Montag, 12. Dezember 2011

-->> #Leiharbeit Die #staatlich #geförderte #Ausbeutungsmaschine [auch im #SiliconSaxony #Dresden] (via le-bohemien.net)

 

Leiharbeit

Die staatlich geförderte Ausbeutungsmaschine (Teil 1)

[via le-bohemien.net]

http://le-bohemien.net/2011/05/02/leiharbeit/

 


Von Florian Hauschild und Sebastian Müller

Während ein Konservativer ab 1883 die Arbeitnehmerrechte auf deutschem Boden umfangreich stärkte, beschloss eine sozialdemokratisch geführte Regierung im Jahre 2002 die bis dato tiefgreifendsten Eingriffe ins deutsche Arbeitsrecht. Immer dann wenn es nicht reicht, in einfachen Kategorien zu denken, lohnt es sich den Dingen auf den Grund zu gehen. le bohémien widmet dem Thema "staatlich geförderter Missbrauch der Leiharbeit" eine zweiteilige Serie.

"Arbeitnehmerüberlassung", so heißt es neutral im Amtsdeutsch. In der Realität hat das für die Betroffenen nur allzuoft Dumpinglöhne, miserable Arbeitsbedingungen und die Aushebelung von Flächentarifverträgen zur Folge. Arbeitnehmerüberlassung heißt, dass ein Verleiher und ein Entleiher einen Vertrag über eine Arbeitskraft schließen. Rechte und Pflichten, Soll und Besoldung werden festgelegt. Dass hinter dieser Arbeitskraft ein Mensch steht, wird dabei gerne durch betriebswirtschaftliche Rationalität verdrängt. Arbeitnehmerüberlassung heißt umgangssprachlich auch Leiharbeit oder Zeitarbeit, und klingt dann weit weniger neutral.

Der Ausbau der Leiharbeit, die mit fast einer Millionen[1] Beschäftigten einen Teil des mittlerweile fest etablierten Niedriglohnsektor bildet, gehört zweifellos zu den perfidesten Maßnahmen der bundesdeutschen Arbeitsmarktpolitik in den letzten Jahren. Was einstmals den Zweck erfüllen sollte, in Ausnahmesituationen Personalengpässe auszugleichen, bedeutet heute: Beschneidung der Arbeitnehmerrechte und teils sittenwidrige Löhne im großen Stil. Bevor die sozialen Auswirkungen der Leiharbeit näher beleuchtet werden, sollen jedoch Entwicklung und Situation dieses Arbeitsmarktinstrumentes dargestellt werden.

Bis 1967 war Leiharbeit in Deutschland verboten. In den Folgejahren wurde das Konzept der Leiharbeit lediglich in stark reglementierter Form zugelassen. So wurde zunächst etwa der Baubranche der Einsatz von Leiharbeitskräften untersagt, auch wurden maximale Überlassungszeiten der Arbeitnehmer an die entleihenden Unternehmen definiert. Ziel war stets: Personalengpässe bei temporär stärkerer Auftragslage eines Unternehmens zeitlich begrenzt zu überbrücken.

Gesetzgeber und Arbeitsrecht schützten die Arbeitnehmer vor ausuferndem Einsatz dieses stets umstrittenen Instrumentes. Mit dem JobAQTIV-Gesetz und der ersten Stufe der Hartz-Reformen öffnete die Schröder-Regierung in Punkto Leiharbeitsregulierung jedoch alle Schleusen. Seitdem wuchs die Zahl der als Leiharbeiter beschäftigter um jährlich 10 bis 25 Prozent an.[2] Und dennoch: während Hartz IV in aller Munde ist, gerät Hartz I oft in Vergessenheit.

Zwar wurde mit sozialdemokratischem Pathos eine Gleichstellung der Leiharbeitnehmer mit der Stammbelegschaft eines Unternehmens beschlossen,[3] de facto wurde dieses Equal Treatment/Equal Payment-Prinzip jedoch durch spezielle Tarifverträge für die Leiharbeitsbranche und andere Tricks umgangen. Verantwortlich für diese Diskrepanz zwischen Gesetzestext und Lebensrealität war oft die so genannte Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und PersonalService-Agenturen[4], eine teils sehr fragwürdige Vereinigungen, die vom Bundesarbeitsgericht im Dezember 2010 die Tariffähigkeit entzogen bekam. Ein Magazin-Beitrag des Bayrischen Rundfunks enthüllt die Machenschaften der Christlichen Gewerkschaften:

Doch auch abgesehen von den vorerst gerichtlich gestoppten Lohndumpingverträgen der CGZP, die mittlerweile eine Verfassungsbeschwerde plant, mahnt der DGB in einer 2009 veröffentlichten Stellungnahme zum Thema Leiharbeit an:

Doch diese Regelungen sind mangelhaft und lassen zahlreiche Umgehungsmöglichkeiten zu, so dass die Intention des Gesetzgebers "Gleiches Geld für gleiche Arbeit", was als Grundsatz im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz niedergelegt ist, unterlaufen und ins Gegenteil verkehrt wird.[5]

Darüber hinaus ist bereits absehbar, dass der Bereich einfacher Hilfsarbeiten bald größtenteils von Leiharbeitern abgedeckt wird. Dadurch wird eine nachhaltige Eingliederung der Betroffenen in den regulären Arbeitsmarkt erschwert und gleichzeitig ein flächendeckender Niedriglohnsektor für Geringqualifizierte geschaffen.

Schon längst sind aber nicht mehr nur noch ungelernte Hilfsarbeiter in der Reinigungsbranche oder im Bereich der Produktion von der Schlechterstellung durch Leiharbeitsverträge betroffen. Nur noch rund 45 Prozent der Leiharbeiter lassen sich zu dieser Gruppe zusammenfassen. Weitere 45 Prozent setzen sich aus Facharbeitern wie Schlossern, Elektrikern oder Mechanikern zusammen.

Auch in den Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte hat die Leiharbeit bereits Einzug erhalten: 10 Prozent der Leiharbeitskräfte – also rund 100.000 Menschen – sind trotz akademischer Ausbildung als Leiharbeiter tätig.[6] Oft geschieht dies noch in beiderseitigem Einverständnis, etwa wenn Ingeneure sich nicht fest an einen Arbeitsplatz binden und zunächst verschiedene Arbeitgeber kennen lernen wollen. Jedoch merkt Dr. Sandra Saeed in ihrer von ver.di in Auftrag gegebenen "Branchenanalyse Leiharbeit" an:

Nach Ansicht der Interessenverbände der Leiharbeitsunternehmen erhalte insbesondere das Marktsegment höher und hochqualifizierten Personals in der Leiharbeit eine wachsende Bedeutung.[7]

Der Prognose Saeeds wird durch weitere Zahlen Gewicht verliehen: Die größte Ausbreitung erfährt die Leiharbeit bei der jungen Generation. Heute finden sich doppelt so viele junge Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen wieder wie noch vor zehn Jahren. So haben fast 40 Prozent der oft schlecht bezahlten Leiharbeiter das 30. Lebensjahr noch nicht vollendet.[8]

Damit wird deutlich, dass vor der strukturellen Unterwanderung der traditionellen Arbeitnehmerrechte, vor einer allgemeinen Absenkung des Lohnniveaus und vor zunehmendem Druck auf die Stammbelegschaft prinzipiell kein Bereich des Arbeitsmarktes geschützt ist. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass jeden Arbeitnehmer das Schicksal treffen kann zum Leiharbeitsnehmer zu werden bzw. dass bei Beibehaltung einer Festanstellung die innerbetrieblichen Arbeitsbedingungen vom Damoklesschwert Leiharbeit beschnitten werden.

Mit diesem immer weiter ausufernden Missbrauch der Leiharbeit wird jedoch einer Entwertung von Bildung, Leistung und Qualifikation Vorschub geleistet. Die langfristigen Auswirkungen für das nachhaltige Funktionieren einer Volkswirtschaft sind dabei nicht absehbar. Doch auch gesellschaftspolitisch setzt die Ausbreitung prekärer Beschäftigungsverhältnisse fatale Signale.

Einer tieferen Analyse der Frage, was Leiharbeit für Leiharbeitnehmer – aber auch für regulär Beschäftigte in einem Unternehmen mit Leiharbeitern – bedeutet, widmet sich der zweite Teil dieses Artikels.

[4]http://de.wikipedia.org/wiki/Tarifgemeinschaft_Christlicher_Gewerkschaften_f%C3%BCr_Zeitarbeit_und_Personal-Service-Agenturen

[6]Miegel, Meinhard/Wahl, Stefanie/Schulte, Martin (IWG) (2007): Die Rolle der Zeitarbeit in einem sich ändernden Markt, Bonn 2007, S. 23

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