Donnerstag, 4. August 2011

#Protestbewegung in #Israel #entzündet #Massenstreiks [via linkezeitung]

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Protestbewegung in Israel entzündet Massenstreiks


von Jean Shaoul - www.wsws.org

  
Über
hunderttausend städtische Angestellte beteiligten sich vergangenen
Montag an Streiks und Demonstrationen, um sich mit den landesweiten
Zeltstädten solidarisch zu zeigen. Diese breiten sich seit Wochen aus
Protest gegen überhöhte Mietkosten über ganz Israel aus. Städtische
Ämter und Rathäuser blieben geschlossen, die Straßen wurden nicht
gereinigt, und der Hausmüll wurde nicht abgeholt.


Die
Gewerkschaft der Kommunalbehörden in Israel und der Gewerkschaftsbund
Histadrut hatten Anfang des Jahres Streiks abgesagt. Diesmal
unterstützten sie die Proteste, um die Kontrolle zu übernehmen und sie
abzuwürgen. In Tel Aviv streikten die städtischen Behörden nur zum Teil
und öffneten um zehn Uhr ihre Tore wieder. Jerusalem beteiligte sich
nicht am Streik, um „den Bewohnern keinen Schaden zuzufügen“.


In
Tel Aviv und Jerusalem demonstrierten die Lehrer, Eltern und Schüler.
Sie forderten bessere staatliche Bildung und das Ende eines
Privatisierungsprogramms, das zu steigenden Kosten und großer
Ungleichheit beim Zugang zu guter Schulbildung führt. Sie trugen
Transparente mit der Aufschrift: „Mit privaten Bildungseinrichtungen
gibt es keine soziale Gerechtigkeit“.

Für Donnerstag sind weitere Protestveranstaltungen gegen die hohen Bildungskosten angekündigt.



Ärzte
haben ein Zeltlager vor dem Amtssitz von Premierminister Benjamin
Netanjahu aufgeschlagen und fordern ihn auf, in dem seit Monaten
andauernden Streit zwischen Ärzten und der Regierung Stellung zu
beziehen.





Die Gewerkschaft der Pflegekräfte hat angekündigt, sie
werde sich dem Kampf der Ärzte anschließen und plane gemeinsame
Proteste. In vier Abteilungen von Israels größtem und teuerstem
Krankenhaus, dem Sheba Medical Center, streikte das Pflegepersonal zwei
Stunden lang. Sie protestierten gegen die Unfähigkeit der Klinikleitung,
ausreichend Pflegepersonal für die überbelegte Internistik-Abteilung
einzustellen. „Warum werden Touristen, die medizinische Hilfe brauchen,
besser behandelt als alte israelische Patienten am Beatmungsgerät?“
fragte Ilana Cohen, die Gewerkschaftsvorsitzende. „Zu wenig Pflegekräfte
einzustellen, ist kriminell fahrlässig.“



In Tel Aviv beteiligten
sich Dutzende von Studenten an einem Demonstrationszug von der
Zeltstadt auf dem Rothschild Boulevard zu Regierungsgebäuden. Sie trugen
Heuballen auf den Rücken und riefen: „Bibi [Benjamin Netanjahu], es ist
vorbei, mein Rücken ist gebrochen.“



Am Samstag vor diesen
Streiks gingen 150.000 Menschen gegen die steigenden
Lebenshaltungskosten auf die Straße; das war die größte Demonstration
seit Jahren. Die größte Kundgebung fand in Tel Aviv statt, doch auch in
Jerusalem, Be’er Sheva, Haifa und sieben anderen Städten gab es
Demonstrationen. In Nazareth marschierten arabische und jüdische
Arbeiter gemeinsam.



Anfangs richteten sich die Proteste gegen
überhöhte Mieten, doch daraus wurde eine allgemeine Empörung auf die gut
ein Dutzend Milliardärsfamilien, die einen Großteil der israelischen
Wirtschaft kontrollieren. Sie beherrschen den Immobilienmarkt, die
Kommunikationsunternehmen, die Zeitungen, den Einzelhandel, die
verarbeitende Industrie, die Baubranche, das Bankwesen, die
Rentenversicherungen und den Energiemarkt. Die Demonstrierenden
forderten, die marktwirtschaftlichen „Reformen“ einzustellen und alle
Einschnitte im Sozialebereich, der Gesundheit und der Bildung zu
stoppen.



Zwar wurden in Israel die Sozialausgaben gekürzt,
allerdings nicht in der Westbank, Ost-Jerusalem und den Golanhöhen, wo
doppelt so viele Wohnhäuser gebaut werden wie in Israel. Wie das
israelische Wirtschaftsmagazin Globes feststellt, verfolgen die
größere Bautätigkeit und die höheren öffentlichen Ausgaben in diesen
Gebieten den Zweck, Israelis zu motivieren, dass sie die besetzten
Gebiete ziehen. Laut einem Bericht der OECD hat sich die Anzahl von
Israelis in diesen Gebieten zwischen 1997 und 2009 fast verdoppelt.



Die
wachsenden Proteste und ihr Rückhalt in der Bevölkerung stürzen
Netanjahus Koalitionsregierung, die rechteste in Israels Geschichte, in
eine schwere politische Krise.



Netanjahu versuchte, die Proteste
mit der Ankündigung zu beschwichtigen, ein „besonderes Team“ aus
Ministern und Experten werde die Demonstrationsführer anhören und einen
Plan vorlegen, der „die wirtschaftliche Belastung der Israelis
erleichtern“ solle. Er kündigte einige kleinere politische Veränderungen
an und machte vage Versprechungen, „Reformen“ durchzuführen. Zum
Beispiel will er in achtzehn Monaten 50.000 Wohneinheiten bauen, die
Verbrauchssteuer für Benzin einen Monat lang senken, die
Heizkostenzuschüsse für ältere Bürger verdoppeln und Steuern und
Wasserabgaben neu berechnen.



Netanjahu stellte klar, dass den
gesellschaftlichen Forderungen der protestierenden Arbeiter und
Jugendlichen keine ernstzunehmenden Zugeständnisse gemacht würden. Auf
einer Gedenkveranstaltung der Knesset zum 71. Todestag des rechten
Zionistenführers Zeev Jabotinsky betonte Netanjahu, Israels freie
Marktwirtschaft werde nicht angetastet.



Selbst seine begrenzten
Zugeständnisse führten zu heftigem Streit in der Regierung und im
Finanzministerium. Der Generaldirektor des israelischen
Finanzministeriums, Haim Shani, trat wegen „Meinungsverschiedenheiten in
grundlegenden Fragen“ mit dem Finanzminister von seinem Amt zurück. Er
fügte hinzu: „Die Ereignisse der letzten Tage haben die Probleme
verschlimmert.“



Netanjahu wird Moshe Terry, den ehemaligen Chef
der israelischen Sicherheitskräfte, zu Shanis Nachfolger ernennen. Terry
unterhält enge Beziehungen zu Jitzchak Tschuwa, dem Konzernchef von
Delek Group, einem Monopol, gegen das sich unter anderem die allgemeine
Wut richtet.



Stanley Fischer, der Chef der Bank von Israel,
drückte seine Überraschung darüber aus, dass das israelische Volk
protestiere, er finde: „Die Wirtschaft läuft gut.“ Er behauptete, man
könne das Problem der hohen Mietkosten nicht mit dem Zauberstab lösen.



Die
Anführer der Proteste fordern geringere Mietkosten, niedrigere Steuern,
eine Anhebung des Mindestlohnes auf fünfzig Prozent des
Durchschnittsgehalts, kostenlosen Zugang zu Bildung und kleinere
Klassen, verbesserte medizinische Versorgung, die Einhaltung des
Arbeitsrechtes und ähnliche Maßnahmen. Aber Netanjahu weigert sich,
selbst mit den Anführern der Zeltstadt-Proteste zu sprechen. Stattdessen
will er ihnen sein Ministerteam vorsetzen. Ursprünglich forderten die
Protestführer, alle Diskussionen mit Netanjahu und Regierungsvertretern
müssten öffentlich und vor Fernsehkameras stattfinden. Diese Forderung
wurde auf Druck von Ofer Eini, dem Generalsekretär des Histadrut,
zurückgenommen.



Eini stellte klar, dass die
Gewerkschaftsbürokratie die Proteste ablehnte. Er sagte: „Ich werde
keine Bewegung unterstützen, die es sich zum Ziel setzt, einen
demokratisch gewählten Premierminister zu erniedrigen und zu stürzen.
Wir sind nicht in Ägypten oder in Syrien.“



Vor zwei Jahren
schloss Eini ein politisches Bündnis mit dem ehemaligen Stabschef der
Armee, Gabi Aschkenasi. Er half ihm, den Militärhaushalt zu Lasten der
Sozialausgaben zu verteidigen. Laut Telegrammen, die WikiLeaks vor
kurzem veröffentlicht hat, sieht sich Eini als Schlüsselfigur in
Netanjahus rechter Koalition und unterstützt deren Politik.



Laut
einem Telegramm vom 6. Mai 2009 traf sich Eini mit amerikanischen
Diplomaten und versicherte ihnen, er stimme mit dem israelischen
Haushaltsplan überein und werde Netanjahu die Unterstützung der
Laborpartei sichern. Er forderte außerdem, Netanjahu müsse persönlich
mit ihm über den Haushalt verhandeln, und weigerte sich, mit
Finanzminister Yuval Steinitz zu sprechen.



Amerikanische
Diplomaten kamen zu folgendem Schluss: „Eini, dessen Leistungen
entscheidend dazu beitrugen, die Arbeitspartei in die Regierung zu
bringen, sieht sich als besonders wichtigen Strippenzieher.“



Der
Gewerkschaftsbund Histadrut steht unter enormem Druck der
Arbeiterklasse. Aber wenn er zu Streiks aufruft ist sein Ziel dennoch
klar: Er will die Wut abreagieren und eine entschlossene politische und
soziale Konfrontation mit der Regierung verhindern.



Was
Netanjahus Regierung angeht, so wächst die Gefahr, dass sie auf ihre
übliche Taktik zurückgreift und eine Provokation gegen die Palästinenser
oder arabische Nachbarstaaten lanciert, um von der wachsenden sozialen
Unruhe abzulenken.



Am Montagmorgen töten israelische Truppen zwei
Palästinenser im Flüchtlingslager Kalandia in der Westbank. Zuvor
wurden nach einer kleineren Auseinandersetzung mit Steine werfenden
Palästinensern mehrere Häuser durchsucht. In Kalandia sind
Sicherheitskräfte der Palästinensischen Autonomiebehörde für die
Sicherheit zuständig, aber die israelische Armee beansprucht für sich
das Recht, das Lager nachts zu betreten. Ein Militärkommandant beklagte,
die palästinensischen Sicherheitskräfte würden wegen eines Abkommens
zwischen der Autonomiebehörde und der Hamas zu wenig Verdächtige
verhaften.



Bereits letzte Woche gab es eine Razzia in einem
bekannten Theater in Dschenin, bei der israelische Truppen zwei Menschen
verhafteten. Vor zwei Wochen töteten sie bei einer Razzia in einem
Flüchtlingslager bei Nablus einen 21-jährigen Palästinenser.



Am
Montag gab es einen kurzen Schusswechsel zwischen libanesischen und
israelischen Truppen, als libanesische Soldaten das Feuer auf eine
israelische Patrouille eröffneten, die die Grenze überquerte.



Shaul
Mofaz, ein ehemaliger Oberbefehlshaber der israelischen Streitkräfte
und Abgeordneter der liberalen Kadima-Partei, sagte, sehr wahrscheinlich
werde das Militär die Reserve mobilisieren, da man mit
Palästinenserunruhen rechnen müsse. Als Grund nannte er den aktuellen
Antrag der Palästinensischen Autonomiebehörde bei der UN-Vollversammlung
auf Anerkennung als Staat. Er sagte dem Radiosender Army Radio: „Im September könnte es zu gewaltsamen und schmerzhaften Ereignissen kommen, mit unvorhersehbaren Ergebnissen.“



http://www.wsws.org/de/2011/aug2011/isra-a04.shtml

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