Samstag, 23. April 2011

#Glaubwürdigkeitsverlust #durch #programmintegrierte #Werbung? [Publizistik: 2009]

 

 
 
Aufsatz

Glaubwürdigkeitsverlust durch programmintegrierte Werbung?
Eine Untersuchung zu den Kontexteffekten von Produktplatzierungen im Fernsehen

[Publizistik: 2009]

 
Werner Wirth1 , Jörg Matthes1, Christian Schemer1 und Ilona Stämpfli1(1)  
IPMZ – Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung, Universität Zürich, Andreasstr. 15, 8050 Zürich, Schweiz

 Werner Wirth
Email: w.wirth@ipmz.uzh.ch


Online publiziert: 22. April 2009
Zusammenfassung  Die vorliegende Studie untersucht, ob sich Produktplatzierungen (Product Placements) in einer informierenden TV-Sendung auf die Glaubwürdigkeit und die globale Bewertung des redaktionellen Programms auswirken. Hierzu wurden zwei Experimente durchgeführt, in denen die Häufigkeit von Produktplatzierungen im TV-Beitrag variierte. Es wurde erhoben, inwiefern die Rezipienten die Placements als Persuasionsversuch erkannten und sich dadurch gestört fühlten. Daneben mussten die Rezipienten angeben, wie sie den Gesamtbeitrag bewerten, wie sie seine Glaubwürdigkeit einschätzen und wie sehr sie in den Beitrag involviert sind. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Rezipienten mit steigender Anzahl der Product Placements der persuasiven Absicht dieser Werbeform bewusst werden. Allerdings stören sie sich nicht am Beeinflussungsversuch, solange das Involvement in den Beitrag groß genug ist. Auf die Glaubwürdigkeit bzw. die Bewertung des Beitrags hat die zunehmende Placementhäufigkeit keinen Einfluss. Somit kann die aktuelle Diskussion um die Gefährdung des Programminhalts durch neue Werbeformen entschärft werden.

Schlüsselwörter  Produktplatzierungen - Glaubwürdigkeit - Involvement - Persuasion
Loss of credibility by advertising embedded in programs? A study on context effects of product placement in television
Abstract  This study investigates the effects of the frequency of product placements on the credibility and evaluation of the program context. In two experiments, we varied the frequency of product placements in a TV magazine report and measured persuasion recognition, involvement, as well as global evaluation and perceived credibility of the TV reports. Results show that subjects do indeed recognize the persuasive intent of the embedded product placements. However, as long as viewers watch the report with high involvement, product placements exert no feeling of annoyance. There is also no effect of the frequency of placements on the perceived credibility of the TV reports. It can be concluded that product placements do less harm to the program context than commonly assumed.

Keywords  Product placement - Credibility - Involvement - Persuasion
Prof. Dr. Werner Wirth   ist ordentlicher Professor für empirische Kommunikations- und Medienforschung am Institut für Publizistikwissenschaft und Medienforschung (IPMZ) der Universität Zürich
1 Einleitung

"Aufrichtigkeit verträgt kein Product Placement", ließ der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes Michael Konken vor zwei Jahren verlauten (vgl. Kirst 2007). Die neue EU-Richtlinie "Audiovisuelle Mediendienste ohne Grenzen", die Ende November 2007 vom Europäischen Parlament gebilligt wurde und im Jahr 2009 von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden sollte, löste heftige Debatten unter Kommunikationsexperten aus. Umstritten sind die flexibleren Vorschriften für neue Werbetechniken wie Produktplatzierungen bzw. Product Placements.1 Die Gegner der neuen Richtlinie, zu denen auch der Deutsche Journalisten-Verband und der Bundesverband deutscher Zeitungsverleger gehören, befürchten eine Unterwanderung des Grundsatzes, zwischen Werbung und redaktionellem Inhalt zu trennen, und somit einen Verlust der Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit aller Medien (vgl. Stadler 2005a; Rosenbach 2005; Kalka 2006; Kirst 2007). Die Skepsis gegenüber Produktplatzierungen in TV-Sendungen ist vor allem dann besonders groß, wenn es sich um Informations- oder Nachrichtensendungen handelt:

Wer hier kommerzielle Interessen berücksichtigt, schwächt seine Glaubwürdigkeit und stärkt den diffusen Pauschalverdacht des Publikums, die Medien seien ohnehin käuflich. (Stadler 2005b: 61)

Im Kern der Diskussion wird aus Sicht der Zuschauer argumentiert: Diese würden, so die Argumentation, durch Produktplatzierungen in die Irre geführt, und die schwammige Trennung zwischen redaktionellem Programm und Werbung führe zu einem Vertrauensverlust bei den Rezipienten (vgl. z. B. Beard 2007). Aus Sicht der Kommunikations- und Medienwissenschaft stellt sich daher die Frage, wie die Rezipientinnen und Rezipienten auf die zunehmende Vermischung von redaktionellem Inhalt und Werbung reagieren: Führen Produktplatzierungen tatsächlich zu einem Glaubwürdigkeitsverlust des Programms, oder sind die Befürchtungen der Journalistenverbände und Zeitungsverleger überzogen?

