MONITOR nachgefragt:
GAGFAH Immobilienmonopoly auf Mieter Kosten vor dem Aus?
Bericht: Lutz Polanz, Andreas Maus
Sonia Seymour Mikich: "Sehr viel Wirbel hat MONITOR losgetreten mit dem Beitrag über den Wohnungskonzern GAGFAH. Mieter klagten über vergammelte Wohnungen und heruntergekommene Stadtteile, die Anteilseigner des Hedge-Fonds Fortress, dem die GAGFAH gehört, machten dagegen Kasse. Ein Beispiel für fehlgeschlagene Privatisierung von kommunalem Eigentum. Und jetzt die Fortsetzung. Eine Milliarden-Klage, ein Verdacht auf Insiderhandel, ein spannender Wirtschaftskrimi."
Demonstrantin: "Viele Mieterinnen und Mieter fühlen sich ohnmächtig gegenüber diesem Wohnungskonzern hier, der die angezeigten Mietmängel einfach ignoriert."
Im Februar hatte MONITOR über die Geschäftspraktiken der GAGFAH berichtet. Über schimmelige Wohnungen, mangelhafte Reparaturen, gravierende Sicherheitsmängel. Und über den Verfall ganzer Wohnviertel. Seitdem ist einiges passiert. Die Stadt Dresden hat die GAGFAH-Gruppe nun in Milliardenhöhe verklagt und die Bundesaufsicht für Finanzdienstleistungen prüft, ob GAGFAH-Chef William Brennan verbotene Insidergeschäfte gemacht hat. Beides hat direkt miteinander zu tun. Zur Erinnerung: 2004 verkaufte die Rot-Grüne Regierung die bundeseigene GAGFAH an den amerikanischen Hedge-Fonds Fortress - für dreieinhalb Milliarden Euro. In Dresden ging die Einkaufstour dann weiter. Da schien die Zukunft noch rosig, als die GAGFAH der Stadt ihre 48.000 Wohnungen abkaufte.Robert I. Kauffman, GAGFAH (10.03.2006) (Übersetzung MONITOR): "Dresden bietet gute Zukunftsaussichten. Die Stadt ist ein großer Technologiestandort. Die Universitäten und all die kulturellen Aspekte machen es attraktiv für langfristige Investitionen und bieten Chancen für Wachstum."
Doch schon bald zeigte sich, wie das wohl gemeint war. Hohe Dividenden für die Aktionäre - wenig Geld für die Wohnungen. So haben wir es auch im Februar erlebt. Egal, wo wir uns in GAGFAH-Siedlungen umschauten.MONITOR vom 17.02.2011: "In jeder Wohnung, die wir betreten, findet sich Schimmel. "Ja, und meine Tochter ist immer erkältet. Wir wissen alle, der Schimmel ist gesundheitsgefährlich." Karl-Heinz Rubel zeigt uns den Notausgang. "Vor Kurzem hat es im Keller gebrannt unten. Das ist hier der Notausgang, und unten ist keine Klinke dran. Man kommt überhaupt nicht raus."In Dresden investieren die GAGFAH-Töchter jährlich gut 6,50 pro Quadratmeter, halb so viel wie marktüblich. Die GAGFAH hält das für angemessen, viele Mieter nicht. Zu ihrem Schutz war eigens eine Sozialcharta vereinbart worden. Keine Luxussanierung, sozialverträgliche Mieten und ein günstiges Vorkaufsrecht für die eigene Wohnung. Die Stadt Dresden wirft der GAGFAH-Gruppe nun vor, sie habe in etlichen Fällen gegen diese Sozialcharta verstoßen.Peter Krüger, Stadtrat Dresden, CDU: "Der Vorwurf lautet, dass die GAGFAH bei dem Weiterverkauf von Immobilien die Klausel des Vorkaufsrechtes für Mieter nicht mitverkauft hat und dadurch zu eventuellen besseren Verkaufserlösen gekommen ist."
Dresden hat jetzt zwei GAGFAH-Unternehmen auf eine Rekordsumme von mehr als einer Milliarde Euro verklagt. Die GAGFAH bestreitet die Vorwürfe. Doch was hat das alles mit GAGFAH-Chef William Brennan zu tun? Er steht im Verdacht, im Umfeld der Klage noch rechtzeitig Geschäfte zum eigenen Vorteil gemacht zu haben. Es geht um einen Aktiendeal. Am 3. Februar hatte der Geschäftsführer eigene GAGFAH-Aktien in Millionenhöhe auf den Markt geworfen, und so Kasse gemacht. Der Tageskurs der Aktie lag da noch bei 7,95 . Am 4. März kündigte die Stadt Dresden an, sie wolle klagen. Die Aktie brach ein, verlor ein Viertel ihres Wertes.Prof. Christoph Schalast, Frankfurt School of Finance: "Man fragt sich natürlich, warum verkauft dann der Verwaltungsrat einige Wochen vor der endgültigen Entscheidung der Klageeinreichung Aktien? Und insoweit ist es ganz sicher angezeigt, dass hier die Bafin ermittelt wegen Insiderhandels, und zwar für alle Beteiligten."
Ein Insidergeschäft? Das wäre strafbar. Wusste Brennan also, dass die Klage der Stadt Dresden unmittelbar bevorstand und seine Aktien damit an Wert verlieren würden? Die GAGFAH teilt uns dazu mit, der Aktienverkauf sei rechtlich einwandfrei gewesen. Und weiter:Zitat: "Über eine mögliche Klage der Stadt Dresden haben wir erstmals kurz vor unserer ad-hoc-Mitteilung vom 4. März 2011 erfahren."Also kein Insiderhandel? MONITOR liegen vertrauliche Dokumente vor, aus denen hervorgeht: Schon vor zwei Jahren drohte die Stadt Dresden der GAGFAH mit einer Klage. Wegen Verstößen gegen die Sozialcharta. Die GAGFAH verhandelte, bot der Stadt später sogar 150 Arbeitsplätze, wenn sie auf eine Klage verzichtet. Doch Ende 2010 machte Dresden dann endgültig klar, dass dieses Angebot nicht reicht.André Schollbach, Die Linke/Dresden: "Spätestens seit Beginn dieses Jahres musste die GAGFAH davon ausgehen, dass die Landeshauptstadt Dresden gegen die Pflichtverletzungen, gegen die Vertragsverstöße vorgehen wird." Und wenig später verkaufte GAGFAH-Chef Brennan dann seine Aktien. Wird er nun ein Fall für die Strafverfolger? Viele Mieter jedenfalls haben das Vertrauen in die GAGFAH verloren. Auch in Dresden.
Mieterin: "Ich bin auf jeden Fall dafür, dass irgendwie die GAGFAH mal Rechenschaft ablegen muss."Mieter: "Ich mache meine Ausbildung noch fertig, und dann bin ich hier oben weg. Also das tue ich mir nicht mehr an, also nicht bei dem Vermieter."MONITOR vom 17.02.2011Im Würgegriff der Heuschrecken - Warum ganzen Wohnvierteln in Deutschland der Verfall droht
MDRRechtsstreit mit Immobilienkonzern - Dresden reicht Klagen gegen Gagfah ein
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen