NATO stürmt Tripolis
Von Karin Leukefeld
[Junge Welt vom 23.08.2011]
Die Lage in der libyschen Hauptstadt Tripolis war auch am Montag weiter unübersichtlich und »nicht stabil«, wie ein Kämpfer der Aufständischen von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert wurde.
Überall werde geschossen, und niemand wisse derzeit, wo sich Staatschef Muammar Al-Ghaddafi aufhalte, sagte auch der Vorsitzende des »Übergangsrates« der Rebellen, Mustafa Mohammed Abdul Dschalil, in Bengasi.
Drei Söhne Ghaddafis sollen festgenommen worden sein, hieß es im arabischen Fernsehsender Al- Dschasira. Der libysche Ministerpräsident Al Baghdadi Ali Al-Mahmudi habe sich auf die tunesische Insel Dscherba abgesetzt.Die in Tripolis ausharrende unabhängige Journalistin und Bloggerin Lizzie Phelan äußerte derweil im russischen Nachrichtensender Russia Today die Vermutung, daß es möglicherweise ein strategischer Schachzug der libyschen Truppen gewesen sei, die Rebellen in die Stadt zu lassen. Diese befänden sich in einem begrenzten Gebiet, während die libyschen Truppen weiterhin die Stadt kontrollierten. Aus dem von ausländischen Journalisten genutzten Hotel Ritsos in Tripolis sind alle Sicherheitsleute und Angestellten verschwunden, berichteten mehrere Reporter dem russischen Sender. Scharfschützen der Rebellen hätten das Hotel umstellt, die Situation sei sehr angespannt. Plünderer seien durch das Hotel gezogen.Mahdi Nazemroaya vom kanadischen Zentrum für die Untersuchung der Globalisierung (Globalresearch) erklärte, die NATO habe militärische und zivile Infrastruktur bombardiert, um den Rebellen den Weg freizuschießen. Die NATO-Führer müßten deshalb »als Kriegsverbrecher für den Mord an Zivilisten zur Verantwortung gezogen werden«, forderte Nazemroaya. Nach den massiven NATO-Luftangriffen am Wochenende hatte Regierungssprecher Moussa Ibrahim die Zahl der Toten am Sonntag abend mit mindestens 1 300 angegeben. Tausende seien zum Teil schwer verletzt worden.Seit März hatte das westliche Militärbündnis die Aufständischen mit Tausenden Einsätzen seiner Kampfjets unterstützt. Die Rückendeckung der NATO sei ein »ganz wichtiger Beitrag für den Erfolg der Rebellion « gewesen, bestätigte auch Henning Riecke, Sicherheitsexperte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP). Die New York Times berichtete am Wochenende, bewaffnete Predator-Drohnen hätten Einheiten der Regierungstruppen aufgespürt, verfolgt und auf sie gefeuert.
Spezialkräfte aus Großbritannien, Frankreich und anderen Ländern hätten die Kämpfer der Rebellen ausgebildet und bewaffnet. In fünf Monaten hat die NATO nach eigenen Angaben insgesamt 19 877 Einsätze gegen das nordafrikanische Land geflogen.
Das Einrücken der Rebellen in Tripolis am Wochenende unterstützten NATO-Kampfflugzeuge demnach mit 126 Einsätzen. Dabei berief sich die NATO bis zuletzt auf die Resolutionen 1970 und 1973 des UN-Sicherheitsrates. Diese sahen vor, zum Schutz der Zivilbevölkerung vor Angriffen eine Flugverbotszone über Libyen und ein Waffenembargo durchzusetzen.
Dieses wird mit 15 Schiffen im Mittelmeer überwacht, hinderte aber weder Katar noch Frankreich, Waffen für die Rebellen nach Libyen zu schaffen. Als Sieger des Krieges sehen sich bereits die internationalen Multis. »Aussicht auf Ghaddafi-Sturz macht Ölkonzernen Hoffnung«, überschrieb die Nachrichtenagentur Reuters am Montag nachmittag einen entsprechenden Bericht.
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