Dienstag, 23. August 2011

#Jungendproteste u. a. mit #Großbritannien: #Zurück #nach #Manchester [via Nachdenkseiten]

(...)

Amplify’d from www.nachdenkseiten.de
Jungendproteste
Heribert Prantl: Heiliger Zorn der Jugend

Die englischen Unruhen hatten einen Fehler: Sie mündeten in sinnlose Randale. Die Blödheit der Randalierer hat es der Regierung erleichtert, in der eigenen Dummheit zu verharren. So leicht machen es die jungen Demonstranten im Rest der Welt ihren Regierungen nicht. Sie demonstrieren friedlich für eine Demokratie, die ihrem eigenen Anspruch gerecht wird: gemeinsam die Zukunft zu gestalten.

Die Gesellschaften vieler Staaten sehen sich in einem Spiel, das so ähnlich funktioniert wie die “Reise nach Jerusalem”. Die Teilnehmer stellen sich dabei neben den Stühlen auf, die im Kreis angeordnet sind. Sobald die Musik ertönt, laufen alle im Kreis um die Stühle herum. Wenn die Musik abbricht, muss jeder versuchen, sich möglichst schnell auf einen freien Stuhl zu setzen.

Im Spiel scheidet stets ein Spieler aus, weil eine Sitzgelegenheit zu wenig aufgestellt ist. Im wahren Leben ist es viel schlimmer: Es unterscheidet sich in Spanien, Großbritannien, Italien, Israel oder Deutschland dadurch, wie viele Stühle weniger aufgestellt sind.

Jeder ist seines Glückes Schmied… Wenn es aber nichts zu schmieden gibt, ist es sinnlos, wenn Recht und Politik versuchen, den Jungen diesen Satz mit repressiven Mitteln einzubläuen. Ausgrenzung kann man nicht mit der Polizei beenden. Es geht nicht mehr um Sozialkontrolle in Adoleszenzkrisen. Es geht um Lebensperspektiven.

Der Weltjugendtag in Madrid wäre der Ort, eine globale soziale Ungerechtigkeit anzuprangern, die in der Weltjugendarbeitslosigkeit kulminiert.

Quelle: SZ

Anmerkung unseres Leser M.D.: So „sprachlos gewalttätig, so destruktiv sinnlos und so niederträchtig“, wie Heribert Prantl schreibt, waren die Proteste gar nicht. Jugendliche in GB sind wehr wohl artikulierend und skandierend aufgetreten. Doch sie wurden nicht gehört. Oder sie wurden gezielt missachtet. In der SZ erschien vor einigen Tagen ein Beitrag, in dem im Rahmen eines Interviews mit einem (friedlichen) Jugendlichen aus London beschrieben wurde, dass den Krawallen durchaus friedliche und Proteste im Rahmen der (auch in GB vorhandenen) Versammlungsfreiheit voraus gegangen waren.

Die Regierungen dieser Welt, die den friedlichen und demokratischen Protest der Jugend missachten, sollten sich nicht wundern, wenn der dieser Protest plötzlich in einen lautlosen, aber gewaltsamen Protest umschlägt.

Großbritannien: Zurück nach Manchester

Rigide Etatkürzungen, steigende Erwerbslosigkeit, ein großer Teil der Jugend ohne Perspektive: Großbritanniens Klassengesellschaft steckt tief in der Krise. Die amtliche Arbeitslosenrate des vergangenen Quartals wird mit 7,9 Prozent angegeben. 2,49 Millionen Menschen sind demnach ohne Erwerbsjob. 23,2 Prozent aller 16- bis 64jährigen, also insgesamt 9,3 Millionen Briten, gelten als »ökonomisch inaktiv«. Nach den aktuellen Unruhen in vielen Städten Großbritanniens richten sich die Blicke verstärkt auf die Entwicklung der Jugenderwerbslosigkeit. Offiziell liegt die Rate bei 16- bis 24jährigen Briten bei 20,2 Prozent. Das sind 949000 junge Menschen ohne Job. Auch diese Zahl ist im Quartalsvergleich gestiegen (plus 15000), doch eine weitaus drastischere Erhöhung wird es wohl in den kommenden Monaten geben. Grund ist das Chaos im Bildungsbereich. Konservative Politiker reden gern davon, Erwerbslosen Anreize schaffen zu wollen, damit sie Arbeit finden. Deshalb dürften Sozialleistungen nicht höher sein als Löhne. Damit werden zukünftige Kürzungen im Sozialbereich legitimiert. Dem steht gegenüber, dass derzeit immer noch 172.000 Menschen mehr erwerbslos sind als zu Beginn der Wirtschaftskrise 2007. Hinzu kommt die steigende Zahl von Working poor, arbeitenden Menschen, die unfreiwillig schlecht bezahlte Teilzeit- oder temporäre Beschäftigungen annehmen, obwohl sie Vollzeitjobs suchen. Die Zahl der »unfreiwilligen« Teilzeitjobber wird mit 1,264 Millionen angegeben.

