Wartelisten bei Thüringer Tafeln
Von Katrin Zeiß, dpaDie Zahl der Bedürftigen wächst
und die Supermärkte kalkulieren immer knapper
Suhl/Blankenhain. Die Lebensmittelhilfe der Tafeln stößt in Thüringen zunehmend an ihre Grenzen. Einige Tafeln arbeiten nach Angaben ihres Landesverbandes bereits mit Wartelisten für Bedürftige.
»Das Aufkommen an gespendeten Lebensmitteln reicht kaum noch für die vielen Menschen, die auf diese Hilfe angewiesen sind«, sagte die Vorsitzende des Landesverbandes Thüringer Tafeln, Beate Weber-Kehr, in einer Umfrage der Nachrichtenagentur dpa. Die 32 Tafeln haben im vergangenen Jahr mehr als 42 000 Menschen mit gespendeten Nahrungsmitteln versorgt, darunter waren fast 13 000 Kinder.
Die Tafeln verköstigen auch eine steigende Zahl von Rentnern.
»Die Altersarmut macht mir große Sorgen«, sagte Martina Natschke, Koordinatorin der Apoldaer Tafel. Hauptsächlich heute im Rentenalter stehende Frauen, die in der DDR geschieden wurden und keinen Versorgungsausgleich erhalten, seien betroffen. In Gera sind inzwischen bis zu 15 Prozent der Tafelgäste Alters- oder Erwerbsunfähigkeitsrentner. »Vor allem die Leute, die nach langer Arbeitslosigkeit und Hartz IV neu in Rente gehen, haben ganz wenig Geld«, sagte Tafelleiterin Giselda Schädlich.
Die Entwicklung ist für die Tafeln umso alarmierender, da Rentner nach ihrer Einschätzung sehr lange zögern, bis sie den Weg zur Tafel finden.
Lieber kleinere Rationen?
»Bei Rentnern ist die Schamgrenze sehr viel höher als bei jungen Leuten«, hat Martin Oeltermann, Tafelleiter in Suhl, beobachtet. Junge Leute seien da weniger zurückhaltend. »Die denken, das steht ihnen zu«, sagte Weber-Kehr.
Die Sömmerdaer Tafel hat vor einiger Zeit eine Warteliste eingeführt, als die Lebensmittel für die vielen Bedürftigen nicht ausreichten. »640 Leute sind für uns die absolute Obergrenze, mehr geht nicht«, sagte Carmen Werner vom Netzwerk »Regenbogen«, das die Tafel betreibt.
»Zurzeit liegen wir unter diesem Limit und können ohne Warteliste arbeiten.« Bei der Tafel in Suhl denkt man ebenfalls über Wartelisten nach. »Die Warenmenge wird knapper«, sagte Leiter Oeltermann. Die Supermärkte kalkulierten knapper, es bleibe weniger übrig. »Manche verkaufen auch überschüssige Lebensmittel lieber als Tierfutter an die Bauern, weil sie daran noch etwas verdienen können.«
Innerhalb der Tafelszene in Thüringen sind Wartelisten durchaus umstritten. »Wir sind darüber nicht glücklich«, sagte Verbandschefin Weber-Kehr. Alternative bei Lebensmittel-Engpässen sei die Ausgabe kleinerer Rationen. »Dann könnten mehr Menschen versorgt werden.« Die Tafeln sammeln bei Lebensmittelmärkten oder -firmen nicht verkaufte Waren ein und geben sie an Bedürftige weiter.
Tiefenkontrolle unmöglich
Wegen der knapper werdenden Lebensmittelspenden achten die Tafeln nach eigenem Bekunden darauf, dass nur wirklich bedürftige Menschen versorgt werden. »Wir lassen uns den Renten- oder den Hartz-IV-Bescheid zeigen«, erläuterte Weber-Kehr. »Aber wir sind kein Amt, das eine Tiefenkontrolle macht. Das dürfen wir auch gar nicht.«
Einen Missbrauch der Hilfsangebote könne man allerdings nicht ausschließen, räumte Giselda Schädlich aus Gera ein. »Es gibt immer Leute, die von Tafel zu Tafel wandern, um möglichst viel zu ergattern.« Dies sei zwar unfair gegenüber anderen Bedürftigen, aber in größeren Städten auch kaum zu kontrollieren.
Kleinstädte sind da übersichtlicher, wie auch Martina Natschke von der Apoldaer Tafel bestätigte: »Bei uns passen die Leute schon untereinander auf.«
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