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global news 2559 08-12-11:
Es ist nicht so einfach, aus der deutschen Gewerkschaftsperspektive die Eurokrise zu beurteilen, denn auch die Gewerkschaften tragen Schuld
Die Gewerkschaften tun sich derzeit nicht leicht, zu einem überzeugenden Urteil über Ursachen
und Lösungen der Eurokrise zu kommen, oder sie machen es sich einfach zu leicht. So kann man in Gewerkschaftsdokumentationen für ihre Mitglieder sehr Unterschiedliches und oft
Widersprüchliches lesen. Das ist schade, weil man eigentlich gerade aus dieser Ecke des sozialen Spektrums eine besonders ehrliche und auch gegenüber der eigenen Mitverantwortung
rücksichtslose Analyse erwarten würde. Hier einige Beispiele:
Zu recht beklagen Gewerkschaftler heute lautstark die Ungleichgewichte in der Eurozone, die von den Löhnen und
Lohnstückkosten ausgehend einige unserer Partner zu Defizitländern mit hoher Verschuldung gemacht haben, nicht zuletzt weil umgekehrt in Deutschland über viele Jahre die Löhne
stagnierten und die Lohnstückkosten fielen. Hier wäre zu erwarten gewesen, daß man sich mindestens einmal auf die eigene Gewerkschaftsbrust schlägt. Warum waren denn die
deutschen Gewerkschaften in allen diesen Jahren an der Lohnfront so lammfromm und haben Deutschland im internationalen Vergleich die wenigsten Streiks und die schlechteste Lohnentwicklung
weit unter dem Anstieg der Produktivität eingebracht? Warum haben sich denn auch die deutschen Gewerkschaften immer wieder für die Exportweltmeisterschaft begeistert, die mit Lohnenthaltung erreicht wurde, und das noch, als die
Sturmzeichen schon längst an der Wand standen? Lag es vielleicht gar an der Mitbestimmung, weil man hier an den Unternehmertischen von der
Unternehmermentalität beeinflußt werden konnte? Das ging doch so weit, daß sich der Betriebsratsvorsitzende der BASF öffentlich für Supergehaltssteigerungen seines
Unternehmerbosses einsetzte und auch sonst die Gewerkschaftsvertreter die horrenden Gehaltsanhebungen des Spitzenpersonals auch in anderen mitbestimmten Unternehmen absegneten. Soll man vergessen, daß Gewerkschaftsboss Zwickel
bei der Mannesmann-Übernahme Arm in Arm mit Ackermann die riesige Abfindung für Esser durchwinkte?
Andererseits ist es
nicht so, daß Arbeitnehmer in Griechenland und Spanien, um nur diese Beispiele zu nennen, bei Lohnerhöhungen, die dramatisch über den Produktivitätsgewinn der Volkswirtschaften
hinaus gingen, besonders bescheiden gewesen wären. Man hat vielleicht darauf vertraut, daß das Ausland eine solche Entwicklung unbegrenzt finanzieren würde. Reale
Lohnstückkostensteigerungen zwischen dem Jahre 2000 und dem Ausbruch der Krise in 2009 von 36 % wie bei Griechenland sowie 31 % bei Italien und Spanien sind an den Weltmärkten einfach nicht
unterzubringen und das auch unabhängig von der deutschen Niedriglohnkonkurrenz (Abb. 15345). Das gilt erst recht, wenn dann auch noch ein wenig produktiver Staatssektor in Griechenland sein
Personal seit 1980 auf weit über 1 Millionen verdreifacht hatte.
Da wird in einer Dokumentation behauptet, in ganz Europa sei der Anteil der Löhne an der produzierten Wertschöpfung gesunken. Doch in dem entscheidenden Zeitraum zwischen 2000 und dem
Ausbruch der Krise in 2009 kam es in Italien, Griechenland und Portugal zu beachtlichen Zunahmen dieses Anteils (Abb. 15689).
Und dann wird die Schuld für die Misere der Krisenländer allein den Spekulanten, die auch als Zocker abqualifiziert
werden, in die Schuhe geschoben, als gehörten nicht auch große Pensions- und Rentenfonds, Lebensversicherer und andere Geldsammelstellen von Arbeitnehmern dazu und viele Sparer, die auf
Rat ihrer Bank mal nicht in den besonders niedrig verzinsten Bundesanleihen investiert haben. Spanien und Griechenland hatten vor der Krise weniger Schulden als Deutschland, heißt es da in
einer Dokumentation, als seien die Staatsschulden plötzlich wegen der ausländischen Spekulanten hochgeschossen. Dabei saßen die Spekulanten im eigenen Lande und fachten dort einen
gewaltigen Bauboom an, der dann die eigenen Banken in Schieflage kommen ließ und wegen der notwendigen Rettung dann auch den Staatshaushalt. Natürlich gibt es Spekulation, die man beklagen
und teilweise verbieten sollte. Doch sie allein ist sicher nicht verantwortlich für das ganze Ausmaß dieser Krise. Im Übrigen haben auch die Regierungen von Griechenland und Italien
spekuliert, daß trotz enormer Verschuldung ihre Zinsen immer so unnatürlich niedrig wie die deutschen bleiben würden, und in diesem Vertrauen immer mehr davon aufgebaut oder
gehalten.
Und an dieser Stelle verfällt gewerkschaftliche Argumentation leicht in Widersprüche. Während einerseits die Schuld einseitig den Zockern angelastet wird, wird sie
andererseits bei den von Deutschland mitzuverantwortenden Leistungsbilanzdefiziten und den daraus entstandenen Schuldenbergen festgemacht. Denn die hätten nun Zweifel geschürt, ob die Schuldner diese
zurückzahlen können. Wenn es also berechtigte Zweifel geben muß, können es ja nicht nur irregewordene Zocker sein, die hier ihr Unheil treiben.
Nachdem so die deutsche SchuldRead more at rundbriefe.wordpress.com
und Mitverantwortung festgeklopft ist, kommt die Forderung nach der Notenpresse der EZB wie von selbst. Die EZB müsse nun dafür garantieren, daß die Staaten des Euroraums immer
zahlungsfähig seien, heißt es da in einer Dokumentation. Hat schon mal jemand an die inflationären Folgen gedacht, die gerade Gewerkschaftsmitglieder in Deutschland eines nicht
allzufernen Tages treffen werden, zumal wenn die Löhne - wie auch in der Vergangenheit - nicht ausreichend angehoben werden?
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