Donnerstag, 30. Juni 2011

#Grundeinkommen #durch #Reichtumssteuer

 









Wider die Politik des asozialen Reichtums


 


Rede zum 75-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH)


Zürich am 16. Juni 2011 im Volkshaus Zürich.


 


Wir geben den Text leicht gekürzt wieder. 


 





Von Oswald Sigg


 


Es ist üblich geworden, vor einem solchen Vortrag seine Interessenbindungen offen zu legen: ich gehöre keinem Verwaltungsrat an. Ohnehin ist man wohl stärker geprägt durch die familiäre und soziale Herkunft. Aufgewachsen bin ich in Höngg und stamme aus einer mittelständischen Familie. Mein Vater verbrachte seine Jugend auf einem Bauernhof in Ossingen und studierte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Landwirtschaft.


 


Er hatte sich das Studium als Dorfschullehrer in Rafz verdient und arbeitete später als Steuerkomissär des Kantons Zürich. Er war für die steuerliche Einschätzung der Bauern verantwortlich.


 


Die Bauern sassen damals auf stark verschuldeten Betrieben – ein grosses soziales Problem der Zwischenkriegszeit. Meine Mutter stammte aus ganz einfachen Verhältnissen, sie konnte keine Lehre machen, weil ihre Brüder etwas werden mussten, der eine Coiffeur, der andere kfm. Angestellter.


 


Ihr blieb das Los einer Serviertochter übrig. Aber: sie war kämpferisch. Sie arbeitete sich von der Serviertochter im Bahnhofbuffet Sargans über die Saaldame in einem Hotel in Neapel und über die Kellnerin im holländischen Seebad Scheveningen bis zur Serviertochter im Bahnhofbuffet Zürich empor. Und zwar, wie sie betonte, im Buffet Zürich 1. Klasse. Sie war klassenbewusst, meine Mutter. Übrigens, meine Tante, auch in Höngg wohnhaft, war Lehrerin und Sozialistin, und sie unter-stützte das Arbeiterhilfswerk. Durchaus möglich, dass sie zu den Mitgründerinnen der proletarischen Kinderhilfe gehörte. Damals.
 
Für Menschen in der Arbeitswelt
 
75 Jahre SAH Zürich. Das sind 75 Jahre Sozialhilfe. 75 Jahre praktische Sozialpolitik an der Basis. Das bedeutet eine Vielzahl einzelner Angebote, wohl weit über 100 verschiedene Formen der Unterstützung von Menschen, die in unserer Arbeitswelt Hilfe benötigen.
 
Vom Assessment über die AVIG-Orientierung in arabischer, albanischer oder portugiesischer Sprache, über berufliche Eignungs-Abklärungen, Rechtsberatung, von der Vermittlung von Stundenarbeit bis zur Stellenvermittlung für Langzeiterwerbslose, Bewerbungs-Training, Kinderferienlager, Bildungstage, Arbeitstraining, Gesundheitsförderung, Deutschkurse, usw. usf..
 
Besonders angetan bin ich von den SalSAH- und SAHltinbocca-Angeboten, einfach weil ich zuhause immer gern zum Abendessen gekocht habe und mich dabei vom Bundeshaus erholen konnte. Am besten beim Zwiebeln hacken für die Salsa, da konnte man sich wieder einmal richtig ausweinen. Ich möchte endlich etwas Neues lernen in der Küche, also wenn ihr da einen Platz frei habt ( … ).
 
Freiwllige Sozialarbeit
 
Das SAH wendet sich aber nicht nur an Betroffene, sondern es bietet auch Möglichkeiten der freiwilligen Sozialarbeit an. Und es vermittelt zwischen Gemeindebehörden oder Sozialversicherungen, Unternehmen oder Privaten und den Betroffenen. Eine riesige gesellschaftliche und soziale, kulturelle und politische Integrationsarbeit wird hier tagtäglich verrichtet. Und dies, seit 1932 in Zürich die Proletarische Kinderhilfe, als Vorläuferin des Arbeiterhilfswerks, gegründet wurde.


 


Das SAH Zürich ist eine Perle der traditionellen Arbeiterbewegung. Es ist aber heute auch ein Kern einer mo-dernen, solidarischen Schweiz. Ich komme darauf zurück.
 
Eine absolute Wohltat, das will ich Ihnen hier auch noch sagen, für einen politischen Bürger mindestens, ist die Lektüre des SAH-Leitbilds. Da steht doch: „Wir engagieren uns dafür, dass alle Menschen hier in Würde und sozial gesichert leben können, unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht.“ So ein einfacher und kluger Satz enthält nicht einmal das sozialdemokratische Parteiprogramm. Und da steht auch: „Wir setzen uns – auf der Grundlage der Menschenrechte – für Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein.“ Das sind grosse Worte und der Satz klingt wohl etwas pathetisch, aber das SAH Zürich macht ihn glaubwürdig durch die vielen Tatbeweise.
 
Und schliesslich: „Wir arbeiten für Menschen, die aus individuellen oder strukturellen Gründen benachteiligt sind.“ Das sagt mehr als: wir arbeiten für benachteiligte Menschen. Denn wir alle sind die Verlierer in unserer u.a. vom Konsum, vom Profitdenken strukturierten neoliberalen Wirtschaftsgesellschaft. Wir, die arbeitenden Menschen und nicht nur die hier arbeitenden Ausländer, sind in diesen Prozessen zu Fremden geworden.


 


Die Globalisierung gibt uns nicht das Gefühl, hier zuhause zu sein. Wir alle sind die Opfer der betriebswirtschaftlichen Ideologie geworden, welche heute die weltweite Basis des Unternehmertums ist. Der Effizienzwahn, gekoppelt mit dem Irrglauben ewigen Wachstums, produziert bei den Mitarbeitenden vor allem eines: Stress. Viele unter ihnen fallen infolge Krankheit dauerhaft aus dem Arbeitsprozess. Deshalb wohl bastelt man in der innovativen Finanzwirtschaft, so habe ich kürzlich gelesen, an einem neuen Typus von Unternehmen, der gänzlich ohne Fabriken und damit auch ohne Arbeitende auskommen soll.
 
Das SAH ist Teil einer grossen Bewegung, die den Kern einer solidarischen Schweiz darstellt. Damit wir eine solche entwickeln können, müssen wir auch politisch aktiver werden.
 
Entsolidarisierung in der Gesellschaft
 
Der zentrale, die soziale und solidarische Qualität einer Gesellschaft bestimmende Faktor ist die Arbeit. Wir arbeiten für andere. Wir arbeiten für uns.


 


Wer keine sinnvolle Arbeit verrichten kann, verarmt. Nicht nur im ökonomischen, auch im geistigen Sinn. Dieser Armut gegenüber steht der materielle Reichtum. Gesellschaftlich ist der Reichtum dann sinnlos, wenn er nur gerade Besitz oder Erbschaft  darstellt. Aus der Spanne zwischen Armut und Reichtum liest sich die Asozialität, die Entsolidarisierung einer Gesellschaft ab. In der Schweiz haben wir es damit sehr weit gebracht.
 
Aus dem Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) geht hervor: Der grösste Teil der Bevölkerung hat am wachsenden Reichtum in unserem Land nicht nur keinen Anteil.


 


Durch die Erhöhung der indirekten Steuern und Gebühren und Abgaben sowie der Kopfprämien für die Krankenkassen haben viele Leute weniger Geld zum Leben als noch vor gut zehn Jahren. Demgegenüber gibt es heute sieben mal mehr Gehaltsmillionäre, annähernd 3‘000. Die höchstbezahlten Manager haben ihre Löhne real um über 20% steigern können, während die tiefen Löhne um ca. 2% gestiegen sind. Anhand der Vermögensverteilung sieht man deutlich, wie die Reichen noch reicher geworden sind.


 


Die Hälfte des Gesamtvermögens gehörte 1997 noch etwas über 4% der Bevölkerung. Heute gehört die Hälfte des ganzen Vermögens 2 % der Bevölkerung. So sieht also das Robotbild einer Sozialpolitik mit umgekehrten Vorzeichen aus.  Es ist die asoziale Politik der ungehemmten Reichtumsakkumulation. Gefördert durch kommunale und kantonale Siedlungs- und Steuerpolitiken und durch die bundesweite Erleichterung der Unternehmenssteuern.
 
Geld bestimmt die Politik
 
Das Geld, der Besitz bestimmt auch und gerade die Politik. Die grösste Partei in diesem Land hat am meisten Geld. Das ist kein Zufall. Wir wissen nicht, wieviel und woher sie das Geld hat, aber wir wissen, was sie damit tut. Sie investiert es in Wahlen und Abstimmungen.


 


Und gewinnt. Auch das ist kein Zufall. Und sie schlägt mit ihrer medialen Macht zum Beispiel die öffentliche Sozialpolitik sturmreif. Was heisst das? Die Bezüger öffentlicher und privater Sozialhilfe werden stigmatisiert und verachtet.


 


Als Scheininvalide behandelt, die uns auf der Tasche liegen. Ich habe in meiner Arbeit für die „Hälfte“ einen IV-Bezüger kennen gelernt, der aufgrund dieser kollektiven Verachtung in seiner Nachbarschaft richtig und dauerhaft krank wurde. Er musste umziehen und er ist damit nicht gesund geworden.
 
Das Misstrauen gegenüber Sozialhilfeempfängern schleicht sich mittlerweilen in die Gesetze ein. Zwei Beispiele. Im Kanton Bern kann jemand nur Sozialhilfe beanspruchen, wenn er auf den Schutz seiner persönlichen Daten verzichtet. In Basel kann ein Sozialhilfeempfänger ohne Einkünfte und Vermögen zu Zwangsarbeit verpflichtet werden. Verläuft diese nicht zur Zufriedenheit der kantonalen Verwaltung, kann sie die Leistungen bis zu 100 % kürzen.   
 
Mit ihrem vielen Geld bringt die Milliardärenpartei aber auch grundrechtswidrige Volksinitiativen an die Urne und sorgt mit einer menschenverachtenden Propagandawalze dafür, dass diese auch angenommen werden.  Stichworte: Minarettverbot und Ausschaffung krimineller Ausländer. Oder sie sorgt in den nationalen Wahlen dafür, dass sich in der Schweiz die grösste rechtsextreme Partei Europas breit macht.
 
Wir haben eine direkte Demokratie, aber sie ist zur Aktionärsdemokratie geworden. Sie funktioniert nach dem Prinzip der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft: nicht der Mensch zählt dort, sondern der Besitz.
 
Wir sollten staatspolitisch und sozialpolitisch aktiv werden. Staatspolitisch: Wir sollten die direkte Demokratie schützen. Die Finanzierung der Parteien ist als erstes gesetzlich zu regeln. Der Missbrauch der Volksrechte muss bekämpft werden. Und wir sollten sozialpolitisch aktiv werden. Die Umverteilung um 180 Grad drehen, von oben nach unten.
 
Grundeinkommen durch Reichtumssteuer
 
Die Linke hat das schon vor mehr als 75 Jahren versucht. In den zwanziger Jahren haben die Sozialdemokraten und die Kommunisten in Deutschland eine Volksinitiative zur Enteignung der Fürsten zur Abstimmung gebracht. Natürlich ohne Erfolg. Zur selben Zeit lancierte in der Schweiz die Linke mit den Gewerkschaften die Vermögensabgabeinitiative.


 


Die grossen und grössten Vermögen sollten zur Tilgung der während des Weltkriegs entstandenen Staatsschulden herbeigezogen werden. Es kam zu einer historischen Abstimmungsschlacht.


 


Über 86% der Stimmbürger gingen zur Urne. Und fast alle stimmten für die Reichen.


 


Nach den vergeblichen Versuchen mit den Reichtumssteuer-Initiativen in den letzten dreissig Jahren sollten wir wieder einen neuen, aber einen ganz anderen  Anlauf starten. Wir leben ja in einem Land der Minderheiten und bis jetzt haben wir in den Abstimmungen meistens die Minderheit der Reichen in den Schutz genommen. Es wäre an der Zeit, einmal etwas für die grosse Mehrheit, etwas für alle zu tun.
 
Es ist heute eine Idee, eine Utopie im Umlauf, die man für die Umverteilung von oben nach unten gezielt einsetzen könnte: das bedingungslose Grundeinkommen. Seine heutigen Verfechter wollen es über Konsumsteuern finanzieren. Einfacher und sozialer wäre es, wenn ein Grundeinkommen für alle über die Abschöpfung des immensen Reichtums in der Schweiz finanziert würde. 
 
Eine solche Idee müssten wir hartnäckig verfolgen. Sie wäre die wirkliche Umverteilung. Dann wären wir auf dem Weg zu einer solidarischen Schweiz. Denkt daran: wir sind hier im Volkshaus. Von hier sind seit je die besseren Ideen hervorgegangen, als jene aus den Häusern der Volkspartei. Und vielleicht, wenn das SAH Zürich den 150. Geburtstag hier feiert, dann gibt es diese solidarische Schweiz.


 


via























Am #größten wird das #Steuergeschenk für die, die #brutto im Jahr #50.000 Euro #und #mehr #haben - #einfach #ungerecht


 
Einfach – ungerecht
[Nachdenkseiten]
http://www.nachdenkseiten.de/?p=9927#h07
 


Noch kein Jahr ist seit dem sogenannten Sparpaket vergangen, mit dem die Regierung
einen Kahlschlag im sozialen Bereich veranstaltet.

Die Ausgabenkürzungen und Gebührenerhöhungen gehen ständig weiter. Das kann man vor Ort in der Gemeinde besichtigen oder im Geldbeutel spüren.

Trotzdem meint die Bundesregierung, die Menschen mit Steuergeschenken verführen zu können…

Raus kommt wie bei früheren Senkungsrunden: Je höher das Einkommen, desto höher die Entlastung.
 
Am größten wird das Steuergeschenk für die, die brutto im Jahr 50.000 Euro und mehr haben.

Einnahmeausfälle für Bund und Länder

Quelle:

ver.di Wirtschaftspolitik aktuell Nr. 12 – Juni 2011

http://wipo.verdi.de/wirtschaftspolitik_aktuell



110630_einnahmeausfaelle_fuer_

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#DGB-Jugend #lehnt #Bundesfreiwilligendienst #ab [via dgb.de]


DGB-Jugend lehnt Bundesfreiwilligendienst ab

 

"Der Bundesfreiwilligendienst und der freiwillige Wehrdienst sind eine Konkurrenz zu regulärer Beschäftigung und weiten den Niedriglohnsektor für junge Menschen noch mehr aus", erklärte René Rudolf, DGB-Bundesjugendsekretär, am Donnerstag in Berlin zur Einführung des Bundesfreiwilligendienstes und des freiwilligen Wehrdienstes:

 

"Reguläre Arbeitsplätze werden verdrängt und es droht Lohndumping vor allem bei sozialen Berufen.

 

Deswegen lehnt die DGB-Jugend den Bundesfreiwilligendienst wie auch den freiwilligen Wehrdienst ab.

 

Unsichere und schlecht bezahlte Beschäftigung erschwert den Einstieg ins Berufsleben für junge Menschen.

 

Inzwischen befindet sich fast jeder dritte Erwerbstätige unter 35 Jahren in prekären Beschäftigungsverhältnissen. Diese Situation wird durch die Freiwilligendienste verschärft.

 

Klar ist, dass es wegen der Rechtsgrundlage des Wehrpflichtgesetzes keine tarifliche Absicherung und nur eine eingeschränkte Interessenvertretung für diese Dienste gibt.

 

Das fehlende Interesse an diesen Diensten zeigt außerdem, dass der Bundesfreiwilligendienst und der freiwillige Wehrdienst vollkommen überflüssig sind und keinerlei Perspektiven für junge Menschen eröffnen."

 

Weitere Informationen finden Sie unter www.dgb-jugend.de.

 

 

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Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 113

30.06.2011

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Verantwortlich: Sigrid Wolff

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Radikales Steuerkonzept - Der #Professor #ködert #die #Politik - #Das #Ergebnis #kann #man #leicht #erraten. [via NDS]


Radikales Steuerkonzept – Der Professor ködert die Politik

[Nachdenkseiten]



Er warb, er kämpfte – und er fühlte sich beleidigt: Selbst nach sechs Jahren hat Paul Kirchhof die Attacken von Gerhard Schröder nicht verdaut. Und doch wagt er sich noch einmal auf die politische Bühne. Sein neues Steuer-Konzept ist quasi die Antwort des Wissenschaftlers Kirchhof auf die bittere Niederlage des Politikers Kirchhof.
Quelle:
SZ

Anmerkung RS: Die Süddeutsche macht Werbung für die Kirchhof-Steuer.

Die Tendenz kann man an der Leserumfrage mehr als deutlich sehen:

Soll Deutschland das Steuersystem radikal vereinfachen?

  • Ja, es ist völlig intransparent
  • Nein, mir sind die vielen Schlupflöcher wichtiger
  • Ist mir egal

Das Ergebnis kann man leicht erraten.



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#Athen #gibt #Griechenland #auf - Parlamentsvotum für das #Sparpaket der Regierung #beschleunigt den #Staatsbankrott [Neues Deutschland]


Athen gibt Griechenland auf

Parlamentsvotum für das Sparpaket der Regierung beschleunigt den Staatsbankrott

 

Von Anke Stefan, Athen

[Neues Deutschland]
http://www.neues-deutschland.de/artikel/201010.athen-gibt-griechenland-auf.html

Mit 155 von 298 Stimmen wurde am Mittwoch das heiß umkämpfte neue Kürzungspaket im griechischen Parlament verabschiedet.

Bis zum letzten Moment waren die Parlamentarier der Regierungspartei bearbeitet worden. Mit Erfolg: Lediglich der Abgeordnete Panagiotis Kouroumplis verweigerte Ministerpräsident Giorgos Papandreou die Gefolgschaft und wurde sofort von der Fraktion ausgeschlossen. Die anderen 154 Parlamentarier der PASOK stimmten dem neuen Kürzungspaket zu.

Dieses war von EU und Internationalem Währungsfonds zur Bedingung für die Auszahlung der anstehenden Rate von 12 Milliarden Euro sowie für die Bereitstellung neuer Milliardenkredite gemacht worden. Mindestens drei weitere Wackelkandidaten hatten sich dem von der Regierung ausgeübten Druck gebeugt. »Ich kann weder mein Land in den Konkurs stürzen, noch die EU auflösen«, begründete der nordgriechische Abgeordnete Thomas Rompopoulos den Rückzieher von der angedrohten Zustimmungsverweigerung.

Die Begründung ist charakteristisch für das Dilemma, das Papandreou und sein frisch ernannter Finanzminister Evangelos Venizelos dem Parlament vorgehalten hatten. Das Paket garantiere Stabilität und Wachstum der griechischen Wirtschaft, betonte der Premier in seiner Rede vor dem Votum. Griechenland stünde vor schwierigen Verhandlungen über die Bewältigung der Schuldenkrise, für die es eine möglichst große Geschlossenheit brauche.

»Wir erleben schwierige Zeiten«, hatte kurz zuvor der Finanzminister erklärt. Angesichts derer man verpflichtet sei, »die Lasten zu schultern«, da man sich sonst »extremen Folgen« gegenübersehe. »Und dann ist es zu spät.«

»Im Moment geht es nicht darum, ob wir zusammenbrechen, sondern darum, ob wir einen weiteren Schritt hin zum Zusammenbruch machen«, konterte Oppositionsführer Antonis Samaras die Argumentation der Regierungspartei. Für den Vorsitzenden der Nea Dimokratia ist die Kürzungspolitik der Regierung eine »Medizin, die schlimmer ist als die Krankheit und den Patienten umbringen wird«. Die Nea-Dimokratia-Abgeordnete Elsa Papadimitriou dagegen stimmte für das Paket, da es »eine Lösung« darstelle. »Ob zum Guten oder zum Schlechten, wird sich zeigen, aber notwendig.«

Die Abgeordneten der von Dora Bakogianni gegründeten Demokratischen Allianz enthielten sich. Die Ex-Außenministerin war wegen ihrer Zustimmung zum ersten Kürzungspaket vor einem Jahr aus der Nea Dimokratia ausgeschlossenen worden. Gegen die neuen Kürzungen votierten die Abgeordneten der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE), der Linksallianz SYRIZA und der rechtspopulistischen Partei LAOS.

»Der Bankrott ist ohnehin eine objektive Tatsache«, erklärte KKE-Generalsekretärin Aleka Papariga, während zeitgleich Tausende Mitglieder der parteinahen Gewerkschaftsfront PAME in den Straßen der Hauptstadt demonstrierten. »Worauf es ankommt, ist, dass das Volk sich nicht der Erpressung und den Erpressern fügt.« Das neue Paket enthalte so gut wie ein Gesamtverzeichnis des gesellschaftlichen Vermögens, kommentierte Fraktionsvorsitzender Alexis Tsipras die Ablehnung durch SYRIZA. »In einem einzigen Gesetzesartikel verkaufen wir alles.«

Vor dem Parlament kam es wieder zu teilweise gewalttätigen Protesten. Tausende Gewerkschafter demonstrierten friedlich im Rahmen eines für Dienstag und Mittwoch ausgerufenen zweitägigen Generalstreiks – zusammen mit weiteren tausend Mitgliedern der seit über einem Monat vor dem Parlament demonstrierenden Bewegung der »Empörten«. Zugleich lieferten sich kleine Gruppen Vermummter Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei. Infolge des massiven Einsatzes von Tränengas durch die Polizei gegen die Protestierenden musste das am Platz gelegene Luxushotel »King George« evakuiert werden.



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»Drei #nukleare #Gefahren« in den #USA - Feuer und Wasser sorgen für #Ausnahmezustand an verschiedenen #Atomanlagen [via ND]


Drei nukleare Gefahren« in den USA

Feuer und Wasser sorgen für Ausnahmezustand an verschiedenen Atomanlagen

Von Max Böhnel, New York
[via Neues Deutschland]
http://www.neues-deutschland.de/artikel/200962.drei-nukleare-gefahren-in-den-usa.html
 

Im USA-Bundesstaat New Mexico sind es Feuersbrünste, die das geheimnisumwitterte Atomwaffenlabor Los Alamos verschlingen könnten. Gleichzeitig bedroht hunderte Kilometer entfernt im Bundesstaat Nebraska Hochwasser auf dem Missouri-Fluss zwei uralte Atomkraftwerke.

Tausende wurden seit Sonntagnacht aus dem Flammenmeer in der Nähe des Atomlabors Los Alamos im Bundesstaat New Mexico zwangsevakuiert.

Die bis zu 30 Meter hohen Brände näherten sich Medienangaben zufolge dem geheimnisumwitterten riesigen Gelände, in dem unter dem Stichwort »Manhattan Project« die erste Atombombe entwickelt worden ist, auf bis zu wenigen hundert Metern. Laut CNN loderten an den äußeren Ecken der Anlage etliche kleinere Feuer. Nach Angaben der Behörden sei jedoch »alles radioaktive und gefährliche Material« gesichert.

Kritische Beobachter mit Kenntnissen über Los Alamos und auch Behördenvertreter ließen jedoch die Alarmglocken läuten. Der Fernsehsender ABC zitierte den ehemaligen Sicherheitsbeamten und Buchautor Glen Walp, rund 20 000 Fässer radioaktiven Mülls seien nicht weit von der Feuerbrunst entfernt in einer ungesicherten Fabrikhalle gelagert.

Wenn das Feuer die entsprechenden Stellen erreicht, dann bestehe »die Gefahr eines größeren Unheils«, sagte er. Die Bürgerinitiative »Concerned Citizens for Nuclear Safety« sprach in einer Erklärung von bis zu 30 000 Fässern, die mit Plutonium kontaminiert und in einfachen Stoffzelten zum baldigen Abtransport ins südliche New Mexico gelagert worden seien. Der Sprecher der Forschungs- und Testanlage, Steve Sandoval, blieb auf ND-Nachfrage hin vage und wollte die Präsenz der Fässer nicht bestätigen.

Die Anlage in Los Alamos mit ihren rund 15 000 Beschäftigten und unzähligen Gebäuden wurde am Dienstag geschlossen und geräumt. Schon am Sonntag hatte der Chef der Bezirksfeuerwehr gewarnt, lang andauernde Trockenheit und extreme Windgeschwindigkeiten würden ihm »die Haare zu Berge stehen lassen«. Die Anti-Atomgruppe »Nuclear Watch New Mexico« wies in einer über Internet verbreiteten Erklärung darauf hin, dass neben den ungeschützten Fässern eine weitere Gefahr in den Substanzen auf den wahrscheinlich unaufgeräumten nuklearen Testgebieten um Los Alamos bestehe. Nach über sechs Jahrzehnten Sprengstoffexperimenten habe sich »so einiges an aktivem Uran und aufgebrauchtem Uran angesammelt«, was die Atmosphäre zu vergiften drohe.

Im Bundesstaat Nebraska wiederum verursachte Hochwasser am Ufer des Missouri ein Riesenproblem für die Anrainer an zwei Atomkraftwerken. Seit der Fluss Anfang Juni über seine Ufer trat, wiegeln die Behörden zwar ab und pochen darauf, dass keine Gefahr bestehe.

Aber auf Weisung der Betreiber sind an beiden Meilern, dem AKW Calhoun und dem AKW Cooper, Sandsäcke von tausenden Tonnen Gewicht aufgehäuft worden. Calhoun ist darüber hinaus mit einer Art zimmerhohen Gummiwurst, die mit Wasser gefüllt wurde, umgeben. Im Fernsehen übertragene Live-Berichte zeigten das AKW Calhoun als sprichwörtliche Insel in einer überfluteten Region. Als der Chef der nationalen nuklearen Regulierungsbehörde »Nuclear Regulatory Commission« am Montag einen Besuch abstattete, trug er neben dem obligatorischen Helm auch eine Schwimmweste. Obwohl er das Atomkraftwerk nur über Holzplanken auf dem Besucherparkplatz erreichen konnte, gab er sich zufrieden mit der Auskunft eines Betreibersprechers, man habe »alles unter Kontrolle«.

Calhoun liegt nur eine halbe Stunde Autofahrt von der Halbmillionen-Einwohner-Stadt Omaha entfernt und ist seit April wegen Wartungsarbeiten abgeschaltet. Das 1973 eröffnete AKW ist zusammen mit dem ein Jahr darauf eröffneten Kraftwerk Cooper 120 Kilometer entfernt eines der ältesten und baufälligsten in den USA. Trotzdem wurden die Laufzeiten beider auf 40 beziehungsweise 60 Jahre verlängert.

Was aber passiert, wenn in Calhoun und Cooper die Wassermassen die Kühlungssysteme außer Gefecht setzen? Solche nahe liegenden Fragen – Stichwort Nuklearkatastrophe in Japan – werden in den großen Medien bislang nur in Ausnahmefällen gestellt. Immerhin berichtete der TV-Sender NBC am Dienstag korrekterweise über »drei nukleare Gefahren« in den USA. Die »New York Times« setzte sich am selben Tag mit der Möglichkeit eines Super-GAU auseinander – allerdings nicht in der gedruckten Ausgabe, sondern im Umwelt-Blog. Und selbst der spielte die Gefahren unter dem Motto »Die USA sind nicht Japan« herunter.




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dass jede dritte der #gemeldeten Stellen aus der #Zeitarbeitsbranche kommt - Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit


Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit
[Nachdenkseiten]
http://www.nachdenkseiten.de/?p=9927#h13
 


Der Stellenindex der Bundesagentur für Arbeit (BA-X) – ein Indikator für die Nachfrage nach Arbeitskräften in Deutschland – ist im Juni 2011 wieder um drei auf 168 Punkte angestiegen und erreicht einen neuen Höchststand. Nach einem sehr starken Aufwärtstrend ab Mitte 2009 hatte sich der BA-X in den letzten Monaten weniger dynamisch entwickelt. Ursächlich für das hohe Niveau der Arbeitskräftenachfrage ist die gute wirtschaftliche Lage: Zum einen schaffen die Unternehmen neue, zusätzliche Arbeitsplätze. Zum anderen nutzen viele Arbeitnehmer günstige Konjunkturphasen, um ihren Arbeitsplatz zu wechseln. Die Suche nach einer Nachfolge trägt ebenfalls zu weiteren Stellenmeldungen bei. Darüber hinaus berichten Betriebe teilweise von Problemen, ausreichend (hoch-)qualifizierte Fachkräfte zu finden. In Folge dessen dauert die Stellenbesetzung länger und die Stellenzahl bleibt hoch. Großen Bedarf meldet weiterhin die Zeitarbeit, etwa jede dritte gemeldete Arbeitsstelle am ersten Arbeitsmarkt kommt aus dieser Branche. Aber auch im Handel, im Bausektor, in der Gastronomie oder im Gesundheitssektor werden aktuell zahlreiche Mitarbeitende gesucht.
Quelle:
Bundesagentur für Arbeit [PDF - 68.8 KB]

http://statistik.arbeitsagentur.de/Statischer-Content/Arbeitsmarktberichte/Berichte-Broschueren/Stellenangebot/Stellenindex-der-BA/Generische-Publikationen/Ba-X-201106.pdf

Anmerkung WL: Nicht nur, dass jede dritte der gemeldeten Stellen aus der Zeitarbeitsbranche kommt, um ein realistisches Bild über den Arbeitsmarkt zu haben, wäre es darüber hinaus wichtig, wie viele Vollzeitjobs angeboten werden, wie viele befristete und wie viele unbefristete Stellen angeboten werden. Die Bundesagentur folgt vor allem einer quantitativen Betrachtung des Arbeitsmarkts, die Qualität der angebotenen Arbeit bleibt weitgehend unberücksichtigt.



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Mittwoch, 29. Juni 2011

#Generation #Praktikum: #Regierung #muss #Missstand #Riegel #vorschieben [via dgb.de]


 

Generation Praktikum: Regierung muss Missstand Riegel vorschieben

 

"Die Bundesregierung muss sich dem Missstand von Praktikantinnen und Praktikanten endlich entgegenstellen", forderte Ingrid Sehrbrock, stellvertretende DGB-Vorsitzende, am Mittwoch in Berlin anlässlich einer Anhörung im Bildungsausschuss des Bundestages zur Situation von Praktikanten mit Hochschulabschluss:

 

"Alle Welt redet vom Fachkräftemangel, aber die naheliegendsten Maßnahmen ihm entgegenzuwirken, werden nicht ergriffen.

 

Immer noch glauben viele Unternehmen, sie könnten es sich erlauben, Hochschulabsolventen als Praktikanten zu beschäftigen, oft sogar ohne Bezahlung.

 

Statt den Fachkräften von morgen attraktive Angebote zu machen, werden sie erst einmal als billige Arbeitskräfte ausgebeutet.

 

Eine aktuelle Studie der DGB-Jugend hat ergeben, dass die Unternehmen mit Praktikantinnen und Praktikanten zunehmend reguläre Arbeitskräfte ersetzen. Bezahlt werden sie selten, Praktika direkt nach dem Studienabschluss kommen sehr häufig vor.

 

Dabei leisten vier von fünf Praktikanten vollwertige Arbeit in den Betrieben und drei von vier geben an, dass sie fest in die Arbeitsabläufe eingeplant sind.

 

Weil die Unternehmen nicht umdenken, muss die Politik handeln.

 

Denn es gibt kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem. Praktika sollen ein Ausbildungsverhältnis sein.

 

Deshalb brauchen wir gesetzliche Regelungen, in denen das Praktikum eindeutig als Lernverhältnis definiert wird. Inhalt, Dauer und Vergütung müssen geregelt und reguläre Stellen dürfen nicht durch Praktika ersetzt werden. Die Praktikumsdauer muss auf drei Monate begrenzt und mit mindestens 300 Euro pro Monat vergütet werden."

 

 

 

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Deutscher Gewerkschaftsbund

PM 112

29.06.2011

www.dgb.de

Verantwortlich: Sigrid Wolff

Postfach 11 03 72, 10833 Berlin
Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin
Telefon 030-24060-211

Telefax 030-24060-324

 

 

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Der #Ex-Verfassungsrichter #wiederholt #alte #Fehler: #Kirchhofs #Modell #ist #unsozial VON ULRIKE HERRMANN [via taz]


Steuermodell von Paul Kirchhof

Der Professor aus Heidelberg

Paul Kirchhof meldet sich zurück und präsentiert ein neues Steuermodell.

Der Ex-Verfassungsrichter wiederholt alte Fehler: Er verwechselt Äpfel mit Birnen.

[via taz]

VON ULRIKE HERRMANN

http://www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/der-professor-aus-heidelberg/

 


Paul Kirchhof kann offenbar nicht zuhören. Denn der ehemalige Verfassungsrichter begeht den gleichen Fehler nun zum zweiten Mal. Wieder schlägt er eine Steuerreform vor, die vor allem Millionäre begünstigt.

Dabei endete schon Kirchhofs erster Ausflug in die reale Steuerpolitik desaströs. Im Wahlkampf 2005 wurde er plötzlich in das Schattenkabinett von Unionskandidatin Angela Merkel berufen - und nach nur vier Wochen war sein Ruf zerstört. Bis dahin hatte Kirchhof als eine Koryphäe des Steuerrechts gegolten, danach war er eine nationale Lachnummer, die für die Stimmenverluste der CDU verantwortlich gemacht wurde. Denn der damalige SPD-Kanzler Gerhard Schröder musste nur über den "Professor aus Heidelberg" spotten, da johlte jeder Saal.

Auch Steuerlaien verstanden nämlich sofort, dass die "Flattax" nicht gerecht sein kann, die Kirchhof vorschlug. In seinem Modell sollen ein Multimillionär und ein normaler Facharbeiter den gleichen Steuersatz zahlen - nämlich 25 Prozent. Derzeit liegt der Spitzensteuersatz für Reiche bei 45 Prozent.

Kirchhof hat sich hinterher bitter über die "Niedertracht" beschwert, die er in Schröders Reden ausmachte. Doch gelernt hat der Professor nicht. Noch immer scheint er nicht verstanden zu haben, warum Schröders Spott so zielgenau funktionierte.

Kirchhof begeht einen Denkfehler, der bei allen Fans der Flattax verlässlich auftaucht: Sie erscheint ihm "einfach" - während das heutige Steuerrecht angeblich so kompliziert ist, dass es dringend entrümpelt werden muss. 33.000 Steuerparagrafen will Kirchhof streichen, nur 146 sollen übrig bleiben.

Kirchhofs Modell ist unsozial

Was Kirchhof dabei nicht bedenkt: Auch die heutige Progression ist einfach, die Chefärzte höher besteuert als Krankenpfleger. Gerade weil die Progression ein so schlichtes Instrument ist, verstehen sogar Laien sofort, dass Kirchhofs Modell unsozial wäre.

Kirchhof verwechselt beharrlich Äpfel mit Birnen - macht also einen "Kategorienfehler", wie Philosophen dies nennen: Es stimmt zwar, dass das Steuerrecht wahnsinnig verschachtelt ist und niemand einsieht, warum Hundefutter vom reduzierten Mehrwertsteuersatz profitiert. Aber ausgerechnet die Progression gehört nicht zu diesem Wahnwitz - weswegen selbst Laien zielsicher erspüren, dass Kirchhof mit seiner Steuervereinfachung auch ein ideologisches Konzept verfolgt. Die Eliten sollen entlastet werden.

Was die Laien sofort bemerken, scheint Kirchhof aber zu entgehen. An seinen Auftritten erstaunt immer wieder, mit welchem naiven und selbstgerechten Missionsdrang er seine Steuerreform vorträgt. Sein Modell ist für ihn die Wahrheit - nicht Teil eines politischen Verteilungskampfes. Während er dezidierte Interessen bedient, hält er sich für einen Wissenschaftler jenseits aller Interessen.

Damit ist Paul Kirchhof der typische Vertreter einer Oberschicht, für die es völlig selbstverständlich ist, zur Oberschicht zu gehören. Der eigene Status wird zu einer Art sozialem Naturgesetz erklärt. Dabei wird auch ausgeblendet, wie hilfreich die eigene Herkunft ist. Schon Kirchhofs Vater war Karrierejurist und Richter am Bundesgerichtshof. Daher wirkt es nicht wie ein Zufall, dass Kirchhofs Bruder Ferdinand nun ebenfalls am Bundesverfassungsgericht amtiert.

Paul Kirchhof stammt aus einem geschlossenen Kosmos, was seine soziale Fantasielosigkeit vielleicht erklärt. Es ist jedenfalls keine Niedertracht, sondern höchst zutreffend, wie Schröder ihn tituliert hat: Kirchhof ist ein "Professor aus Heidelberg".



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#Steuersenkungsdebatte - Der #Ex-Verfassungsrichter #wiederholt #alte #Fehler: Er #verwechselt #Äpfel mit #Birnen.


Steuersenkungsdebatte
[Nachdenkseiten]
http://www.nachdenkseiten.de/?p=9913#h01

  1. So radikal stutzt Kirchhof das Steuerrecht
    Es werde Licht: weniger Steuerarten, weniger Privilegien, weniger Bürokratie. Paul Kirchhof ist ein positiv Verrückter und glaubt an den großen Wurf. Der "Professor aus Heidelberg" will das deutsche Steuersystem radikal vereinfachen. Das hätte auch Einfluss auf Erbschaften – und auf den Bierpreis.
    Quelle:
Süddeutsche Zeitung

Anmerkung Jens Berger: Warum ein Lobbyist, der die Einkommensteuer auf 25% senken will, ein "positiv" Verrückter sein soll, weiß wohl auch nur die Süddeutsche. Es ist ohnehin komplett unverständlich, warum sich in dieser Woche alle großen Zeitungen und Zeitschriften dazu berufen fühlen, den abgestandenen Steuersenkungsirrwitz des Professors aus Heidelberg auszugraben.

Alleine WELT-Online brachte gestern gleich drei durchweg unkritische Artikel zum Thema Kirchhof:

Paul Kirchhof will Steuerrecht radikal vereinfachen
  • Kirchhof glaubt an baldige Umsetzung seiner Reform
  • Kirchhofs Entwurf hat das Zeug zum Befreiungsschlag
  • Ulrike Herrmann – Der Professor aus Heidelberg
    Paul Kirchhof meldet sich zurück und präsentiert ein neues Steuermodell. Der Ex-Verfassungsrichter wiederholt alte Fehler: Er verwechselt Äpfel mit Birnen.
    Paul Kirchhof kann offenbar nicht zuhören. Denn der ehemalige Verfassungsrichter begeht den gleichen Fehler nun zum zweiten Mal. Wieder schlägt er eine Steuerreform vor, die vor allem Millionäre begünstigt.
    Quelle:
  • taz

    Anmerkung AM: Sehr lesenswert und zum weitergeben geeignet.

  • Der kalten Steuerprogression auf der Spur
    Die Bundesregierung will die Steuern senken – wahrscheinlich wird deshalb die kalte Progression beseitigt. Doch was ist das überhaupt und wen trifft sie? FTD.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
    Quelle:
  • FTD

    Anmerkung Jens Berger: Die FTD liefert hier ein Paradebeispiel der medialen Verblödung. Stellt sich die Frage, ob die zuständige Redakteurin es nicht besser weiß oder wirklich mit Absicht Falschinformationen verbreitet:

    Wie entsteht Progression?
    Wenn Arbeitnehmer höhere Löhne als Ausgleich für Inflation erhalten, wandern sie in immer höhere Steuerklassen [...] Grund: Der progressive Steuertarif. Der ist so konstruiert, dass die Belastung nicht gleichmäßig steigt, sondern umso schneller, je mehr man verdient.

    Das ist natürlich

    falsch. Die Belastung steigt in der ersten Progressionszone am stärksten – das sind die Einkommen zwischen 8.005 und 13.469 Euro. Bei höheren Einkommen steigt die Belastung nicht "schneller", sondern langsamer.

    Was kann man dagegen tun?
    [...] Zudem könnte die Einkommensteuerkurve bei den unteren Einkommen abgeflacht werden, sodass die Belastung dort sinkt.

    Auch das ist falsch. Wenn man die Kurve im unteren Bereich abflacht, steigt der Eingangssteuersatz und somit die Belastung.




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    #Wider die #Politik des #asozialen #Reichtums - #Grundeinkommen #durch #Reichtumssteuer


    Wider die Politik des asozialen Reichtums

    Rede zum 75-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH)

    Zürich am 16. Juni 2011 im Volkshaus Zürich.

     

    Wir geben den Text leicht gekürzt wieder. 

     

    [via http://www.haelfte.ch/ ]


    Von Oswald Sigg

     
    Es ist üblich geworden, vor einem solchen Vortrag seine Interessenbindungen offen zu legen: ich gehöre keinem Verwaltungsrat an. Ohnehin ist man wohl stärker geprägt durch die familiäre und soziale Herkunft. Aufgewachsen bin ich in Höngg und stamme aus einer mittelständischen Familie. Mein Vater verbrachte seine Jugend auf einem Bauernhof in Ossingen und studierte am Eidgenössischen Polytechnikum in Zürich Landwirtschaft.
     
    Er hatte sich das Studium als Dorfschullehrer in Rafz verdient und arbeitete später als Steuerkomissär des Kantons Zürich. Er war für die steuerliche Einschätzung der Bauern verantwortlich.
     
    Die Bauern sassen damals auf stark verschuldeten Betrieben – ein grosses soziales Problem der Zwischenkriegszeit. Meine Mutter stammte aus ganz einfachen Verhältnissen, sie konnte keine Lehre machen, weil ihre Brüder etwas werden mussten, der eine Coiffeur, der andere kfm. Angestellter.
     
    Ihr blieb das Los einer Serviertochter übrig. Aber: sie war kämpferisch. Sie arbeitete sich von der Serviertochter im Bahnhofbuffet Sargans über die Saaldame in einem Hotel in Neapel und über die Kellnerin im holländischen Seebad Scheveningen bis zur Serviertochter im Bahnhofbuffet Zürich empor. Und zwar, wie sie betonte, im Buffet Zürich 1. Klasse. Sie war klassenbewusst, meine Mutter. Übrigens, meine Tante, auch in Höngg wohnhaft, war Lehrerin und Sozialistin, und sie unter-stützte das Arbeiterhilfswerk. Durchaus möglich, dass sie zu den Mitgründerinnen der proletarischen Kinderhilfe gehörte. Damals.

     Für Menschen in der Arbeitswelt

     75 Jahre SAH Zürich. Das sind 75 Jahre Sozialhilfe. 75 Jahre praktische Sozialpolitik an der Basis. Das bedeutet eine Vielzahl einzelner Angebote, wohl weit über 100 verschiedene Formen der Unterstützung von Menschen, die in unserer Arbeitswelt Hilfe benötigen.

     Vom Assessment über die AVIG-Orientierung in arabischer, albanischer oder portugiesischer Sprache, über berufliche Eignungs-Abklärungen, Rechtsberatung, von der Vermittlung von Stundenarbeit bis zur Stellenvermittlung für Langzeiterwerbslose, Bewerbungs-Training, Kinderferienlager, Bildungstage, Arbeitstraining, Gesundheitsförderung, Deutschkurse, usw. usf..

     Besonders angetan bin ich von den SalSAH- und SAHltinbocca-Angeboten, einfach weil ich zuhause immer gern zum Abendessen gekocht habe und mich dabei vom Bundeshaus erholen konnte. Am besten beim Zwiebeln hacken für die Salsa, da konnte man sich wieder einmal richtig ausweinen. Ich möchte endlich etwas Neues lernen in der Küche, also wenn ihr da einen Platz frei habt ( … ).

     Freiwllige Sozialarbeit

     Das SAH wendet sich aber nicht nur an Betroffene, sondern es bietet auch Möglichkeiten der freiwilligen Sozialarbeit an. Und es vermittelt zwischen Gemeindebehörden oder Sozialversicherungen, Unternehmen oder Privaten und den Betroffenen. Eine riesige gesellschaftliche und soziale, kulturelle und politische Integrationsarbeit wird hier tagtäglich verrichtet. Und dies, seit 1932 in Zürich die Proletarische Kinderhilfe, als Vorläuferin des Arbeiterhilfswerks, gegründet wurde.

     
    Das SAH Zürich ist eine Perle der traditionellen Arbeiterbewegung. Es ist aber heute auch ein Kern einer mo-dernen, solidarischen Schweiz. Ich komme darauf zurück.

     Eine absolute Wohltat, das will ich Ihnen hier auch noch sagen, für einen politischen Bürger mindestens, ist die Lektüre des SAH-Leitbilds. Da steht doch: "Wir engagieren uns dafür, dass alle Menschen hier in Würde und sozial gesichert leben können, unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht." So ein einfacher und kluger Satz enthält nicht einmal das sozialdemokratische Parteiprogramm. Und da steht auch: "Wir setzen uns – auf der Grundlage der Menschenrechte – für Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein." Das sind grosse Worte und der Satz klingt wohl etwas pathetisch, aber das SAH Zürich macht ihn glaubwürdig durch die vielen Tatbeweise.

     Und schliesslich: "Wir arbeiten für Menschen, die aus individuellen oder strukturellen Gründen benachteiligt sind." Das sagt mehr als: wir arbeiten für benachteiligte Menschen. Denn wir alle sind die Verlierer in unserer u.a. vom Konsum, vom Profitdenken strukturierten neoliberalen Wirtschaftsgesellschaft. Wir, die arbeitenden Menschen und nicht nur die hier arbeitenden Ausländer, sind in diesen Prozessen zu Fremden geworden.

     
    Die Globalisierung gibt uns nicht das Gefühl, hier zuhause zu sein. Wir alle sind die Opfer der betriebswirtschaftlichen Ideologie geworden, welche heute die weltweite Basis des Unternehmertums ist. Der Effizienzwahn, gekoppelt mit dem Irrglauben ewigen Wachstums, produziert bei den Mitarbeitenden vor allem eines: Stress. Viele unter ihnen fallen infolge Krankheit dauerhaft aus dem Arbeitsprozess. Deshalb wohl bastelt man in der innovativen Finanzwirtschaft, so habe ich kürzlich gelesen, an einem neuen Typus von Unternehmen, der gänzlich ohne Fabriken und damit auch ohne Arbeitende auskommen soll.

     Das SAH ist Teil einer grossen Bewegung, die den Kern einer solidarischen Schweiz darstellt. Damit wir eine solche entwickeln können, müssen wir auch politisch aktiver werden.

     Entsolidarisierung in der Gesellschaft

     Der zentrale, die soziale und solidarische Qualität einer Gesellschaft bestimmende Faktor ist die Arbeit. Wir arbeiten für andere. Wir arbeiten für uns.

     
    Wer keine sinnvolle Arbeit verrichten kann, verarmt. Nicht nur im ökonomischen, auch im geistigen Sinn. Dieser Armut gegenüber steht der materielle Reichtum. Gesellschaftlich ist der Reichtum dann sinnlos, wenn er nur gerade Besitz oder Erbschaft  darstellt. Aus der Spanne zwischen Armut und Reichtum liest sich die Asozialität, die Entsolidarisierung einer Gesellschaft ab. In der Schweiz haben wir es damit sehr weit gebracht.

     Aus dem Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) geht hervor: Der grösste Teil der Bevölkerung hat am wachsenden Reichtum in unserem Land nicht nur keinen Anteil.

     
    Durch die Erhöhung der indirekten Steuern und Gebühren und Abgaben sowie der Kopfprämien für die Krankenkassen haben viele Leute weniger Geld zum Leben als noch vor gut zehn Jahren. Demgegenüber gibt es heute sieben mal mehr Gehaltsmillionäre, annähernd 3'000. Die höchstbezahlten Manager haben ihre Löhne real um über 20% steigern können, während die tiefen Löhne um ca. 2% gestiegen sind. Anhand der Vermögensverteilung sieht man deutlich, wie die Reichen noch reicher geworden sind.
     
    Die Hälfte des Gesamtvermögens gehörte 1997 noch etwas über 4% der Bevölkerung. Heute gehört die Hälfte des ganzen Vermögens 2 % der Bevölkerung. So sieht also das Robotbild einer Sozialpolitik mit umgekehrten Vorzeichen aus.  Es ist die asoziale Politik der ungehemmten Reichtumsakkumulation. Gefördert durch kommunale und kantonale Siedlungs- und Steuerpolitiken und durch die bundesweite Erleichterung der Unternehmenssteuern.

     Geld bestimmt die Politik

     Das Geld, der Besitz bestimmt auch und gerade die Politik. Die grösste Partei in diesem Land hat am meisten Geld. Das ist kein Zufall. Wir wissen nicht, wieviel und woher sie das Geld hat, aber wir wissen, was sie damit tut. Sie investiert es in Wahlen und Abstimmungen.

     
    Und gewinnt. Auch das ist kein Zufall. Und sie schlägt mit ihrer medialen Macht zum Beispiel die öffentliche Sozialpolitik sturmreif. Was heisst das? Die Bezüger öffentlicher und privater Sozialhilfe werden stigmatisiert und verachtet.
     
    Als Scheininvalide behandelt, die uns auf der Tasche liegen. Ich habe in meiner Arbeit für die "Hälfte" einen IV-Bezüger kennen gelernt, der aufgrund dieser kollektiven Verachtung in seiner Nachbarschaft richtig und dauerhaft krank wurde. Er musste umziehen und er ist damit nicht gesund geworden.

     Das Misstrauen gegenüber Sozialhilfeempfängern schleicht sich mittlerweilen in die Gesetze ein. Zwei Beispiele. Im Kanton Bern kann jemand nur Sozialhilfe beanspruchen, wenn er auf den Schutz seiner persönlichen Daten verzichtet. In Basel kann ein Sozialhilfeempfänger ohne Einkünfte und Vermögen zu Zwangsarbeit verpflichtet werden. Verläuft diese nicht zur Zufriedenheit der kantonalen Verwaltung, kann sie die Leistungen bis zu 100 % kürzen.   

     Mit ihrem vielen Geld bringt die Milliardärenpartei aber auch grundrechtswidrige Volksinitiativen an die Urne und sorgt mit einer menschenverachtenden Propagandawalze dafür, dass diese auch angenommen werden.  Stichworte: Minarettverbot und Ausschaffung krimineller Ausländer. Oder sie sorgt in den nationalen Wahlen dafür, dass sich in der Schweiz die grösste rechtsextreme Partei Europas breit macht.

     Wir haben eine direkte Demokratie, aber sie ist zur Aktionärsdemokratie geworden. Sie funktioniert nach dem Prinzip der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft: nicht der Mensch zählt dort, sondern der Besitz.

     Wir sollten staatspolitisch und sozialpolitisch aktiv werden. Staatspolitisch: Wir sollten die direkte Demokratie schützen. Die Finanzierung der Parteien ist als erstes gesetzlich zu regeln. Der Missbrauch der Volksrechte muss bekämpft werden. Und wir sollten sozialpolitisch aktiv werden. Die Umverteilung um 180 Grad drehen, von oben nach unten.

     Grundeinkommen durch Reichtumssteuer

     Die Linke hat das schon vor mehr als 75 Jahren versucht. In den zwanziger Jahren haben die Sozialdemokraten und die Kommunisten in Deutschland eine Volksinitiative zur Enteignung der Fürsten zur Abstimmung gebracht. Natürlich ohne Erfolg. Zur selben Zeit lancierte in der Schweiz die Linke mit den Gewerkschaften die Vermögensabgabeinitiative.

     
    Die grossen und grössten Vermögen sollten zur Tilgung der während des Weltkriegs entstandenen Staatsschulden herbeigezogen werden. Es kam zu einer historischen Abstimmungsschlacht.
     
    Über 86% der Stimmbürger gingen zur Urne. Und fast alle stimmten für die Reichen.
     
    Nach den vergeblichen Versuchen mit den Reichtumssteuer-Initiativen in den letzten dreissig Jahren sollten wir wieder einen neuen, aber einen ganz anderen  Anlauf starten. Wir leben ja in einem Land der Minderheiten und bis jetzt haben wir in den Abstimmungen meistens die Minderheit der Reichen in den Schutz genommen. Es wäre an der Zeit, einmal etwas für die grosse Mehrheit, etwas für alle zu tun.

     Es ist heute eine Idee, eine Utopie im Umlauf, die man für die Umverteilung von oben nach unten gezielt einsetzen könnte: das bedingungslose Grundeinkommen. Seine heutigen Verfechter wollen es über Konsumsteuern finanzieren. Einfacher und sozialer wäre es, wenn ein Grundeinkommen für alle über die Abschöpfung des immensen Reichtums in der Schweiz finanziert würde. 

     Eine solche Idee müssten wir hartnäckig verfolgen. Sie wäre die wirkliche Umverteilung. Dann wären wir auf dem Weg zu einer solidarischen Schweiz. Denkt daran: wir sind hier im Volkshaus. Von hier sind seit je die besseren Ideen hervorgegangen, als jene aus den Häusern der Volkspartei. Und vielleicht, wenn das SAH Zürich den 150. Geburtstag hier feiert, dann gibt es diese solidarische Schweiz.

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    #Die #gewollte #Reservearmee #an #Arbeitslosen (...) um die #Arbeiterklasse #zu #schwächen und #hohe #Profite zu #realisieren


    Die gewollte Reservearmee an Arbeitslosen – Oder:

    Wie einige Linke das Geschäft der Monetaristen und Rechten betreiben,

    indem sie die Verantwortung der Krise des Kapitalismus zuschieben.

    [Nachdenkseiten]

    Es gibt ein Zitat des ehemaligen britischen Notenbankers Sir Alan Budd, das Gold wert ist für die Argumentation jener, die den Anstieg der Arbeitslosigkeit in den siebziger, in den achtziger Jahren und auch heute für gewollt und damit für vermeidbar halten und – spiegelbildlich – den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit für möglich und für aussichtsreich halten, wenn man nur will und die richtigen Entscheidungen trifft. Sir Alan Budd beschreibt, dass unter Thatcher die Arbeitslosigkeit bewusst erzeugt worden ist, um die Arbeiterklasse zu schwächen und hohe Profite zu realisieren. Das gleiche Spiel begann bei uns schon in den siebziger Jahren und währt bis heute. Albrecht Müller.

    Der ehemalige Notenbanker Sir Alan Budd – seine Biografie siehe

    hier – beschrieb die Geldpolitik der Bank of England unter Margret Thatcher so:

    "Viele "haben nie (…) geglaubt, dass man mit Monetarismus die Inflation bekämpfen kann. Allerdings erkannten sie, dass [der Monetarismus] sehr hilfreich dabei sein kann, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Und die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war mehr als wünschenswert, um die Arbeiterklasse insgesamt zu schwächen. […] Hier wurde – in marxistischer Terminologie ausgedrückt – eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, die die industrielle Reservearmee wiederherstellte, und die es den Kapitalisten fortan erlaubte, hohe Profite zu realisieren." (The New Statesman, 13. Januar 2003, S. 21)

    Hier die

    Originalquelle auf Englisch. http://www.newstatesman.com/blogs/the-staggers/2010/07/class-war-budd-thatcher-cuts

    In Thatchers erster Legislaturperiode kletterte die Arbeitslosenquote auf drei Millionen. Das waren rund 12,5 Prozent im Jahr 1983.

    In Deutschland wurde beginnend schon in den 1970ern auf eine ähnliche Politik gesetzt
    Die Monetaristen bei der Bundesbank haben versucht, die aktive Beschäftigungspolitik der Regierung Schmidt zu konterkarieren – mit massiven Zinserhöhungen schon Anfang der siebziger Jahre und dann immer wieder, zum Beispiel 1980 mit einer Erhöhung der kurzfristigen Zinsen von 3,7 auf 12,2 %, dann im Vorfeld von 1992 mit einer Diskontsatzerhöhung von 2,9 auf 8,75 %. (In Kapitel III meines Buches "

    Machtwahn" ist dies ausführlich dokumentiert.)
    Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff und sein Hintermann Hans Tietmeyer haben schon im Kabinett Schmidt am gleichen Strang gezogen. Das Lambsdorff -Papier vom September 1982 war dann nicht nur die "Scheidungsurkunde" der sozialliberalen Koalition, sondern auch ein Dokument, mit dem die Durchsetzung der Politik zur Schwächung der Arbeitnehmerschaft festgeschrieben wurde.
    Die von den Monetaristen geprägte Geld- und Zinspolitik war begleitet von einer massiven Agitation gegen Konjunkturprogramme und aktive Beschäftigungspolitik. Diese Agitation begann schon zu Zeiten der Regierung Schmidt gegen Ende der siebziger Jahre. Sie war massiv, und ihre Massivität ist nicht verständlich, wenn man das Motiv, die Erzeugung einer Reservearmee von Arbeitslosen, nicht beachtet.

    Natürlich geben die Monetaristen und neoliberalen Erzeuger einer Reservearmee von Arbeitslosen nicht zu, dass sie mit Absicht darauf hingearbeitet haben.

    Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass sie auch von linker Seite von der Verantwortung für die Schwächung der Arbeitnehmerschaft, für die hohe Arbeitslosigkeit und einen großen Niedriglohnsektor freigesprochen werden.

    Erstaunlich ist das nur dann nicht, wenn man bedenkt, dass die in den siebziger Jahren beginnende hohe Arbeitslosigkeit und gleichzeitig wachsende Verschuldung des Staates in das Schema linker Theorien von der Krise des Kapitalismus passt.
    Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die von den Monetaristen/Neoliberalen willentlich herbeigeführte hohe Arbeitslosigkeit, die auf Schwächung der Arbeiterklasse bewusst angelegt war und ist, wird von den politischen Gegnern der Monetaristen und neoliberalen Kräfte als Zeichen des Scheiterns des Systems des Kapitalismus betrachtet und deshalb als solches trotz des damit geschaffenen Elends hingenommen. Der gegebene Freiheitsgrad zum politischen und wirtschaftspolitischen Gegensteuern wird und muss auch von linker Seite geleugnet werden.
    Deshalb muss man leider feststellen, dass diese Linke objektiv betrachtet den neoliberalen Kräften in die Hände spielt.

    Das Zitat des britischen Notenbankers Budd belegt glücklicherweise die Motive der Akteure und zugleich die Ahnungslosigkeit der Kräfte auf der linken Seite, die die bewusst herbeigeführte Reservearmee und Schwächung der Arbeitnehmerschaft als Zeichen der Krise des Kapitalismus betrachten

    Dies alles ist hochaktuell. In der Debatte um Wachstum, um Systemveränderung und um das angebliche Scheitern der konjunkturpolitischen Instrumente nach den Vorstellungen von Keynes taucht das Motiv der Krise des Kapitalismus, wie sie angeblich in den siebziger Jahren sichtbar geworden sei, immer wieder auf. Ich verweise auf die in meinem Beitrag vom 21. April über Wachstumswahn et cetera zitierten Texte und zum Beispiel auch auf Vorbereitungspapiere zum attac-Kongress in Berlin und die dafür geschaltete

    Beilage in der TAZ [PDF - 741 KB]. (Auf das Programm des Kongresses verweise ich trotz kritischer Betrachtung. Siehe dazu den Artikel über Wachstumswahn etc. vom 21. April und einen weiteren, noch kommenden.)

    Zwei Dinge sind noch anzumerken:

    Erstens: Die herrschende Wissenschaft hat die Strategie der Schwächung der Gewerkschaften und der Arbeitnehmer kräftig unterstützt. Dafür steht zum Beispiel der Münchner Ökonom Hans-Werner Sinn, aber auch der gesamte Sachverständigenrat. Typisch für diesen war zum Beispiel, dass er in einem Jahresgutachten an der Schwelle zu einem deutlich erkennbaren Wirtschaftsabschwung im November 2000 erklärte: die Konjunktur läuft rund. Das hat dann die Bundesbank und die Bundesregierung dazu ermuntert, restriktiv zu verfahren.

    Zweitens: Die Gewerkschaften haben total versagt. Sie haben die Strategie ihrer Gegner nicht erkannt, jedenfalls nichts dagegen unternommen, nicht einmal diese Strategie so offen gelegt, wie es der zitierte britische Notenbanker verdienstvoller weise tat.



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    #Lob für #Niedriglohn + #Hetze #gegen #Arbeitslose am #Existenzminimum - #Working poor als #Sozialstaatsprogramm [auch in Dresden!]


    Die Hartz-IV-Debatte:

    Lob für Niedriglohn und Hetze gegen Arbeitslose am Existenzminimum
    Working poor als Sozialstaatsprogramm

    [via ardusiss.de]

     

    Jonas Köper - 15.4.2010

    Teil 1. Lage der Lohnabhängigen 2010 in D: Tendenz Existenzminimum

    Teil 2. Gerechtigkeit und Lohnabhängigkeit: Ideologie und ihr Nutzen
    Lohnabhängigkeit: Lohnarbeit und Arbeitslosigkeit

    Teil 3. Lohnabhängigkeit:
    kombiniert den Bedarf des Kapitals nach rentabler Arbeit
    mit dem Bedarf des Volkes nach Arbeitseinkommen – ein Gegensatz

    Teil 4. Sozialstaat: Den Gegensatz von rentabler Arbeit fürs Kapital
    und Reproduktion aus Lohnarbeit nützlich halten

    Teil 5. Agenda 2010 Bilanz:

    Standortziel "flexibler Arbeitsmarkt" erreicht - zugleich "Sozialstaat überfordert!"

    Teil 6. Sozialstaat ist Agent des allgemeinen Gesetzes der Akkumulation auf dem Arbeitsmarkt,
    organisiert Existenzformen der relativen Überbevölkerung und die Unkosten (Das Kapital I, 665, 673f.)

    Teil 7. Nachträge und Diskussion

    Literaturhinweise:
    Artikel zum Thema im
    GegenStandpunkt gibts hier und hier

    Grundsätzliches findet sich hier:
    Sonderdruck aus GegenStandpunkt 4-96:
    "Beschäftigung" – "Globalisierung" – "Standort" ...
    Anmerkungen zum kapitalistischen Verhältnis zwischen
    Arbeit und Reichtum
    61 Seiten € 5.–
    ISBN-13: 978-3-929211-08-5
    ISBN-10: 3-929211-08-4

    sowie hier:
    Peter Decker / Konrad Hecker
    Das Proletariat
    Politisch emanzipiert – Sozial diszipliniert – Global ausgenutzt – Nationalistisch verdorben –
    Die große Karriere der lohnarbeitenden Klasse kommt an ihr gerechtes Ende
    München 2002
    288 Seiten A5 € 20.–
    ISBN-13: 978-3-929211-05-4
    ISBN-10: 3-929211-05-X

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    #Ideologie und #Wahrheit des #Gemeinspruchs: "Sozial ist, was Arbeit schafft!" #Niedriglohn #als #Staatsprogramm [via argudiss.de]

     

    Klarstellungen zur elenden öffentlichen Debatte über Hartz-IVler und andere Sozialfälle mit und ohne Arbeit:

    Ideologie und Wahrheit des Gemeinspruchs: "Sozial ist, was Arbeit schafft!"

    Niedriglohn als Staatsprogramm

     
     
    [via argudiss.de]

    Veranstaltung vom 18.03.2010 in München

    Referent: Wolfgang Möhl, Redakteur des GegenStandpunkt

     

    Teil 1: Eine öffentliche Debatte und die aktuelle Lage

    Teil 2: Gerechtigkeit am Arbeitsmarkt: Kritik des Gerechtigkeitsargumentes

     
     

    Teil 3+4: Kapitalwachstum – Arbeitsmarkt – und Sozialpolitik

     

    Teil 5: Der neues Reformbedarf mit Hartz IV und Mindestlohn: Niedriglohn als Normalexistenz

     

    Teil 6: Der Sozialstaat als Agentur des "allgemeinen Gesetzes der kapitalistischen Akkumulation" (Marx)

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    #Herrschaft und #Ökonomie [via Nachdenkseiten]


    Herrschaft und Ökonomie

    [Nachdenkseiten]
    http://www.nachdenkseiten.de/?p=9922

    Einige ergänzende Hinweise zu dem Beitrag von Albrecht Müller "Die gewollte Reservearmee an Arbeitslosen – Oder: Wie einige Linke das Geschäft der Monetaristen und Rechten betreiben, indem sie die Verantwortung der Krise dem Kapitalismus zuschieben".

    Von Christian Girschner

    Kürzlich hatte Albrecht Müller einen interessanten Hinweis über den herrschaftsabsichernden Hintergrund der neoliberalen Wirtschaftspolitik gegeben: "Der ehemalige Notenbanker Sir Alan Budd (…) beschrieb die Geldpolitik der Bank of England unter Margret Thatcher so: "Viele haben nie (…) geglaubt, dass man mit Monetarismus die Inflation bekämpfen kann. Allerdings erkannten sie, dass [der Monetarismus] sehr hilfreich dabei sein kann, die Arbeitslosigkeit zu erhöhen. Und die Erhöhung der Arbeitslosigkeit war mehr als wünschenswert, um die Arbeiterklasse insgesamt zu schwächen. […] Hier wurde – in marxistischer Terminologie ausgedrückt – eine Krise des Kapitalismus herbeigeführt, die die industrielle Reservearmee wiederherstellte, und die es den Kapitalisten fortan erlaubte, hohe Profite zu realisieren." (The New Statesman, 13. Januar 2003, S. 21)" (

    Müller 2011)

    Das Zitat von A. Budd über die politisch bewusst herbeigeführte Schwächung der Arbeiterklasse durch eine neoliberale Geldpolitik bestätigt eine frühere Feststellung des polnischen Ökonomen und Wegbereiter des Keynesianismus Michal Kalecki über den "Klasseninstinkt" der Kapitalisten. Kalecki wies darauf hin, dass die Kapitalisten grundsätzlich aus einem herrschaftsabsichernden Interesse gegen eine staatliche Politik der Vollbeschäftigung eingestellt seien, auch wenn sich dadurch ihre Rendite verschlechtern sollte. Denn Vollbeschäftigung untergräbt in den Augen der Kapitaleigentümer die Disziplin und Unterwürfigkeit der arbeitenden Klasse, verursacht "unnötige" gesellschaftspolitische Konflikte: Die "permanente Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung" würde nämlich "soziale und politische Veränderungen auslösen, die den Widerstand der wirtschaftlich Mächtigen erneut anstacheln würden. In einem Zustand permanenter Vollbeschäftigung nämlich würde die Kündigung aufhören, als Disziplinierungsmaßnahme eine Rolle zu spielen. Die soziale Position des Chefs würde unterminiert, und gleichzeitig würden in der Arbeiterklasse Selbstsicherheit und Klassenbewusstsein wachsen. Streiks zur Erreichung höherer Löhne und verbesserter Arbeitsbedingungen würden politische Spannungen schaffen."

    Obwohl unter diesen Bedingungen auch die "Profite höher sein" würden, "als sie es im "Laisser-faire" durchschnittlich sind", bewerten die "Mächtigen der Wirtschaft "Arbeitsdisziplin" und "politische Stabilität" höher als die Profite. Der Klasseninstinkt sagt ihnen, dass permanente Vollbeschäftigung von ihrem Standpunkt aus "ungesund" ist und dass Arbeitslosigkeit einen integralen Bestandteil der normalen kapitalistischen Wirtschaft darstellt." (Kalecki 1943/1971: Politische Aspekte der Vollbeschäftigung, in: M. Kalecki 1987: Krise und Prosperität im Kapitalismus. Ausgewählte Essays 1933-1971, Marburg, S. 237f.)

    Allerdings schließt dies nach Ansicht von Kalecki nicht aus, dass in einer schweren Wirtschaftskrise die Machtelite aus gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Stabilitätsüberlegungen vorübergehend auf kreditfinanzierte Staatsprogramme zurückgreift. Damit nahm Kalecki vorweg, was wir auch in der Weltwirtschaftskrise 2008/9 wirtschaftspolitisch erlebten: Auf dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise wurden entgegen der bis dahin verfochtenen neoliberalen Doktrin der freien Märkte rasch kreditfinanzierte Konjunktur- und Bankenrettungsprogramme aufgelegt, anschließend folgte die Rückkehr zur neoliberalen Wirtschafts- bzw. Autoritätspolitik. "Es sieht zur Zeit aus, als würden die Mächtigen der Wirtschaft und ihre Experten – oder zumindest ein Teil von ihnen – wohl oder übel bereit sein, kreditfinanzierte Staatsausgaben als ein Instrument zur Linderung von Depressionen zu akzeptieren. Die Schaffung von Beschäftigung durch die Subventionierung des privaten Konsums und die permanente Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung scheinen sie jedoch einhellig abzulehnen. (…) In der Depression werden – entweder aufgrund des Drucks der Massen oder auch ohne ihn – kreditfinanzierte staatliche Investitionen getätigt, um einer Arbeitslosigkeit großen Ausmaßes vorzubeugen. Heftigen Widerstand der wirtschaftlich Mächtigen wird es jedoch wahrscheinlich dann geben, wenn es zu Versuchen kommt, diese Methode auch zur Aufrechterhaltung des hohen Beschäftigungsniveaus einzusetzen, das während des (der Depression folgenden) Booms erreicht worden ist. Es wurde bereits dargelegt, dass permanente Vollbeschäftigung überhaupt nicht nach ihrem Geschmack ist. Die Arbeiter würden "außer Kontrolle geraten" und die Industriekapitäne würden darauf brennen, ihnen "eine Lektion zu erteilen"." (ebd., S. 241)

    Sowohl die oben zitierte Aussage von Sir Alan Budd über den verheimlichten politischen Zweck der neoliberalen Geldpolitik als auch die Ausführungen von Kalecki offenbaren, dass es die herrschaftssichernde Strategie der "Mächtigen der Wirtschaft" ist, die Arbeitslosigkeit als ein soziales und politisches Disziplinierungsinstrument gegenüber den Lohnabhängigen einzusetzen. Aber gerade diese Erkenntnis, so bemängelte Müller, wird derweil von linker Seite häufig ignoriert, weil diese nicht in das verbreitete "Schema linker Theorien von der Krise des Kapitalismus passt":
    "Natürlich geben die Monetaristen und neoliberalen Erzeuger einer Reservearmee von Arbeitslosen nicht zu, dass sie mit Absicht darauf hingearbeitet haben. Umso erstaunlicher ist die Tatsache, dass sie auch von linker Seite von der Verantwortung für die Schwächung der Arbeitnehmerschaft, für die hohe Arbeitslosigkeit und einen großen Niedriglohnsektor freigesprochen werden. Erstaunlich ist das nur dann nicht, wenn man bedenkt, dass die in den siebziger Jahren beginnende hohe Arbeitslosigkeit und gleichzeitig wachsende Verschuldung des Staates in das Schema linker Theorien von der Krise des Kapitalismus passt. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen: Die von den Monetaristen/Neoliberalen willentlich herbeigeführte hohe Arbeitslosigkeit, die auf Schwächung der Arbeiterklasse bewusst angelegt war und ist, wird von den politischen Gegnern der Monetaristen und neoliberalen Kräfte als Zeichen des Scheiterns des Systems des Kapitalismus betrachtet und deshalb als solches trotz des damit geschaffenen Elends hingenommen. Der gegebene Freiheitsgrad zum politischen und wirtschaftspolitischen Gegensteuern wird und muss auch von linker Seite geleugnet werden. Deshalb muss man leider feststellen, dass diese Linke objektiv betrachtet den neoliberalen Kräften in die Hände spielt." (Müller, ebd.; Herv. im Original)

    Die von A. Müller gemachte Feststellung, dass von linker Seite die gezielt eingesetzte Förderung oder Beibehaltung einer hohen Arbeitslosigkeit als Disziplinierungsmittel der Lohnabhängigen durch die Machtelite gar nicht zur Kenntnis genommen wird, kann beispielhaft anhand von zwei relativ bekannten linken Autoren belegt werden:

    "Aufgrund der weitreichenden Umwälzungen," so erläuterte der französische Sozialphilosoph André Gorz Anfang der 80er Jahre seine ökonomische Krisenauffassung, "die sie mit sich bringt, lässt sich die gegenwärtige Krise mit der ersten industriellen Revolution vergleichen: unsere Gesellschaften zerfallen, unsere Grundordnung stirbt und droht, uns unter ihren leblosen Apparaten zu begraben, um den eigenen Tod zu überleben. Die Schwerkraft des Realen zieht uns zu einem halb toten Kapitalismus, in dem Produktion und soziale Kontrolle, Produktionsapparat und Herrschaftsapparat verschmelzen und in dem eine normalisierende Technokratie fortfährt, ein bereits erloschenes System im Namen von Werten zu verherrlichen, die schon seit langem keine Geltung mehr haben. (…) Die mikroelektronische Revolution drängt uns zu alledem; aber die Trägheit unserer geistigen Kategorien verschleiern uns: wir warten immer noch kläglich darauf, dass die Zukunft uns die Vergangenheit wiederbringt, dass die "Wende" oder der wirtschaftliche "Aufschwung" für Vollbeschäftigung sorgen; dass der Kapitalismus sich von seinem Totenbett erhebt und die Automatisierung mehr Arbeit schafft, als sie beseitigt. (…) Kurz, die Linke blieb auf keynesianische Schemata fixiert, während der Kapitalismus bereits in eine neue lange Krise eintrat: alle Triebfedern des Wachstums waren abgenutzt." (A. Gorz 1983: Wege ins Paradies; Berlin, S.8 u. 25)

    Zwei Jahrzehnte später wiederholen sich die eben zitierten Ansichten über den langsamen Niedergang des Kapitalismus bei Robert Kurz, wenn er ergänzt: Seit den 80er Jahren schlug die Vollbeschäftigung in "eine strukturelle Massenarbeitslosigkeit um. Durch die neuen Potenziale der Rationalisierung erhöhte sich der Sockel dieser Arbeitslosigkeit von Zyklus zu Zyklus. Rapider Abbau der Arbeitsplätze und wachsende Unterbeschäftigung bilden aber nur die Kehrseite einer mangelnden Akkumulation des Kapitals, von der letztlich auch der Welfare-State abhängt. (…) Die rot-grüne Regierung entpuppte sich angesichts immer neuer Rekorde bei den Arbeitslosenzahlen und unter dem Druck der Globalisierung geradezu als Avantgarde verschärfter und tiefer Einschnitte in das System sozialer Sicherung." (Kurz 2005: Das Weltkapital; Berlin, S. 305 u. 308) Angesichts der Ausführungen sowohl über den bevorstehenden Niedergang der kapitalistischen Ökonomie als auch über den "Druck der Globalisierung", weshalb der Staat nur noch als "Getriebener statt Treiber" gegenüber dem Kapital agiert (ebd., 135), darf es einen dann nicht mehr verwundern, wenn R. Kurz Albrecht Müller als "linkskeynesianische(n) Sozialdemokrat(en) (…), ein Fossil der Willy-Brandt-Ära", bezeichnet (ebd., 369). Mit seinem "Schwarzbuch des Kapitalismus" kam R. Kurz 1999 sogar in der "bürgerlichen" Wochenzeitung "Die Zeit" groß heraus. Auf Grund der ansonsten festzustellenden publizistischen Marginalisierung des gesellschaftskritischen bzw. marxistischen Denkens ist dies ein recht ungewöhnlicher Vorgang. Ein positiv eingenommener Rezensent des "Schwarzbuches" konnte dann in der "Zeit" über den schon eingetretenen wie unaufhaltsamen Verfall der kapitalistischen Ökonomie schreiben: "Seitdem der fordistische Boom (…) seinen letzten Seufzer getan hat, also seit Mitte der siebziger Jahre, ist deutlich geworden, dass das alte Erhardsche Versprechen "Wohlstand für alle" peu á peu kassiert wird. Von "Vollbeschäftigung" kann schon lange keine Rede mehr sein; vielmehr sind Unter- und Nichtbeschäftigung für immer größere Bevölkerungsteile an der Tagesordnung und werden es im 21. Jahrhundert noch mehr sein. (…) Mit der dritten industriellen, der mikroelektronischen Revolution, die gemäß betriebswirtschaftlichen Rentabilitätsprinzipien ganze Arbeitspopulationen "freisetzt" und zu "unnützen Essern" degradiert, gelangt der Kapitalismus zusehends an eine historische Schranke – (…)" (

    Schwarzbuch Kapitalismus. Robert Kurz versenkt unser Wirtschaftssystem. Hat er Recht? Eine Kontroverse.)

    Rückblickend erscheinen diese Sätze als vorweggenommene linke Legitimation für die bald darauf einsetzende neoliberale Politik unter Kanzler Schröder, also Steuersenkungen für Konzerne und Reiche, Agenda 2010, Hartz-IV. Schließlich könne man, so hieß es bald in allen Medien unisono, keine "Politik gegen die Wirtschaft", also gegen die Finanzmärkte und Konzerne machen. Für den französischen Soziologen Pierre Bourdieu war es "kein Zufall, dass viele Leute gerade aus meiner Generation ohne große Mühe von einem marxistischen zu einem neoliberalen Fatalismus hinübergewechselt sind. In beiden Fällen hat der Ökonomismus dadurch, dass er der Politik die Bedeutung abspricht, ein Schwinden des Verantwortungsgefühls und eine Demobilisierung zur Folge, denn eine ganze Reihe von Zielen – wie maximales Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Produktivität – werden einfach vorgegeben und stehen nicht mehr zur Diskussion." (Bourdieu 2004: Gegenfeuer; Konstanz, S.69)

    Soweit leistete eine in den 80er Jahren entwickelte marxistische Krisentheorie ihren Beitrag zur schicksalsergebenden Aufgabe einer linken bzw. keynesianisch ausgerichteten Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik, die deshalb auch schon mal in einem "bildungsbürgerlichen" Blatt zustimmend aufgegriffen und popularisiert werden durfte.

