Freitag, 22. November 2013

Billiglöhne für Briefzusteller: Postboten von Job-Centern müssen mit Hartz IV aufstocken um 20:15 Uhr auf #tagesschau24 am 22.11. #KONTRASTE

 
 
Billiglöhne für Briefzusteller: Postboten von Job-Centern müssen mit Hartz IV aufstocken
 
 
Kontraste
Sendung vom 21.11.2013
 
Wiederholung am 22.11.2013 um 20:15 Uhr auf tagesschau24
 
[via rbb-online.de]
 
 
 

 

Ob in Zwickau, Chemnitz oder Oldenburg: Überall lassen öffentliche Auftraggeber ihre Post vom billigsten Anbieter transportieren. Die Folge: Für viele Postzusteller bleibt meist nur der Gang aufs Amt, um ihren Lebensunterhalt zu sichern.

"Unfassbar", "Skandalös!" - viele unserer Zuschauer waren geschockt, als wir in der vergangenen Sendung über Dumpinglöhne bei Postzustellern berichteten. Briefträger, die die Post daheim auf dem Küchentisch sortieren müssen, und die nach Brief-Stückzahl bezahlt werden - das, so schrieben uns viele, sei trauriger Alltag in der Zustellerbranche. Als wir auch noch erfuhren, dass offenbar auch Städte, Behörden und Gerichte beim Dumpinglohn-System mitmachen, wollten wir es kaum glauben. Also haben Susanne Katharina Opalka und Sascha Ademek nachgefasst.

Das hier ist Behördenpost und zwar die eines ganzen Tages in der Stadt Chemnitz in Sachsen. Den Großauftrag dazu hat die Stadt dem Brief-Unternehmen Citypost erteilt.

KONTRASTE
„Dürfen wir Sie mal fragen, was Sie für'n Stundenlohn haben hier?"


Zusteller
„Nein, das wird nichts."


KONTRASTE
„Dürfen Sie nicht drüber reden?"


Zusteller
„Nein."

Über die Löhne zu reden, ist vielen zu heikel. Sie haben Angst um ihren Job.

Die Zusteller erhalten allmorgendlich die Briefe von den Verteilzentren der Citypost. Eine Briefträgerin ist bereit, verdeckt mit uns über ihren Lohn zu reden. Ihr Arbeitstag beginnt Zuhause mit dem Sortieren der Briefe:

Zustellerin
„Danach laufe ich los und bin dann noch mal zwei bis drei Stunden nach Gebiet und Weitläufigkeit unterwegs. Würde ich jetzt mal im Schnitt sagen vier Stunden pro Tag Arbeitszeit. Auf 200 Sendungen gerechnet ergibt das durch 0.045 Euro 9 Euro für die ganzen Briefe zustellen. Das wäre dann ein Stundenlohn von Zwei Komma noch was."


KONTRASTE
„Warum arbeitet man für 2,25 Euro?"


Zustellerin
„Tja. Die Not zwingt einen dazu, pure Verzweiflung."

Im Kofferraum des Citypost-Transporters vor dem Chemnitzer Rathaus entdecken wir Hinweise auf weitere öffentliche Auftraggeber. Gerichte und Justizbehörden in Chemnitz sind darunter, sogar das örtliche Jobcenter. Ausgerechnet diese Behörde lässt ihre Post von einer Firma versenden, die ihre Mitarbeiter derart niedrig entlohnt.

Ein Interview will das Jobcenter nicht geben, dafür behindert man lieber die Dreharbeiten. Für die Behörde ist die Sache mit den Briefträgerlöhnen brenzlig.

Denn eigentlich erhalten Briefträger nach dem Tarif der Deutschen Post AG einen Stundenlohn ab 11 Euro 48. Generell hat das Bundesarbeitsgericht einen Lohn, der um ein Drittel unter diesem ortsüblichen Tarif liegt - wie zum Beispiel die 2 Euro 25 - für sittenwidrig erklärt. Für den Arbeitsrechtler Professor Schüren ist klar erkennbar, ab wann Löhne sittenwidrig sind:

Prof. Peter Schüren
Arbeitsrechtler Universität Münster

„Es kommt einfach darauf an, dass diese Löhne auskömmlich sein müssen. Das kann man sehr schnell ausrechnen. Wenn jemand mit den Stücklöhnen auf 4 Euro kommt, dann ist es ganz klar eine sittenwidrige Gestaltung."

Die Brief-Firma haben wir mit dem Vorwurf offenbar sittenwidriger Löhne konfrontiert. Kein Interview und bis heute - auch keine schriftliche Antwort.

Die Citypost hat in Chemnitz fast ein Monopol für Behördenpost. Die Stadt hat die Firma nach einer Ausschreibung beauftragt. Ein wichtiges Kriterium bei der Vergabe: das „wirtschaftlich günstigste Angebot". Mit den Folgen für die Zusteller konfrontieren wir die Oberbürgermeisterin, die zugleich für die SPD über die Koalition in Berlin verhandelt:

KONTRASTE
„Sie als Stadtverwaltung beschäftigen ja auch die City Post, werden damit Dumpinglöhne nicht unterstützt?"


Barbara Ludwig (SPD)
Oberbürgermeisterin Chemnitz

„Also ich gehe davon aus, dass wenn so ein Mindestlohn gilt der auch für solche Firmen gilt und damit ist das dann auch erledigt."

Warten auf den gesetzlichen Mindestlohn? Nicht nötig, sagt Ralf Leinemann, ein renommierter Experte für Auftragsvergaben. Behörden könnten schon jetzt ganz legal Dumpinglöhne verhindern und in ihren Ausschreibungen anständige Löhne fordern:

Ralf Leinemann
Anwalt für Vergaberecht

„Nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen würde dann die Stadt eine Vorgabe machen und sagen: „Liebe Bieter, wenn Ihr bei diesen Auftrag mit bieten wollt, dann verlange ich von euch die Erklärung, dass die Mitarbeiter, die diesen Auftrag erbringen, auch einen Mindestlohn von 8€ oder 8,50€ erhalten werden."

Städte, die auf solche Mindeststandards verzichten, lassen am Ende die Steuerzahler für die Dumpinglöhne aufkommen.

Oldenburg. Hier gibt es ein anderes Brief-Unternehmen namens Citipost - dieses schreibt sich mit i. - und es hat hier fast alle Behörden als Auftraggeber, inklusive Arbeitsagentur und Jobcenter. Zusteller wie Heinrich K. arbeiten für ein Subunternehmen dieser Citipost, für einen so niedrigen Stundenlohn, dass er womöglich bald mit Hartz IV-Geld aufstocken muss:

Heinrich K.
„Weil: davon kann ich keine Miete und nix zahlen, das reicht nicht."

Post-Zusteller im ländlichen Raum im Auftrag der Citipost - ein harter Job, denn egal ob Brief oder kiloschwerer Katalog, für ihn gibt's nur 8 Cent pro Stück. Ein 10-Stunden-Fulltime-Job und trotzdem kommen am Monatsende nur gute 800 Euro brutto heraus. Nun muss der Steuerzahler einspringen: Das Jobcenter zahlt noch einmal gute 300 Euro hinzu.

Ein Unding, findet die Gewerkschaftssekretärin Katrin Radloff von Verdi. Schon seit vier Jahren kämpft sie gegen das Lohndumping bei den Zustell-Gesellschaften und macht den Skandal publik. Sie empört besonders, dass ausgerechnet die Arbeitsagentur ihre Behördenpost von einer Billigfirma verteilen lässt:

Cathrin Radloff
Verdi Oldenburg

„Dass die Arbeitsagenturen da auch noch die Aufträge verteilen, das finde ich eigentlich schizophren, zum einen gehen die hin, verteilen damit ihre Sendung, geben das als Zustellauftrag dort hin, wissen aber genau was die Leute verdienen, und gleichzeitig kommen die Leute dort hin und sagen, ich muss mein Gehalt aufstocken, weil das Geld zum Leben nicht reicht, da werden Steuergelder verschleudert, und ja im Prinzip wird die Firma mit Steuergeldern subventioniert."

Dazu wollen wir gern die Zustellgesellschaft befragen. Kein Interview. Man schickt uns in das Verlagsgebäude der Nord-West-Zeitung. Der Verlag gehört zu den Mit-Eigentümern der Citipost. Auch hier gibt es niemanden, der Auskunft gibt. Auf der jährlichen Lobby-Veranstaltung des Bundesverbandes Briefdienste diese Woche in Berlin schließlich treffen wir auf einen Vertreter der Citipost Nordwest. Angeblich weiß er von nichts:

KONTRASTE
„Die Zustellgesellschaft zahlt acht Cent Stücklohn."


Henning Lüschen
Citipost Nordwest

„Die Zustellgesellschaft ist ja eine eigenständige Gesellschaft. Wenn Sie eine Frage zur Zustellgesellschaft haben, gerne die Zustellgesellschaft fragen."


KONTRASTE
„Da waren wir, die haben uns zu Ihnen geschickt."


Henning Lüschen
Citipost Nordwest

„Also, die Mitarbeiter der Zustellgesellschaft sind Mitarbeiter der Zustellgesellschaft. Wenn die eine Entlohnung haben, bitte auch dazu die Zustellgesellschaft fragen."

Doch da waren wir ja schon. Erfolglos.

Und der Oldenburger Oberbürgermeister hat keine Zeit für uns. Kein Interview. Und keine Silbe zu den Dumpinglöhnen. Gerade erst gab die Stadtverwaltung der Citipost den Zuschlag zu einem Großauftrag für ihre gesamte Behördenpost.

Die Zustellgesellschaft aus Oldenburg hat uns heute nun doch geantwortet: die Briefträger, so schreibt man uns, erhielten "grundsätzlich 10 Cent" pro Brief. Grundsätzlich. Die Lohnabrechnungen der Zusteller, die wir gesehen haben, widersprechen dem.

 

Beitrag von Susanne Katharina Opalka und Sascha Adamek

Dienstag, 12. November 2013

--->>> ein lesenswerter Leserbrief [via Sachsens Linke!]

 
 
[Sachsens Linke - 11-2013 - Seite 2]


überlassen anstrengende Erziehungsarbeit den Lehrern und vertrauen auf den großen "Bravmacher" Ritalin.

 

 

 
Die „Psychopathen" kommen
 
[Nachdenkseiten]
 
 

Götz Eisenberg
Ein Abgesang auf das „Zeitalter des Narzissmus"

Unter der Überschrift Das Buch des Wahnsinns berichtet die Süddeutsche Zeitung vom 9./10. Juli 2011 über die neue Ausgabe des Diagnosemanuals DSM – eine gängige Abkürzung für Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders. Dieses Diagnose-Handbuch existiert seit 1952 und wird von der American Psychiatric Association herausgegeben. Es will und soll weltweit die Kriterien dafür festlegen, wann ein Mensch im psychiatrischen Sinn für gestört zu erklären ist. 2013 soll die nächste, die fünfte Fassung erscheinen, und es wird schon im Vorfeld heftig über sie diskutiert. Das Diagnosemanual stellt den Versuch dar, einen gewissermaßen sachlichen, rein symptomorientierten Zugang zum psychischen Geschehen zu schaffen und ihn allgemein verbindlich durchzusetzen. Man möchte sicher gehen, dass man überall dasselbe meint, wenn man „Depression" oder „Schizophrenie" diagnostiziert.

Die neue Version will unter den Persönlichkeitsstörungen aufräumen und „ausmisten", denn von den elf bislang aufgelisteten werden nur zwei regelmäßig diagnostiziert: die „Borderline"- und die „antisoziale Persönlichkeitsstörung". Welche Kränkung für die Narzissten: Es gibt sie gar nicht, oder demnächst nicht mehr, jedenfalls nicht in ihrer Reinform!

Dass die „narzisstische Persönlichkeitsstörung" aus dem Verkehr gezogen werden soll, könnte man auch so interpretieren, dass die ihr zugeordneten Symptome Teil unserer Normalität geworden sind und deshalb nicht länger als Krankheitszeichen gelten. Es gibt eine kollektive Basisstörung, die innerhalb einer Gesellschaft keinen Krankheitswert besitzt, sondern den ihr gemäßen Sozialcharakter ausmacht. Jeder gesellschaftlichen Entwicklungsstufe entspricht ein dominanter Sozialcharakter. Auf seiner Basis ist die Identitätsstruktur der Menschen mit der Realitätsstruktur der sie umgebenden Gesellschaft leidlich synchronisiert. So passte der von Heinrich Mann beschriebene „Untertan" mit seiner reflexartigen Unterwerfungsbereitschaft, seinen zwanghaften und anal-retentiv gefärbten Eigenschaften und Haltungen des Sparens und Bewahrens bestens in eine geschichtliche Phase, da der Kapitalismus in Deutschland im Gehäuse eines noch halbfeudalen Obrigkeitsstaates seinen Aufschwung nahm. In gewissen randständigen Zonen und künstlerischen Subkulturen kündigt sich jeweils die nächste Entwicklungsstufe an, deren Merkmale zunächst stigmatisiert und als Zeichen von Degeneration oder Krankheit gewertet werden.

So ging es den dadaistischen und surrealistischen Subkulturen und den Lebensformen der Dandys und Bohemiens, die gewisse narzisstische Züge kultivierten und in mancherlei Hinsicht den konsumistischen Hedonismus antizipierten. Der Bürger sah in den Bohemiens und Künstlern „eitle Gecken" und dekadenten „Abschaum", den er am liebsten ausgemerzt hätte und dann auch ausgemerzt hat. In den berühmten zwanziger Jahren begann sich der psychohistorische Übergang ins Zeitalter des Narzissmus schon am Horizont abzuzeichnen.

Der Faschismus leitete dann eine kollektive Regression zugunsten des herkömmlichen Sozialcharakters und seinen Vorstellungen von Ordnung und Reinheit ein und begrub fürs Erste alternative Entwicklungen unter sich. Es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Tendenzen der 1920er Jahre als Reimport aus den USA sich wieder manifestierten.

Im Zuge des beschrieben Übergangs zum konsumistischen Zeitalter lösen sich die Merkmale der Boheme aus ihrer subkulturellen Einkapselung und vermassen sich tendenziell. Ein Gutteil der Dynamik der 68er Revolte stammt aus der Reibung zwischen zwei verschiedenen Formen des Sozialcharakters oder „Psychoklassen", wie es bei Lloyd deMause heißt, und die Revolte erschließt sich uns im Rückblick auch als Teil der Durchsetzungsgeschichte einer neuen Stufe der kapitalistischen Entwicklung.

Hegelianisch könnte man sagen: Der Geist des Kapitalismus hat sich seines Widersachers bedient, um zu sich selbst zu kommen und seinem Begriff adäquat zu werden. Leute wie Rainer Langhans haben sich große Verdienste als Modernisierer erworben und so ist es nur konsequent, dass man Langhans heute im Dschungelcamp von RTL begegnet. „Spaß haben zu wollen" und hippiemäßig auszusehen war nur solange rebellisch, wie die Umgebung der Bundesrepublik postfaschistisch, spießig und zwanghaft organisiert war und lange Haare einen Vernichtungsimpuls bei den Bürgern und Kleinbürgern hervorkitzelten.

Die psychische und kulturelle Entwicklung besitzt eine andere Zeitstruktur und hinkt hinter den ökonomisch-technischen Veränderungen her. Mitunter bedarf es einer militanten Revolte, um anachronistisch verfasste gesellschaftliche Subsysteme zu reformieren und auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Unter unseren Augen spielt sich die Zersetzung des traditionellen, innengeleiteten Subjekts und der Übergang zum „flexiblen Menschen" ab, der den gewandelten Imperativen einer neuen Phase der kapitalistischen Entwicklung entspricht. Seine Eigenschaften lesen sich wie der Symptomkatalog der alten narzisstischen Persönlichkeitsstörung, die deswegen konsequent aus dem Verkehr gezogen wird. Teile ihrer Symptomatik, die auch mit der gewandelten Normalität nicht kompatibel sind, wandern in andere Störungsbilder ab: Der Narzissmus ist salonfähig geworden, aber bitte nicht in seinen malignen Formen oder auf Boderline-Niveau!

Schon zeichnen sich am psycho-historischen Horizont neue Verschiebungen ab. Die hinter uns liegenden, von der Praxis des Neoliberalismus geprägten eisigen Jahre haben die Menschen selbst eisig werden lassen und ihre Innenwelt in eine Gletscherlandschaft eingefrorener Gefühle verwandelt. Sie können gar nicht anders, als diese Kälte weiterzugeben und auf ihre Umgebung abzustrahlen. Es macht einen nicht zu unterschätzenden Unterschied, ob man in einer Gesellschaft aufwächst und lebt, in der schwachen und nicht oder weniger leistungsfähigen Mitmenschen solidarisch beigesprungen und unter die Arme gegriffen wird, oder in einer, in der sie der Verelendung preisgegeben und als sogenannte Loser zu Objekten von Hohn und Spott werden.

Dass „du Opfer" zu den schlimmsten Beleidigungen zählt, mit denen heutige Jugendliche sich untereinander dissen, wirft ein schlagendes Licht auf die Perversion im Menschenbild, die in den letzten Jahren im Zeichen eines Kults des Winners um sich gegriffen hat, wie ihn zum Beispiel Sportler betreiben, die nach gewonnenen Spielen oder Meisterschaften vor laufenden Kameras lauthals singen: „So seh'n Sieger aus – schalalalala". Die Torhüterin der amerikanischen Frauenfußball-Nationalmannschaft, Hope Solo, die auch, weil sie aussieht wie ein Daily-Soap-Klon, diesen Winner-Kult verkörpert, sagte in einem Interview vor dem Endspiel der letzten Weltmeisterschaft: „Wir wissen, dass wir gewinnen werden. Das ist unsere Mentalität." Dass sie sich getäuscht hat, ist ein kleiner Trost.

Die vom Markt propagierten und für ein erfolgreiches Agieren auf dem ökonomischen Parkett erforderlichen Eigenschaften und Haltungen sind inzwischen bis in die Poren des Alltagslebens vorgedrungen. Eine allumfassende Rücksichtslosigkeit, ein zur Egomanie gesteigerter Individualismus, Zynismus und Gleichgültigkeit prägen den zwischenmenschlichen Umgang. So geht das „Zeitalter des Narzissmus" bereits mit der nächsten psycho-historischen Entwicklungsstufe schwanger.

