Wider die Politik des asozialen Reichtums
Rede zum 75-jährigen Jubiläum des Schweizerischen Arbeiterhilfswerkes (SAH)
Zürich am 16. Juni 2011 im Volkshaus Zürich.
Wir geben den Text leicht gekürzt wieder.
[via http://www.haelfte.ch/ ]
Von Oswald Sigg
Für Menschen in der Arbeitswelt
75 Jahre SAH Zürich. Das sind 75 Jahre Sozialhilfe. 75 Jahre praktische Sozialpolitik an der Basis. Das bedeutet eine Vielzahl einzelner Angebote, wohl weit über 100 verschiedene Formen der Unterstützung von Menschen, die in unserer Arbeitswelt Hilfe benötigen.
Vom Assessment über die AVIG-Orientierung in arabischer, albanischer oder portugiesischer Sprache, über berufliche Eignungs-Abklärungen, Rechtsberatung, von der Vermittlung von Stundenarbeit bis zur Stellenvermittlung für Langzeiterwerbslose, Bewerbungs-Training, Kinderferienlager, Bildungstage, Arbeitstraining, Gesundheitsförderung, Deutschkurse, usw. usf..
Besonders angetan bin ich von den SalSAH- und SAHltinbocca-Angeboten, einfach weil ich zuhause immer gern zum Abendessen gekocht habe und mich dabei vom Bundeshaus erholen konnte. Am besten beim Zwiebeln hacken für die Salsa, da konnte man sich wieder einmal richtig ausweinen. Ich möchte endlich etwas Neues lernen in der Küche, also wenn ihr da einen Platz frei habt ( ).
Freiwllige Sozialarbeit
Das SAH wendet sich aber nicht nur an Betroffene, sondern es bietet auch Möglichkeiten der freiwilligen Sozialarbeit an. Und es vermittelt zwischen Gemeindebehörden oder Sozialversicherungen, Unternehmen oder Privaten und den Betroffenen. Eine riesige gesellschaftliche und soziale, kulturelle und politische Integrationsarbeit wird hier tagtäglich verrichtet. Und dies, seit 1932 in Zürich die Proletarische Kinderhilfe, als Vorläuferin des Arbeiterhilfswerks, gegründet wurde.
Eine absolute Wohltat, das will ich Ihnen hier auch noch sagen, für einen politischen Bürger mindestens, ist die Lektüre des SAH-Leitbilds. Da steht doch: "Wir engagieren uns dafür, dass alle Menschen hier in Würde und sozial gesichert leben können, unabhängig von Herkunft, Religion und Geschlecht." So ein einfacher und kluger Satz enthält nicht einmal das sozialdemokratische Parteiprogramm. Und da steht auch: "Wir setzen uns auf der Grundlage der Menschenrechte für Solidarität und Gerechtigkeit in der Gesellschaft ein." Das sind grosse Worte und der Satz klingt wohl etwas pathetisch, aber das SAH Zürich macht ihn glaubwürdig durch die vielen Tatbeweise.
Und schliesslich: "Wir arbeiten für Menschen, die aus individuellen oder strukturellen Gründen benachteiligt sind." Das sagt mehr als: wir arbeiten für benachteiligte Menschen. Denn wir alle sind die Verlierer in unserer u.a. vom Konsum, vom Profitdenken strukturierten neoliberalen Wirtschaftsgesellschaft. Wir, die arbeitenden Menschen und nicht nur die hier arbeitenden Ausländer, sind in diesen Prozessen zu Fremden geworden.
Das SAH ist Teil einer grossen Bewegung, die den Kern einer solidarischen Schweiz darstellt. Damit wir eine solche entwickeln können, müssen wir auch politisch aktiver werden.
Entsolidarisierung in der Gesellschaft
Der zentrale, die soziale und solidarische Qualität einer Gesellschaft bestimmende Faktor ist die Arbeit. Wir arbeiten für andere. Wir arbeiten für uns.
Aus dem Verteilungsbericht des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB) geht hervor: Der grösste Teil der Bevölkerung hat am wachsenden Reichtum in unserem Land nicht nur keinen Anteil.
Geld bestimmt die Politik
Das Geld, der Besitz bestimmt auch und gerade die Politik. Die grösste Partei in diesem Land hat am meisten Geld. Das ist kein Zufall. Wir wissen nicht, wieviel und woher sie das Geld hat, aber wir wissen, was sie damit tut. Sie investiert es in Wahlen und Abstimmungen.
Das Misstrauen gegenüber Sozialhilfeempfängern schleicht sich mittlerweilen in die Gesetze ein. Zwei Beispiele. Im Kanton Bern kann jemand nur Sozialhilfe beanspruchen, wenn er auf den Schutz seiner persönlichen Daten verzichtet. In Basel kann ein Sozialhilfeempfänger ohne Einkünfte und Vermögen zu Zwangsarbeit verpflichtet werden. Verläuft diese nicht zur Zufriedenheit der kantonalen Verwaltung, kann sie die Leistungen bis zu 100 % kürzen.
Mit ihrem vielen Geld bringt die Milliardärenpartei aber auch grundrechtswidrige Volksinitiativen an die Urne und sorgt mit einer menschenverachtenden Propagandawalze dafür, dass diese auch angenommen werden. Stichworte: Minarettverbot und Ausschaffung krimineller Ausländer. Oder sie sorgt in den nationalen Wahlen dafür, dass sich in der Schweiz die grösste rechtsextreme Partei Europas breit macht.
Wir haben eine direkte Demokratie, aber sie ist zur Aktionärsdemokratie geworden. Sie funktioniert nach dem Prinzip der Generalversammlung einer Aktiengesellschaft: nicht der Mensch zählt dort, sondern der Besitz.
Wir sollten staatspolitisch und sozialpolitisch aktiv werden. Staatspolitisch: Wir sollten die direkte Demokratie schützen. Die Finanzierung der Parteien ist als erstes gesetzlich zu regeln. Der Missbrauch der Volksrechte muss bekämpft werden. Und wir sollten sozialpolitisch aktiv werden. Die Umverteilung um 180 Grad drehen, von oben nach unten.
Grundeinkommen durch Reichtumssteuer
Die Linke hat das schon vor mehr als 75 Jahren versucht. In den zwanziger Jahren haben die Sozialdemokraten und die Kommunisten in Deutschland eine Volksinitiative zur Enteignung der Fürsten zur Abstimmung gebracht. Natürlich ohne Erfolg. Zur selben Zeit lancierte in der Schweiz die Linke mit den Gewerkschaften die Vermögensabgabeinitiative.
Es ist heute eine Idee, eine Utopie im Umlauf, die man für die Umverteilung von oben nach unten gezielt einsetzen könnte: das bedingungslose Grundeinkommen. Seine heutigen Verfechter wollen es über Konsumsteuern finanzieren. Einfacher und sozialer wäre es, wenn ein Grundeinkommen für alle über die Abschöpfung des immensen Reichtums in der Schweiz finanziert würde.
Eine solche Idee müssten wir hartnäckig verfolgen. Sie wäre die wirkliche Umverteilung. Dann wären wir auf dem Weg zu einer solidarischen Schweiz. Denkt daran: wir sind hier im Volkshaus. Von hier sind seit je die besseren Ideen hervorgegangen, als jene aus den Häusern der Volkspartei. Und vielleicht, wenn das SAH Zürich den 150. Geburtstag hier feiert, dann gibt es diese solidarische Schweiz.
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