: „Ein offenbar geistig verwirrter Mann, der eine Hakenkreuz-Binde am Arm trug, hat am Dienstag in Rheda-Wiedenbrück auf das Schaufenster eines türkischen Lebensmittelgeschäfts geschossen." 17 Zeilen, letzte Seite, afp-Meldung – wer ist hier geistig verwirrt? Wir haben auch ein Öffentlichkeits- und Medienproblem.

Wir werden nicht darum herumkommen, uns die Frage zu stellen, wie gehen wir als Journalisten und Kolumnisten mit so etwas um? Wieso hören wir seit sieben Tagen keine einzige Stimme aus den Opferfamilien? Wieso sind die Mitarbeiter in Sicherheitsbehörden, Medien und Politik so wenig multi-ethnisch?

Der öffentliche Druck auf diese Themen wäre in den letzten 20 Jahren anders ausgeübt worden. Noch sind keine hochrangigen Politiker in Demut und Scham vor die Opferfamilien getreten und haben um Verzeihung gebeten. Noch haben Journalisten sich für ihre vorurteilsvolle und diskriminierende Berichterstattung über Belange der migrantischen Bevölkerung über Jahre hinweg nicht entschuldigt. Noch gab es keine aufrichtigen Rücktritte. Weil man immer noch eine Differenz zwischen organisierten Rechtsextremen und „normal rassistisch" denkender Bevölkerung sieht. Das ist eines unserer grundsätzlichen deutschen Probleme. Der eigentliche Skandal.

Ihre Mely Kiyak




-->> #Betrug von #Reichen #werde #toleriert - und bei Armen erbittert bekämpft. [Ulrike Herrmann: 2010]

 

 

Betrug von Reichen werde toleriert – und bei Armen erbittert bekämpft.

Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht.
Westend Verlag, Fankfurt/Main, 2010. 223 Seiten. 16.95 Euro