Das Innenleben des allseits kompatiblen und fungiblen Menschen, den Markt, Wirtschaft und Pädagogik propagieren, weist eine große Ähnlichkeit mit dem eines Menschentypus' auf, den wir heute noch als „Psychopathen" stigmatisieren und den Gefängnissen und forensischen Psychiatrien überantworten. Wenn hier vom „Psychopath" die Rede ist, ist nicht die umgangssprachliche Bedeutung gemeint, die darunter einen „durchgeknallten, unberechenbar-brutalen Typ" versteht, sondern eine psychiatrische Diagnose, die in jüngerer Zeit von den amerikanisch-kanadischen Psychiatern Cleckley und Hare formuliert wurde. Die Diagnosemanuale beschreiben den „Psychopath" als zur Einfühlung in andere unfähig, oberflächlich charmant, anpassungsfähig, zynisch-kalt, bindungs- und skrupellos und ausschließlich an privater Nutzenmaximierung interessiert. Das sind genau die Eigenschaften, die die Hasardeure und Gurus der New Economy und der Finanzwelt aufweisen, die uns an den Rand des Abgrunds manövriert haben und weiter manövrieren.

Vor einigen Jahren haben Paul Babiak und Robert Hare unter dem Titel „Menschenschinder oder Manager" (München 2007) ein Buch herausgebracht, in dem sie die Unternehmen und die Finanzwelt vor dem Vordringen von „Psychopathen" in Führungspositionen warnten, weil ihre Skrupellosigkeit und grenzenlose Risikofreude ihnen langfristig großen Schaden zufügen würden.

Eine Psychologie, die ihre Erkenntnisse ans Business verschachern will, muss die Systemfehler beim einzelnen Mitarbeiter suchen und nicht bei den Strukturvorgaben einer kapitalistischen Wirtschaft. Die akademische Psychologie ist auf dem gesellschaftlichen Auge blind und versucht deshalb, wie Peter Brückner bemerkte, „den Stand der Gestirne bei bereichsweise bedecktem Himmel zu bestimmen". Sie kann nicht erkennen, dass die beklagten Phänomene eine Begleiterscheinung des neuen kapitalistischen Zeitalters darstellen, das sich im Abschied von der traditionellen „stakeholder value"- zugunsten der „shareholder value"-Orientierung Ende der 90er Jahre ankündigte. Die entfesselt und hemmungslos, also, wenn man so will, „psychopathisch" gewordene Geldwelt zieht wie ein Magnet „psychopathische" Menschen an und produziert sie.

Die Qualifikationen für eine Psychopathen-Karriere erwirbt man im Schoß von Familien, die einen Zweckverbund von Warencharakteren und Geldsubjekten darstellen, und in der virtuellen Welt der Computerspiele.

Exzessives Spielen – von im Kern „dissozialen" Computerspielen – trägt dazu bei, „funktionale Psychopathen" zu erzeugen und qualifiziert den Nachwuchs für ein Leben in der kapitalistischen Welt von heute und morgen.

Unter unseren Augen bildet sich ein neues Kindheitsmuster aus, das man als Geräte-Sozialisation bezeichnen kann. In einer Form von postmoderner Kindsaussetzung werden die Kinder zeitig vor elektronische Apparate und technische Geräte gesetzt, die ihre Sozialisierung übernehmen.

Auch heutige Eltern wollen, dass ihre Kinder „brav" sind und funktionieren, aber sie sind nicht bereit, durch persönlichen Einsatz von Nerven und Lebenszeit dazu beizutragen. Sie überlassen die anstrengende Erziehungsarbeit den Lehrern und vertrauen auf den großen „Bravmacher" Ritalin.

Diese psychoaktive Substanz – der im Ritalin enthaltene Wirkstoff Methylphenidat gehört zu den Amphetaminen – wird einer ständig wachsenden Zahl von Kindern beinahe wie ein Nahrungsergänzungsmittel täglich verabreicht.

Mit Ritalin und anderen Psychopharmaka werden Kinder fit gemacht für die Konkurrenz, der sie früh ausgesetzt sind und in die sie sich einüben sollen. Der alles beherrschende und von allen vergötterte Markt wirft seine Schatten voraus und so ist das Klima in unseren Schulen gekennzeichnet durch Leistungsdruck, Vereinsamung, Mobbing und Feindseligkeit untereinander.

Es steht zu fürchten, dass sozialdarwinistische Leistungskonkurrenz, Bindungslosigkeit, Kälte und Indifferenz sich im Inneren der Kinder als psychische Frigidität, Empathie- und Gewissenlosigkeit reproduzieren werden. Der Narzisst mag heute noch tonangebend sein, die Zukunft gehört dem Psychopathen.

Sicher sind nur die Katastrophen, auf die wir sehenden Auges zusteuern. Alles andere hängt vom verändernden Eingriff der Menschen ab. Bei der Verwirklichung der in der gegenwärtigen Gesellschaft immer noch angelegten besseren Möglichkeiten können wir uns weder auf eine der Geschichte innewohnende Tendenz, noch auf ein kollektives Subjekt verlassen, das sie realisieren wird. Wir, die heute lebenden Menschen, sind es, die den Wahnsinn der rasenden Ökonomie und der losgelassenen Märkte stoppen und die Kontrolle über die Ökonomie zurückgewinnen müssen.

Eine von der Tyrannei der Ökonomie befreite Gesellschaft hätte ihr Hauptaugenmerk auf die Erfindung und Schaffung neuer verlässlicher Räume zu richten, in denen es Kindern möglich ist, unter Bedingungen raum-zeitlicher Konstanz und leiblicher Anwesenheit von Erziehungspersonen ihre psychische Geburt zu vollenden und sich zu Menschen in einer menschlichen Gesellschaft zu entwickeln. Eine Gesellschaft, die ihre soziale Integration und den zwischenmenschlichen Verkehr auf Formen solidarischer Kooperation gründet, statt auf einer letztlich a-sozialen Vergesellschaftung durch Markt und Geld, wird auch andere psychische Strukturen und andere Formen der Vermittlung von Psychischem und Gesellschaftlichem hervorbringen, für die uns Heutigen die Begriffe fehlen.

Allenfalls wird man sagen können, dass der individuelle Selbstwert einen ausgeprägteren Bezug zur Gemeinschaft aufweisen würde, in der der Einzelne in echter Solidarität aufgehoben wäre. Oder mit den Worten aus dem Kommunistischen Manifest: Angestrebt wird eine Gesellschaft, in der „die freie Entwicklung eines jeden die Bedingung für die freie Entwicklung aller ist".

Die Erzeugung des Menschlichen wäre der Hauptproduktionsgegenstand einer „Ökonomie des Glücks" (Bourdieu), die es den Menschen gestattete, sich zu entfalten, ihre noch nicht gelebten, von der Klassengesellschaft an der Entfaltung gehinderten Möglichkeiten zu entdecken und hervorzubringen. Besinnen wir uns auf die Warnungen der Kritischen Theorie, den befreiten Zustand allzu genau auszumalen, und formulieren zum Schluss eher ex negativo: Der durch nichts beschränkte, an nichts gebundene, keiner Tradition verpflichtete, rücksichtslos und wendig seiner individuellen Nutzenmaximierung und der Kurssteigerung seiner Selbstwert-Aktien nachjagende „flexible Mensch" wird sicher nicht das Ideal einer befreiten Menschheit sein.





--->>> Billig fliegen hat seinen Preis [via Böckler impuls]

 
 
 
Billig fliegen hat seinen Preis
[Böckler impuls - Ausgabe 17 - 2013 vom 30.10.2013 - seite 4]



Sonntag, 10. November 2013

Dr. Ludger Volmer: Kriegsgeschrei ... in "Fragen an den Autor" #live um 11:04 Uhr auf #sr2 am 10.11.2013 + auf #DRadioWissen

 

 
Fragen an den Autor
 
[via sr2.de]
 
 
Sonntag, 10.11.2013
11:04 bis 12:00 Uhr

Dr. Ludger Volmer: Kriegsgeschrei

Und die Tücken der deutschen Außenpolitik

Buchcover:

Sind alte linke und alternative Muster noch tauglich für eine internationale Politik?

Kann man pazifistische Gesinnung und das Eintreten für Menschenrechte mit Außenpolitik verbinden?

Zwingt der internationale Terrorismus zu militärischen Antworten – oder unterläuft er gerade die Strategien des Militärs?

Sollte man in Bürgerkriege eingreifen, um Teile der Bevölkerung zu schützen?

Wie bewerten wir, wen wir unterstützen sollten und wen nicht?

Moderation: Jürgen Albers




Freitag, 8. November 2013

--->>> Große Koalition findet Rüstungsexporte prima [via scharf-links.de]

 

 
Große Koalition findet Rüstungsexporte prima
 
von Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!"
 
[via scharf-links.de]
 
 



Künftige Koalitionäre finden Rüstungsexporte prima - Mehr Transparenz aber nicht weniger Exporte geplant

„Rüstungsexporte sind prima und deshalb bewerben wir sie jetzt schneller in der Öffentlichkeit. Etwas mehr Transparenz schaffen, aber nicht weniger Rüstung exportieren: Das ist der Kern des jetzt bekannt gewordenen Textes zu Rüstungsexporten, auf den sich Steinmeier und de Maizière für den Koalitionsvertrag geeinigt haben",
kommentiert Christine Hoffmann, die pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" in Berlin.

Hoffmann weiter:
„Bereits 2005 hatten SPD und CDU/CSU sich auf Einhaltung der politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern bei  gleichzeitiger Harmonisierung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU verständigt. Im Ergebnis wurde während der letzten Großen Koalition die Voranfrage Katars nach Leopard-II-Panzern und Panzerhaubitzen positiv beschieden. Die fatale Menschenrechtssituation in Katar ist bekannt. Wenn de Maizière und Steinmeier also jetzt verkünden, dass um des Schutzes der Interessen der Rüstungsindustrie Willen „bloße Voranfragen" nicht zu den Genehmigungsentscheidungen gehören werden, die der Bundessicherheitsrat bekannt geben soll, dann heißt das im Klartext, dass die wirklich grausamen Geschäfte weiter im Geheimen bleiben werden. Wir brauchen aber eine wirkliche Umkehr in der Rüstungsexportpolitik, denn jede Waffe, die Deutschland nicht exportiert, rettet leben. Zurzeit stirbt alle Viertelstunde ein Mensch an einer Kleinwaffe aus Deutschland. Nach diesem Koalitionsplan wird das auch so bleiben."


„Die bisherigen Koalitionsvorschläge zum Rüstungsexport sind kleine kosmetische Korrekturen, aber keine grundlegende Kurskorrektur. Wir fordern die Koalitionäre zu einer wirkungsvollen und damit ernstzunehmenden Wende in der Rüstungsexportpolitik auf. Der Endverbleib exportierter Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter muss regelmäßig überprüft werden und  Endverbleibsverletzungen sind im Sinne der politischen Grundsätze zum Rüstungsexport zu sanktionieren. Für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter dürfen keine Lizenzen vergeben und keine Hermes-Bürgschaften erteilt werden. Das wäre das Mindeste", betont Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen und Sprecher der  „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel".

„Insbesondere fordern wir, dass in folgenden drei Fällen keine „Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Staaten genehmigt und geliefert werden: Erstens in Länder, deren Menschenrechtssituation vom 'Bonn International Center for Conversion' (BICC) und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International als „bedenklich" oder „sehr bedenklich" hinsichtlich des EU-Verhaltenskodexes eingestuft wird. Zweitens in solche Länder, die seitens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)  als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe gelten und drittens in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder in denen Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft werden könnten", ergänzt Paul Russmann, Sprecher der  „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel" und Sprecher der ökumenischen Aktion „Ohne Rüstung Leben".

Dieser Kommentar beruht auf folgenden Informationen aus der SPD-Pressestelle

Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten:
In der gestrigen dritten Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe „Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik" haben sich CDU/CSU und SPD auf einen gemeinsamen Textvorschlag zum Thema Rüstungsexporte für den Koalitionsvertrag verständigt.

Der Textentwurf lautet:

„Bei Rüstungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten gelten die im Jahr 2000 beschlossenen strengen „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern", die für unser Regierungshandeln verbindlich sind.

Über ihre abschließenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten. Die Entscheidung darüber, wem gegenüber die Unterrichtung erfolgt, liegt beim Deutschen Bundestag. Darüber hinaus werden wir die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit durch Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichtes noch vor der Sommerpause des Folgejahres und eines zusätzlichen Zwischenberichts verbessern.

Wir setzen uns für eine Angleichung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU ein. Europäische Harmonisierungen müssen so umgesetzt werden, dass sie die Mindestanforderungen des Gemeinsamen Standpunkts der EU aus dem Jahr 2008 nicht unterschreiten.

Dazu erklären die Arbeitsgruppenleiter Frank Walter Steinmeier und Thomas de Maizière:

„Wir haben das Thema Rüstungsexporte in unserer Arbeitsgruppe und auch in der Großen Runde sehr intensiv diskutiert. Dabei ist es uns gelungen, in dieser auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Frage zu einem  wichtigen Kompromiss zu kommen. Beide Verhandlungsseiten haben sich deutlich aufeinander zu bewegt. Wir unterstreichen, dass für unser Regierungshandeln die Grundsätze aus dem Jahr 2000 verbindlich sind. Künftig wird es bei Rüstungsexporten außerdem deutlich mehr Transparenz und demokratische Kontrolle geben. Bisher wurden Rüstungsexporte mit großer zeitlicher Verzögerung im Rüstungsexportbericht öffentlich gemacht. Künftig werden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates dem Deutschen Bundestag und damit auch der Öffentlichkeit unmittelbar bekanntgegeben. Mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen Dritter sind bloße Voranfragen davon nicht betroffen. Auch der Rüstungsexportbericht wird deutlich aktueller gestaltet und künftig zweimal im Jahr vorgelegt." 

Trägerorganisationen der Kampagne:
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF) • AGEH • aktion hoffnung Rottenburg-Stuttgart e.V. • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung  • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) •  Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) • Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges e. V. (IPPNW) Deutschland • NaturFreunde Deutschlands •  JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) Deutsche Sektion • Ohne Rüstung Leben (ORL) • pax christi - Deutsche Sektion der Internationalen Katholischen Friedensbewegung • Provinzleitung der Deutschen Franziskaner und Kommission Gerechtigkeit – Frieden – Bewahrung der Schöpfung • RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) • terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not • Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden (WfG)

Viele weitere Organisationen und Friedensinitiativen arbeiten im Aktionsbündnis der Kampagne mit.


VON: KAMPAGNE „AKTION AUFSCHREI – STOPPT DEN WAFFENHANDEL!"





--->>> Der Fall Olli R. - ein deaktivierter Basisgewerkschafter [via scharf-links.de]

 
 
Der Fall Olli R. – ein deaktivierter Basisgewerkschafter
 
von Emma Michel via Direkte Aktion
 
[via scharf-links.de]
 

Olli R. ist Wobbly und er sitzt im Knast. Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Auf den ersten Blick nicht viel, am Ende aber doch mehr als man ahnt

Olli war im Oktober 2009 nach § 129 zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hatte ihn und zwei Genossen der versuchten Brandstiftung auf Bundeswehr-LKWs und der Zugehörigkeit zur sogenannten „militanten gruppe (mg)" für schuldig befunden.

Am 20. Juli 2011 trat Olli die Haft an, die er fortan im offenen Vollzug absolvierte.

Inklusive der viermonatigen U-Haft hatte er im Juli 2013 zwei Drittel der Strafe abgesessen und als „Erstverbüßer" die realistische Aussicht gehabt, den Rest der Strafe auf Bewährung ausgesetzt zu bekommen. Auch die JVA des Offenen Vollzuges rechnete seit Monaten fest damit. Doch am 22. Mai 2013 kam in Folge von bundesweit 21 Razzien ein Ermittlungsverfahren ans Licht, in dem er und acht andere Beschuldigte der Bildung einer mg-Nachfolgeorganisation verdächtigt werden.

Als erste Reaktion wurde Olli vom offenen in den geschlossenen Vollzug verlegt und ist seitdem in Tegel eingesperrt: Arbeitsplatz gefährdet, politische Aktivitäten unterbunden, soziale Bindungen belastet … – eben alles, was eine plötzliche Inhaftierung mit sich bringt.

Nur dass gegen ihn (wie gegen die anderen Beschuldigten, die sich deshalb auch auf freiem Fuß befinden) gar kein Haftbefehl vorlag. Dafür war die Beweislage offenbar zu dünn.

Zudem liegen die Beschuldigungen gegen Olli zeitlich vor seinem Haftantritt. Beides hat die drei Kammerrichter allerdings nicht davon abgehalten, Ollis Antrag auf vorzeitige Entlassung abzulehnen. Begründung: Es sei nicht ersichtlich, ob der Vollzug seine Wirkung entfaltet habe und Olli „künftigen Tatanreizen widerstehen" werde. So soll der mit der Verlegung nach Tegel eingeleitete Desozialisierungsprozess fortgesetzt werden.

In der Anhörung vor dem Kammergericht, die der Entscheidung vorausging, hatte Olli den Rahmen seiner politischen Arbeit sehr klar definiert. In der Tat hat er seit längerem in der IWW eine politische Heimat gefunden, in der er sich aktiv und konstruktiv engagierte. Er wirkte beim Aufbau der Berliner IWW-Ortsgruppe mit, brachte thematische Impulse in die Diskussionen ein und rief schließlich die Zeitschrift „strike!" ins Leben, die er gemeinsam mit anderen Wobblies herausgab.

Kernthemen seiner Arbeit waren, neben Lohndumping und Arbeitsbedingungen, vor allem die Legalisierung des politischen Streiks und die Auseinandersetzung mit dem Unionismus als ein Weg, die Arbeitskämpfe aus den sklerotischen Strukturen klassischer Gewerkschaften herauszubewegen und ihnen eine gesamtgesellschaftliche Perspektive zu geben.

Diese Aktivitäten sind den Untersuchungsbehörden nachweislich bekannt. Sie lassen kaum Platz für einen Aktivismus auf Nebengleisen, und so können selbst die Ermittlungsbehörden in den letzten zwei Jahren nichts Relevantes gegen Olli geltend machen. Hingegen wird sowohl in den Schreiben des Gerichts als auch des BKA immer wieder betont, Olli sei ein Überzeugungstäter, habe seine radikale politische Haltung nicht aufgegeben und gehöre noch immer der „linksextremistischen Szene" an.

Mit dem Bild vom unverbesserlichen Radikalen wird zugleich suggeriert, dass deshalb weiterhin eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit von ihm ausginge. Bemerkenswert ist, dass eine unzulässige Kausalbeziehung zwischen den Begriffen „radikal" und „extremistisch" hier zumindest nahe gelegt wird. Alarmierend ist nun, dass in der Darstellung eines immer-noch-radikalen-und-deshalb-gefährlichen Individuums jegliche radikal linke politische Tätigkeit als Hinweis auf eine Bereitschaft zu strafrechtlich relevanten Handlungen in Szene gesetzt wird.

Wenn das von Olli klar umrissene Betätigungsfeld und sein politisches Selbstverständnis als Basisgewerkschafter Anlass sind, ihn als Gefahr zu qualifizieren, dann heißt das zwar noch nicht, dass hier basisgewerkschaftliche Arbeit direkt kriminalisiert wird – aber es ist ein Schritt in die Richtung.

Ein Schritt, der als Signal ernst genommen werden sollte, da er immerhin zur Folge hat, dass Olli nicht vorzeitig entlassen wird (wie seine beiden Mitverurteilten), sondern über ein Jahr länger im Knast – obendrein im geschlossenen – verbringen soll.

Über die Lage von Olli informiert das „Soli-Komitee Olli R." auf seinem blog.
Dort erscheinen demnächst auch die Daten des Solikontos für Olli.
Die Zeitschrift „strike!" findet ihr auf:
strike.blogsport.de

Erschienen in: Direkte Aktion 219 – Sept/Okt 2013
www.direkteaktion.org/219/der-fall-olli-r-2013-ein-deaktivierter


VON: EMMA MICHEL VIA DIREKTE AKTION





--->>> Große Koalition findet Rüstungsexporte prima [via scharf-links.de]

 
Große Koalition findet Rüstungsexporte prima
 
von Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!"
 
[via scharf-links.de]
 
 

 

Künftige Koalitionäre finden Rüstungsexporte prima - Mehr Transparenz aber nicht weniger Exporte geplant

„Rüstungsexporte sind prima und deshalb bewerben wir sie jetzt schneller in der Öffentlichkeit. Etwas mehr Transparenz schaffen, aber nicht weniger Rüstung exportieren: Das ist der Kern des jetzt bekannt gewordenen Textes zu Rüstungsexporten, auf den sich Steinmeier und de Maizière für den Koalitionsvertrag geeinigt haben",
kommentiert Christine Hoffmann, die pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" in Berlin.

Hoffmann weiter:
„Bereits 2005 hatten SPD und CDU/CSU sich auf Einhaltung der politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern bei  gleichzeitiger Harmonisierung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU verständigt. Im Ergebnis wurde während der letzten Großen Koalition die Voranfrage Katars nach Leopard-II-Panzern und Panzerhaubitzen positiv beschieden. Die fatale Menschenrechtssituation in Katar ist bekannt. Wenn de Maizière und Steinmeier also jetzt verkünden, dass um des Schutzes der Interessen der Rüstungsindustrie Willen „bloße Voranfragen" nicht zu den Genehmigungsentscheidungen gehören werden, die der Bundessicherheitsrat bekannt geben soll, dann heißt das im Klartext, dass die wirklich grausamen Geschäfte weiter im Geheimen bleiben werden. Wir brauchen aber eine wirkliche Umkehr in der Rüstungsexportpolitik, denn jede Waffe, die Deutschland nicht exportiert, rettet leben. Zurzeit stirbt alle Viertelstunde ein Mensch an einer Kleinwaffe aus Deutschland. Nach diesem Koalitionsplan wird das auch so bleiben."


„Die bisherigen Koalitionsvorschläge zum Rüstungsexport sind kleine kosmetische Korrekturen, aber keine grundlegende Kurskorrektur. Wir fordern die Koalitionäre zu einer wirkungsvollen und damit ernstzunehmenden Wende in der Rüstungsexportpolitik auf. Der Endverbleib exportierter Kriegswaffen und sonstiger Rüstungsgüter muss regelmäßig überprüft werden und  Endverbleibsverletzungen sind im Sinne der politischen Grundsätze zum Rüstungsexport zu sanktionieren. Für Kriegswaffen und sonstige Rüstungsgüter dürfen keine Lizenzen vergeben und keine Hermes-Bürgschaften erteilt werden. Das wäre das Mindeste", betont Jürgen Grässlin, Sprecher der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!" und Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner/innen und Sprecher der  „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel".

„Insbesondere fordern wir, dass in folgenden drei Fällen keine „Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in Staaten genehmigt und geliefert werden: Erstens in Länder, deren Menschenrechtssituation vom 'Bonn International Center for Conversion' (BICC) und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International als „bedenklich" oder „sehr bedenklich" hinsichtlich des EU-Verhaltenskodexes eingestuft wird. Zweitens in solche Länder, die seitens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)  als Empfänger offizieller Entwicklungshilfe gelten und drittens in Länder, die in bewaffnete Auseinandersetzungen verwickelt sind oder in denen Konflikte durch den Export ausgelöst, aufrechterhalten oder verschärft werden könnten", ergänzt Paul Russmann, Sprecher der  „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel" und Sprecher der ökumenischen Aktion „Ohne Rüstung Leben".

Dieser Kommentar beruht auf folgenden Informationen aus der SPD-Pressestelle

Mehr Transparenz bei Rüstungsexporten:
In der gestrigen dritten Sitzung der Koalitionsarbeitsgruppe „Außen-, Verteidigungs- und Entwicklungspolitik" haben sich CDU/CSU und SPD auf einen gemeinsamen Textvorschlag zum Thema Rüstungsexporte für den Koalitionsvertrag verständigt.

Der Textentwurf lautet:

„Bei Rüstungsexportentscheidungen in sogenannte Drittstaaten gelten die im Jahr 2000 beschlossenen strengen „Politischen Grundsätze für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern", die für unser Regierungshandeln verbindlich sind.

Über ihre abschließenden Genehmigungsentscheidungen im Bundessicherheitsrat wird die Bundesregierung den Deutschen Bundestag unverzüglich unterrichten. Die Entscheidung darüber, wem gegenüber die Unterrichtung erfolgt, liegt beim Deutschen Bundestag. Darüber hinaus werden wir die Transparenz gegenüber Parlament und Öffentlichkeit durch Vorlage des jährlichen Rüstungsexportberichtes noch vor der Sommerpause des Folgejahres und eines zusätzlichen Zwischenberichts verbessern.

Wir setzen uns für eine Angleichung der Rüstungsexportrichtlinien innerhalb der EU ein. Europäische Harmonisierungen müssen so umgesetzt werden, dass sie die Mindestanforderungen des Gemeinsamen Standpunkts der EU aus dem Jahr 2008 nicht unterschreiten.

Dazu erklären die Arbeitsgruppenleiter Frank Walter Steinmeier und Thomas de Maizière:

„Wir haben das Thema Rüstungsexporte in unserer Arbeitsgruppe und auch in der Großen Runde sehr intensiv diskutiert. Dabei ist es uns gelungen, in dieser auch in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierten Frage zu einem  wichtigen Kompromiss zu kommen. Beide Verhandlungsseiten haben sich deutlich aufeinander zu bewegt. Wir unterstreichen, dass für unser Regierungshandeln die Grundsätze aus dem Jahr 2000 verbindlich sind. Künftig wird es bei Rüstungsexporten außerdem deutlich mehr Transparenz und demokratische Kontrolle geben. Bisher wurden Rüstungsexporte mit großer zeitlicher Verzögerung im Rüstungsexportbericht öffentlich gemacht. Künftig werden Genehmigungsentscheidungen des Bundessicherheitsrates dem Deutschen Bundestag und damit auch der Öffentlichkeit unmittelbar bekanntgegeben. Mit Blick auf die schutzwürdigen Interessen Dritter sind bloße Voranfragen davon nicht betroffen. Auch der Rüstungsexportbericht wird deutlich aktueller gestaltet und künftig zweimal im Jahr vorgelegt." 

Trägerorganisationen der Kampagne:
Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden e.V. (AGDF) • AGEH • aktion hoffnung Rottenburg-Stuttgart e.V. • Bischöfliches Hilfswerk MISEREOR • Brot für die Welt - Evangelisches Werk für Diakonie und Entwicklung  • Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) •  Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) • Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges e. V. (IPPNW) Deutschland • NaturFreunde Deutschlands •  JuristInnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen (IALANA) Deutsche Sektion • Ohne Rüstung Leben (ORL) • pax christi - Deutsche Sektion der Internationalen Katholischen Friedensbewegung • Provinzleitung der Deutschen Franziskaner und Kommission Gerechtigkeit – Frieden – Bewahrung der Schöpfung • RüstungsInformationsBüro (RIB e.V.) • terre des hommes – Hilfe für Kinder in Not • Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, Baden (WfG)

Viele weitere Organisationen und Friedensinitiativen arbeiten im Aktionsbündnis der Kampagne mit.


VON: KAMPAGNE „AKTION AUFSCHREI – STOPPT DEN WAFFENHANDEL!"





Arbeitslosigkeit durch Hartz-IV-Reform nicht gesunken [via Nachdenkseiten]

 
 
Arbeitslosigkeit durch Hartz-IV-Reform nicht gesunken
 
[via Nachdenkseiten]
 
 
 

Beitrag der Hartz-IV-Reform zur Reduzierung der Arbeitslosigkeit in Deutschland insgesamt außergewöhnlich niedrig

Die Hartz-IV-Reform des Arbeitsmarktes ist eine der politisch umstrittensten Reformen, die seit der Wiedervereinigung in der Bundesrepublik durchgeführt wurden. Mit ihr werden Gefährdungen des Lebensstandards bis hin zu Armut verbunden. Gleichzeitig konnte die Bundesrepublik ihre Arbeitslosenquote über die letzten Jahre so stark senken wie fast kein anderes Land in Europa oder der OECD.
 
Welche Rolle spielen die Hartz-Reformen in dieser Erfolgsgeschichte? Eine aktuelle Veröffentlichung von Juniorprof. Andrey Launov und Prof. Klaus Wälde von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) zeigt, dass die Hartz-IV-Gesetze de facto keinen erwähnenswerten Beitrag zur Reduktion der Arbeitslosigkeit lieferten. Gleichzeitig waren die anderen Reformen, Hartz I bis Hartz III, umso hilfreicher.

Quelle: idw


--->>> Wann kommt die nächste globale Finanzmarktkrise? [via jjahnke.net] lesenswert!!!

 
global news 3003 04-11-13:
 
Wann kommt die nächste globale Finanzmarktkrise?
 
[via jjahnke.net]
 
 
 
Um die letzte und noch nicht völlig beendete Krise an den Finanzmärkten zu überwinden, haben die Zentralbanken bisher mehr als 9 Billionen US $ in das System gekippt - eine 9 mit 12 Nullen. Damit sind viele neue Blasen entstanden und entstehen weitere, die erneut platzen können. Die Aktienkurse verzeichnen immer wieder neue Rekorde, der Dax nun über 9.000 Punkte. Anleger weichen auf sehr riskante Anlagen, wie Ramschanleihen von Unternehmen und sogar auch wieder auf hypothekenbesicherte Papiere aus, um höhere Profite zu erreichen.
 
Man muß die 9 Billionen $ für den Laien übersetzen. Das sind 1.250 US$ oder 908 Euro für jeden Erdenbürger. Man könnte damit jeden Menschen auf Erden mit einem Flugticket London - New York und zurück ausrüsten oder jedem eine der teueren Versionen des iPads schenken. In Deutschland könnten davon alle Haushalte alle ihre Ausgaben mehr als vier Jahre lang bestreiten.

Die letzte Andeutung der Fed, daß der Aufkauf von Staatspapieren beendet werden könnte, hat sofort zu einem Kursabsturz geführt und dann zu beruhigenden Signalen und die neue Chefin der Fed gilt nicht als besonders entschlossen, das Programm zu beenden. Die Fed setzt nun ihr Aufkaufprogramm, mit dem sie Liquidität in den Markt drückt, weiter fort. In der Eurozone hat Draghi bereits angedeutet, ein weiteres Kreditprogramm für die Banken aufzulegen. Wie dieser Geldturm von Babel vor dem Einsturz bewahrt werden soll, bleibt das Rätsel der Notenbanken.

In der Vergangenheit waren drastische Kurseinbrüche nach blasenhaften Entwicklungen die Regel. Das zeigt der deutsche Aktienindex, wenn man die jeweiligen Jahreshöchststände mit dem Vorjahr vergleicht mit gewaltigen Ausschlägen bis zu 65 % innerhalb eines Jahres (Abb. 18243).

Ein guter Indikator ist die Entwicklung der Wertpapierkäufe auf Kredit, weil sich hier die Markterwartung der Spekulanten am Deutlichsten zeigt. Derzeit ist das Niveau von der Internetblase im Jahr 2000 und der Hauspreisblase im Jahr 2007 schon wieder fast erreicht bzw. sogar überschritten (Abb. 18242), was einen Zusammenbruch nach allen Erfahrungen der Vergangenheit sehr wahrscheinlich macht, soweit nicht die Notenbanken diesen Zusammenbruch mit immer mehr Liquidität noch hinauszögern.



... Lachen abhandenkommt, als er regelmäßig Tabletten gg. "ADH-Syndrom" einnimmt

Krank sind immer die anderen
[Sächsische Zeitung - Ausgabe vom 06.11.2013 - Seite 8]