Freitag, 15. April 2011

Auf den Spuren politischer Nachkriegslit

Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Wien, Alexander Dworzak, 15.04.2011 10:13

Auf den Spuren politischer Nachkriegsliteratur

Die österreichische Nachkriegsliteratur war weitgehend unpolitisch, so ein
weitverbreitetes Urteil der Literaturgeschichtsschreibung. Günther Stocker
und sein Team vom Institut für Germanistik der Universität Wien
hinterfragen diese Annahme. In einem FWF-Projekt machen sich die
ForscherInnen auf die Suche nach den Diskursen des Kalten Krieges in der
Literatur der Jahre 1945 bis 1966. Fündig sind sie zunächst am Rande des
literarischen Geschehens geworden: bei wenig bekannten AutorInnen, in
nicht so renommierten Genres und unbeachteten Werken angesehener
SchriftstellerInnen.

Das Ende des Kalten Krieges bedeutete für die Geschichtswissenschaft eine
veränderte Quellenlage. Zahlreiche Archive öffneten ihre Bestände und
erzeugten dadurch eine neue Dynamik in den "Cold War Studies". Daran will
nun auch die literaturwissenschaftliche Forschung anschließen. "In unserem
Bereich gibt es starken Nachholbedarf. Die österreichische
Nachkriegsliteratur wird bislang sehr polarisierend dargestellt: Auf der
einen Seite stehe demnach die traditionelle Linie konservativer
AutorInnen, die teilweise schon vor dem Zweiten Weltkrieges publiziert
haben. Auf der anderen Seite fände sich die experimentelle, der Avantgarde
verpflichtete Literatur. Unter den Tisch fällt, dass es sehr wohl
AutorInnen gab, die sich explizit mit zeitgenössischen politischen Themen
beschäftigt haben", sagt Günther Stocker vom Institut für Germanistik der
Universität Wien. Im Rahmen des dreijährigen FWF-Projekts erforscht mit
seinen MitarbeiterInnen Doris Neumann-Rieser und Stefan Maurer seit
vergangenem Jahr die Diskurse des Kalten Krieges in der
Nachkriegsliteratur.

Literatur außerhalb des Kanons

Es sind nicht immer Bücher renommierter Genres, in denen der Kalte Krieg
eine Rolle spielt. So gehörten AutorInnen von Kriminalromanen nicht zum
Kanon der österreichischen Literatur. Relevant sind aber auch Texte
bekannter SchriftstellerInnen, die entweder entpolitisiert interpretiert,
oder als "mindere" Werke angesehen wurden. Wie Denkfiguren des Kalten
Krieges in der Literatur aufgegriffen bzw. welche Bilder und Metaphern
herangezogen wurden, sind die zentralen Fragestellungen des
Forschungsprojekts.

Darüber hinaus werden die Werke im Kontext der internationalen und
nationalen Diskurse des Kalten Krieges verortet. Die ForscherInnen
verfolgen dieses Ziel mithilfe zahlreicher Kooperationen, u.a. mit den
Universitäten Stanford und Salzburg, der Wienbibliothek im Rathaus und der
Historischen Kommission der Österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Die Besatzungszeit im Unterhaltungsroman

Einer der interessanten Autoren am "Rande des Literaturbetriebs" war
Reinhard Federmann. Er schrieb neben anspruchsvollen politischen Romanen
auch Unterhaltungsliteratur, teilweise gemeinsam mit Milo Dor, in der er
einen scharfen Blick auf zeitgenössische Phänomene warf. "In ihren
Thrillern kommen beispielsweise die Menschenverschleppungen der
Sowjetbehörden vor, die während der Besatzungszeit ein dominierendes Thema
in den österreichischen Medien waren, von denen aber heute kaum noch
jemand weiß", erklärt der Germanist.

Decodierung: Kartoffelkäfer

Viele in dem untersuchten Material enthaltene Metaphern und Slogans müssen
zunächst decodiert werden, denn bestimmte Bilder haben heute jegliche
Bedeutung verloren. Im Roman "Romeo und Julia in Wien" von Federmann und
Dor verliebt sich ein amerikanischer Journalist in eine Übersetzerin der
russischen Nachrichtenagentur TASS. Sie kommunizieren anfangs auf Deutsch
und wissen gar nicht, dass sie jeweils dem "Feind" gegenübersitzen.
Nachdem die Wahrheit ans Licht kommt, merkt der Journalist ironisch an,
dass er von einer sehr antikommunistischen Zeitung komme: Sein Chef
verspeise jeden Tag ein paar Kommunisten und dessen Kinder würden mit
Kartoffelkäfern spielen.

Weshalb Kartoffelkäfer? "Dazu muss man wissen, dass es sich dabei um ein
Element der antiamerikanischen Propaganda handelt. Im sogenannten Ostblock
machte damals das Gerücht die Runde, dass Amerikaner Kartoffelkäfer aus
Flugzeugen abwerfen, um die Ernte zu vernichten. Solche Denkfiguren und
Redeweisen gilt es in den Werken der AutorInnen aufzudecken", so Stocker.

Webseite des Projektes "Diskurse des Kalten Krieges":
http://germanistik.univie.ac.at/kk-diskurse

Wissenschaftlicher Kontakt
Ass.-Prof. PD Dr. Günther Stocker
Institut für Germanistik
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-421 13
T +43-1-4277-421 57
<
guenther.stocker@univie.ac.at>

Rückfragehinweis
Mag. Alexander Dworzak
Öffentlichkeitsarbeit
Universität Wien
1010 Wien, Dr.-Karl-Lueger-Ring 1
T +43-1-4277-175 31
M +43-664-602 77-175 31
<
alexander.dworzak@univie.ac.at>

Arten der Pressemitteilung:
Forschungsprojekte

Sachgebiete:
Gesellschaft
Politik
Sprache / Literatur

Weitere Informationen finden Sie unter
<
http://medienportal.univie.ac.at/presse/> - Medienportal der Universität Wien mit Bild in printtauglicher Auflösung

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
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Die Diskurse des Kalten Krieges in der österreichischen Literatur 1945 bis 1966

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...untersucht Germanist Günther Stocker mit seinem Team



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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution84
















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