Dienstag, 5. April 2011

#Moderne #Verdrängung (...) Auf Kosten der derzeitigen Mieter [via Junge Welt]


Moderne Verdrängung

Berlin:

Landeseigene Wohnungsbaugesellschaft

will ihren Bestand wettbewerbsfähig machen.

Auf Kosten der derzeitigen Mieter

Von Christian Linde
[Junge Welt]

Im vergangenen Jahr sorgte die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE in Berlin vor allem für eines: Schlagzeilen. Nachdem die beiden Geschäftsführer des Unternehmens ihren Hut nehmen mußten, der Vertreter der Senatsfinanzverwaltung im Aufsichtsrat des Unternehmens ausgetauscht wurde, suchte auch der Bauunternehmer Ralf Hillenberg (SPD) – zugleich Parlamentarier und Mitglied des Bauausschusses des Abgeordnetenhauses – das Weite.

Hintergrund des Personalkarussells: Das Ingenieurbüro für Projektentwicklung und Baubetreuungs GmbH, dessen Geschäftsführer Hillenberg ist, hatte lukrative Planungsaufträge ohne Ausschreibung übernommen und damit massiv gegen Vergaberichtlinien des Senates verstoßen.

Knapp ein Jahr nach Bekanntwerden hat sich kürzlich ein parlamentarischer Untersuchungsausschuß konstituiert, der Licht in das Dunkel um die Vergabepraxis und die Rolle des »rot-roten« Senates bringen soll. Im Zuge der Affäre legte die HOWOGE im Februar 2010 auch ursprüngliche Pläne für umfangreiche Sanierungen im Pankower Ortsteil Buch vorerst ad acta.

Nun macht das Unternehmen erneut von sich reden. Jüngst flatterte den dortigen Mietern Post ins Haus. Schockte die HOWOGE seinerzeit die Bewohner ihrer 3127 Wohnungen in Buch noch mit einer Modernisierungsankündigung, die eine 100prozentige Mieterhöhung zur Folge haben sollte, sind es im zweiten Anlauf nunmehr »nur« noch etwa 70 Prozent.

Das ist das Ergebnis einer Intervention des Berliner Senats, der Nachbesserungen bei der Neuberechnung der Modernisierungsumlage gefordert hatte. Bei den Objekten, die im Sommer 2009 von der Wohnungsbaugesellschaft Gesobau für rund 70 Millionen Euro erworben wurden, handelt es sich überwiegend um unsanierte Wohnungsbestände in DDR-Plattenbauweise, die nicht über die allgemein übliche Ausstattung verfügen. Die Leerstandsquote liegt nach Unternehmensangaben bei 20 Prozent.

Im April soll mit den Arbeiten begonnen werden. Geplant ist, im laufenden Jahr insgesamt 1200 Wohnungen zu sanieren. Bis 2013 sollen die Umbaumaßnahmen im wesentlichen abgeschlossen sein. Investitionen in einem Umfang von rund 100 Millionen Euro sind vorgesehen. Die zukünftige Miethöhe liegt nach Darstellung der HOWOGE im Rahmen der Vorgaben des Senates für die kommunalen Wohnungsunternehmen.

Die Nettokaltmiete beträgt demnach für Wohnungen mit einer Fläche unter 40 Quadratmeter »voraussichtlich« 6,60 Euro pro Quadratmeter, für solche zwischen 40 bis 60 Quadratmeter rund sechs Euro und für Wohnungen zwischen 60 und 90 Quadratmeter etwa 5,40 Euro. Die voraussichtlichen Betriebskosten werden mit 2,20 Euro pro Quadratmeter beziffert.
 
Bei den Maßnahmen, vorgesehen sind u.a. die Dämmung der Außenwände, Austausch der Fenster und Einbau neuer Heizungsanlagen, zielen jedoch nicht nur auf die Optimierung der Wohnbedingungen für die derzeitigen Mieter ab.

»Das Sanierungsprojekt Buch verfolgt neben der Gebäudesanierung mit zeitgemäßen Wohnstandards und energieeffizienter Gestaltung auch sehr wesentlich das Ziel der Wohnumfeld-, Kiez- und Stadtteilentwicklung«, stellt die HOWOGE klar.

Vor allem Wettbewerbsaspekte leiten das städtische Unternehmen. »In den nächsten Jahren wird der Wissenschafts- und Biotechnologie-Campus in erheblichem Umfang baulich erweitert, was auch weitere hochqualifizierte Arbeitskräfte anzieht, die in Buch arbeiten und leben möchten.

 
Der Kontrast zwischen dem modernen Wissenschafts-, Wirtschafts- und Klinikstandort Buch, wachstumsstark und innovativ, und den übernommenen Plattenbauwohnungen könnte nicht größer sein«, beklagt das Landesunternehmen den jetzigen Zustand. Leben in den Wohnungen aktuell vor allem Geringverdiener, sollen die Wohneinheiten auf absehbare Zeit für eine zahlungskräftige Klientel attraktiv sein.

»Ein wichtiger Anspruch an das wohnungswirtschaftliche Konzept besteht deshalb darin, innerhalb der einzelnen Sanierungsabschnitte eine nachfragegerechte Angebotsstruktur zu schaffen«, heißt es. »Die HOWOGE will offensichtlich die angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt ausnutzen. Auch der Senat hat offenbar aus dem Skandal vom letzten Jahr nicht viel dazugelernt«, kritisiert der Berliner Mieterverein die Strategie. Auch die Opposition meldete Zweifel an, insbesondere bei den Angaben der Investitionskosten.

»Die HOWOGE muß ihre Kalkulation offenlegen und erklären, welche Teile des Bauvorhabens tatsächlich notwendige energetische Modernisierungen sind und wo es um unterlassene Instandhaltung geht«, verlangen die Grünen.

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