Trotz der intensiven öffentlichen Diskussion zu diesem Thema gibt es keine empirischen Antworten auf diese Frage. Die Untersuchung von Glaubwürdigkeitsverlusten durch programmintegrierte Werbung hat folglich eine hohe wissenschaftliche, gesellschaftliche und auch politische Relevanz. Ziel des vorliegenden Beitrages ist es, die Wirkung von Produktplatzierungen auf die Wahrnehmung und Bewertung von informierenden TV-Sendungen anhand von zwei experimentellen Studien aufzuzeigen. In beiden Experimenten wurde der Frage nachgegangen, wie sich die Häufigkeit von Placements in einem Fernsehbeitrag auf die Bewertung des Programms auswirkt.
2 Product Placements: Zwischen Programm und Werbung

Unter Product Placement wird die visuelle oder verbale Platzierung eines Produkts oder einer Dienstleistung im redaktionellen Teil eines Mediums bzw. in einer nicht werblichen Programmform (z. B. einem Spielfilm) verstanden, für die das Werbung treibende Unternehmen Geld bezahlt oder eine andere Leistung erbringt (vgl. Zentes 1992: 396). Die Arten von möglichen Placements sind vielfältig (vgl. ausführlich Woelke 2004). Je nach Autor differierende Kategorisierungen orientieren sich an Objekt, Intensität und Technik der Platzierung (vgl. Scherer 1990: 21). Der Prototyp eines Product Placements ist die Einblendung von identifizierbaren Gütern oder Dienstleistungen, die sich wiederum nach dem Grad der Programm- bzw. Handlungsintegration unterscheiden lassen.

Neue programmintegrierte Werbeformen, wie Produktplatzierungen, gewinnen auf dem Werbemarkt immer mehr an Bedeutung. Eine quantitative Inhaltsanalyse des Schweizer Fernsehprogramms zeigt, dass 71 Prozent der redaktionellen Sendungen programmintegrierte Werbeelemente enthalten. In Nachrichtenformaten ist der Anteil von Placements am Gesamtprogramm vergleichsweise hoch. So kommen in diesem Genre 22 Prozent aller Placements des Gesamtprogrammes vor. 80 Prozent der Placements in Nachrichtenformaten sind visuell platziert (vgl. Siegert et al. 2007: 164–166). Für die Werbetreibenden bieten Placements im Vergleich zur Spotwerbung einen großen Vorteil: Durch die Integration der Werbebotschaften in das Programm können die Rezipienten der Werbung nicht mehr ausweichen (vgl. Woelke 1999, 2004). Allerdings bewegen sich programmintegrierte Werbeformen in einer Grauzone, sowohl was ihren rechtlichen Status als auch was ihre Wirkung auf das Publikum betrifft.

Nach der neuen EU-Richtlinie sind Produktplatzierungen erlaubt, solange der Zusammenhang der Sendungen nicht in Frage gestellt ist, die Verantwortung und Unabhängigkeit des Mediendienstanbieters nicht beeinträchtigt wird und die Zuschauer angemessen auf Produktplatzierungen hingewiesen werden, beispielsweise durch ein neutrales Logo, wenn gerade eine Produktplatzierung stattfindet (vgl. Amtsblatt der Europäischen Union 2007: 8, 10). In der Schweiz gilt die Produktplatzierung nach dem neuen Radio- und Fernsehgesetz vom April 2007 als Sponsoring. Werden Produkte gegen Bezahlung platziert, muss am Anfang der Sendung darauf hingewiesen werden. Werbliche Aussagen dürfen weder bei der Nennung des Sponsors noch innerhalb der Sendung gemacht werden. In Nachrichtensendungen und Sendungen zum politischen Zeitgeschehen ist der Einsatz von neuen Werbeformen unzulässig (vgl. Marxer 2007).

Viele neuere Definitionen von Product Placement setzen voraus, dass die Integration von Markenartikeln oder anderen marktfähigen Gütern in Medienangeboten für den Rezipienten undurchschaubar ist und somit eine verdeckte Beeinflussung stattfindet (vgl. Spitzer 1996: 142; Woelke 1999: 191). In diesem Zusammenhang wird Product Placement oft kritisch als illegale Schleichwerbung betrachtet, da der Zuschauer nicht mehr klar zwischen Werbung und Programm unterscheiden kann. Die Annahme einer verdeckten Beeinflussung des Rezipienten gewinnt durch die Erkenntnisse neuerer Studien zusätzlich an Relevanz. Diese zeigen, dass Produktplatzierungen Einstellungen auch dann beeinflussen können, wenn sie vom Rezipienten gar nicht bewusst wahrgenommen und erinnert werden (vgl. Matthes et al. 2005; Matthes et al. 2007; Schemer et al. 2007).
3 Zur Akzeptanz und Wirkung von Product Placements

Die subtile, unterschwellige Wirkung von Product Placements sehen Werbepraktiker als Vorteil der programmintegrierten Werbeform an. Im Vergleich zur klassischen Spotwerbung wird sie von den Rezipienten als weniger aufdringlich und störend wahrgenommen. Dementsprechend zeigen zumindest Befragungsstudien, dass die Einstellung der Rezipienten zu Produktplatzierungen in unterhaltenden Medienangeboten sehr positiv ist (vgl. Nebenzahl/Secunda 1993; Law/Braun-LaTour 2004; Rössler/Bacher 2002; Nelson/McLeod 2005; Tiwsakul et al. 2005). Inwiefern die Einbindung von Produkten oder Marken geduldet oder erwünscht wird, hängt neben angebotsspezifischen und individuellen Unterschieden auch von kulturellen Normen und Werten ab. In den USA werden Placements eher geduldet als in Deutschland (vgl. Rössler/Bacher 2002), Österreich und Frankreich (vgl. Gould et al. 2000), China (vgl. McKechnie/Zhou 2003) und Singapur (vgl. Karrh et al. 2001). Über alle Länder hinweg findet sich eine Ablehnung von moralisch bedenklichen Placements (z. B. Alkohol oder Zigaretten). Was bisher kaum untersucht wurde, ist die Toleranz von Placements in Informationsangeboten. Bei diesem Genre ist sie vermutlich geringer als bei Spielfilmen oder Soaps, wo beispielsweise visuelle Placements als Requisiten dazugehören.

Die generell hohe Bereitschaft der Rezipienten, Placements zu tolerieren, lässt allerdings noch keinen Schluss zu, welchen Einfluss sie auf die Wahrnehmung und Bewertung des Programmes haben. Einen ersten Hinweis liefert eine in der Schweiz durchgeführte qualitative Studie der Publicom und Infras (vgl. Grossenbacher 2006). Untersucht wurde die Publikumswahrnehmung von Sonderwerbeformen anhand von acht Gruppendiskussionen mit 69 Personen. Es zeigte sich, dass nur ein geringer Teil des Publikums Sponsoring oder Product Placement bewusst wahrnimmt. Unlautere Absichten und die Gefährdung der redaktionellen Unabhängigkeit wurden in den Gruppendiskussionen jedoch kaum thematisiert. Einzig bei Nachrichtensendungen sinkt die Toleranz des Publikums für programmintegrierte Werbeformen.

Produktplatzierungen können sich nur dann auf die Bewertung des Programmkontextes auswirken, wenn die Rezipienten sie auch wahrnehmen oder erkennen (vgl. für die Unterscheidung zwischen Werbung und Programm aus Sicht der Zuschauer Woelke 2004). Werden sie gar nicht erst wahrgenommen oder nicht als werblicher Beeinflussungsversuch erkannt, ist auch nicht anzunehmen, dass sie einen Einfluss auf die Bewertung des Programmkontextes haben. Wenn die Rezipienten die Placements jedoch als Persuasionsversuch erkennen und sie vielleicht sogar als Störung wahrnehmen, könnte sich dies negativ auf die Programmbewertung auswirken. In der werbepsychologischen Forschung steht für die Erklärung dieses Störeffektes ein stark beachtetes Konstrukt bereit: das Persuasionswissen (vgl. Friestad/Wright 1995).

Darunter wird die Einstellung von Rezipienten gegenüber persuasiven Einflüssen verstanden. Das Persuasionswissen umfasst das Wissen sowohl über Akteure und Themen als auch über den Prozess der Persuasion (vgl. Friestad/Wright 1995: 2). Es ist Kern eines theoretischen Modells – des Persuasion Knowledge Models –, das beschreibt, wie die Rezipienten versuchen, Kontrolle über werbliche Beeinflussungsprozesse zu behalten (vgl. Friestad/Wright 1995). Grundsätzlich ist anzunehmen, dass Rezipienten im Laufe ihrer Mediensozialisation lernen, Persuasionsversuche zu erkennen und mit diesen umzugehen. Eine Kontrollstrategie der Rezipienten ist das "Change of Meaning"-Prinzip: Wird die strategische Intention bemerkt, interpretieren Zuschauer Aussagen der Botschaft bzw. Eigenschaften der Botschaft um, d. h. sie erkennen die Taktik hinter einer Botschaft und betrachten diese nicht mehr unvoreingenommen.

Übertragen auf Produktplatzierungen bedeutet dies, dass eingebettete Placements nicht mehr als authentisch und zufällig auftauchend wahrgenommen werden, sondern als bewusst eingesetztes Mittel der werblichen Beeinflussung. Dies setzt einen kognitiven Prozess in Gang, dessen Folge ein Glaubwürdigkeitsverlust des Medienangebotes sein könnte. Persuasionswissen ist also bei der Rezeption stets latent vorhanden. Wird Persuasionswissen im Rezeptionsprozess salient, kann dies einen negativen Einfluss auf die Einstellung zur beworbenen Marke und zum Programmkontext haben.

Bisherige Untersuchungen zeigen, dass sich bei Produktplatzierungen zwei Dimensionen des Persuasionswissens unterscheiden lassen (vgl. Schemer et al. 2007): Die Dimension "Placementsalienz" umfasst das Wissen der Rezipienten, dass absichtlich Produktplatzierungen in das Programm eingebaut wurden. Dies kann von den Rezipienten toleriert werden, d. h. sie können zwar die Persuasionsabsicht bemerken, aber es stört sie nicht weiter. "Placementtoleranz" bedeutet, dass die Produktplatzierungen bei der Rezeption als störend empfunden werden. Beide Dimensionen stehen in einer kausalen Abfolge: Ohne Placementsalienz ist die Dimension Placementtoleranz nicht relevant. Zudem demonstriert die Studie von Schemer et al. (2007; vgl. auch Matthes et al. 2007), dass das Persuasionswissen mit zunehmender Darbietungshäufigkeit ansteigt: Je mehr Placements einer Marke zu sehen sind, desto eher haben die Rezipienten das Gefühl, dass diese absichtlich in den Programmkontext eingebaut wurden, und desto geringer wird die Toleranz gegenüber Placements.

Sinkt nun die Placementtoleranz beim Rezipienten, kann dies zu "Reaktanz" führen. Unter Reaktanz wird die Abwehr von Beeinflussungsversuchen verstanden, welche die Freiheit von Individuen zu denken oder zu handeln schmälern (vgl. Brehm 1966). Die Studie von Schemer et al. (2007) zeigt, dass bei mangelnder Placementtoleranz der Persuasionsversuch abgewehrt wird und sogar ein Boomerang-Effekt entstehen kann, d. h. das Placement wird als störend empfunden und daher die Marke sogar schlechter bewertet. Eine Folge davon könnte auch eine schlechtere Bewertung des Programms sein, in dem die Werbung eingebaut ist. Dies ist deshalb zu vermuten, da die Rezipienten nicht nur die Platzierung an sich, sondern den gesamten Programmkontext als Beeinflussungsversuch interpretieren.

Dieser negative Einfluss auf die Bewertung des Programms wird im Folgenden als "Kontexteffekt" bezeichnet. Kontexteffekte treten nachweislich innerhalb des redaktionellen Inhalts auf, wenn etwa der emotionale Gehalt eines Beitrags die Erinnerung an den vorangegangenen Inhalt verblassen lässt (vgl. exemplarisch Grabe et al. 2003). Analog beeinflusst der redaktionelle Kontext auch die Wahrnehmung und Wirksamkeit der Werbung (vgl. Kirmani/Yi 1991). Der umgekehrte Fall (Einfluss der Werbung auf das nicht-werbliche Programmumfeld) wird hingegen so gut wie gar nicht erforscht. Die Untersuchung von Kontexteffekten ist für die Programmverantwortlichen dann relevant, wenn Werbung – ob klassisch oder programmintegriert – negative Folgen für die Wahrnehmung oder das Verständnis von redaktionellen Inhalten hat. Herkströter (1998) argumentiert beispielsweise, dass durch die Etablierung von neuen Werbeformen der Manipulation von Programmmaterial Vorschub geleistet würde, was die Glaubwürdigkeit des Mediums Fernsehen gefährde. In der aktuellen Debatte um die neue EU-Richtlinie für audiovisuelle Mediendienste wurden ebenfalls Befürchtungen geäußert, die Medien verlören bei zunehmendem Einsatz von Produktplatzierungen ihre Glaubwürdigkeit.

Die Forschung zur Glaubwürdigkeit kann man grob in zwei Kategorien einteilen. Zum einen wäre die Forschung in der Tradition der Roper-Frage nennen, die die langfristig gültigen Glaubwürdigkeits-Images von Medien erfasst, aus methodischen Gründen jedoch immer wieder kritisiert wird (vgl. Matthes/Kohring 2003, 2006; Wirth 1999).

Daneben hat sich eine sozialpsychologisch stimulierte Forschung etabliert, die in der Tradition von Hovland und Weis (1951) bzw. Kelman steht (1961). Wirth (1999: 56) unterscheidet hier zusätzlich zwischen primären und sekundären Bezugssystemen. Während bei sekundären Bezugssystemen (Journalisten, Medien, Mediensystemen, Gattungen) Glaubwürdigkeitsurteile erst nach erheblichen Generalisierungs-, Abstraktions- und Transferprozessen in Form von Images entstehen, sind bei primären Bezügen situative Urteils- und Attributionsprozesse für Glaubwürdigkeitszuschreibungen verantwortlich. Primäre Glaubwürdigkeitsurteile können als grundlegend für sekundäre Glaubwürdigkeitsimages angesehen werden. Medienbeiträge sind prototypische primäre Bezugssysteme. Bezogen auf die hier vorliegende Forschungsfrage geht es also in einem ersten Schritt darum, ob wahrgenommene bzw. als störend empfundene Produktplatzierungen die Glaubwürdigkeit einer Medienbotschaft beeinflusst. Erst wenn sich das bewahrheiten würde, wären langfristige Imageschäden für das Fernsehen oder seine Sender ernsthaft zu befürchten.
Zusammengefasst lautet die Argumentation wie folgt: Wie die bisherige Forschung zeigt, können programmintegrierte Werbeformen wie Produktplatzierungen das Persuasionswissen der Rezipienten aktivieren. Dies ist eine grundlegende Voraussetzung für Kontexteffekte.

Ohne das "Entlarven" der Placements als gezielt eingesetzte Persuasionsstrategie stellt sich die Frage nach dem Glaubwürdigkeitsverlust eines Medienangebots gar nicht. Der wichtigste Faktor für die Aktivierung des Persuasionswissens ist die Anzahl der Produktplatzierungen in einem Fernsehprogramm. Es kann angenommen werden, dass mit zunehmender Anzahl der Produktplatzierungen die Placementsalienz steigt und die Placementtoleranz sinkt. Jedoch ist a priori nur schwer zu sagen, ab welcher Anzahl von Produktplatzierungen dieser Effekt eintritt. Daher sollen folgende zwei Forschungsfragen formuliert werden: •   FF1: Erkennen die Rezipienten die Produktplatzierungen bei zunehmender Placementanzahl als Persuasionsversuche (Erhöhung der Persuasionssalienz)?
•   FF2: Stören sich die Rezipienten bei zunehmender Anzahl an den Produktplatzierungen (Verminderung der Placementtoleranz)?

In einem ersten Schritt wird damit der Einfluss von Produktplatzierungen auf die Aktivierung von Persuasionswissen untersucht. In einem zweiten Schritt soll überprüft werden, ob die Integration von Produktplatzierungen auch negative Konsequenzen für den Programmkontext hat. Analog zu den Forschungsfragen 1 und 2 müsste ein derartiger Kontexteffekt mit zunehmender Placementanzahl verstärkt auftreten. Dies soll mit den Forschungsfragen 3 und 4 beantwortet werden. •   FF3: Welchen Einfluss hat die zunehmende Anzahl von Produktplatzierungen auf die Glaubwürdigkeit des umgebenden Programms?
•   FF4: Welchen Einfluss hat die zunehmende Anzahl von Produktplatzierungen auf die globale Bewertung des umgebenden Programms?


Zur Beantwortung der Forschungsfragen führten wir zwei experimentelle Studien durch, in denen Produktplazierungen in einer realen TV-Informationsendung dargeboten wurden. Im Folgenden stellen wir zunächst Studie 1 vor und diskutieren die Ergebnisse. Daraus leiten wir die Fragestellungen für eine Nachfolgestudie ab und überprüfen sie empirisch.
4 Studie eins
4.1 Methode und Untersuchungsanlage

In der ersten experimentellen Studie wurde die Häufigkeit von Produktplatzierungen in einem TV-Beitrag dreifach variiert (1×3-Design). Als Versuchspersonen nahmen 68 Studierende teil (59% weiblich, Alter: M = 22, SD = 2.21), zumeist aus sozialwissenschaftlichen Fächern. Die Personen wurden randomisiert auf die drei experimentellen Bedingungen zugeteilt.

Stimulusmaterial. Als Stimulusmaterial diente ein Filmbeitrag mit einer Länge von etwa zehn Minuten aus einem realen TV-Wissenschaftsmagazin über Weidesysteme und Milcherzeugung in der Landwirtschaft, in dem bereits Placements vorkamen. Im Beitrag tauchte vermehrt der Markenname eines landwirtschaftlichen Unternehmens auf, z. B. auf der Jacke eines Landwirtes oder als Bandenwerbung bei einer Leistungsschau (siehe Screenshots). Dabei handelt es sich um ein Placement eines Markennamens, das mit einem Logo versehen ist. Diese Szenen wurden für eine erste Version ohne Placements mit professioneller Videotechnik herausgeschnitten und durch äquivalente Bilder ersetzt.

Für die Version mit hoher Placementhäufigkeit wurden einige Szenen mit Markenplatzierung neu in den Beitrag eingesetzt bzw. die Marke bei Standbildern auf authentische Art und Weise eingeblendet. Die mittlere Version war die Originalversion. In der ersten Version kamen keine, in der zweiten Version sieben und in der dritten Version 13 Placements vor. Ein Pretest zeigte, dass die Manipulation des Beitragsmaterials keinen Einfluss auf die Bewertung der Authentizität und Professionalität des Beitrags hatte. Es wurde zudem kontrolliert, ob die Personen den Beitrag bereits im Fernsehen gesehen hatten.
Screenshots des Filmbeitrages mit den Produktplatzierungen


Messung. Als abhängige Variable wurde die Persuasionssalienz (inwiefern die Rezipienten die Placements als Persuasionsversuch erkennen) bzw. die Persuasionstoleranz (inwiefern sie sich dadurch gestört fühlen) erhoben. Daneben wurden die Bewertung und die Glaubwürdigkeit des Gesamtbeitrags erfasst. Alle Abfragen erfolgten auf Skalen von 1 bis 5.

Die Placementsalienz wurde mit Hilfe von vier Items erfasst (z. B. "Ich habe das Gefühl, dass in der Sendung Markenwerbung versteckt war", Cronbachs a =.79). Das subjektive Gefühl der Störung durch Placements (Placementtoleranz) wurde ebenfalls mit vier Items erhoben (z. B. "Die Sendung gab Agrarfirmen zu stark die Möglichkeit, ihre Marke im Beitrag zu platzieren"; "Mich hat es gestört, dass Marken in der Sendung zu sehen waren"; Cronbachs a =.84). Zur Messung der Gesamtbewertung des Programms wurde ein Index aus fünf Items gebildet (z. B. "uninteressant – interessant", "schlecht – gut"; Cronbachs a =.75). Die Messung der Glaubwürdigkeit erfolgte anhand von sechs Items aus der standardisierten Skala zur Erfassung von Vertrauen in Journalismus, die Kohring/Matthes (2007) entwickelt haben (z. B.

"Der Beitrag gibt die Fakten so wieder, wie sie sind"; Cronbachs a =.67). Zu Kontrollzwecken wurde für die Untersuchung noch das Rezeptionsinvolvement als Kovariate der Befragten mit Hilfe von fünf Items erfasst (z. B. "Der Beitrag hat mich gefesselt"; "Ich habe intensiv über das Thema des Beitrages nachgedacht", Cronbachs a =.75). Bei der Auswertung arbeiteten wir mit z-standardisierten Variablen bzw. Faktorwerten.

Ablauf der Untersuchung. Die Untersuchung erfolgte in Gruppensitzungen mit fünf bis acht Versuchspersonen. Die Probanden saßen vor einem Computer, auf dem der Film zu sehen war. Der manipulierte Beitrag wurde nicht in ein umfassendes Programm eingebettet, sondern – wie dies in entsprechenden Experimenten üblich ist – separat präsentiert. Vom Untersuchungszweck erfuhren die Versuchspersonen nur, sie sollten Beiträge in Wissenschaftsmagazinen bewerten.

Der Ton kam über Kopfhörer, um eine ungestörte Rezeption zu gewährleisten. Dabei zeigte sich kein Hinweis darauf, dass die Gruppensituation einen Einfluss auf die Wahrnehmung und das Antwortverhalten der Versuchspersonen hatte. Nach dem Abspielen des Beitrages füllten die Probanden einen Online-Fragebogen aus. Eine offene Abfrage am Ende des Fragebogens lieferte keine Hinweise darauf, dass das eigentliche Untersuchungsziel erkannt wurde.
4.2 Ergebnisse
Zur Beantwortung der ersten beiden Forschungsfragen wurde eine Varianzanalyse durchgeführt, bei der die Placementhäufigkeit als unabhängige und die Placementsalienz und die Placementtoleranz als abhängige Variablen behandelt wurden. Das Involvement, mit dem die Zuschauer den Beitrag sahen, wurde als Kovariate einbezogen, da anzunehmen ist, dass diese Variable mit dem Persuasionswissen zusammenhängt (vgl. Schemer et al. 2007). Die Ergebnisse sind in Tab. 1 dargestellt. Es zeigt sich ein signifikanter Haupteffekt der Placementhäufigkeit auf die Placementsalienz (F (2, 64) = 4.10, p <.05, h2 =.11). Das bedeutet, je mehr Placements im Beitrag auftreten, desto eher wird den Rezipienten klar, dass es sich um einen gezielten Persuasionsversuch handelt (Forschungsfrage 1). Allerdings zeigt sich erstaunlicherweise kein signifikanter Einfluss auf das Störempfinden durch Placements bzw. die Placementtoleranz (F (2, 64) = 1.31, n.s.) (Forschungsfrage 2).
Tab. 1 Placementsalienz, Placementtoleranz, Glaubwürdigkeit und Beitragsbewertung (z-standardisierte Mittelwerte) als Funktion der Häufigkeit der Placements (Studie 1; Standardabweichung in Klammern)

  Keine Placements 
7 Placements 
15 Placements

Placementsalienz 
–0.35

(.86) 
–0.04

(.90) 
0.47

(1.11)

Placementtoleranz 
–0.17

(.86) 
–0.08

(.93) 
0.30

(1.20)

Glaubwürdigkeit 
–0.13

(1.11) 
0.00

(.91) 
0.15

(.99)

Beitragsbewertung 
–0.17

(.80) 
0.10

(1.05) 
0.09

(1.16)


Die Forschungsfragen 3 und 4 widmeten sich dem Kontexteffekt der Placements auf die Glaubwürdigkeit und die globale Bewertung des Beitrages (vgl. Tab. 1). Es zeigt sich kein Effekt der Placementhäufigkeit auf die eingeschätzte Glaubwürdigkeit des Beitrages (F (2, 64) =.42, n.s.) (Forschungsfrage 3). Äquivalent zeigt sich auch kein Kontexteffekt auf die globale Bewertung des Beitrages (F (2, 64) =.68, n.s.).

Weitere explorative Analysen mit der ebenfalls erhobenen Variable Involvement geben weiterführende Hinweise: Es zeigt sich, dass das Programminvolvement einen sehr starken Zusammenhang mit der Beitragsbewertung aufweist (F (2, 64) = 45.37, p<.001, h2 =.42). Personen, die den Beitrag mit einem höheren Involvement und damit konzentrierter und aufmerksamer verfolgen, finden den Beitrag auch insgesamt besser. Dieser Effekt zeigt sich aber nur bei der globalen Bewertung des Beitrages, die Glaubwürdigkeit sowie die beiden Dimensionen von Persuasionswissen sind davon nicht betroffen.
4.3 Diskussion

Ausgangspunkt der Studie war die Frage, ob die Einbettung von Produktplatzierungen in das redaktionelle Programm zu einem Glaubwürdigkeitsverlust eines Medienangebotes führen kann. Es wurde argumentiert, dass die grundlegende Voraussetzung für einen derartigen Kontexteffekt im Erkennen der Placements liegt. Genauer: Die Rezipienten müssen bemerken, dass Produktplatzierungen absichtlich und zu persuasiven Zwecken in das Programm eingebaut wurden (Placementsalienz); und ferner ist ein Kontexteffekt wahrscheinlicher, wenn die Produktplatzierungen als störend empfunden werden (Placementtoleranz). Für diese Argumentation ließen sich in der experimentellen Studie jedoch keine Hinweise finden.

Es zeigen sich keine Effekte der Placementhäufigkeit auf Programmbewertung und Glaubwürdigkeit, obwohl die Rezipienten häufig auftretende Placements als Persuasionsversuch erkennen. Trotz ansteigender Placementsalienz werden die Placements nicht als Störung aufgefasst – es ist lediglich eine nicht-signifikante Tendenz zu verzeichnen. Offenbar ist die in der Tendenz zu erkennende Störung durch Placements nicht stark genug, um die Glaubwürdigkeit und die Programmbewertung zu beeinträchtigen. Für die Bedingung mit der höchsten Placementfrequenz wurden fast doppelt so viele Placements eingebaut wie in der mittleren Bedingung.

Das bedeutet, die Toleranzschwelle der Rezipienten ist bei Produktplatzierungen als eher hoch einzuschätzen. Möglicherweise würde sich erst dann ein Störeffekt einstellen, wenn deutlich mehr Placements in einem Beitrag enthalten wären oder wenn die Placements zum Beitrag inkongruent wären (vgl. Russell 2002).

Interessanterweise zeigte sich aber auch, dass das Involvement der Rezipienten sehr stark mit der Beitragsbewertung kovariierte (für einen aktuellen Überblick zur Involvementforschung vgl. Wirth 2006). Demnach finden Personen, die ein hohes Involvement haben, den Beitrag deutlich besser als Personen, die den Beitrag eher nebenbei verfolgten. Die Ergebnisse sprechen dafür, dass die Variable Involvement die Bewertung des Beitrages mit Abstand am besten erklären kann (Varianzaufklärung 42%). Dies ist jedoch für die Interpretation der vorliegenden Ergebnisse problematisch, da der stärkste Prädiktor der Beitragsbewertung nicht experimentell kontrolliert werden konnte bzw. nur als quasi-experimenteller Faktor behandelt wurde. Eventuell überschattet der Involvementeffekt schwächere Effekte, wie den Einfluss der Placementhäufigkeit.

Neben dem starken Einfluss des Involvements auf die Beitragsbewertung gibt es noch einen weiteren Grund, das Involvement als eigenen Faktor im Experiment zu behandeln. Es ist zu vermuten, dass Personen, die sich stark für einen Beitrag interessieren, stärker auf den dargestellten Inhalt achten und aufgrund ihrer Involviertheit weniger kognitive Ressourcen zur Verfügung haben, um die bewusste Einbettung von Placements zu entlarven.

Zwar lässt sich in der vorliegenden Studie kein signifikanter Effekt des Involvements auf die Placementsalienz beobachten, jedoch wurde die Variable auch nicht experimentell variiert. Schneider und Cornwell (2005) zeigen, dass hoch involvierte Spieler eines Racing-Games sich weniger an eingebettete Placements erinnern können als niedrig involvierte Spieler. Ähnliche Ergebnisse finden sich auch für klassische Spot-Werbung (vgl. Norris/Coleman 1992). Auch Grigorivici und Constantin (2005: 34) argumentieren ähnlich: hohes Programminvolvement "leaves less processing capacities to encoding placements as commercial messages, but rather 'wrapping' users/viewers in the program context itself".

Fasst man die Ergebnisse der Studie und die vorangegangenen Überlegungen zusammen, so wird deutlich, dass die Frage nach Kontexteffekten durch Produktplatzierungen noch nicht schlüssig beantwortet werden kann. Eine in der Werbewirkungs- und Persuasionsforschung zentrale Variable, das Involvement, wurde nur gemessen, jedoch nicht experimentell manipuliert. Möglicherweise übt gerade diese Variable einen entscheidenden Einfluss aus. In Studie 2 gehen wir dieser Fragestellung gesondert nach.
5 Studie zwei
Kern der zweiten Studie war die Rolle des Involvements. Es wurde neben der Placementhäufigkeit als weiterer experimenteller Faktor einbezogen. Zunächst kann man analog zu Studie 1 einen deutlichen Einfluss des Involvements auf die Beitragsbewertung vermuten. Zudem lässt sich aus der Forschungsliteratur ableiten, dass das Involvement eine Rolle für die Wahrnehmung der Produktplatzierungen spielt. Bei niedrigem Involvement müssten Kontexteffekte durch Produktplatzierungen wahrscheinlicher sein. Aufgrund der komplexen Wechselwirkungen der unabhängigen Variablen sollen erneut keine Hypothesen, sondern nur folgende Forschungsfrage zur Rolle des Involvements formuliert werden: •   FF 5: Welchen Einfluss übt das Beitragsinvolvement bei variierender Placementhäufigkeit auf die Placementsalienz, die Placementtoleranz, die Glaubwürdigkeitseinschätzung sowie die Beitragsbewertung aus?


Die Forschungsfragen 1 bis 4 bleiben analog zur ersten Studie bestehen.
5.1 Methode und Untersuchungsanlage

Die zweite Studie, an der 117 Personen teilnahmen (55% weiblich, Alter: M = 24.4, SD = 3.27), war eine exakte Replikation der ersten Studie. In einem 3×2-faktoriellen Design ging es nun noch um die Rolle des Beitragsinvolvements: Neben der Variation der Placementhäufigkeit wurde das Involvement manipuliert. Wie in der Studie von Petty/Caccioppo (1981) erhielten die Versuchsperson zu Beginn die Instruktion, dass es sich um einen sehr wichtigen und interessanten (hohes Involvement) oder um einen weniger interessanten, etwas trockenen Beitrag (niedriges Involvement) handele.

Stimulusmaterial und Ablauf. Stimulusmaterial und Ablauf der Untersuchung verliefen identisch zu Studie 1. Es wurde kontrolliert, dass die Probanden nicht bereits an der ersten Studie teilgenommen hatten.

Messung. Die Messung der abhängigen Variablen erfolgte analog zur ersten Studie (Gesamtbewertung des Programms, fünf Items, Cronbachs a =.83; Glaubwürdigkeit, sechs Items; Cronbachs a =.73; das Erkennen des Persuasionsversuchs, vier Items; Cronbachs a =.84; das subjektive Gefühl der Störung durch Placements, vier Items; Cronbachs a =.77). Als Check für die gelungene Manipulation der Relevanz dienten sieben Items, die das kognitive Involvement bzw. die Themenrelevanz der Rezipienten erfassen sollten (z. B. "Ich habe intensiv über das Thema des Beitrages nachgedacht". Antwortmöglichkeit: trifft überhaupt nicht zu – trifft voll und ganz zu; Cronbachs a =.79).
5.2 Ergebnisse

Im ersten Schritt wurde überprüft, ob die Involvementmanipulation gelungen ist. Die Gruppen mit hohem (M =.38, SD =.88) und niedrigem Beitragsinvolvement (M = –.39, SD =.96) unterscheiden sich signifikant (F (1, 115) = 20.32, p <.001). Die Manipulation war damit erfolgreich.
Wie schon in der Vorgängerstudie sollte mit den ersten beiden Forschungsfragen ermittelt werden, ob die Placementhäufigkeit die wahrgenommene Salienz und die Toleranz der Produktplatzierungen beeinflusst. Die Ergebnisse sind in Tab. 2 dargestellt. Erneut lässt sich ein signifikanter Haupteffekt auf die Placementsalienz ausmachen (F (2, 115) = 7.01, p <.001, h2 =.11), d. h. je häufiger Placements vorkommen, desto stärker wird den Rezipienten die Persuasionsabsicht bewusst (Forschungsfrage 1). Interessanterweise findet sich in dieser Studie auch ein signifikanter Haupteffekt der Placementhäufigkeit auf die Placementtoleranz (F (2, 115) = 4.08, p <.05, h2 =.07) (Forschungsfrage 2).

Es gibt erneut keine Effekte der Placementhäufigkeit auf die Beitragsbewertung (Forschungsfrage 4; F (2, 115) =.05, n.s.) und die wahrgenommene Glaubwürdigkeit des Beitrages (Forschungsfrage 3; F (2, 115) =.30, n.s.). Zudem hat das Involvement ebenso wie in der ersten Studie einen signifikanten Effekt auf die Beitragsbewertung (F (2, 115) = 20.88, p <.001, h2 =.16), nicht aber auf die wahrgenommene Glaubwürdigkeit, die Placementsalienz sowie die Placementtoleranz.
Tab. 2 Placementsalienz, Placementtoleranz, Glaubwürdigkeit und Beitragsbewertung (z-standardisierte Mittelwerte) als Funktion der Häufigkeit der Placements (Studie 2; Standardabweichung in Klammern)

  Keine Placements  
7 Placements  
15 Placements

Placementsalienz 
–.35

(.62) 
–.13

(.90) 
.43

(1.19)

Placementtoleranz 
–.25

(.67) 
–.14

(.82) 
.35

(.1.27)

Glaubwürdigkeit 
–.01

(.86) 
–.03

(.96) 
.03

(1.16)

Beitragsbewertung 
–.05

(.98) 
–.06

(1.05) 
.10

(.98)

Fasst man die Haupteffekte zusammen, so zeigt sich ein relativ ähnliches Bild wie in Studie 1. Die Häufigkeit von Produktplatzierungen wirkt sich nicht negativ auf die Bewertung des Beitrages aus, es kommt auch nicht zu einem Glaubwürdigkeitsverlust des Medienangebots. Dennoch bemerken die Rezipienten die Persuasionsabsicht. Allerdings müssen für die Interpretation der Ergebnisse auch die Interaktionseffekte von Placementhäufigkeit und Involvement betrachtet werden. Gemäß Forschungsfrage 5 kann es sein, dass das Involvement den Einfluss der Placementhäufigkeit moderiert. Dies ist für die abhängigen Variablen Beitragsbewertung, Glaubwürdigkeit und Placementsalienz nicht der Fall: Es treten keine Interaktionseffekte zwischen der Placementhäufigkeit und dem Involvement auf. Jedoch zeigt sich eine signifikante Interaktion für die Placementtoleranz (F (2, 115) = 4.04, p <.05, h2 =.07). Betrachtet man die Mittelwerte (vgl. Abb. 1), so wird deutlich, dass bei hohem Beitragsinvolvement die zunehmende Placementhäufigkeit keinen Einfluss auf die Placementtoleranz hat.

Wenn die Personen den Beitrag aufmerksam verfolgen, stören sie sich nicht an den Produktplatzierungen. Bei niedrigem Involvement hingegen führt die zunehmende Integration von Placements zu einem Störeffekt, die Placementtoleranz sinkt. Wie Abb. 1 zeigt, kommt dieser Effekt bei höchster Placementfrequenz zustande. Damit kann der oben berichtete Haupteffekt der Placementhäufigkeit auf die Placementtoleranz (Forschungsfrage 2) nicht mehr interpretiert werden. Der Effekt der Häufigkeit der Produktplatzierungen auf die Toleranz ist auf die Gruppe der niedrig Involvierten zurückzuführen. Ein genereller Effekt auf die Toleranz der Product Placements liegt also nicht vor.

Abb. 1 Subjektives Gestörtsein durch Produktplatzierungen (z-standardisierte Mittelwerte) als Funktion der Häufigkeit der Placements und des Beitragsinvolvements
5.3 Diskussion

Die Ergebnisse von Studie 2 haben die Befunde aus dem ersten Experiment weitestgehend bestätigt. Produktplatzierungen führen zwar dazu, dass die Rezipienten eine Persuasionsabsicht erkennen, der befürchtete Glaubwürdigkeitsverlust der Medienangebote und die schlechtere Bewertung des Programmkontextes bleiben hingegen aus. Interessant ist vor allem der Befund, dass es bei niedrigem Involvement und hoher Placementanzahl zu einem Störeffekt durch die Produktplatzierungen kommt: Die Rezipienten empfinden die Placements als zu viel, unangebracht und störend – dennoch hat dies keinen Einfluss auf die Beitragsbewertung. Interessanterweise ist das Involvement für die Placementsalienz nicht entscheidend. Ganz gleich, wie involviert der Beitrag verfolgt wurde – bei zunehmender Placementhäufigkeit bemerken die Rezipienten sehr deutlich, dass die Produkte mit persuasiver Absicht bewusst in den Beitrag integriert wurden. Einen Kontexteffekt auf das Programm hat dies aber nicht zur Folge.
6 Allgemeine Diskussion und Ausblick

Aus Sicht der Werbewirkungsforschung gelten Produktplatzierungen als erfolgversprechende Marketingstrategie, da sie sich heimlich und unbemerkt in ein Programm "einschleichen" können, das die Zuschauer ausgewählt haben und vermutlich gern rezipieren. Für die Medien- und Kommunikationswissenschaft ist jedoch nicht die Werbewirkung das primäre Erkenntnisziel. In Anbetracht der gesellschaftlichen Relevanz dieses Phänomens rückt eher die Frage nach den Folgen der zunehmenden Vermischung von Werbung und Programm in den Vordergrund, vor allem die Frage, ob Produktplatzierungen zu einem Glaubwürdigkeitsverlust der Medienangebote führen können.

Die Ergebnisse der vorliegenden zwei experimentellen Studien zeigen, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer die persuasive Absicht von Produktplatzierungen verhältnismäßig gut erkennen. Die Placementsalienz steigt mit der Anzahl der Placementdarbietungen und damit auch das Bewusstsein, dass ein Werbeversuch stattfindet. Interessanterweise stören sich die Rezipienten aber nicht an diesem wahrgenommenen Beeinflussungsversuch. Lediglich bei einem geringen Programminvolvement, also wenn die Rezipienten nur schwach durch das Programm gefesselt werden und entsprechende kognitive Kapazitäten frei sind, nimmt die Toleranz für Produktplatzierungen mit zunehmender Placementhäufigkeit ab. Was den Einfluss der Placements auf den Programmkontext betrifft, so kann aus den beiden Experimenten gefolgert werden, dass die Beitragsbewertung bzw. die Glaubwürdigkeit nicht durch Placements beeinträchtigt werden.

Selbst die Tatsache, dass es sich bei dem im dargestellten Experiment verwendeten Stimulus eher um einen informationsorientierten Beitrag aus einem Wissenschaftsmagazin handelte, führt bei den Rezipienten scheinbar nicht zu einer Geringschätzung des Programms. Diese Erkenntnis bestätigt Befunde aus qualitativen Befragungen (vgl. Grossenbacher 2006), die zeigen, dass sich die Zuschauer nur wenig an den neuen Werbeformen stören. Damit legen die Ergebnisse nahe, dass bei der Bewertung der Glaubwürdigkeit eines Programms inhaltliche Faktoren und Quelleneigenschaften entscheidender sind als eher periphere Informationen wie Produktplatzierungen. Die Forschung zur Entstehung von Vertrauen- und Glaubwürdigkeitsurteilen liefert hierzu einen beachtlichen Korpus an Befunden (z. B. Slater/Rouner 1997). Inwieweit dieser eher arglose Umgang mit neuen Werbeformen von Seiten des Publikums auch in Zukunft bestehen bleibt, kann allerdings hier nicht geklärt werden. Es ist denkbar, dass mit zunehmender Frequenz der neuen Werbeformen auch das Publikum aufmerksamer wird und die Infor

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