Quelle: junge Welt

Anmerkung Orlando Pascheit: Für diejenigen, die die englische Arbeitslosenquote angesichts der deutschen für wenig dramatisch halten:  Auch wenn die NachDenkSeiten leider immer wieder auf die Beschönigung von Arbeitslosenstatistiken in Deutschland hinweisen müssen, so ist doch festzuhalten, dass es Länder gibt, in denen die offizielle Arbeitslosigkeit wesentlich enger abgegrenzt und damit kleiner gerechnet wird als in Deutschland. Dazu gehört auch Großbritannien, Laut Eurostat (ILO-Konzept) hat Großbritannien bereits im 3.Quartal eine Arbeitslosenquote von 7,9 Prozent ausgewiesen. Während in Deutschland die Arbeitslosenquote der BA über derjenigen der ILO liegt, liegt die offizielle englische Ziffer immer deutlich unter derjenigen der ILO, d.h. dass die englische Arbeitslosigkeit deutlich höher einzustufen ist, als wie oben angegeben.

Nach Krawallen in Großbritannien: Drakonische Strafen für Plünderer

Ein paar Tage lang waren sich die Briten einig. Plünderer und Randalierer müssen hart bestraft werden. Aber nun entbrennt die Debatte um die drakonische Krawalljustiz. Am meisten Aufsehen erregte der Fall von zwei Männern, die über Facebook zu Krawallen aufriefen. Obwohl niemand ihren Aufrufen Folge leistete und es in den Örtchen Northwich und Latchford in Warrington friedlich blieb, bekamen sie jeweils vier Jahre Gefängnis. Der 20-jährige Jordan Blackshaw hatte seine Facebook-Seite „Smash Down Northwich Town“ („Macht Northwich platt“) genannt, Perry Sutcliffe-Keenan schrieb „Let’s have a riot in Latchford“. Beide nannten Zeitpunkt und Ort, wo der Krawall beginnen sollte und benahmen sich laut Richter Elgan Edwards „bösartig zu einem Zeitpunkt, wo die Nation von einem kollektiven Wahn gepackt war“.

Cameron und die Innenministerin Theresa May kündigten eine Flut harter Maßnahmen an, um den „langsamen moralischen Niedergang“ aufzuhalten, der sich in den vergangenen „Jahrzehnten“ in Großbritannien breitgemacht habe. May erwägt Ausgangssperren für Jugendliche, 120 000 „Problemfamilien“ sollen durch Behördenintervention auf den rechten Weg gebracht werden. Die normale Anonymität jugendlicher Straftäter soll aufgehoben werden und alle Plünderer in einer öffentlichen Liste an den Pranger gestellt werden. Plünderer sollen ihren Opfern gegenübergestellt werden und mit sichtbar beschrifteten gelben Sicherheitsjacken Wiedergutmachungsdienste leisten.

Quelle: Tagesspiegel

Anmerkung Orlando Pascheit: Sollte die Mehrheit der Briten so töricht sein, diese Maßnahmen für angemessen und effizient zu halten? Auch wenn dem nicht so ist, sind sie zu bedauern, denn was fällt solch einer Regierung dann etwa bei der Restrukturierung der Volkswirtschaft zu einer wettbewerbsfähigen Industrienation ein? Kein anderes europäisches Land hat die neoliberale Botschaft so gefressen, dass die globale Arbeitsteilung und die immer ausgefeilteren globalen Logistikketten reale Produktion in den alten industriellen Hochlohnländern höchst überflüssig machten und diese Volkswirtschaften sich auf (Finanz-) Dienstleistungen ausrichten sollten, und dabei die Deindustrialisierung ihres Landes in Kauf genommen. Siehe auch “Deindustrialisierung: Eine neue ‘britische Krankheit’?” im Wirtschaftsdienst 4/2006.

Read more at www.nachdenkseiten.de
 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen