Wolfgang Nekovic:
Im Zweifel für die Reichen und Mächtigen
(Nachdenkseiten)
http://www.nachdenkseiten.de/?p=6258#h17
Ausschlaggebend für die unangemessene Milde, mit der die Justiz Wirtschaftskriminalität im Vergleich zur ganz gewöhnlichen Alltagskriminalität behandelt, ist etwas Anderes.
Seit Jahren ist die Justiz personell und sachlich schlecht ausgestattet.
Seit Jahren steht sie unter steigendem Erledigungsdruck.
Dies wirkt sich jedoch völlig unterschiedlich aus, je nachdem, ob es beispielsweise um einen Bankraub oder Steuerbetrug geht. Bankräuber und Steuerbetrüger sind bereits real ungleich.
Ihre materielle Situation unterscheidet sich. Der Erste versucht, durch die Straftat Reichtum zu erlangen, der Zweite möchte durch die Tat seinen Reichtum mehren.
Der Bankräuber entzieht sich der sozialen Pflicht, sein Vermögen gesetzestreu zu erlangen.
Der Steuerbetrüger stiehlt sich aus seiner sozialen Pflicht, zur Finanzierung von Schulen, Straßen und sozialer Sicherheit beizutragen. Beide Verbrechen sind grob asozial.
Der Ermittlungsaufwand unterscheidet sich jedoch deutlich. Das Verbrechen des Bankräubers kann eine simple Überwachungskamera festhalten.
Zur Tataufklärung genügt dann die Vorlage eines Videobandes. Ganz anders sieht es in Steuerstrafsachen aus. Für eine erfolgreiche Aufdeckung trickreich verschleierter Vermögenslagen und intelligent getarnter Geldwege bedarf es aufwändiger Ermittlungen.
Aus der Not der Justiz entsteht ihre Neigung, dem Steuerverbrecher einen Handel anzubieten: Für seine Mithilfe bei der Aufklärung der Tat erhält er Strafmilderung meist in Form einer Bewährungsstrafe zugesichert.
Dieser Deal beinhaltet eine Vereinbarung über einen Leistungsaustausch: Die Leistung des Angeklagten besteht im Verzicht darauf, die personelle Schwäche des Rechtsstaats erkennbar zu machen. Die Gegenleistung des Rechtsstaats besteht im Verzicht auf eine schuldangemessene Strafe.
So wird das Strafgesetzbuch zum Handelsgesetzbuch.
Es ist paradox: Der wohlhabende Angeklagte sorgt mit der von ihm selbst zu verantwortenden hohen Komplexität der Tat für eine überforderte und genau deshalb milde gestimmte Justiz.
Quelle:
Neue Rheinische Zeitung
http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=15425
Posted via email from Dresden und Umgebung
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen