Rebellion in England
Von Christian Bunke, Manchester
[via Junge Welt]
http://www.jungewelt.de/2011/08-11/055.php
Angesichts der Unruhen in Großbritannien sind zahlreiche zusätzliche Einsatzkräfte mobilisiert worden. In London wurden in der Nacht zu Mittwoch insgesamt 16000 Polizisten aufgeboten. Dort blieb die Lage im Vergleich zu den vorherigen Tagen ruhig, dafür gab es in vielen anderen Städten Ausschreitungen. Betroffen waren unter anderem Birmingham, Manchester, Liverpool, aber auch kleinere Städte wie Gloucester.In London organisiert die Bevölkerung inzwischen die »Verteidigung« mancher Stadtteile vor Plünderungen. So versammelten sich Hunderte Sikhs vor einem ihrer Tempel, um diesen zu schützen. Auch türkische und kurdische Betreiber von Imbißbuden organisierten sich. »Ich habe einen Plünderer mit dem Kebabspieß vertrieben. Ich glaube nicht, daß er zurückkommt«, zitiert der Guardian einen von ihnen.Die rechtsextreme English Defense League (EDL) kündigte ebenfalls an, Mitglieder auf die Straßen schicken zu wollen, um »die Unruhen zu ersticken«. EDL-Anführer Stephen Lennon sagte, er könne nicht garantieren, daß es dabei keine gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Jugendlichen geben werde.In Birmingham starben in der Nacht drei Menschen, die von einem Auto erfaßt worden waren. Laut Augenzeugen gehörten die Opfer zu einer Bürgerwehr, die Geschäfte schützen wollte. Nach Polizeiangaben wurde ein Verdächtiger festgenommen, gegen den wegen des Verdachts auf vorsätzliche Tötung ermittelt werde.Die Politiker überbieten sich weiter mit populistischen Phrasen. Premierminister David Cameron erklärte Mittwoch mittag: »Die Ereignisse haben gezeigt, daß Teile unserer Gesellschaft nicht nur zerbrochen, sondern geradezu krank sind.« Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson wiederum forderte, geplante Kürzungen bei der Polizei neu zu überdenken.Ein BBC-Kommentator beschrieb am Dienstag abend den Staat als »eine Organisation, die mit allen notwendigen Mitteln Ordnung schaffen muß. Letztlich sind dies Polizei und Militär.« Das Boulevardblatt Sun veröffentlichte eine Umfrage, wonach 33 Prozent der Bevölkerung den Einsatz von Schußwaffen gegen »Randalierer« befürworten. 77 Prozent sind demnach für einen Armeeeinsatz. Mittlerweile ist bekannt, daß Mark Duggan, der am vergangenen Donnerstag durch Polizeikugeln getötete Familienvater, nicht auf die Beamten geschossen hat.Angesichts der sozialen Situation in vielen britischen Kommunen ist es nicht verwunderlich, daß sich die Unruhen ausgeweitet haben. Hunderte Jugendliche plünderten am Mittwoch Supermärkte im nordwestenglischen Salford. Im betroffenen Stadtteil sind 75 Prozent der Kinder arm. In Liverpool wächst ein Drittel aller Minderjährigen in Haushalten auf, in denen kein Elternteil Arbeit hat. Die Stadtverwaltung kürzte eben das Jugendbudget um 28 Prozent.Gewerkschaftsaktivisten versuchen, die Initiative zurückzugewinnen. So fordert das linke National Shop Stewards Network eine »unabhängige Untersuchung zum Tod von Mark Duggan, die sofortige Bereitstellung von Wohnraum für alle, die ihre Wohnungen durch die Riots der letzten Tage verloren haben« und einen eintägigen Streik aller Gewerkschaften im öffentlichen Sektor gegen das Sparprogramm der Regierung.
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