Es gilt, wie auch in allen anderen Fällen, natürlich die Unschuldsvermutung. Jedenfalls kamen zu jener Zeit einige der Hauptdarsteller zu Geld: Meischberger logiert in einer Villa im noblen Wien-Grinzing und erwarb gemeinsam mit Ernst Karl Plech und Peter Hochegger Wohnungen auf Ibiza und in Brisbane; Grasser baute sich eine Dachterrassenwohnung in bester Lage, an der Wiener Ringstraße, aus; Gernot Rumpold, Eurofighter-Werber, mietete sich auf Monate in einem Innenstadthotel ein; Hochegger kaufte Güter in Brasilien.
60 Millionen Euro, und das ist nur die bisher nachweisbare Summe, wurden zwischen 2000 und 2006 abgesahnt – durch Provisionen, Berateraufträge, Lobbyingdienste. Aber wo kam all das Geld hin?
V. Schwarze Löcher Mit der Parteienfinanzierung ist das in Österreich so eine Sache. Die staatlichen Förderungen sind nachvollziehbar, auch müssen die politischen Bewegungen namhafte Spenden dem Rechnungshof melden – aber dabei handelt es sich lediglich um Peanuts. Was über Vorfeldorganisationen in die Parteizentralen fließt, was über parteinahe Werbeagenturen und Zeitschriften über Aufträge und Inserate abgerechnet wird, entzieht sich jeglicher Einsicht. Flossen all die Beraterhonorare, die ausgeschüttet wurden, wirklich auf private Konten? Oder wurde gar die eine oder andere Wahlkampagne über diese Kanäle gesponsert? Kann es gar sein, dass Politiker nachträglich für Leistungen entlohnt wurden, die sie während ihrer Amtszeit erbracht hatten?
Eines hat sich mittlerweile jedenfalls klar herauskristallisiert: In Österreich bleibt das Geld in den wenigsten Fällen. Der Briefkasten oder die Stiftung als Sparschwein außerhalb der Landesgrenzen ist keine schwarz-blaue Erfindung. Schon die AKH-Baumanager verfrachteten Anfang der achtziger Jahre Schmiergelder in Millionenhöhe in das Fürstentum Liechtenstein. Doch wie so vieles hat sich dieses System über die Jahrzehnte hinweg verfeinert. Gleich einer russischen Matrjoschka-Puppe steckt hinter jeder Stiftung eine Gesellschaft, hinter der sich wieder diverse Gesellschaften verstecken, deren Spuren sich dann irgendwo in Übersee im Sand verlaufen. Ein erfahrener Ermittler des Bundeskriminalamts brachte einmal in einem Hintergrundgespräch die scheinbar komplizierten Zusammenhänge auf einen ganz simplen Punkt: „Wenn ein Briefkasten im Spiel ist, kann man immer davon ausgehen, dass die Sache stinkt.“ Anders gedacht: Wenn ein Geschäft ordnungsgemäß abgewickelt wird, braucht es auch nicht versteckt zu werden.
Die Fantasie, die aufgewendet wurde, um Gelder in diverse Briefkästen mit klingenden Namen zu verschiffen, lässt freilich anderes vermuten. Drei Beispiele veranschaulichen das.
VI. Verschlungene Wege Die Buwog-Provisionen: 2005 gründete Peter Hochegger im zypriotischen Nikosia eine Astropolis Investment Consulting Ltd. In den folgenden Jahren legte diese Briefkastengesellschaft – also Hochegger – fünf Rechnungen über insgesamt 9,6 Millionen Euro an eine Tochter der Constantia Privatbank, damals Konzernmutter der Immofinanz. Für angebliche Beratungsleistungen in osteuropäischen Ländern. Die Honorare flossen zur Astropolis. Knapp über zwei Millionen blieben dort liegen, 7,4 Millionen wurden über einen weiteren Briefkasten namens Omega International LLC in Delaware nach Liechtenstein geschleust, wo sie auf vier Nummernkonten verteilt wurden. Das Geld wurde dann entweder per Boten in bar abgehoben oder auf weitere Konten überwiesen. „Supersauber“?
Hypo Alpe-Adria: 2006/2007 schoss ein Investmentberater namens Tilo Berlin mit einer Investorengruppe 250 Millionen Euro bei der Klagenfurter Landesbank ein. Fünf Monate später verkaufte er seine Anteile mit einem Gewinn von 145 Millionen Euro an die Bayerische Landesbank. Mit im Boot der wohlbestallten Investoren: Grasser, Pardon, seine Schwiegermutter Marina Giori-Lhota. Sie kaufte sich bei Berlin mit 500.000 Euro ein und erhielt wenig später 780.000 Euro zurück. Das Geld ging zunächst an die Schweizer Treuhandgesellschaft Ferint AG und dann weiter an ein liechtensteinisches Konto der in Belize domizilierten Mandarin Group.
Norbert Wicki, der Mann hinter der Offshore-Gesellschaft Mandarin, war wiederum so freundlich, statt der 780.000 Euro gleich 908.000 Euro an Grassers Schwiegermutter zu überweisen. Angeblich hatte die spendable Marina Giori-Lhota ihm vor Jahren ein Darlehen gewährt. Tatsächlich? Und die Hypo selbst? In der Bank taten sich nach der Verstaatlichung 2009 Abgründe auf. Millionen sollen zwischen Österreich, Liechtenstein und dem Balkan verschoben worden sein. Die Ermittler versuchen seither, ein weit verzweigtes Netzwerk an Gesellschaften und Stiftungen zu entwirren, an denen auch ehemalige FPÖ-Funktionäre wie Haiders langjähriger Pressesprecher Karl-Heinz Petritz beteiligt sind.
EADS/Valurex: Alfons Mensdorff-Pouilly und sein britischer Wahlonkel Timothy Landon: Diese beiden Lobbyisten haben jahrelang die Justiz mehrerer Länder beschäftigt, welche die Schmiergeldzahlungen von BAE untersuchten. Jenem Rüstungskonzern also, zu dem der Eurofighter-Hersteller EADS gehört. Landon hatte im Laufe der Jahre wertlose Firmenmäntel für undurchsichtige Zwecke aktiviert: Gesellschaften wie Red Diamond auf den British Virgin Islands. Oder die Valurex International S. A. in Panama mit Genfer Adresse. Oder Foxbury. Oder Prefinor. Sie alle waren angeblich durch „Beratungsverträge“ verbunden, jedenfalls aber wurde über sie immer wieder Geld verschoben. Und dann war da die Brodman Business S. A. auf den britischen Virgin Islands in der Karibik. 14 Millionen Euro sollen über diese Offshore-Gesellschaft, die Mensdorff zugerechnet wird, nach Österreich geflossen sein. Die offizielle Version: Der Onkel schickte Geld, damit der Neffe in seinem Auftrag Projekte finanziert. Wofür eine simple Überweisung gereicht hätte, geriet zwischen den Wahlverwandschaften zu einer Haupt- und Staatsaktion von transkontinentalem Ausmaß. Da wurde Geld von der in Panama registrierten Valurex an die Brodman ins Karibische geleitet und von dort weiter auf ein Wiener Konto, wo es in Cash abgehoben wurde. Und zwar von einem Schweizer Investmentberater mit österreichischem Pass. Er schleppte die Barschaft von Bank A zu Mensdorff oder gleich zu Bank B. Doch nicht alles landete in Wien: Ein Teil der Gelder bog von Brodman Richtung Liechtenstein ab, wo er in einer Stiftung namens „Kate“ landete. Landons Witwe – er starb 2007 – heißt Katalin, gerne auch Kate gerufen. Zufall?
Es lässt sich in Ansätzen erahnen, durch welches Dickicht Kriminalisten durchsteigen müssen, um sich in kleinen Schritten vorwärtszuarbeiten. Überdies kommen reihenweise Hürden hinzu. Vor jeder Ermittlung im Ausland muss die Staatsanwaltschaft Rechtshilfeansuchen stellen; bis diese genehmigt sind, kann es Monate dauern. Will die Justiz wissen, wer hinter einer Stiftung steckt, und diese öffnen lassen, legen die Anwälte Einsprüche ein, weil sie die Interessen anderer Begünstigter betroffen sehen. Will ein Ermittler einen Kontoauszug haben, sind schon auch mal drei Reisen ins Fürstentum erforderlich, um seiner habhaft zu werden. Es ist die Ironie an der Geschichte, dass die Herren letztlich über ihre eigenen Hürden stolperten. Hätte sich der zuständige Staatsanwalt in der Anlegeraffäre Immofinanz nicht gewundert, was die Honorarnote einer zypriotischen Gesellschaft zwischen den Unterlagen einer Immobiliengesellschaft zu suchen hat – die Causa Buwog wäre nicht aufgeflogen. Read more at www.profil.at |
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