    Die in dieser popularisierten marxistischen Krisentheorie vorgenommene Ausblendung der disziplinierenden Wirkung der Arbeitslosigkeit belegt, dass man den herrschaftlichen "Klasseninstinkt" der Kapitalisten gegenüber der Arbeiterklasse bzw. das politische Kräfteverhältnis völlig ignoriert und als unerheblich für die ökonomische Entwicklung betrachtet, denn die kapitalistische Ökonomie folgt in dieser Weltdeutung allein ihren eigenen unerbittlichen Gesetzmäßigkeiten. Entsprechend fällt es diesen linken und herrschaftsvergessenen Krisentheoretikern auch nicht auf, dass eine hohe Arbeitslosigkeit nicht immer bzw. notwendigerweise mit einer mangelnden Profitabilität des Kapitals gleichgesetzt werden darf.

    Wie deutlich wurde, nimmt die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie für das hiesige linke Denken immer noch eine bedeutende Stellung ein. Damit ist zugleich die entscheidende Quelle für die von vielen linken Theorien geteilte Auffassung benannt, wonach das politische oder gesellschaftliche Kräfteverhältnis der kapitalistischen Ökonomie stets "äußerlich" bleibt.

    Diese Auffassung ist vor allem ein Erbe des ökonomisch-quantitativen Modelldenkens ausgehend von David Ricardo, welches auch in der heutigen Wirtschaftswissenschaft weiterlebt. Demzufolge ist die kapitalistische Ökonomie ein in sich abgeschlossenes Universum des Arbeitens, weshalb das "ökonomische System" nur seinen eigenen unerbittlichen ökonomischen Marktgesetzmäßigkeiten folgt. Während diese Gesetzmäßigkeiten bis heute in der Wirtschaftswissenschaft aus einem überhistorisch geltenden Marktmodell des Wirtschaftens abgeleitet werden, verwarf Marx dieses Denken als unhistorisch. Denn die kapitalistische Ökonomie ist für ihn vielmehr eine historisch und spezifisch soziale Form des Arbeitens, die jedoch gesellschaftlich objektive, quasi naturwüchsige und damit unerbittliche Gesetzmäßigkeiten hervorbringt, die die Menschen unbewusst exekutieren müssen.

    Damit übernahm Marx jedoch das von Ricardo aus politischen Gründen entwickelte Ökonomiemodell, welches von allen gesellschaftlichen oder sozialen, kulturellen und politischen Beziehungen separiert ist. Diese quasi für sich seiende Ökonomie konstituiert daher eigene objektive Gesetzmäßigkeiten, die die ökonomische Entwicklung allein bestimmen.

    Entsprechend führt beispielsweise der marxistische Theoretiker Paul Mattick aus, dass das "Marxsche Modell der Kapitalproduktion (…) weder die nationale noch die Weltwirtschaft" repräsentiert, sondern es stellt "ein imaginäres System des Verhältnisses zwischen Kapital und Arbeit dar." (Mattick 1974: Marx und Keynes; Frankfurt/M., S. 288) Deshalb sei die Marxsche "Werttheorie weitgehend axiomatisch und (…) basiert (…) auf hypothetischen Annahmen" (Mattick 1984: Wert und Kapital; in: Prokla Nr. 57, S. 19). In seinen Beiträgen zur ökonomischen Entwicklung hält Mattick trotzdem an diesem Marxschen Modell des Kapitalismus fest. Entsprechend geht er davon aus, dass alle kulturellen, sozialen und politischen Beziehungen die Entwicklung der kapitalistischen Ökonomie nur vorübergehend hemmen, hinauszögern oder beschleunigen, nicht aber die von Marx aufgedeckten kapitalistischen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft setzen bzw. verändern können.

    Dieses ökonomisch-quantitative Modelldenken führt bei Analysen der wirtschaftlichen Entwicklung dann dazu, dass der historische Verlauf der Ökonomie stets unter dieses Ökonomiemodell subsumiert werden muss. Empirische Besonderheiten und Ereignisse, die dem hypothetischen Modell widersprechen, werden deshalb in der Regel zu unbedeutende Oberflächenphänomene erklärt. Mit diesem Kniff wird immer wieder versucht, die Plausibilität des Marxschen Ökonomiemodells vor der komplexen und widersprüchlichen Realität zu retten.

    Zwar ist es richtig, so versucht Mattick dieses Problem des Verhältnisses zwischen Theoriemodell und Empirie zu umschiffen, dass der "Weltkapitalismus (…) nicht das geschlossene System der Marx`schen Theorie" ist, jedoch können die daraus "entwickelten Schlussfolgerungen (…) wie ein "roter Faden" als Orientierungshilfe in der ansonsten fast undurchschaubaren und widersprüchlichen Entwicklung dienen, in deren Verlauf dieselben ökonomischen Gesetze sowohl einen Aufstieg als auch einen Verfall des Systems implizieren können. Marx abstraktes Akkumulationsmodell basiert jedoch auf der Annahme, dass die gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse des Kapitalismus so bleiben, wie sie von Anbeginn waren, und zwar trotz aller möglicher Modifikationen der Marktstruktur." Darüber hinaus erklärt das Marxsche Kapitalismusmodell für Mattick nicht nur den historischen Verlauf der Kapitals, sondern auch sein historisches Ende durch die unausweichlich kommende sozialistische Revolution: "Marx erwartete und prophezeite das Ende des Kapitalismus nicht wegen einer sinkenden Akkumulationsrate und wegen der fallenden Profitrate, sondern weil diese der Kapitalreproduktion immanenten Tendenzen notwendig soziale Bedingungen hervorbringen mussten, die zunehmend unerträglicher für immer größere Schichten der arbeitenden Bevölkerung werden würden und so die objektiven Bedingungen schaffen, aus denen die subjektive Bereitschaft für einen sozialen Wandel entstehen könnte." (ebd., 21)

    Gerade diese Marxsche "Lehre" hatte in der Geschichte des Marxismus zahlreiche Re-Interpretationen und Kontroversen hervorgerufen, um die marxistische (Krisen-)Theorie angesichts der ausbleibenden Revolution wieder mit der "anhaltenden Lebensfähigkeit der bestehenden Gesellschaft in Einklang zu bringen" (Marcuse). Denn entgegen der von Marx prognostizierten Entwicklung erholte sich die kapitalistische Ökonomie immer wieder von ihren Krisen, ja sie expandierte anschließend stetig weiter und wurde immer mächtiger. Zudem erhöhte sich der Lebensstandard der Arbeiterklasse in den Industriestaaten, während sich das vorausgesagte revolutionäre Arbeiterbewusstsein nicht mehr so recht einstellen wollte (H. Marcuse 1964: Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus; Neuwied u. Berlin, S. 45f.).

    Auf der Basis dieses in linken Theorien vorzufindenden ökonomischen Modelldenkens von Marx, welches mit einem "Überlegenheitsfimmel" und "Wirtschaftsfatalismus" (Rudolf Rocker) einhergeht, da man ja nach eigenem Anspruch nicht einigen oberflächlichen empirischen Ereignissen aufsitzt, sondern die ökonomische Entwicklung durch die objektive Gesetzlichkeit des Kapitals begründet, erklärt sich, dass von linker Seite die neoliberale Politik von der Verantwortung für eine hohe Arbeitslosigkeit und einen wachsenden Niedriglohnsektor weitgehend frei gesprochen wird, weil es so gut in "das Schema linker Theorien von der Krise des Kapitalismus passt" (Müller).

    Jedoch bricht das in linken Theorien übernommene Marxsche Modell der kapitalistischen Ökonomie in sich zusammen, wenn man sich eingestehen würde, dass die kapitalistische Ökonomie nicht als ein "autonomes System konstruierbar" ist, "dessen Funktionieren eigenen Gesetzen gehorchte, die von den übrigen gesellschaftlichen Beziehungen unabhängig wären." (C. Castoriadis 1990: Gesellschaft als imaginäre Institution; Frankfurt/M., S. 32) Aber die linke Theoriegemeinde stemmt sich gegen diese Einsicht und hält an dem alten Marxschen Ökonomiemodell fest. Soweit ignoriert man in der marxistischen Theorie als "solche das Handeln der gesellschaftlichen Klassen. Sie "ignoriert" die Wirkung der Klassenkämpfe auf die Verteilung des Sozialprodukts – und damit zwangsläufig auch auf alle anderen Aspekte des Funktionierens der Ökonomie" (ebd., 30) Folglich wird damit "ignoriert", dass der "innere Motor" der kapitalistischen Ökonomie durch die politischen Kämpfe um die Länge des Arbeitstages, Lohnhöhe, Arbeitsintensität, Arbeitsbedingungen, Sozialleistungen und damit von den politischen, sozialen, kulturellen Kämpfen (und Fesseln) in der Gesellschaft determiniert wird. Die von Marx einst postulierten ökonomisch-quantitativen Gesetzmäßigkeiten des Kapitals erweisen sich in dieser Hinsicht vielmehr als vom Klassenkampf bzw. vom politischen Kräfteverhältnis abhängige ökonomische Zwänge und Tendenzen der kapitalistischen Ökonomie.

    Mit dieser Einsicht wird man nicht nur der komplexen Wirklichkeit und Widersprüchlichkeit der kapitalistischen Ökonomie besser gerecht, sondern man überwindet zugleich das an der Wirklichkeit immer äußerlich herangetragene ökonomische Modelldenken von Marx. Aber leider hat sich diese Erkenntnis noch nicht überall herumgesprochen. Dies liegt vermutlich daran – wie Noam Chomsky einmal ausführte -, dass der "Marxismus in die Geschichte der organisierten Religionen (gehört). Man könnte überhaupt die Faustregel aufstellen: Ist ein Begriffssystem nach einem Menschen benannt, dann unterliegt es keinem rationalen Diskurs, sondern ist eben Religion. Kein Physiker bezeichnet sich als Einsteinianer. (…) In Wirklichkeit gibt es eben Individuen, die zur rechten Zeit am rechten Ort waren oder vielleicht zufällig die richtigen Gehirnwellen hatten, und die dann etwas Interessantes unternommen haben. Aber ich kenne keinen, dem nicht auch irgendwelche Fehler unterlaufen wären und dessen Resultate nicht umgehend von anderen verbessert worden wären. Wer sich also als Marxist oder Freudianer oder so etwas sieht, der betet nur vor irgendeinem Altar." (N. Chomsky 1994: Noam Chomsky – Wege zur intellektuellen Selbstverteidigung; Grafenau , S. 219, herausgegeben von M. Achbar)




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