FernUniversität in Hagen, Susanne Bossemeyer
Freelancer: "Überzeugungstäter", "flexible Individualisten" und
"unaufgeregte Rationale"
Immer mehr Berufstätige arbeiten als "Freelancer" eine Situation, die
sehr hohe Anforderungen stellt und in der das Berufs- und das Privatleben
deutlich an Stabilität verlieren. Psychologen der FernUniversität haben
festgestellt, dass diese freien Mitarbeitenden dennoch durchaus zufrieden
sind. Es gibt aber auch branchenspezifisch markante Unterschiede.
Geschätzte zwei Millionen Berufstätige arbeiten in Deutschland ohne
Festanstellung als "Freelancer" für wechselnde Auftraggeber, Tendenz
steigend. Wie kommen sie mit dieser unsicheren beruflichen und
persönlichen Situation zurecht? Wie gehen sie mit den Belastungen um? Was
motiviert sie? Was wollen sie noch erreichen? Danach forschte das
Lehrgebiet "Psychologie des Erwachsenenalters" an der FernUniversität in
Hagen mit zwei Studien zu freien Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in
Journalismus, in anderen Medienbereichen und in der IT-Branche: "Solo-
Selbstständige im Spannungsfeld von Flexibilisierung und Stabilisierung."
Prof. Dr. Ingrid Josephs und Dr. Andrea Kettenbach haben festgestellt,
dass die "Freien" durchweg überraschend zufrieden sind. Bestätigt wurde
das "Einzelgänger"-Klischee der Öffentlichkeit jedoch nur für den
journalistischen Bereich. Dies ist nicht der einzige branchenspezifisch
markante Unterschied. Die Forscherinnen interessierten berufliche
Motivationen, Ziele, Ressourcen und Persönlichkeitsmerkmale, ebenso die
Rahmenbedingungen der Arbeit und nicht zuletzt die individuellen
Strategien, um eigene Wünsche und Möglichkeiten mit den Anforderungen des
Umfeldes in Einklang zu bringen.
Journalisten: intrinsisch motivierte "Überzeugungstäter"
Prof. Ingrid Josephs und Dr. Andrea Kettenbach stellten bei der Auswertung
der ersten (Interview-)Studie fest, dass Journalistinnen und Journalisten
typischerweise intrinsisch motivierte "Überzeugungstäterinnen und -täter"
sind: "Sie geben nicht auf, auch wenn ihre Kosten hoch und die psychische
Belastung enorm sind!" erläutert Ingrid Josephs. Journalistinnen und
Journalisten haben häufig die klassische Ausbildung "Volontariat" ohne das
klare Ziel durchlaufen, später freiberuflich zu arbeiten.
Sie schätzen vor allem, wenn sie für Printmedien arbeiten die gute
"Erkennbarkeit" ihres Berufes und verfolgen eher fachlich orientierte
Ziele (z.B. die Erhöhung ihrer fachlichen Expertise). Motiviert werden sie
weder durch die (nach eigener Meinung viel zu geringe) Entlohnung noch
durch Anerkennung oder durch die hohen Anforderungen an ihre Flexibilität,
die sie eher als belastend empfinden, kaum jedoch als positive
Herausforderung. Berufs- und Privatleben sind selten wirklich zu trennen.
Sie akquirieren ihre Aufträge mehrheitlich selbst, wobei ihnen die Akquise
selbst häufig unangenehm ist. Die Relevanz der Selbstvermarktung schätzen
sie als hoch ein.
Das Klischee des einsamen, alleine arbeitenden Freelancers fanden die
FernUni-Forscherinnen oft bestätigt. Jedoch identifizieren die "Freien"
sich häufig mit der Organisation, für die sie arbeiten, und sehen deren
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Teil als Kolleginnen und Kollegen an.
Als einzige der drei Zielgruppen haben diese "traditionellen Freelancer"
ein klar erkennbares Berufsbild. Berufliche Kreativität ist vorhanden,
jedoch geringer ausgeprägt.
Medien-Freelancer: flexible Individualisten
Freelancer, die in den verschiedensten Medienbereichen tätig sind, aber
nicht als Journalistinnen und Journalisten, sind typischerweise flexible
Individualistinnen und Individualisten: "Berufs- und Privatleben gehen
ineinander über, Flexibilität gehört zu ihrem Kerngeschäft und wird als
ich-affin erlebt", erläutert Ingrid Josephs. Das Klischee, immer alleine
zu arbeiten, trifft auf sie nur teilweise zu.
Diese Medien-Freelancer haben mehrheitlich ganz bewusst die Entscheidung
für eine kreative und unabhängige Arbeit getroffen. Sie identifizieren
sich häufig mit der Organisation, für die sie arbeiten, sehen jedoch deren
Mitarbeiter kaum als ihre Kollegen an.
Dass ihr Beruf meist erklärungsbedürftig ist, stört sie selten.
Anerkennung motiviert sie sehr, ebenso wie das unabhängige Arbeiten. Ein
Spannungsfeld zwischen Flexibilitätsanforderungen und
Stabilitätsbedürfnissen empfinden sie deutlich weniger als die beiden
anderen Gruppen. Die geforderte Flexibilität erleben sie eher als positive
Herausforderung. So haben sie auch die höchste Überlappung zwischen
Berufs- und Privatleben.
Aufträge erhalten sie mehrheitlich durch Empfehlungen. Die Akquise selbst
ist ihnen häufig unangenehm. Die Relevanz der Selbstvermarktung schätzen
sie als hoch ein. Damit einher geht als Notwendigkeit Verkaufstalent, aber
auch Gewissenhaftigkeit.
IT-Freelancer: unaufgeregt rational
IT-Freelancer entsprechen dem Typ der "unaufgeregt Rationalen" mit einer
abgewogenen und erfolgreich verlaufenden Kosten-Nutzen-Bilanz. Häufig
haben IT-Freelancer aus "der Not eine Tugend" gemacht und sind so aus
verschiedenen Gründen (Krisen, Mobbing, Insolvenz) zu ihrer
freiberuflichen Tätigkeit gekommen. Sie sind es gewohnt, dass ihr Beruf
bzw. ihre Tätigkeit nach außen nur schwer "erkennbar" ist, was ihnen
persönlich jedoch egal ist.
Sie verfolgen unternehmerische Ziele (z.B. Erweiterung des Kundenkreises),
sind mit ihrem Einkommen sehr zufrieden und empfinden die
Flexibilitätsanforderungen eher als Herausforderung denn als Belastung.
Die Akquirierung von Aufträgen erfolgt mehrheitlich über Vermittler, wobei
ihnen die Akquise selbst leicht fällt. Sie schätzen die Relevanz der
Selbstvermarktung als hoch ein.
Mit dem Klischee des einsamen Freelancers haben sie nichts gemeinsam. Sie
identifizieren sich häufig mit der Organisation, für die sie arbeiten, und
sehen die Mitarbeiter als Kollegen an. Großen Wert legen sie auf auf
soziale Kompetenzen. Sie trennen am deutlichsten zwischen Berufs- und
Privatleben.
"Freie" und "Feste" die Unterschiede
In einer zweiten (Online-)Umfrage ging das FernUni-Team den Fragen nach,
wie sich Freelancer von Festangestellten unterscheiden und wodurch man
ihren beruflichen Erfolg vorhersagen kann. Dafür wurden 103 freie und
festangestellte Berufstätige aus dem IT-, Medien- und
Weiterbildungsbereich sowie aus dem Journalismus befragt, die im
Bachelorstudiengang Psychologie der FernUniversität studieren.
Bei der Untersuchung der Zufriedenheit zeigte sich, dass Freelancer im
Hinblick auf die Balance zwischen Berufs- und Privatleben, ihrer
allgemeinen Lebenssituation und der Auftragslage weniger zufrieden sind
als Festangestellte. Dagegen sehen "die Freien" ihre Berufswahl, ihren
beruflichen Werdegang und die Entlohnung in einem etwas positiveren Licht
als die "Festen". Signifikant sind die Unterschiede bei den Faktoren
"Form" und "Inhalte" der Tätigkeiten: Sie erreichen bei den Freelancern
Spitzenwerte, während die Festangestellten hier die geringste
Zufriedenheit feststellen.
Hinsichtlich der Motivationsaspekte sind lediglich die "immer wieder neue
Aufgaben" für die Festangestellten noch wichtiger als für die
Freiberufler. Einen hohen Stellenwert haben für beide Gruppen,
insbesondere für die "Freien",
"eigenverantwortliches"/"unabhängiges"/"kreatives Arbeiten", die "eigene
Zeiteinteilung" und die "Tätigkeit selbst". "Status", "Anerkennung" und
"Einkommen/Umsatz" fallen dagegen ab.
Worin sehen die beiden Gruppen ihren subjektiven Berufserfolg? Freelancer
können sich Aufträge aussuchen, aber auch ablehnen. Festangestellte
betonen, dass ihr fachlichen Stärken zum Einsatz kommen das macht sie
zudem auch zufrieden. Freelancer empfinden dagegen Zufriedenheit, weil sie
ihre Arbeitsziele konsequent verfolgen, die Dinge in die eigenen Hände
nehmen und die Qualität ihrer Arbeit verbessern können.
Die Ergebnisse der beiden Studien
Freelancer sind insgesamt zufriedener als vermutet
sie bringen im Vergleich zu Festangestellten unterschiedliche
Dispositionen und Zielvorstellungen mit
sie unterscheiden sich branchenspezifisch, u.a. im Hinblick auf
ihren Umgang mit Flexibilitätsanforderungen
haben die Forscherinnen veranlasst, ihre bisherigen Ergebnisse durch eine
weitere Online-Befragung zu präzisieren und gleichzeitig eine Grundlage
schaffen zu können für Vorhersagen:
Welche Ziele setzen sich Freelancer für die Zukunft?
Welche beruflichen Träume wollen sie noch verwirklichen?
Streben sie eine Festanstellung an?
u.a.
Prof. Ingrid Josephs kann sich gut vorstellen, dass "sich aus den
Antworten dann weitere Fragen ergeben und wir vielleicht ein umfassendes
Netz von 'Freelancer'-Studien bekommen könnten."
Ergebnisse der Studien sollen am 13. Mai 2011 in Hagen bei einem
"Freelancer-Day" vorgestellt und mit freiberuflich Tätigen diskutiert
werden.
Die Untersuchungen der FernUniversität fanden im Rahmen des
Forschungsprojekts "Freelancer im Spannungsfeld von Flexibilisierung und
Stabilisierung (FlinK)" statt, das vom Bundesministerium für Bildung und
Wissenschaft und vom Europäischen Sozialfonds der EU gefördert wird.
Projektträger ist die DLR, Partner sind Prof. Dr. Stephan Süß (Heinrich-
Heine-Universität, Düsseldorf), und Prof. Dr. Stephan Kayser (Universität
der Bundeswehr, München).
Ausführliche Informationen: <www.flink-projekt.de> Teilnahmemöglichkeit an der nächsten (Online-)Studie: Prof. Ingrid Josephs Arten der Pressemitteilung: Sachgebiete: Die gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
will aufgrund der interessanten und z.T. auch sicher überraschenden
Ergebnisse zusammen mit dem BMBF-Verbundpartner Prof. Dr. Stefan Süß
(Universität Düsseldorf) das Thema weiter vertiefen. So können Freelancer
im Medienbereich - natürlich auch freie Journalistinnen und Journalisten -
selbst an der nächsten Studie teilnehmen. Der Fragebogen ist unter
<
Teilnehmerinnen und Teilnehmer in dem Fragebogen ihre Mailadresse angeben
wollen, können sie die Ergebnisse dieser Befragung später direkt
mitgeteilt bekommen. Die Fragen richten sich allerdings NICHT an IT-
Freelancer!
Forschungsergebnisse
Informationstechnik
Medien- und Kommunikationswissenschaften
Psychologie
Wirtschaft
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
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