Montag, 31. Mai 2010

"rbb manipuliert mit Miegels Hilfe" (Kontraste 27-05-2010) Nachdenkseiten


rbb manipuliert mit Miegels Hilfe
(Nachdenkseiten)
 
http://www.nachdenkseiten.de/?p=5695

Bisher hatte ich geglaubt, der Wahnsinn finde irgendwo eine Grenze. Es stimmt nicht.

Gestern lief im ARD Magazin Kontraste ein Beitrag, der das Maß zugleich an Ignoranz wie auch an faktischer Manipulation noch einmal steigerte.

Der Titel
"Wachstum ade – Wo und wie muss Deutschland sparen?" lässt ahnen, wohin der Hase läuft: Propaganda für die weitere Verarmung des Staates und des Volkes gepaart mit der Ignoranz für die Gefahr verstärkter Arbeitslosigkeit und Deflation. Näheres gleich. Albrecht Müller

Zunächst: Wir sind auf diesen Beitrag im ARD Magazin Kontraste von mehreren NDS-Nutzern aufmerksam gemacht worden.

Einen Leserbrief mit einigen wichtigen Anmerkungen finden Sie in Anlage 1. In Anlage 2 findet sich ein Leserbrief von Roger Strassburg an die New York Times zur Spardebatte.

Zum Beitrag mit Meinhard Miegel in Kontraste nun einige Hinweise:
Im Beitrag wird eine Art Schrumpfkurs empfohlen. Wenn wir dies tun, dann werden wir de facto als Volkswirtschaft nicht sparen, sondern immer mehr Schulden anhäufen. Wir haben in den NachDenkSeiten schon sehr oft auf die Tatsache hingewiesen, dass in solchen Ergüssen einzelwirtschaftliches Denken auf die Volkswirtschaft übertragen wird. Die Sparabsicht reicht nicht, um volkswirtschaftlich einen Sparerfolg zu erzielen. Man kann heute schon mit Sicherheit voraussagen, dass ein wirtschaftspolitischer und finanzpolitischer Kurs im Sinne von RBB und Miegel nur noch mehr Schulden erzeugen wird. In diesem Zusammenhang verweise ich zum x-ten Mal auf eine Grafik:
  • Grafik: Anstieg der Gesamtverschuldung - 1988 - 2005

  • Daraus geht eindeutig hervor, dass in Deutschland immer nur dann angefangen werden konnte, den Schuldenzuwachs zu stoppen, wenn die Konjunktur und damit auch das Wachstum angeschoben wurde. Das ist für die Jahre 1988 und 89 erkennbar, dann wieder für die Zeit 1997-2000. Auch die geringere Zunahme der Schulden nach 2004 – Steinbrücks angeblicher großer Erfolg – verdankten wir der leicht besseren konjunkturellen Entwicklung. In Deutschland sind konjunkturelle Belebungen immer wieder abgebrochen worden. Das ist das eigentliche Elend.
    Im Beitrag von Kontraste wird die Standardformel "Konjunkturprogramme auf Pump" beziehungsweise "Wachstum auf Pump" in die Köpfe gehämmert. Mit den Fakten hat das nichts zu tun. Um so wichtiger ist die häufige Wiederholung der gängigen Lüge.
  • Die Abbildung zeigt zugleich eine der gängigen Manipulationen von Personen vom Schlage Miegels: sie zeigt nämlich, dass der Schuldenzuwachs in Zeiten der deutschen Vereinigung besonders hoch war – im Jahr 1995, als die Treuhand in den Bundeshaushalt übernommen wurde, allein 170 Milliarden Schuldenzuwachs. Dieser Schuldenzuwachs wird von Personen wie Miegel und dem Redakteur von Kontraste den siebziger Jahren und den Konjunkturprogrammen zugeschrieben – genauso wie man heute erfolgreich mit dem Versuch begonnen hat, die Belastung der Staatshaushalte durch die Bankenrettung ebenfalls Konjunkturprogrammen und der Ausgabenwut der öffentlichen Hände zuzuschieben.
  • Die Agitation wendet sich immer wieder gegen sozialstaatliche Elemente unseres Gemeinwesens. Die Siebzigerjahre mit einem beachtlichen Ausbau der Sozialleistungen (gleiches Kindergeld, flexible Altersgrenze, Öffnung der gesetzlichen Rentenversicherung für Hausfrauen und Selbstständige, Vorsorgeuntersuchungen usw.) sind den neoliberalen Ideologen ein ständiger Dorn im Auge. Deshalb kaprizieren sie sich in unendlichen Wiederholungsschleifen auf Attacken gegen die siebziger Jahren. In "Meinungsmache" ist diese Strategie wie auch die Strategie der Verarmung des Staates ausführlich beschrieben und belegt.
  • Die systematische Verarmung des Staates wird auch im Kontraste-Beitrag weiter betrieben. Das ist die große Basisstrategie für die weitere Ausdehnung der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen und der sozialen Sicherungssysteme.
  • Kontraste und Miegel machen auch in diesem Stück den Versuch, den Menschen einzuhämmern, wir alle lebten über unsere Verhältnisse: alle Rentner, Arbeitnehmer, Menschen in Pflegeheimen und so weiter. Typisch ist folgende Passage:

    Prof. Miegel:

    "Dann werden Einschnitte gemacht werden müssen, von denen sich die meisten heute noch keine Vorstellung machen können."

    Dann folgt die redaktionelle Ergänzung durch den Autor von Kontraste:

    "Massive Kürzungen der Löhne und Gehälter, etwa, Kürzungen der Renten, Kürzungen des Arbeitslosengeldes oder der Pflegeleistungen. Für alle wird es nun heißen: Abschied nehmen vom "immer mehr", von liebgewonnenen materiellen Werten und Gewohnheiten, alle werden weniger haben."

    An dieser Passage kann man beispielhaft erkennen, dass solche so genannten Wissenschaftler und Redakteure nur in einer Welt der gestanzten Klischees leben. Der Redakteur hat mit hoher Wahrscheinlichkeit keinerlei Ahnung von der wirklichen Welt, zum Beispiel vom angeblichen "immer mehr" der Rentner, oder von der wirklichen Entwicklung der Reallöhne, nämlich einer Stagnation seit mindestens 15 Jahren.
    In dieser Welt, die heute meinungsbildend und damit entscheidungsbestimmend ist, kommt es nicht mehr auf Fakten an, sondern auf den nahtlosen Austausch der zitierten Klischees. Das ist eine extrem gefährliche Entwicklung. Sie bringt uns immer weiter neue politische Fehlentscheidung und kostet uns maßlos viel Kraft.
  • Miegels Wachstumskritik ist Teil einer clever ausgedachten Strategie dieses so genannten Wissenschaftlers. Dieser rechtskonservative Gründer von Instituten und unseriösen Propagandaorganisationen hat sich offenbar zum Ziel gesetzt, sich in die Herzen und Köpfe wachstumskritischer, sogar linksliberaler Kreise einzuschleichen. Für sie sind Töne wie in dem Beitrag von Kontraste wie Balsam.

    Anlage 1


    Leserbrief an Kontraste von Mario Simeunovic:

     

    Meinhard Miegel ist kein Sozialwissenschaftler

    Sehr geehrte Damen und Herren der Redaktion,

    in Ihrem "Kontraste" Beitrag wird Herrn Meinhard Miegel großer Raum zu Verbreitung einiger fragwürdiger Theorien zu Staatsverschuldung und Sozial- bzw. Lohnkürzungen eingeräumt. Herr Miegel ist zunächst mal Jurist. Seine sozialwissenschaftliche Karriere verdankt er keiner eigenen Forschung sondern dem Einfluss der Politik. So ist er denn auch kein ordentlicher Professor, sondern Außerordentlicher.

    Er war und ist ausnahmslos in Instituten tätig, die von privaten Geldgebern finanziert werden: beispielsweise Deutsche Bank und Axa-Versicherung, in deren Aufsichtsrat er auch sitzt.

    Er arbeitet weiterhin in Vereinen oder Konventen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Interessen der Finanzwirtschaft bspw. die private Altersversorgung unter dem Tarnmäntelchen einer "Bürgerinitiative" unter das Volk zu bringen.

    Wenn er bei Ihnen so vehement beklagen darf, dass "wir" über unsere Verhältnisse gelebt haben, dann geht es vor allem um Leute wie ihn. Er sorgt sich um die großen Geldvermögen und deren Heranziehung zur Krisenbewältigung. Deren Inhaber haben tatsächlich von den Boomjahren insbesondere an den Börsen profitiert.

    Unsere gigantischen Staatsschulden sind ein Ergebnis von Steuergeschenken für Besserverdienende, Unternehmen und von Hilfspaketen für Banken. Herr Miegel rechnet fest mit sozialen Unruhen infolge von Sozial- und Lohnkürzungen, die er für unausweichlich hält, im Gegensatz zur finanziellen Beteiligung seiner privatwirtschaftlichen Auftraggeber.

    Wenn er dann gleichzeitig auch noch eine Konjunkturförderung anprangern darf, die mit vergleichsweise bescheidenen Mittel für eine fragile Stabilität der Konjunktur sorgt, dann wird ihr Bericht vollends unsachlich, propagandistisch und letztlich unverantwortlich. Daneben treibt es mir den Zorn auf die Stirn, wenn ein Banken- und Versicherungslobbyist seine Propaganda der sozialen Spaltung mit Hilfe von öffentlich-rechtlichen Zwangsbeiträgen den Opfern der Finanzwirtschaft nahe bringen darf.

    Mit freundlichen Grüßen
    Mario Simeunovic


    Anlage 2


    Leserbrief Roger Strassburg an New York Times:

    Zuächst die Mail an die NDS:

    Anbei ein Leserbrief von mir an die NYT zum folgenden Beitrag. Mein Leserbrief gilt eigentlich nicht dem Beitrag selbst, sondern den Kommentaren dazu, die fast ausschließlich die Tugendhaftigkeit des Sparens betont haben – eine große Anzahl der Kommentare natürlich aus Deutschland.

    Herzliche Grüße
    Roger

    Roger Strassburgs Leserbrief an die NYT:

    To the editor:

    Indeed, the real problem in Europe is Germany.  I fear that many people won't get the point, though, as is evidenced by almost all of the readers' comments to this editorial.

    Those who see Germany as virtuous due to its hard work and thrift, and other countries as fat, dumb and lazy, should consider this:  Germany couldn't have run a trade surplus without other countries having run a deficit.

    It shouldn't be hard for people to understand that one country can't have a trade surplus unless some other country has a trade deficit, since one country can only export what another country imports.  Spending and earning are the two sides of the same coin:  you can't sell something unless somebody buys it, you can't earn unless someone else spends.  In the world of macroeconomics, a penny saved is a penny not earned by someone else.  If everyone saves, nobody earns.

    German politicians, economists and media seem to believe in a sort of "immaculate consumption", where everybody produces and sells without anybody consuming.

    Germany became dominant in exports by impoverishing its workers.  Official policy of recent German governments (both Schröder and Merkel) has been to establish and expand a low-wage sector – a "working poor".  This has succeeded, to benefit of the export industry and at the expense of the domestic economy and imports.

    Germany has attained its current position via wage dumping, and now wants other countries to do the same.  This is the same strategy that was employed by Heinrich Brüning in Germany and Herbert Hoover in the U.S. in the 1930's, leading to the Great Depression and the rise of Hitler in Germany.

    Hoover later realized that this was the wrong policy.  Brüning never did.  Most Germans didn't, either, and are in the process of making the same mistakes they did then – hopefully not with the same result.

    Regards,
    Roger Strassburg

    About me:  I'm an American living in Germany.  I came here in March, 1990, when Germany was moving toward reunification.  I married here an 1992, my wife being from the former East Germany.

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    Samstag, 29. Mai 2010

    --->>> Biokäufer sind schlank, umweltbewusst und wohlhabend - soweit das Klischee (...)<<<---

     

    Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
    Max Rubner-Institut - Bundesforschungsinstitut für Ernährung und
    Lebensmittel, Dr. Iris Lehmann

    Essen Biokäufer anders?

    Ergebnispräsentation und Workshop am Max Rubner-Institut


    Biokäufer sind schlank, umweltbewusst und wohlhabend – soweit das Klischee.

     
    Aber was stimmt tatsächlich?

    Gibt es einen Zusammenhang zwischen  Einkaufsverhalten,
    Ernährungsverhalten und Lebensstil?

    Ergebnisse rund um diese Thematik präsentieren Wissenschaftler am
    18.6.2010 am Max Rubner-Institut.

    Doch ist dies nützliches Wissen für Händler und andere Praktiker der Naturkostszene oder nur graue
    Theorie? Der Workshop macht auch vor dieser Frage nicht halt.

    Rund 14.200 Menschen haben für die Nationale Verzehrsstudie II exakte
    Auskunft über ihre Ernährungsgewohnheiten gegeben und damit die
    umfassendste Datenbasis geliefert, die es zu diesem Thema in
    Deutschland jemals gab. Durch Kombination der erhobenen Daten ist es
    möglich, die Biokäufer unter ihnen ausführlich zu charakterisieren.


    Die Erfassung von Ernährungsmustern erlaubt zudem, die zahlreichen
    Einzelaussagen von  Biokäufern zusammenzufassen und die grundlegende
    Frage zu beantworten, ob der Kauf von Bioprodukten mit einer
    gesundheitsförderlichen Ernährungsweise verknüpft ist. Im Workshop
    "Leben Biokäufer gesünder?" werden Ergebnisse eines
    Forschungsprojektes zu dieser Thematik präsentiert.

    Die Interpretationen der Forschungsdaten durch die Wissenschaftler werden
    durch die anwesenden Praktiker, Experten und Multiplikatoren auf ihre
    Auswirkungen für die Praxis hinterfragt und diskutiert.

    Der Workshop findet im Rahmen des Forschungsprojektes "Auswertung der
    Daten der Nationalen Verzehrsstudie II: Eine integrierte verhaltens-
    und lebensstilbasierte Analyse des Bio-Konsums" statt und wird vom
    Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
    (BMELV) im Rahmen des Bundesprogramms Ökologischer Landbau (BÖL)
    gefördert.

    Arten der Pressemitteilung:
    Forschungsergebnisse
    Pressetermine

    Sachgebiete:
    Ernährung / Gesundheit / Pflege
    Tier- / Agrar- / Forstwissenschaften
    Umwelt / Ökologie

    Weitere Informationen finden Sie unter

    http://Weitere Informationen unter www.mri.bund.de

    Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
    http://idw-online.de/pages/de/image114803
    Das Projekt wurde gefördert durch das Bundesprogramm Ökologischer Landbau


    Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
    http://idw-online.de/pages/de/news367136

    Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
    http://idw-online.de/pages/de/institution1266

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    MachtWahn - Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet von Albrecht Müller

     

     

    Machtwahn

    Albrecht Müller

    Machtwahn

    Wie eine mittelmäßige Führungselite uns zugrunde richtet

     

    »Man kann einige Menschen die ganze Zeit zum Narren
    halten und alle Menschen einige Zeit, aber man kann
    nicht alle Menschen die ganze Zeit zum Narren halten.«
    (Abraham Lincoln)


    Erscheinungstag: 21.3.2006
    Preis der Taschenbuchausgabe bei Knaur: 8,95 Euro
    365 Seiten
    Copyright © 2006 bei Droemer Verlag.
    Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt
    Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München
    Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
    Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München
    Reproduktion: Wilhelm Vornehm, München/Achim Norweg, München
    Satz: Adobe InDesign im Verlag
    Druck und Bindung: Ebner & Spiegel, Ulm
    Printed in Germany
    ISBN-13: 978-3-426-27386-9
    ISBN-10: 3-426-27386-1

    Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung

    Freitag, 28. Mai 2010

    --->>> traumverloren <<<--- (Christa Müller)

     

    traumverloren

    (Christa Müller)

    Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung

    "Frauen kommen nicht häufiger zum Orgasmus, wenn ihre Partner wohlhabend sind"

         

     

    Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
    Ludwig-Maximilians-Universität München, Luise Dirscherl,

    Kluge Köpfe kommen öfter: Die Statistik und der weibliche Orgasmus

     

    Frauen kommen nicht häufiger zum Orgasmus,

    wenn ihre Partner wohlhabend sind.

     

    Zu diesem Schluss kommen die LMU-Forscher Professor
    Torsten Hothorn und seine Mitarbeiterin Esther Herberich - und
    widerlegen damit eine Studie, die letztes Jahr für Furore sorgte.

     

    Die statistische Auswertung einer Befragung von mehr als 1.500 Chinesinnen durch

    britische und niederländische Forscher schien damals den Schluss nahezulegen,

    dass die Partnerinnen reicher Männer häufiger einen Orgasmus haben.

    Erst als Hothorn und Herberich die Originaldaten zu Lehrzwecken erneut
    auswerteten, zeigte sich, dass dieses Ergebnis nicht auf einem
    wirklichen Zusammenhang, sondern nur auf einem Fehler in dem
    verwendeten Statistikprogramm beruhte.

     

    "Unsere Analyse hat gezeigt, dass in erster Linie der Bildungsstand der Frauen, aber auch ihr
    Gesundheitszustand und ihr Alter für die Anzahl der Orgasmen
    verantwortlich sind", berichtet Herberich.

     

    Diese Ergebnisse haben die LMU-Forscher nun zusammen mit den Autoren der

    Originalpublikation veröffentlicht. "Die Ausgangsstudie basiert auf öffentlich
    zugänglichen Daten", sagt Hothorn. "Das erhöht ihren
    wissenschaftlichen Wert ungemein, weil unabhängige Forscher nur so die
    Ergebnisse überprüfen und bestätigen können - oder eben auch
    widerlegen." (Evolution and Human Behavior online, März 2010)

    Diese Meldung ging um die Welt: Chinesische Frauen erleben mit
    wohlhabenden Partnern mehr sexuelle Höhepunkte. Thomas V. Pollet von
    der niederländischen Universität Groningen und Daniel Nettle von der
    Newcastle University in Großbritannien hatten dafür die Daten von
    1.534 Chinesinnen ausgewertet, die in der Studie "Chinese Health and
    Family Life Survey" (CHFLS) ausführlich über ihr persönliches Leben
    Bericht erstattet hatten. Die Ergebnisse seien auch auf westliche
    Länder übertragbar, folgerten die Wissenschaftler und lieferten gleich
    eine biologische Erklärung für das kontrovers diskutierte Ergebnis:
    Manchen Evolutionstheorien zufolge zeige der weibliche Orgasmus an,
    dass eine Frau einen guten Partner gefunden habe - und ein hohes
    Einkommen mache schließlich begehrenswert und attraktiv. Zu
    Lehrzwecken werteten Hothorn und Herberich die Daten erneut aus,
    konnten das Ergebnis aber nicht replizieren.

    Vielmehr zeigte sich, dass die ursprüngliche Schlussfolgerung auf
    einem Fehler in dem verwendeten Statistikprogramm beruhte. "Letztlich
    wurde dadurch aus einer Vielzahl von statistischen Modellen ein
    falsches als das am besten passende ausgewählt", sagt Herberich, die
    sich in ihrer Diplomarbeit mit den Berechnungen beschäftigte. "Als wir
    dann das statistisch angemessene Modell betrachteten, ergab sich ein
    völlig anderes Bild: Die Orgasmushäufigkeit der Frauen hängt am
    stärksten mit ihrem Bildungsniveau, aber auch mit ihrem
    Gesundheitszustand und dem Alter zusammen. Jüngere und gesündere
    Frauen berichteten über häufigere sexuelle Höhepunkte als ältere und
    wenig gesunde. Das Einkommen des Partners erwies sich dagegen als
    unbedeutende Variable in diesem Zusammenhang."

    Zusammen mit den Autoren der Originalpublikation veröffentlichten die
    LMU-Forscher nun die neuen Ergebnisse. "Diese Korrektur war nur
    möglich, weil die ursprüngliche Studie von Pollet und Nettle auf
    öffentlich zugänglichen Daten basierte", sagt Hothorn. "Anders hätten
    wir ihre Schlussfolgerungen nicht überprüfen können. Es sollte daher
    wissenschaftlicher Standard werden, sowohl die Originaldaten als auch
    die statistischen Analysemethoden zusammen mit den Ergebnissen zu
    veröffentlichen. Auf diese Art wäre der Weg, auf dem
    Schlussfolgerungen gezogen werden, für jedermann nachvollziehbar."
    (CA/suwe)

    Publikation:
    "A re-evaluation of the statistical model in Pollet and Nettle 2009";
    Esther Herberich, Torsten Hothorn, Daniel Nettle, Thomas V. Pollet;
    Evolution and Human Behavior, Band  31, S. 150-151, März 2010;
    doi:10.1016/j.evolhumbehav.2009.12.003

    Ansprechpartner:
    Diplom-Statistikerin Esther Herberich
    Institut für Statistik der LMU
    Tel.: +49 - (0)89 / 2180 - 3198
    Mobil: +49 - (0)163 / 6805944
    E-Mail: Esther.Herberich@stat.uni-muenchen.de
    Web: www.statistik.lmu.de/~herberich/

    Prof. Dr. Torsten Hothorn
    Institut für Statistik der LMU
    Tel.: +49- (0)89 / 2180 - 6407
    E-Mail: Torsten.Hothorn@stat.uni-muenchen.de
    Web: www.stat.uni-muenchen.de/~hothorn/

    Arten der Pressemitteilung:
    Forschungsergebnisse
    Forschungsprojekte

    Sachgebiete:
    Gesellschaft
    Mathematik


    Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
    http://idw-online.de/pages/de/news362952

    Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
    http://idw-online.de/pages/de/institution114

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    >> Meinungsmache ist bei weitem wichtiger für politische Entscheidungen als Sacherwägungen <<


    Meinungsmache ist bei weitem wichtiger

    für politische Entscheidungen als Sacherwägungen
    (Nachdenkseiten)


    Diese Erfahrung wird uns heute jeden Tag bestätigt.

    Meinungsmache überlagert inzwischen die an der Sache orientierte Abwägung um Welten.

    Dass Sparen der europäischen Staaten die richtige Therapie sei, dass Konsolidierung der Haushalte die Konjunktur beflügele, dass wir eine Schuldenkrise haben, dass es entscheidend sei, das Vertrauen der Finanzmärkte zu gewinnen, dass die Gängelung der politischen Gestaltungsräume durch so etwas wie eine Schuldenbremse sinnvoll sei, dass eine Inflation drohe, …. das wird unentwegt in die Köpfe gehämmert.

    Albrecht Müller




    Ein Musterbeispiel für diese Agitation findet sich wieder einmal bei

    SpiegelOnline von heute, 27. Mai 2010, 06:21 Uhr:


    "Europa auf Sparkurs – Ökonomen beschwören die Euro-Auferstehung"

    http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,druck-696939,00.html

     

    Im Einführungstext heißt es:

    "Europa spart: Als Reaktion auf das Schuldendesaster haben sich die meisten Regierungen harte Sanierungsprogramme verordnet. Experten applaudieren, sie sehen den Euro wieder im Aufwind – und warnen vor einer neuen Krise in den USA."

    Der gesamte Text ist bar jeglichen ökonomischen Sachverstands. Es wird auch nicht andeutungsweise gesehen, dass der beklatschte europaweite Sparkurs in eine verheerende Deflation münden kann. Die Schreiber orientieren sich an Vorurteilen und Klischees. Und sie berufen sich wie üblich auf Experten.

    Diese entpuppen sich dann als Volkswirte bei Banken und als der Chefökonom des Deutschen Industrieinstituts. Und dann wird auch noch der Starökonom Berlusconi gleich mehrmals lobenswert in die Geschichte eingebaut.

    "Der Staat muss weniger kosten, darum geht es im Kern." So Berlusconi. Das ist die fortgesetzt betriebene Verarmung des Staates. Jetzt dank Silvio Berlusconi, wie es im letzten Satz heißt.

    Vom Ergebnis dieser Dauerpropaganda hatte SpiegelOnline schon gestern in einem Artikel über eine Umfrage der einschlägig bekannten Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) berichtet. Dort heißt es:

    "Euro-Krise – Deutsche fürchten gigantische Staatsverschuldung

    Die Sorge um die Stabilität des Euro verunsichert die Deutschen: Einer neuen Erhebung zufolge fürchten immer mehr Bürger, dass die Politiker die Staatsschulden nicht mehr bewältigen können. Die Angst vor einer Inflation ist stark gestiegen, die Kauflaune gesunken."

    Das ist alles unfassbar. Ich kann nur noch einmal raten, auch mit diesen beiden Nachweisen perfekter Agitation und sachlicher Leere an Spiegel- und Spiegel Online Leser heranzugehen und die Glaubwürdigkeit dieses Mediums nachhaltig zu erschüttern.

    Spiegelleser sollten langsam lernen, dass sie auch nur eine Bild-Zeitung lesen, mit einen minimal angehobene Niveau.

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    Mittwoch, 26. Mai 2010

    Ulrike Herrmann: "Hurra, wir dürfen zahlen - Der Selbstbetrug der Mittelschicht"

       


     

    Rezension: Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen

    (Nachdenkseiten)

     

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=5626

    Die schwarz-gelbe Bundesregierung war für die Mittelschicht ein absehbar schlechtes Geschäft – und trotzdem hat diese Schicht, die noch immer die weitaus meisten Wahlberechtigten stellt, die "Koalition der Mitte" an die Macht gewählt.

    Wie ist das zu erklären?
    Ulrike Herrmann macht in ihrem Buch "Hurra wir dürfen zahlen" einen interessanten Versuch diesen "Selbstbetrug der Mittelschicht" zu erklären.

    Wolfgang Lieb




    Begütert ist die Mittelschicht nicht: Zu ihr zählt, wer zwischen 1000 und 2200 Euro netto im Monat als Single bzw. 2100 bis 4600 Euro als Ehepaar mit zwei Kindern monatlich verdient.

    Die Mittelschicht unterstützt in ihrer Mehrheit eine Politik, die vor allem der Oberschicht dient,
    weil es die Reichen verstehen, ihre Macht und ihren Reichtum zu verschleiern,
  • weil der Glaube an den Aufstieg in der Mittelschicht ungebrochen ist,
  • weil sie ihren Status überschätzt und
  • ihre Aufmerksamkeit darauf lenkt, sich von der Unterschicht abzugrenzen.

     

    Diesen Selbstbetrug der Mittelschicht beschreibt Herrmann in ihrem spannend geschriebenen und dennoch faktenreichen Buch.

    Die Mehrheit "der Deutschen" sorgt sich um die Zukunft und hält sich für Reformverlierer und dennoch gibt diese Mehrheit an, dass sie zu den Gewinnern der gesellschaftlichen Entwicklung gehöre.

     

    Die Deutschen scheinen zur Selbsttäuschung zu neigen. Es ist fast egal, wie viel er verdient, fast jeder fühlt sich "fast reich" (20), nur 9 Prozent in Westdeutschland ordnen sich der Oberschicht zu und zur Unterschicht wollen nur 3 Prozent gehören, obwohl die ökonomische Realität völlig anders aussieht.

    Einer der Gründe ist, dass man über die Vermögenseliten kaum etwas weiß. Dass dem reichsten Prozent 23 Prozent des gesamten Vermögens gehören, den obersten 5 Prozent über 46 Prozent und das reichste Zehntel 61,1 Prozent kontrolliert und die unteren 70 Prozent nicht einmal 9 Prozent des Gesamtvermögens besitzen, wird in Statistiken verschleiert und durch das Klischee einer "sozialen Marktwirtschaft" verkleistert. Oder man will es schlicht nicht wahr haben, schreibt Ulrike Herrmann.

    Zwar wisse die übergroße Mehrheit durchaus, dass die soziale Herkunft entscheidend sei, um zu Reichtum zu gelangen, doch über zwei Drittel glaubten an die "Leistungsgesellschaft". "Obwohl die meisten klar erkennen, dass die Startchancen keineswegs gleich verteilt sind, wird Reichtum umstandslos akzeptiert." (48) Es sei geradezu paradox, dass die Arbeitnehmer immer qualifizierter seien und real trotzdem weniger verdienten, während die Firmengewinne explodierten.

    Die Eliten mühten sich nach Kräften, den Aufstiegsoptimismus und damit den Selbstbetrug der Mittelschicht zu fördern schon fast zur Elite zu gehören. (52)

    An Beispielen, wie etwa der Partnerwahl (65) oder der "Begabtenförderung" (66ff.) ja sogar der Wahl der Vornamen für die Kinder (101ff.) belegt Ulrike Herrmann, dass sich die Schichten immer stärker voneinander separieren und sich die Elite immer mehr abschottet (65).

    Unter dem Stichwort "Schickedanz-Syndrom" beschreibt die Autorin das "seltsame Phänomen", dass zwar objektiv der Reichtum zunehme, sich subjektiv aber immer mehr Reiche um ihre Zukunft sorgten. "Weil ihnen ihr eigener Reichtum prekär erscheint, rechnen sie sich prompt zum Prekariat" (75). Die Reichen würden arm gerechnet, während die Armen zu den Reichen ernannt würden, die als Schmarotzer lebten und die "Leistungsträger" aussaugten.

    Typisch dafür, wie sich die Reichen arm rechneten, sei der Verweis auf die Einkommensteuerstatistik, wonach etwa die obersten 20 Prozent der Steuerbürger über 70 Prozent des Gesamtaufkommens stemmten. Dabei würde allerdings verschwiegen, dass die Reichen keineswegs übermäßig belastet würden, denn selbst Spitzenverdiener zahlten im Durchschnitt nur 23,8% an Steuern auf ihr Einkommen. Selbst Multimillionäre wüssten sich arm zu rechnen. Der Verweis auf die Einkommensteuer sei aber auch schon deshalb eine Irreführung, weil diese Steuerart schon fast zur "Bagatellsteuer" verkommen sei (77) und sich der Staat immer stärker durch die indirekten Steuern finanziere, die alle gleich betreffen.


    Für 2010 sei etwa die Körperschaftssteuer mit 7,2 Milliarden Euro niedriger eingeplant als die Versicherungsteuer mit 10,45 Milliarden Euro.


    Bei den Sozialabgaben würden die Reichen sogar prozentual weniger belastet als die Mittelschicht – ein recht seltener Fall auf der Welt (78).

    Herrmann geht in weiteren Kapiteln dem Phänomen nach, warum sich die Mittelschicht so willig täuschen lasse. Als einen Grund nennt sie, dass die Nachkriegszeit und das Wirtschafswunder mental fortwirkten, die zu einem beispiellosen (relativen) Wohlstand in allen Schichten führten.


    Im Vergleich zur ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wuchs das Volkseinkommen zwischen 1950 und 1989 13-mal so stark. Aus Arbeiter wurden Angestellte und selbst Arbeiter bekamen keine "Lohntüte" mehr. 1978 sei es 63 % der Arbeiterkinder gelungen, die Schicht ihrer Eltern zu verlassen (84). Die "nivellierte Mittelstandsgesellschaft" (Helmut Schelsky) habe die Selbstdeutung der Deutschen nachhaltig beeinflusst. Hierarchien oder der Klassenbegriff waren im Sprachgebrauch verschwunden und "Schichten" wurden von "Milieus" abgelöst. Teilhabe am Konsum sei maßgebend geworden. Dabei seien es nur verschiedene Arten gewesen, mit der eigenen Armut umzugehen – Armut sei Armut geblieben (86). Obwohl die sozialen Hierarchien in letzter Zeit wieder bewusster wahrgenommen würden, ordneten sich noch immer fast alle Bundesbürger der Mittelschicht zu.

    Seit zwei Jahrzehnten sinkende Reallöhne, ja sogar 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit hätten keinen Lernprozess ausgelöst, denn inzwischen sei jeder "drinnen", der als Arbeitsloser nicht "draußen" sei (88). Mit der "Exklusion" der Unterschicht gerate bei den "Inkludierten" aus dem Blick dass keineswegs alle gleich seien und der Mitte angehörten. "Während sich die Gesellschaft faktisch spaltet, wird sie in der Wahrnehmung eingeebnet" (89). Ausgerechnet die Massenarbeitslosigkeit verleite die Beschäftigten der Mittelschicht dazu, sich mit der Elite zu identifizieren.

    Wenn Wut hochkomme, dann richte sie sich allein auf Manager und Politiker, aber nicht auf Millionäre oder Milliardäre. Aber selbst die obszöne Selbstbedienung in den Chef-Etagen führten bestenfalls zu moralischer Empörung und kränkten die Selbstwahrnehmung der Mittelschicht, statt dass der schlichte Hebel angesetzt würde, den Spitzensteuersatz für Millionäre anzuheben (94). Und aus Sicht der Aktionäre seien eben selbst die teuersten Manager noch billig, fielen sie doch nur als Bruchteile der Personalkosten ins Gewicht.


    Der Zusammenhang, dass Manager die Firmenprofite und damit ihre Einkommen dadurch steigerten, weil die Reallöhne der meisten Beschäftigten sanken, interessiere weder die Aktionäre und überraschenderweise noch nicht einmal die Betroffenen selbst.


    Die Empörung über die Managergehälter werde gleichzeitig umgelenkt in eine Idealisierung und Romantisierung der mittelständischen Unternehmer, so dass in der Vorstellung vieler Deutscher inzwischen der Klassenkampf zwischen dem "guten" mittelständischen Unternehmer gegen die "bösen" Konzerne und ihre Manager stattfinde (98).

    Ein weiteres Element des Selbstbetrugs sei die Bildung oder wenigstens die Hoffnung, dass zumindest die Kinder aus der Mittelschicht aufsteigen könnten.

    Schon im Kleinkindlebenslauf fände inzwischen "eine Art Wettrüsten" statt.

    Der eigentliche Stress beginne aber mit der Schule bzw. der Schulauswahl. Der Massenandrang auf die Gymnasien entwerte das Abitur, das kein Erkennungszeichen der Eliten mehr sei, daraus erkläre sich der Drang vor allem besser Verdienender, ihre Kinder auf Privatschulen zu schicken. Schon 54 Prozent der Eltern würden ihre Kinder am liebsten auf eine Privatschule schicken, wenn sie es sich leisten könnten (112).

    Die Mittelschicht könne aber gewiss nicht gewinnen, wenn die Bildung zu einem Markt werde (114).

    Die Mittelschicht-Eltern bemerkten gar nicht, dass sie sich auf einen Konkurrenzkampf einließen, den sie nie gewinnen könnten.

    Statt aber darauf zu drängen, dass die staatlichen Schulen besser ausgestattet werden, fordere die Mittelschicht Steuersenkungen, wovon vor allem die Eliten profitierten, und entzögen damit dem Staat noch die letzten Mittel für eine Bildung, die für mehr Chancengleichheit nötig wären. "Die Mittelschicht leidet unter ihren Widersprüchen: Sie glaubt zwar immer noch an den eigenen Aufstieg, indem sie kräftig in die Bildung ihrer Kinder investiert – doch auch die Angst vor dem Abstieg ist allgegenwärtig." (117)

    Zwar habe es in der deutschen Mittelschicht schon immer Abstiegsängste gegeben. Der Krisendiskurs sei stets ein Medium bürgerlicher Selbstverständigung gewesen, neu sei jedoch, dass die Sorgen durchaus berechtigt seien. Gehörten 2000 noch 49 Millionen Menschen der Mittelschicht an, so waren es 2006 nur noch 44 Millionen. Gleichzeitig fand sich rund ein Viertel aller Bundesbürger in der Unterschicht wieder (121). Aber in der Selbstwahrnehmung der Mittelschicht seien immer die anderen abgestiegen.

    Ulrike Herrmann geht dem Phänomen dieses Abstiegs nach, den sie als "deutschen Sonderweg" bezeichnet (123), denn ökonomisch seien etwa die fallenden Reallöhne nicht zu erklären (125). Ihr scheint das eine Frage der Mentalität zu sein. So sei es auffällig, wie stark sich die Deutschen immer wieder von dem Arbeitgeber-Argument beeindrucken ließen, die Löhne dürften kaum steigen, weil sonst die internationale Wettbewerbsfähigkeit gefährdet sei. Nie käme die Frage auf, warum andere Länder nicht verarmten, die keine "Exportweltmeister" seien und dennoch höhere Lohnzuwächse verzeichneten. "Den deutschen Arbeitnehmern scheint es auszureichen, dass sie zumindest einen vermeintlichen Statusgewinn verbuchen können: Sie haben die Beschäftigten im Ausland geschlagen" (125).

    "Die deutsche Mittelschicht nimmt ihren eigenen Verlust nicht wahr, weil sie sich nach unten abgrenzen kann" (126), die Zuversicht, niemals zum Prekariat zu gehören, verleite die Mittelschicht, sich mental mit den Unternehmern zu verbünden.

    Es werde krampfhaft an dem Mythos festgehalten, dass eigentlich Vollbeschäftigung herrsche.

    Die Verachtung für die Unterschicht wachse sogar, je stärker der eigene ökonomische Status bedroht werde.

     Die Gesamtstimmung in Deutschland sei: "Wer arm ist, muss sich den Verdacht gefallen lassen, eventuell ein Betrüger zu sein" (130). Dieser uralte und nicht nur in Deutschland verbreitete Generalverdacht sei mit der Agenda 2010 offizielle Regierungspolitik geworden, wie Ulrike Herrmann mit zahlreichen Belegen untermauert. Die Wirkung blieb nicht aus: Nach einer Erhebung des Bielefelder Soziologen Wilhelm Heitmeyer im Jahre 2009 meinten 47 Prozent der Bevölkerung, dass Langzeitarbeitslose "arbeitsscheu" seien und sogar 57,2 Prozent nahmen an, dass sich Hartz-IV-Empfänger "auf Kosten der Gesellschaft ein schönes Leben machen" (135).


    Ergänzt werde diese Stigmatisierung durch die Kriminalisierung, nämlich dass Arbeitslose massenhaft der Schwarzarbeit nachgingen. "Illegal ist unsozial", so propagierte die Bundesregierung in Anzeigen ihre "Ich-AG" und baute eine groteske Überwachungsbürokratie, namens "Finanzkontrolle Schwarzarbeit", aus – mit 6500 Fahndern und Kosten von mehr als 400 Millionen Euro jährlich. Ganze 10 Millionen Euro seien in die staatlichen Kassen zurückgeflossen (138). Tatsächlich sei die Schwarzarbeit das klassische Delikt der Mittelschicht, sozusagen als "schichtinterne Kreislaufwirtschaft" (143). Nach einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft, liege der Anteil der Arbeitslosen bei etwas über 14 Prozent, den Löwenanteil der "Schwarzarbeiter" stellen Schüler und Studierende, Hausfrauen, Rentner oder Teilzeitbeschäftigte.

    Gemessen an der Fahndung nach Schwarzarbeit, sei die Steuerfahndung geradezu lax. Selbst Millionäre müssten kaum befürchten, dass ihre Angaben durchleuchtet würden.

    Die große Empörung über die "Steueroase" Deutschland bliebe jedoch aus.

    Betrug von Reichen werde toleriert – und bei Armen erbittert bekämpft.

    Dem von manchen "Experten" (Sarraz, Nolte, Buschkowsky) und vom "Boulevard" erzeugten Zerrbild über die "Unterschicht", von dem sich die Mittelschicht abhebe, werde durch "Doku-Soaps" des "Unterschichtenfernsehens" täglich verbreitet. Die reine Fiktion, die dort zur Realität erklärt werde, könne nur in einer Gesellschaft funktionieren, "in der sich die Vorurteile derart verhärtet haben, dass sie umstandslos für die Wirklichkeit gehalten werden" (151). Unterlegt würden die Ressentiments gegenüber der den Armen durch einen latenten oder gar offenen Rassismus einer fortwährenden negativen genetischen Auslese. Die konsequente soziale Benachteiligung im Bildungssystem und die Verarmung durch die Hartz-Reform werde ignoriert. Und ausgerechnet Sozialdemokraten hätten es fertiggebracht, "erst bei den Bedürftigen zu kürzen und diese dann als Schmarotzer darzustellen" (153).

    Durch massive Kampagnen mit absurden Rechenbeispielen, wonach sich Arbeitslose besser stellen als Arbeitsplatzbesitzer, werde die Aus- und Abgrenzung vor allem auch von Migranten vorangetrieben.

    "Statt wahrzunehmen, dass die eigenen Reallöhne fallen, vermutet man lieber, dass die Hartz-IV-Empfänger zu viel kassieren" (155).

    Das Spiel, das die Mittelschicht mit sich treiben lasse funktioniere folgendermaßen: "Die Reichen rechnen sich arm, während die Armen reich gerechnet werden.

    Damit verkehrt sich die Wahrnehmung, was eigentlich Ausplünderung ist.

    Es sind nicht mehr die Unternehmer, die ihre Angestellten ausbeuten – stattdessen beuten angeblich die Armen die Mittelschicht aus" (158).


    Wenn die Mittelschicht aber erst einmal glaube, dass der Staat nur noch den Armen nutze, dann stimme sie auch Steuersenkungen zu, von denen nur die Begüterten richtig profitierten.

    Die Mechanik der Steuersenkungen hätte dazu geführt, dass Normalverdiener schon fast in die Nähe des (von ehemals 60 auf 42 Prozent gesenkten) Spitzensteuersatzes rückten. (52.882 Euro bei einem Single, allerdings 105.764 Euro bei Verheirateten mit Ehegattensplitting)

    Dieser Effekt würde von den Eliten propagandistisch genutzt, dass sich die Mittelschicht schon für reich halte.

    Der Unterschied zwischen einem Millionär und einem Durchschnittsverdiener verschwimme, weil das Finanzamt beide ähnlich zu behandeln scheine (162).

     Die Mittelschicht könne sich offenbar gar nicht vorstellen, dass die oberen Dreihunderttausend deutlich reicher sind, als sie selbst.

    Steuersenkungen und Entzug der Solidarität mit den Unterschichten bedingten einander, zumindest mental.

     Hartz IV verlagerte die Schuld an der Arbeitslosigkeit auf die Arbeitslosen und transportierte die unterschwellige Botschaft, dass die Steuern vor allem an die Unterschicht umverteilt würden.

    Und als der Staat zur scheinbaren Lobbyveranstaltung für die Armen diskreditiert war, hätten auch viele in der Mittelschicht jede Steuersenkung als legitim betrachtet.


    Doch die Mittelschicht habe von den Steuersenkungen gerade nicht profitiert und dürfe jetzt mit ihren (Mehrwert-)Steuern die Zinsen für die dadurch entstandenen Staatsschulden bezahlen.

    Auch in allen Sozialsystemen gelte, dass die Eliten begünstigt würden. Sei es, dass sie sich durch die Beitragsbemessungsgrenzen dem Solidarprinzip entziehen können, sei dass die ärmeren Rentenversicherten früher sterben und die Rente für sie gar nicht lohne.

    "Wer am meisten verdient, wird am wenigsten belastet – und erhält auch noch den besten Service oder die höchste Rendite" (175).

    "Umverteilung" sei in Deutschland ein "Tabuwort", aber es werde permanent umverteilt – bisher allerdings von unten nach oben (179).

    Die Finanzkrise verstärke den Umverteilungsprozess: Zum einen, weil der Staat das Vermögen der Eliten rettete, indem er die Banken gestützt hat. Zum anderen, weil der Staat dafür Schulden aufnehmen musste und diese Kredite wiederum vor allem von den Eliten gewährt würden, die dafür die Zinsen kassierten.
    Bisher sehe es ganz danach aus, dass die Mittelschicht alleine auf den Kosten der Finanzkrise sitzen bleibe.

    Am Schluss ihres Buches plädiert Ulrike Herrmann für einen "New Deal" à la Roosvelt. Damit sei bewiesen worden, dass Steuern tatsächlich steuern könnten und dass es sogar der Wirtschaft gut täte, wenn ein starker Staat die Krisen ausgleiche und dafür sorge, dass alle Schichten am gesamtgesellschaftlichen Wohlstand teilhaben könnten. "Es ist Zeit für einen New Deal in Deutschland" (182), mit diesem Aufruf endet das Buch.

    Ulrike Herrmann schreibt selbst, dass in ihr Buch ihre Erfahrungen als Journalistin der taz eingegangen sind. Sie liefert keine wissenschaftliche Analyse, sondern eine Streitschrift in aufklärender Absicht. Sie arbeitet mit plausiblen Hypothesen und zugespitzten Vereinfachungen.


    Die Pauschalierung beginnt schon mit dem Begriff der "Mittelschicht". Zu der zählt sie alle, mit Ausnahme den unteren 25 Prozent der Unterschicht und den "oberen Zehntausend".

    Sie zählt Arbeiter und Angestellte genauso dazu wie Selbständige, die keine Millionäre sind. Sie differenziert die Mittelklasse nicht und nutzt dabei letztlich die gleiche Rhetorik wie die Parteien: Alles ist "Mitte" und alles drängt zur "Mitte".

    Ulrike Herrmann appelliert jedoch – ganz entgegen den Absichten von FDP, CDU und SPD – an diese Mitte, dass sie ihren Selbstbetrug erkennen möge, wenn sie sich mit den herrschenden Eliten identifiziert. Sie will an Hand einiger der wichtigsten medial vermittelten Streitthemen der letzten Jahre "der Mittelschicht" die Augen öffnen: Wacht auf! Ihr kommt nicht dort an, wo ihr euch hinträumt.

    Um den Selbstbetrug der Mittelschicht aber politisch zu wenden, müsste man den "Paternoster" innerhalb der Mittel-"Klassen" sorgfältiger differenzieren, man müsste herausarbeiten, welche Gruppe der arbeitenden Bevölkerung für den solidarischen Steuer- und Abgabenstaat (noch) "anschlussfähig" ist.

    Bei manchen Sachverhalten mit denen die Autorin den Selbstbetrug der Mittelschicht aufdecken möchte, macht sie es sich, um der journalistischen Zuspitzung willen, etwas zu einfach. So etwa wenn sie – wie es bei der "Mehr netto vom Brutto"-Kampagne üblich geworden ist – undifferenziert die hohe Abgabenlast kritisiert und eine Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme propagiert. Das mag auf den ersten Blick, wegen der Steuerprogression der Einkommensteuer, "gerechter" erscheinen, Ulrike Herrmann widerspricht sich damit aber selbst, wenn sie an anderer Stelle – richtigerweise – darauf hinweist, dass sich der Staat aus indirekten Steuern finanziert, die ja wie eine "Kopfpauschale" für alle wirken. Sicherlich sind die überwiegend nur von lohnabhängigen Klein- und Mittelverdienern finanzierten "Versicherungs"-Systeme ungerechter geworden und entlassen die Besserverdienden und Vermögensbesitzer aus der Solidarität, doch man stelle sich doch angesichts der jahrelangen Debatte um die Staatszuschüsse für die gesetzliche Rente einmal vor, wie es in Zukunft um eine steuerfinanzierte Rente stünde. Wir hätten den Sozialstaat nach Kassenlage und was das angesichts der Lage der öffentlichen Kassen bedeuten würde, mag man sich am besten gar nicht erst ausmalen.

    An einigen Stellen wird auch Ulrike Herrmann vom Meinungsmainstream mitgerissen, so etwa wenn sie auf den Leim der angeblich hohen "Bildungsrenditen" geht. Sicherlich geht es besser Ausgebildeten besser, aber wenn sie ihre staatlich finanzierte Ausbildung nicht wieder über Steuern refinanzieren, so ist das eher ein Beleg für die von der Autorin selbst kritisierte ungerechte Steuererhebung.

    Dennoch, Ulrike Herrmanns Buch "Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht" ist ein journalistisch gut geschriebenes und eingänglich zu lesendes Buch. Es hält der herrschenden Ideologie "der Mitte" einen Spiegel vor, aus dem sich ein realistisches Selbstbild der Mittelschicht widerspiegelt, das aber so gar nicht dem entspricht, was diese Schicht sich selbst einbildet und was ihr täglich von den ihre Macht und ihren Reichtum ausbauenden Eliten eingeredet wird.

    Ulrike Herrmann: Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht.
    Westend Verlag, Fankfurt/Main, 2010. 223 Seiten. 16.95 Euro


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    --->>> Hat Deutschland wirklich auf Pump gelebt? Eine Merkel-Lüge <<<----


    global news 2012 20-05-10:

    Hat Deutschland wirklich auf Pump gelebt? Eine Merkel-Lüge

    http://www.jjahnke.net/rundbr70.html#2012



    Bundeskanzlerin Merkel in ihrer gestrigen Regierungserklärung:

    "Zu viele wettbewerbsschwache Euroländer haben über ihre Verhältnisse gelebt. Das ist die eigentliche Ursache des Problems. Auch wir Deutschen haben im Übrigen nicht seit gestern, sondern schon seit über 40 Jahren Schulden gemacht. Auch wir leben auf Pump."

    Was für ein Unsinn! Deutschland lebt seit Jahren unter seinen Verhältnissen.

    Allein in den acht Jahren zwischen 2002 und 2009 hat Deutschland fast 1.000 Milliarden Euro mehr eingenommen, als es ausgegeben hat, und entsprechend kumulierte Leistungsbilanzüberschüsse zu Lasten seiner Binnenkonjunktur aufgebaut (Abb. 14190).

    Im Durchschnitt für jeden Haushalt in Deutschland 46.150 Euro. Das Geld ist dann über die Zahlungsbilanz in Kapitalexporten gelandet, als Investitionen in ausländischen Finanzpapieren (auch miesen amerikanischen), Unternehmen, Krediten ans Ausland und ausländischen Staatspapieren (auch Griechenland) etc..

     


    Deutschland hat sich viel zu wenig gegönnt und damit seine Binnenkonjunktur im Kühlschrank gehalten (Abb. 12998, 15169) und zugleich eine zerstörende Unwucht in der Eurozone erzeugt. Das ist die Wahrheit.

    Alles andere ist verlogene Volksverdummung.

    Was Merkel hier absichtsvoll durcheinanderwirft ist die Staatsverschuldung (die bei uns im internationalen Vergleich relativ gering ist) und die Auslandsverschuldung, mit der man auf Pump leben würde, während doch Deutschland einer der weltgrößten Gläubiger geworden ist.

    Alles Lüge also. Man muß es einmal so hart formulieren.

     

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    "Nun ist auch noch d. zweite globale Kreditblase geplatzt u. d. Schaden haben wieder d. Nicht-Spekulanten"


    global news wb08.22 06-05-10:

    Nun ist auch noch die zweite globale Kreditblase geplatzt und den Schaden haben wieder die Nicht-Spekulanten



    Startseite besuchen) -->

    Die global ständig verschärfte einseitige Ansammlung von Reichtum hat in den Jahren seit der Jahrtausendwende immer mehr Wasser auf die Mühlen der Spekulation geleitet, statt in die Realwirtschaft für Investitionen und Arbeitsplätze.

    Die wohlhabenden Kapitaleigner der Unternehmen, andere zu Reichtum Gekommene und viele profitträchtige Unternehmen stellten diese Mittel den Banken und Fonds auf Kredit zur Verfügung.

    Die weltweiten Finanzanlagen sprangen zwischen 2000 und 2007 von 291 % der gesamten Wirtschaftsleistung der Welt auf 358 % steil hoch (Abb. 16112). In Billionen Dollar ausgedrückt stiegen sie von 96 in 2002 auf 196 in 2007 (Abb. 16113).

     

     

     

    Dabei explodierten die von Banken zur eigenen Finanzierung ausgestellten Schuldpapiere von 3,8 Billonen Dollar in 2000 auf das fast Fünffache von 19 Billionen Dollar in 2007 (Abb. 13362).

     

     
     

    Banken und Fonds hebelten diese Mittel durch weitere von ihnen meist untereinander geschöpfte Kredite weiter hoch. Am Ende wurden dafür miese international gehandelte Papiere gekauft, die von miesen Ratingagenturen viel zu hoch bewertet waren, oder einfach synthetische Wetten auf die Wertentwicklung solcher Papiere abgeschlossen, ohne daß die wettenden Parteien die Papiere überhaupt besaßen. Diese miesen Anlagen und Wetten standen in krass falschem Verhältnis zu dem geringen Eigenkapital der Spekulanten. Die Aufsichtsbehörden drückten alle Augen zu oder schliefen ohnehin einen seligen Bürokratenschlaf.

    Die erste Blase, die mit lautem Krachen um den Globus herum platzte, war dann auch die der auf Kredit gekauften sekurisierten Papiere, die mit amerikanischen Subprime-Hyphotheken und anderen zweifelhaften Werten angeblich besichert waren. Die Steuerzahler mußten die Banken retten und damit die wohlhabenden Gläubiger aus den Anleihen der Banken, die mit ihrem Kredit an die Banken die Spekulation erst richtig ermöglicht hatten.

    Niemand verlangte diesen Gläubigern Zins- oder Forderungsverzichte ab und so kassieren sie jetzt weiterhin jahrelang überteuerte Zinsen aus ihren festverzinsten Bankenanleihen. Den Schaden haben nicht nur die vielen kleinen Steuerzahler, sondern die Millionen, die um den Globus herum Arbeitsplätze verloren haben und wegen der Krise den Riemen noch enger schnallen mußten.

    Das zweite Geschäft auf Kredit machte der internationale Handel auf. Exportversessene Länder, wie vor allem Deutschland, exportierten auf Kredit an Länder der Eurozone und andere, die weit über ihre Verhältnisse lebten. Die finanzierten ihre Schulden zu einem großen Teil durch die Auflage von Staatsanleihen, die wieder von den Rating Agenturen als top oder ziemlich sicher gewertet wurden, und wieder legten die Banken in solchen Papieren an.

    Das Geschäft wurde noch durch zwei Umstände zusätzlich versüßt, denn einerseits erlaubten die Aufsichtsbehörden den Banken, sehr wenig Eigenkapital dagegen zu rechnen, weil auch die Aufsichtsbehörden diese Papiere für sehr sicher hielten (wie schon bei den Papieren der zuerst geplatzten Kreditblase), und weil andererseits seit etwa zwei Jahren die EZB solche Staatsanleihen als Sicherheiten für Billigstkredite an die Banken von nur 1 % akzeptiert.

    Auch dieses Spekulantenrad wurde also kräftig gedreht. Das Volumen an Staatsanleihen von Griechenland, Spanien, Irland und Portugal stieg allein zwischen 2007 und 2009 um mehr als zwei Drittel oder 201 Mrd Dollar auf eine halbe Billion Dollar (Abb. 16114).

     
     
     

    Das besondere Problem von Griechenland, Portugal und Irland ist, daß sie ihre Staatsanleihen zum allergrößten Teil ans Ausland verkauften (Abb. 16117).

     

     

    Anders als bei im Inland verkauften Staatsanleihen kehren die Zinszahlungen nicht in die eigene Wirtschaft zurück und können auch keine Steuern auf diese Zinsen erhoben werden. Die Länder werden mit jeder Zinszahlung ärmer und kommen am Ende an einer Umschuldung meist nicht vorbei.

    Im Falle Griechenlands beträgt die Staatsverschuldung gegenüber dem Ausland fast 90 % der jährlichen Wirtschaftsleistung; bei einem Zinsatz von 5 % werden jedes Jahr 4,5 % der Wirtschaftsleistung allein an Zinsen ans Ausland abgeführt. Und wenn nun die Wirtschaftsleistung in den kommenden Jahren wegen des Sparprogramms abstürzt, steigt der Anteil daran, der als Zinsen in das Ausland abgeführt werden muß, immer weiter. Bei einer Staatsverschuldung von 150 %, wie sie von vielen Beobachtern erwartet wird, wären es schon fast 6 %.

    Die historische Erfahrung zeigt, daß Länder mit hoher Staatsverschuldung gegenüber dem Ausland nie oder sehr selten an der Umschuldung vorbeigekommen sind, und Griechenland hat nach Chile den höchsten Anteil aus den letzten dreißig Jahren (Abb. 16118).

     

     

    So hat auch der Aufkauf griechischer Anleihen durch die EZB den Zins auf griechische Anleihen bisher nur auf um 8 % heruntergeholt (Abb. 16119). Doch das ist nicht viel weniger als noch im April und für Griechenland viel zu hoch.

    Offensichtlich haben große Fonds und andere Anleger unter Feuerschutz der EZB ihre Anlagen in griechischen Bonds aufgelöst.

     

     
     
    Wie sehr die deutschen Verbraucher sparten, um die ungeniert einkaufenden Verbraucher der Defizitländer zu finanzieren, zeigt sehr eindrücklich die Entwicklung des Einzelhandelsumsatzes in der Eurozone (Abb. 12922).
     
    Von 2005 bis Ende 2007, vor Ausbruch der globalen Krise, ist der Einzelhandelsumsatz in den Defizitländern stark gestiegen, während er in Deutschland zurückfiel, aber auch seitdem ist er nur in Spanien unter die deutsche Entwicklung gefallen.
     
    Aber auch das stark verschuldete Großbritannien, wenn auch nicht im Euro, praßte drauflos.

     

     
     

    Nun ist auch diese Blase geplatzt. Die Kaiser auf der Südschiene der Eurozone tragen keine Kleider mehr. Wieder sind die Steuerzahler der Gläubigerländer dran und wieder nicht diejenigen, die sich in den Staatsanleihen verspekuliert haben. Aber auch die Mehrheit der Menschen in den Schuldnerländern muß jetzt die Riemen enger schnallen.

    Damit wird eine harte Rezession in Ländern, die 15 % der Wirtschaftsleistung der Eurozone erbringen (Spanien, Griechenland, Portugal und Irland) unvermeidbar. In der Folge wird die Wirtschaftsentwicklung der gesamten Eurozone nach unten gedrückt werden. Außerdem werden die Gläubigerländer durch den Ressourcentransfer der neuen Euro-Transfergemeinschaft selbst erheblich geschwächt.

    Die Währungsmärkte haben diese Folgen längst erkannt und halten den Euro unter Druck (Abb. 15590).

     

     


    Um die Ecke wartet bei fallendem Euro die Verbraucherpreis-Inflation, weil Rohstoffe, Energie und viele Nahrungsmittel teuerer importiert werden müssen. Sie trifft nicht nur als Steuerzahler, sondern auch als Verbraucher die Menschen, die selbst nie spekuliert haben, ein weiteres Mal.
     
    Inflation droht auch, weil die geplatzte zweite Kreditblase nun von den Regierungen und der EZB mit gigantischen Volumina an Liquidität wieder aufgeblasen wird, wie das schon bei den Rettungspaketen und Konjunkturprogrammen nach dem Platzen der ersten Kreditblase geschehen ist.

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    --->>> Griechenland, das Diktat von IWF und EU und die deutsche Verantwortung <<<---


    Griechenland, das Diktat von IWF und EU und

    die deutsche Verantwortung

    Positionspapier des Wissenschaftlichen Beirates

    von Attac Deutschland

    Die Krise in Griechenland ist Ausdruck der Tiefe der weltweiten kapitalistischen Krise.

     
    Nach der Krise im Immobilien-Sektor (2007), nach der Bankenkrise (2008) und nach der Krise der materiellen Produktion (2009) erleben wir gegenwärtig die Krise von Staaten


     
    http://www.linke-bueros.de/text.php?textID=6161&naviID=427


    Zusammenfassung:

    I Die Krise in Griechenland und in anderen Eurozonen-Staaten ist Ausdruck der Tiefe der weltweiten Krise und eine logische Folge der Konstruktion der Eurozone.

    II Das Spardiktat von IWF und EU muss die Krise verschärfen. Mit ihm werden diejenigen zur Kasse gebeten, die keinerlei Verantwortung für die Krise haben und die ohnehin die Lasten der kapitalistischen Krise tragen.

    III Deutsche Regierung, deutsche Banken und deutsche Konzerne sind zu kritisieren, – weil sie eine führende Rolle in der erpresserischen Politik gegenüber der griechischen Bevölkerung und der Regierung in Athen spielen; – weil vor allem deutsche Großunternehmen in Griechenland die Politik einer flächendeckenden Bestechung betrieben haben; – weil es aufgrund der ungesühnten Verbrechen der deutschen Wehrmacht und der SS in Griechenland zur Zeit der Besatzung 1941-1944 eine besondere Verantwortung Deutschlands für Griechenland gibt.

    IV Die Kosten der Krise in Griechenland müssen von denen bezahlt werden, die für die Krise verantwortlich sind: die großen, international aktiven Banken, die Superreichen in der Welt – auch in Griechenland - und die internationale Rüstungsindustrie.

    Weiterlesen im pdf-Dokument


    Weiterführende Links:
    www.attac.de

    Dokumente zum Text:

     

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    Dienstag, 25. Mai 2010

    "Pius XII., der Zweite Weltkrieg und die Juden" - 25-05. - 20 Uhr - Kathedralforum - Dresden


    25.05.2010  -  20.00  Uhr -  Kathedralforum Dresden

    Pius XII., der Zweite Weltkrieg und die Juden

    Prof. Dr. Stewart A. Stehlin, New York


    Das Thema ist heiß umstritten, die Diskussion oft emotional besetzt. Wie reagierte Papst Pius XII. auf die schrecklichen Ereignisse zwischen 1939 und 1945?

    Warum hat er geschwiegen - hat er es denn? Was hat er unternommen, um das Leiden zahlloser Menschen zu lindern? Oder tat er nichts? Die Analyse von Persönlichkeitsprofil, früher Ausbildung und Karriere, die in vielerlei Hinsicht die Denkweise des späteren Papstes formten, kann einigen Aufschluss über seine Entscheidungskriterien geben.

    Der Vortrag stellt außerdem die krisenhafte Situation dar, mit der sich der Vatikan angesichts von Naziherrschaft und Krieg konfrontiert sah, und diskutiert die möglichen Handlungsalternativen.

    Welche Entscheidungen traf Pius XII., was unternahm er konkret, welche öffentlichen Stellungnahmen gab er ab? Wie war seine Haltung zur Verfolgung der Juden? Und welche Konsequenzen hatte seine Politik?


    Der Referent, Professor für Geschichte an der New York University, stellt dazu die Ergebnisse der aktuellen Forschung vor und regt zu einer begründeten eigenen Urteilsbildung an.


    Haus der Kathedrale
    Schloßstraße 24
    01067 Dresden

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    Was kostet schlechte Führung? [idw]


    Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
    Universität Kassel, Christine Mandel, 21.05.2010 10:42

    Was kostet schlechte Führung?

    Kasseler Arbeitspsychologe erforscht gesundheitliche Auswirkungen


    Kassel. Schlechte Führung macht Mitarbeiter krank. Die Zahl der
    psychischen Erkrankungen unter Arbeitnehmern hat sich seit 1990
    verdreifacht, meldet der Gesundheitsreport des Bundesverbands der
    Betriebskrankenkassen (BKK) 2009. Zehn Prozent aller
    Arbeitsunfähigkeitstage sind darauf zurückzuführen. Die Hälfte davon
    steht in direkter Verbindung mit dem Führungsverhalten. Das hat
    verheerende Folgen für Personal, Betriebe und die deutsche
    Volkswirtschaft, weiß Prof. Dr. Oliver Sträter, Leiter des Fachgebiets
    Arbeits- und Organisationspsychologie an der Universität Kassel. Er
    erforscht den Zusammenhang von Führungsverhalten und
    Arbeitsproduktivität.

    Fehlzeiten infolge psychischer Belastung am Arbeitsplatz mindern das
    Bruttoinlandsprodukt um fünf Milliarden Euro jährlich. "Die Zunahme
    dieser Erkrankungen ist nur die Spitze des Eisbergs", sagt Sträter.
    Auf schlechte Führung zurückzuführen seien außerdem Erkrankungen des
    Herz-Kreislaufsystems, des Verdauungssystems, des Muskel-Skelett-
    Systems. In der BKK-Statistik nicht mitgezählt sind alltägliche
    Reaktionen auf schlechte Führung: Dienst nach Vorschrift, innere
    Kündigung, mangelnde Kreativität. "Das führt zusätzlich zu
    Produktivitätseinbußen", erklärt Sträter. Spitzenreiter der Statistik
    sind Organisationen, in denen tendenziell rigide Führungsmechanismen
    herrschen. Dazu zählen der öffentliche Dienst und Verwaltung, das
    Gesundheitswesen und das Versicherungsgewerbe.

    Warum Führung krank machen kann
    Aus der Grundlagenforschung ist bekannt, dass der Mensch über einen
    bei allen Personen gleich ablaufenden Verarbeitungszyklus verfügt.
    Dieser wirkt auch in Führungssituationen. Stetig vergleichen
    Vorgesetzte sowie Mitarbeiter Handlungen, Erfahrungen und
    Wahrnehmungen anderer Personen mit den eigenen - und das im 100
    -Millisekunden-Takt. Gibt es Unterschiede, löst der so genannte
    "zentrale Vergleicher" im limbischen System negative Emotionen aus.
    Folglich bewertet der Vorgesetzte die Leistung seiner Mitarbeiter
    schlecht, obwohl dies nicht der Fall ist. "Die vegetative Steuerung
    des Menschen durch das emotionale und kognitive System bei
    Führungsverhalten wird unterschätzt", sagt Sträter.

    Ein Beispiel: Ein Vorgesetzter erteilt einen Arbeitsauftrag an einen
    Mitarbeiter. Dieser stellt den Auftrag seinen Erfahrungen gegenüber.
    Der Mitarbeiter stellt fest, dass diese dem Auftrag widersprechen und
    teilt die Bedenken seinem Vorgesetzten mit. Der Chef nimmt das wahr
    und vergleicht die Aussagen des Mitarbeiters mit seinen. Weil er
    selbst auf andere Erfahrungen zurückgreift, kommt es zu einem inneren
    Ungleichgewicht. Nun hat der Vorgesetzte zwei Möglichkeiten, das
    Missverhältnis zu lösen: 1. Er entscheidet, den Widerspruch zu
    verstehen und den Mitarbeiter in die Entscheidung mit einzubinden. 2.
    Er stellt die eigenen Erfahrungen über die des Mitarbeiters und weist
    an, den Auftrag wie gefordert auszuführen.

    Der "Lidl-Effekt": Kontrolle statt Vertrauen und Toleranz
    Die erste Entscheidung entspricht gesunder Führung. Vorgesetzter und
    Mitarbeiter klären Widersprüche und gelangen gemeinsam zu einer
    Lösung, die beide zufrieden stellt. "In 70 Prozent der Fälle
    entscheidet sich die Führungskraft jedoch für den zweiten Weg", weiß
    Sträter aus seinen Studien in verschiedenen Unternehmen. Der
    Mitarbeiter ist gezwungen, die Diskrepanz anders zu verarbeiten. Wie
    ein Blitzableiter lenkt er das Ungleichgewicht auf sein vegetatives
    System. Als Folge der Frustration steigt die Herzrate, er verbringt
    schlaflose Nächte, beschwert sich bei Kollegen.

    Damit setzt sich eine Spirale in Gang. Der Mitarbeiter zieht sich in
    die innere Kündigung oder Krankheit zurück, während das Misstrauen des
    Chefs wächst. Seinen Ärger kompensiert er durch Kontrolle. Sträter
    bezeichnet das als "Lidl-Effekt": Der Vorgesetzte überprüft den
    Mitarbeiter immer stärker, um ihn in die "richtige Bahn" zu leiten und
    bewertet ihn zunehmend negativer. Der Druck auf den Mitarbeiter
    steigt. Beide geraten in einen emotionalen Zustand, dem sie nur noch
    vegetativ begegnen können.

    Zug anstelle von Druck
    Der Grund für unheilvolles Führen (z. B. Zeitdruck) sei oft ein
    systemisches Problem der gesamten Organisation, führt Sträter aus.
    Dies kann nicht allein durch Trainings der Führungskräfte gelöst
    werden; der ganze Betrieb muss seine Führungsprinzipien überdenken.
    "Führen wird oft mit Kontrolle verwechselt", sagt der Kasseler
    Arbeitspsychologe. Viele Vorgesetzte unterschätzten die Loyalität und
    das Potenzial ihrer Mitarbeiter. Statt eigene Erfahrungen in den
    Vordergrund zu stellen, sieht Sträter die Lösung darin, Erfahrungen
    und Konzepte der anderen zu verstehen und erst dann mit eigenen Zielen
    abzugleichen. So zieht der Vorgesetzte das Personal über seine Ziele
    und Erfahrungen in das gewünschte Verhalten. Zur gesunden
    Kommunikation eignet sich nach Sträters Forschung besonders das GROW-
    Modell (Goals-Reality-Options-Will): Die Führungskraft erfragt
    Bedenken des Mitarbeiters, gleicht diese mit eigenen Zielen ab. Dann
    erstellt er Optionen, die beiden Seiten gerecht und verbindlich
    festgelegt werden. Das macht Führung gesund - und damit Betriebe
    produktiver und sicherer.

    dm
    5.121 Zeichen

    Info
    Prof. Dr. Oliver Sträter
    tel (0561) 804 4210
    e-mail <straeter@uni-kassel.de>
    Universität Kassel
    Fachgebiet Arbeits- und Organisationspsychologie

    Arten der Pressemitteilung:
    Forschungsergebnisse

    Sachgebiete:
    Psychologie

    Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
    http://idw-online.de/pages/de/image116411
    Prof. Dr. Oliver Sträter



    Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
    http://idw-online.de/pages/de/news370619

    Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
    http://idw-online.de/pages/de/institution45

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    Sonntag, 23. Mai 2010

    Vermögensverteilung: Die Reichen schneiden sich e. immer größeres Stück aus e. stagnierenden Kuchen

     

    global news 1975 08-04-10:

    Vermögensverteilung:

    Die Reichen schneiden sich ein immer größeres Stück

    aus einem stagnierenden Kuchen

    Startseite besuchen) -->

    Der deutsche Vermögenskuchen ist in den fünf Jahren bis 2007 nur noch um 2 % pro Jahr gewachsen. Dennoch haben die Reichen ein immer größeres Kuchenteil für sich herausgeschnitten. Der Anteil des obersten Zehntels stieg in diesem Zeitraum noch einmal von 57,9 % auf 61,1 %. Dabei hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Privathaushalten lebende Menschen ab 17 Jahren erfaßt.


    Das oberste 1 % kommt bereits auf 23 % aller Netto-Vermögen bei Vermögen ab 817.200 Euro. Beim obersten Zehntel sind es noch Vermögen ab 222.300 Euro. Dagegen fällt der Wert für die untersten 70 % oder fast drei Viertel der Menschen in Deutschland auf Vermögen von durchschnittlich nur noch 8.600 Euro. Ihr Anteil am Kuchen ging über die fünf Jahre von 10,5 % auf nur noch 9 % zurück. In Eurowerten war das ein Rückgang von 5,7 %, während das oberste eine Prozent 10 % zulegen konnte und das oberste Zehntel 6,6 % (Abb. 14174).

     

    Wie ungleich sich die Vermögensverteilung entwickelt, zeigt auch der Median, d.h. der Wert genau in der Mitte zwischen dem oberen und dem unteren Teil der Personen. Der stieg nur um magere 1,9 %.

    In einem Interview im Tagesspiegel warnt Michael Hartmann, Prof. für Soziologie an der TU Darmstadt, vor einer immer größeren Radikalisierung der Eliten in Deutschland:

    "Deutschlands Elite ist erstens homogener geworden. Die politische Elite hat sich der wirtschaftlichen angeglichen. Im neuen Kabinett Merkel haben drei Großbürgerkinder zentrale Ministerien inne: Guttenberg aus einer der 400 reichsten Familien Deutschlands und 800 Jahre altem Adel, de Maizière aus einer gut vernetzten Hugenottenfamilie und von der Leyen. Das gab es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie. Man ist immer mehr unter sich und wird mit anderen Lebenswirklichkeiten gar nicht mehr konfrontiert. Zweitens haben sich Deutschlands Eliten radikalisiert - das sieht man an Äußerungen wie den zitierten (Westerwelle, Sloterdijk, Sarrazin ..).

    Wenn es um Grundsätzliches geht, ums Geld, stelle ich fest, dass es relativ wenig Differenzen (innerhalb der Elite) gibt. Als ich zum Beispiel auf dem Arbeitgebertag darauf hinwies, dass sich der Wunsch nach einem besseren Schulsystem nicht mit einer Reduzierung oder gar Abschaffung der Erbschaftssteuer vertrüge, grummelten 90 Prozent im Saal deutlich. Der Kuchen ist schlicht kleiner geworden. In den 70er und 80er Jahren gab es mehr zu verteilen, da war man bereit, auch an das ärmere Drittel der Gesellschaft abzugeben. Jetzt aber geht es darum festzulegen, wie die Kosten der Finanzkrise verteilt werden. Und da heißt es dann: Die Hartz-IV-Empfänger verjubeln unsere Steuern.

    Richtig gewonnen hat in dieser Zeit das eine Prozent an der Spitze, mit Vermögen ab 817.181 Euro netto. Dieser sehr kleine Teil der Bevölkerung, der nahezu ein Viertel des gesamten Vermögens in Händen hält, hat fast 150 Milliarden dazugewonnen. Darüber wird nicht geredet; dabei wäre es doch naheliegend zu fragen, ob nicht sie ihren Anteil leisten müssten. Schließlich hat die staatliche Rettung der Banken vor allem ihr Geld gesichert. Danach müsste die Masse der Steuerzahler fragen. Das zu verhindern, ist der Sinn all dieser Äußerungen. Die Mittelschichten sollen glauben, mit denen oben in einem Boot zu sitzen. Sloterdijk weitete seinen Begriff der Leistungsträger von Interview zu Interview mehr aus, selbst Westerwelle spricht inzwischen von der Krankenschwester, die man in Schutz nehmen müsse gegen die Hartz-IV-Empfänger, die von ihren Steuern lebten. Es gibt einen massiven Versuch, die Fronten so zu ziehen. Und er scheint zu funktionieren.

    Posted via email from Beiträge von Andreas Rudolf

    -->> Was die FDP an der sozialen Front in Deutschland treibt, ist lupenreiner Kanibalismus <<--


    Gedanken zur Zeit 1695 04-03-10:

    http://www.jjahnke.net/gedanken56.html#1695

    Was die FDP an der sozialen Front in Deutschland treibt,

    ist lupenreiner Kanibalismus


    "Dog eats dog" sagen die Amerikaner. Das heißt wörtlich: "Hund frißt Hund" und beschreibt den rücksichtlosen Konkurrenzkampf, in dem die Menschen nur für sich selbst kämpfen und andere Menschen verletzen. In Deutschland ist das offensichtlich die Welt der FDP geworden. Nach Westerwelle meldet sich nun auch Bundeswirtschaftsminster Brüderle, von dem man noch nicht viel Konstruktives vernommen hat und der damit seinem Vorvorgänger, dem braven Müllermeister Michael Glos, sehr ähnlich ist, oder neuerdings dem Bundespräsidenten, seit er in der Versenkung verschwunden ist. Heute meldet sich also Brüderle mit folgender auszugsweise wiedergegebenen Presseerklärung unter der Überschrift "Zur Diskussion über die Finanzierung des Sozialstaats":

    "Wer Hilfe bekommt, bleibt in der Pflicht, soweit wie möglich eigene Beiträge für seinen Lebensunterhalt zu leisten. Das sorgt zugleich dafür, dass diejenigen, die diese Sozialleistungen finanzieren, nicht überfordert werden. Es gibt zunehmend Anzeichen dafür, dass diese für unseren Sozialstaat lebenswichtige Balance verloren geht. Die Zahl der Menschen, die von staatlichen Sozialleistungen abhängig sind, wächst seit Jahren. Nur noch eine Minderheit in der Bevölkerung gibt die eigene Erwerbstätigkeit als die wichtigste Unterhaltsquelle an. Doch ein reines Draufsatteln bei den Sozialtransfers dürfte nur wenig helfen, tatsächliche Armut zu überwinden. Höhere finanzielle Transfers zu gewähren fällt zwar politisch leichter. Dies ist aber auf Dauer keine Lösung des Problems, weil es nicht an den Ursachen ansetzt. Es besteht vielmehr die Gefahr, die Leistungsbereitschaft weiter zu untergraben."

    Wozu ist eigentlich ein Bundeswirtschaftsminister da, wenn ihm das Basiswissen auf sozialem Gebiet offensichtlich fehlt? Hier ein wenig Nachhilfe:

    1. Wenn die Zahl der Menschen, die von staatlichen Sozialleistungen abhängig sind, seit Jahren wächst und nur noch eine Minderheit von der eigenen Erwerbstätigkeit leben kann, so liegt das am Fehlen der von der FDP verhinderten Mindestlöhne und an dem von der FDP geförderten krebsartig ausufernden Niedrigstlohnsektor, bei dem Menschen zusätzlich zum Lohn für ihr Überleben staatliche Stütze brauchen. Das sollte auch ein Bundeswirtschaftsminister verstehen können.

    2. Im internationalen Vergleich ist die soziale Absicherung in Deutschland besonders schlecht. Die deutschen Sozialausgaben hatten seit dem Jahr 2000 die geringste Steigerungsrate von nur 0,1 % pro Jahr siehe hier . Seit 2003 bis zu den aktuellsten Zahlen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales für 2007 waren die Sozialleistungen rückläufig, vor allem wegen der gravierenden Einschnitte durch Hartz-IV siehe hier.

    3. Daß bei den Hartz-IV-Empfängern in der Regel Leistungsbereitschaft besteht, hat gerade wieder das bundeseigene Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einem Forschungsbericht dargelegt.

     

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    -->>Lernen, das Schlechte schönzureden <<-- (Neues Deutschland)


    Lernen, das Schlechte schönzureden

    Am Bodensee soll eine Professur für »Reformkommunikation« eingerichtet werden

    Von Rudolf Stumberger

    Wird es am Bodensee bald die erste Professur für Propaganda nach 1945 in der Bundesrepublik geben? Dieser Schluss liegt nahe, betrachtet man die Stellenausschreibung der privaten »Zeppelin University« in Friedrichshafen. Dort sucht man einen Juniorprofessor für »Reformkommunikation«.

    Reformkommunikation, das ist, was das wissenschaftliche Ordnungsgefüge anbelangt, ungefähr so, als wenn man innerhalb der Veterinärmedizin noch eine Professur für das Schweineschlachten ansiedelt. Und das, was bei der »Reformkommunikation« geschlachtet werden soll, ist der mündige Bürger. Denn wie man ihm das Fell über die Ohren zieht und er dabei noch immer meint, das sei zu seinem Besten, das ist der Gegenstand der »Reformkommunikation«.

    Wer genauer wissen will, was es mit diesem Begriff auf sich hat, der kann sich zum Beispiel in einem »Diskussionspapier« der als äußerst reformfreudig bekannten Bertelsmann-Stiftung mit dem Titel: »Politische Reformkommunikation. Veränderungsprozesse überzeugend vermitteln«, informieren. Dort konstatiert man zunächst den Ist-Zustand und der fällt für die Politiker nicht besonders schmeichelhaft aus: Eine Mehrheit der Bürger ist unzufrieden mit dem Funktionieren der Demokratie, das Vertrauen in die Regierung schwindet.

    Schlechte Noten also für die herrschende politische Klasse. Wo so das Volk gegen ihre Volksvertreter grummelt, sieht die »Reformkommunikation« ihre Stunde gekommen. Gerade bei Reformen, die »schmerzliche Eingriffe in die Besitzstände relevanter Wählergruppen bringen«, so das Bertelsmann-Papier, müssten die »vorhandenen gesellschaftlichen Werte- und Einstellungsmuster« durch »gezielte Kommunikationsstrategien« verändert werden. Schmerzhafte Eingriffe meint dabei nicht zum Beispiel steuerliche Eingriffe bei den Höchstverdienern, denn diese sind trotz des Einsackens eines Großteils des Einkommens keine quantitativ relevante Wählergruppe. »Reform »ist hier eben kein »politisch neutraler« Begriff, wie die Zeppelin-Universität, die übrigens kein Promotionsrecht besitzt, auf Nachfrage zur ausgeschriebenen Juniorprofessur behauptet. Sowohl die mehr oder weniger unausgesprochenen Grundvoraussetzungen wie auch die Ziele dieser Kommunikation sind selbstverständlich sehr wohl mit den Interessen gesellschaftlicher Gruppen verbunden und keineswegs neutral.

    So wird der Begriff der Reform selbst quasi als Entität gebraucht, als ob es nicht höchst unterschiedliche »Reformen« gäbe. Rein vom Begriff gegeben erscheint in der »Reformkommunikation« die Reform aber als politisches Neutrum, dem es – ganz technokratisch wertfrei – zur Durchsetzung zu verhelfen sei. Wohin eine Reform zielt, ist dabei völlig egal, in diesem Sinne waren auch die nationalsozialistischen Rassengesetze eine »Reform«.

    So entblödet sich das Bertelsmann-Papier auch nicht festzustellen, die von der »Agenda 2010 eingeleitete Reformpolitik« sei nicht an den Inhalten, sondern an dem »Mangel an problemadäquatem, konsistentem kommunikativen Verhalten der politischen Akteure« gescheitert. Nicht der Absturz der Menschen in Hartz IV, sondern die fehlende Verbrämung dieses Sozialabbaus sind die Ursachen für die Wahl-Katastrophe der SPD, lautet also die Schlussfolgerung der »Reformkommunikatoren«.

    Demzufolge gilt es auch, auf keinen Fall Klartext zu sprechen, sondern eine Art »Neusprech« im Sinne von Georg Orwells »1984« in Gang zu setzen. »Dem kommunikativen ›Framing‹ – dem Besetzen bestimmter Begriffe – im Rahmen eines positiven Reformdiskurses kommt deshalb ein zentraler Stellenwert zu«, heißt das bei Bertelsmann. Der Abbau von Kündigungsschutz wird dann zur »Flexibilisierung«, die Zerstörung der Sozialsysteme zu »Eigenverantwortung«, etc.

    Praktiziert wird dies schon seit Langem durch die mittlerweile bekannt-berüchtigte »Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft« (INSM) der Metallarbeitgeberverbände. Ihr Ziel als »Agentur für Reformkommmunikation«: Die »nachhaltige Förderung der Reformbereitschaft«. Im Gleichlaut Bertelsmann: »Die Fähigkeit zur strategischen Reformkommunikation fördert die Reformbereitschaft der Bürger«.

    Dieser Bürger ist hier nicht der mündige Bürger und auch nicht der Souverän, sondern das Objekt der Manipulationsversuche von Technokraten. Früher nannte man das im politischen Bereich schlicht Propaganda. Die Kommunikationswissenschaft kann in Deutschland hier auf eine spezielle Tradition zurückblicken. Ihr Vorfahre, die Zeitungswissenschaft, konnte als »hervorragende nationalsozialistische Wissenschaft« während des »Dritten Reiches« die Zahl ihrer Lehrstühle vermehren.

    Nun soll sich also eine Art »Entenwissenschaft«, wie der Soziologe Max Weber seinerzeit die Zeitungswissenschaft titulierte, als »Reformkommunikation« etablieren, deren Inhalt ganz offensichtlich die Kunst der Überredung derer ist, die »schmerzliche Einschnitte« durch neoliberale Politik zu erleiden haben. Die Reform-Zirkusarena soll neben der Propagandaagentur ISMN und Bertelsmann offensichtlich durch eine akademische Variante ergänzt werden. Es hat schon einen gewissen Beigeschmack, wenn in Zeiten, in denen das Bundesverfassungsgericht den »Reformen« eine Ohrfeige nach den anderen verpasst, eine Professur für »Reformkommunikation« eingerichtet werden soll.

    Posted via email from 01159 Dresden Löbtau-Süd und Umgebung