Schlecker bittet zur Kasse
Beschäftigte sollen für Sanierung zahlen.
Ver.di will Geschäftsbücher sehen
Branchenkenner gehen davon aus, daß die Drogeriekette derzeit an einem akuten Liquiditätsengpaß leidet. Zahlungsprobleme sind für Schlecker ungleich riskanter als für vergleichbare Handelsketten. Abgesehen von einigen mittlerweile ausgegliederten oder zugekauften GmbH ist der Drogeriemarkt im Kern ein Einzelunternehmen. Firmengründer und Eigentümer Anton Schlecker würde bei einer Insolvenz mit seinem Privatvermögen haften.
Am Montag hatte ver.di mitgeteilt, daß das Unternehmen an die Gewerkschaft mit der Bitte herangetreten sei, über einen Sanierungstarifvertrag zu verhandeln. Lohnsenkung gegen Verzicht auf Kündigung könnte die Formel lauten. Konkrete Vorschläge habe das Unternehmen bislang aber nicht unterbreitet, heißt es bei ver.di. Die Gewerkschaft werde die Situation »noch in diesen Tagen« mit den Betriebsräten aus den Regionen beraten und die Bücher des Unternehmens mit eigenen Wirtschaftsprüfern durchsehen, sagte Christoph Schmitz vom ver.di-Bundesvorstand am Dienstag auf jW-Anfrage. Erst danach kämen Verhandlungen in Frage. Für die gelte der Grundsatz: »Ohne Gegenleistung keine Einschnitte«, so Schmitz.
Noch bis Juni 2012 gilt für die rund 30000 Beschäftigten der Vertriebslinien AS und XL ein Beschäftigungssicherungs- und Sozialtarifvertrag. Deshalb gibt es bei Schlecker derzeit auch keine betriebsbedingten Kündigungen – obwohl seit Oktober nach Informationen von Gewerkschaftern und Betriebsräten die Zahl der Filialschließungen drastisch angestiegen ist. Unbestätigten Informationen gewöhnlich gut informierter Kreise zufolge soll die Frequenz im Januar auf 150 Schließungen bundesweit pro Woche gesteigert werden. Nach früheren Firmenangaben sollen insgesamt 700 bis 1000 Filialen dichtgemacht werden.
Eine Schlecker-Betriebsrätin aus Berlin erklärte auf Nachfrage, viele Läden seien »noch nie so gut besetzt gewesen wie im Moment«. Das Unternehmen wisse nicht, »wie sie die Leute aus dem Personalüberhang einsetzen sollen«. Die Doppelbesetzung von Filialen, gegen die die Geschäftsführung jahrelang gekämpft hatte, sei mittlerweile Standard. Ob das lange so bleibt, ist fraglich: Geschäftsführer Lars Schlecker hatte am Wochenende in der Welt am Sonntag betriebsbedingte Kündigungen für das kommende Jahr nicht mehr ausgeschlossen.
Einen Vorgeschmack auf künftige Konflikte gab es Anfang Dezember in Darmstadt. Dort hatte Schlecker dem regionalen Betriebsrat Ende November die Absicht mitgeteilt, sechs Filialen zum 14. Dezember zu schließen. Weil sich Schlecker weigerte, über einen Interessenausgleich für die Beschäftigten zu verhandeln, beantragte der Betriebsrat am 5. Dezember eine einstweilige Verfügung gegen die Schließung beim Arbeitsgericht.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen