Montag, 15. August 2011

#Hetzjagd - Wulff: DDR war »verbrecherisch« [via Junge Welt]


Hetzjagd

Wulff: DDR war »verbrecherisch«

Von Uli Schwemin
[via Junge Welt]
 

Bundespräsident Christian Wulff hat »die Mittel und Wege der Machtausübung« in der DDR als »verbrecherisch« bezeichnet und bedauernd hinzugefügt, dies sei »zu vielen Deutschen nicht bewußt«. Das Schuljahr kann beginnen, das Lernziel ist klar.

Am 23. September 1991 hatte der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel vor dem 15. Deutschen Richtertag folgenden Auftrag erteilt: »Sie, meine Damen und Herren, haben als Richter und Staatsanwälte bei dem, was noch auf uns zukommt, eine ganz besondere Aufgabe (...) mit dem fertigzuwerden, was uns das vierzigjährige Unrechtsregime in der früheren DDR hinterlassen hat. (...) Es muß gelingen, das SED-System zu delegitimieren. (...) Politische Straftaten in der früheren DDR dürfen nicht verjähren. (...) Der Gesetzgeber kann aus rechtsstaatlichen Gründen wegen des Problems der Rückwirkung nicht tätig werden.«

Selbst Kinkel wußte damals noch nicht, wie leicht das »Problem der Rückwirkung«, womit das rechtsstaatliche Prinzip gemeint ist, Gesetze nicht rückwirkend anzuwenden, im juristischen Kampf gegen die DDR-Führungsriege gelöst werden würde. Man hob es einfach auf. Z. B. Egon Krenz mußte deswegen für Jahre ins Gefängnis. Und trotzdem konnten die Richter Kinkels Auftrag nicht erfüllen.

Laut Generalstaatsanwalt a. D. Christoph Schaefgen wurden insgesamt wegen des von ihnen in der DDR begangenen Unrechts nur ca. 300 Personen verurteilt. Die Universitätsprofessoren Klaus Marxen und Gerhard Werle kommen auf 289 Verurteilte.

Delegitimiert diese Zahl die DDR? Offenbar nicht. Jedenfalls hält ein gutes Drittel (35 Prozent) der Hauptstädter nach einer Forsa-Umfrage den Bau der Berliner Mauer auch aus heutiger Sicht für richtig bzw. für teilweise richtig, wenn man die historischen Gegebenheiten berücksichtigt.

Exbundespräsident Johannes Rau wollte noch versöhnen, statt zu spalten. Wulff will das Gegenteil. Er ruft zur Hetzjagd, auch wenn die Gejagte bereits erobert ist. Warum? Seine Einordnung der DDR als »verbrecherisch« macht für eine bestimmte Klasse Sinn. Kriegsverbrecher, Großgundbesitzer, Eigentümer von Banken und Großkonzernen wurden in der DDR enteignet.

Das betrachteten diese selbstverständlich als verbrecherisch, denn ihr Einflußgebiet war plötzlich um ein Drittel des deutschen Territoriums kleiner geworden. Von Anfang an ging es den Enteigneten darum, sich dieses Drittel wiederzuholen. Und eben das zu verhindern, war der Sinn der Mauer.

Angesichts von Finanz- und anderen Krisen sowie nach und nach zusammenbrechenden Sozialsystemen in Deutschland, baut Wulff für seine Klientel schon einmal vor. Wenn auch der letzte Deutsche begriffen hat, daß die Enteignung der Verursacher von Armut, Hunger, Kriegen, Arbeitslosigkeit und Sozialabbau verbrecherisch ist, dann findet die auch nicht statt. Das zu vermitteln, war früher der Job von Veronica Ferres und Klaus Kleber. Jetzt muß schon der Bundespräsident ran. Die Zuspitzung der Krise hat viele Gesichter.



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