Freitag, 8. Juli 2011

#Brief #ohne #Antwort - Bereits vor fünf Wochen wurde der #Bundestagspräsident gebeten, sich mit dem UN-Bericht zur sozialen Lage in Deutschland zu befassen

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Brief ohne Antwort

Bereits vor fünf Wochen wurde der Bundestagspräsident gebeten, sich mit dem UN-Bericht zur sozialen Lage in Deutschland zu befassen



Bleibt bei manchen Menschenrechtsverletzungen stumm: Bundestagsp

Bleibt bei manchen Menschenrechtsverletzungen stumm: Bundestagspräsident Norbert Lammert

Foto: AP

Im Namen der Gesellschaft für Bürgerrecht und
Menschenwürde e. V. (GBM) wandte sich deren Vorsitzender,
Wolfgang Richter, am 1. Juni mit folgendem Brief an
Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Die GBM erhielt
bislang keine Antwort:
Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, die GBM hat mit
großer Aufmerksamkeit den gesamten mehrstufigen Prozeß
der Berichterstattung der Bundesrepublik Deutschland nach Artikel
16 und 17 des Internationalen Paktes über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte verfolgt, insbesondere auch die
Ergebnisse der Beratung des 5. Staatenberichts der Bundesrepublik
Deutschland auf der 46. Sitzung des Ausschusses für
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte des Wirtschafts- und
Sozialrates der Vereinten Nationen am 6. und 9. Mai dieses Jahres
in Genf. Die von diesem Gremium am 20. Mai beschlossenen
Abschließenden Bemerkungen zum 5. Staatenbericht der
Bundesrepublik Deutschland über die Umsetzung der im
Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und
kulturelle Rechte für die Bereiche Wirtschaft, Soziales und
Kultur kodifizierten Menschenrechte in der Bundesrepublik
Deutschland erfordern aus unserer Sicht eine sehr intensive
Befassung aller in der Bundesrepublik in politische Verantwortung
Berufenen sowie auch in Nichtregierungsorganisationen oder wo auch
immer für die umfassende Umsetzung der in internationalen
Pakten festgeschriebenen Menschenrechte Wirkenden mit den
Ergebnissen der Berichterstattung der Bundesrepublik vor dem
genannten Gremium der UNO. Zwar werden dort einerseits in vier
Punkten positiv zu würdigende Aspekte des Regierungshandelns,
wie Ratifizierung mehrerer wichtiger internationaler
Menschenrechtskonventionen sowie einige innerstaatliche Pläne
und Aktionen, hervorgehoben, andererseits aber in mehr als 30
Punkten teilweise tiefe Besorgnis und Empfehlungen sowie Appelle
zur Einleitung von aus Sicht des Ausschusses erforderlichen
Maßnahmen zur Angleichung der realen Lage an die sich aus dem
Pakt ergebenden Erfordernisse formuliert. Dies sollte allen
politische Verantwortung Tragenden sowie an der Überwindung
von menschenrechtlichen Defiziten Interessierten und daran
Mitwirkenden sehr zu denken geben.

Nichtachtung

Aus der nicht geringen Zahl der von dem Ausschuß kritisch
angemerkten Probleme sind u. a. die nachfolgend genannten u. E.
besonders beachtenswert:
1. Es sollte unser aller Besorgnis erregen, daß der
Ausschuß die Bundesrepublik Deutschland darauf hinzuweisen
für nötig hält, daß viele seiner früheren
Empfehlungen zu dem dritten und vierten Staatenbericht der
Bundesrepublik (von 1998 und 2001) nicht von der
berichterstattenden Seite umgesetzt wurden, so daß er die
Bundesrepublik dringlich auffordert, die früheren Empfehlungen
nach wie vor als aktuell und damit als Bestandteil der Allgemeinen
Bemerkungen zu diesem 5. Staatenbericht zu werten. Dieser
gerügte leichtfertige Umgang mit Defiziten in der
Verwirklichung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller
Menschenrechte in der Bundesrepublik darf und kann nicht weiterhin
toleriert und ungeachtet vielfältiger berechtigter Kritik aus
der Zivilgesellschaft, die zumeist mit leeren Floskeln oder
Nichtachtung abgetan wird, praktiziert werden.



2. Angesichts der Tatsache, daß die Bundesrepublik
Deutschland das am 10. Dezember 2008 von der UN-Generalversammlung
verabschiedete Zusatzprotokoll zum Internationalen Pakt über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, das dem
UN-Ausschuß für wirtschaftliche, soziale und kulturelle
Rechte die Möglichkeit eröffnet, Beschwerden von
Einzelpersonen und Gruppen von Einzelpersonen entgegenzunehmen, die
ihre durch den Sozialpakt geschützten Rechte verletzt sehen,
bisher weder unterzeichnet noch ratifiziert hat, ermuntert der
Ausschuß die Bundesrepublik, die Unterzeichnung und
Ratifizierung des Fakultativprotokolls sorgfältig zu
prüfen. Die damit umschriebene dringende Empfehlung des
Ausschusses, das Protokoll baldmöglichst zu unterzeichnen, wie
es auch von vielen menschenrechtlich orientierten
Nichtregierungsorganisationen der Bundesrepublik dringlich erwartet
wird, sollte seitens der Bundesrepublik sehr ernst genommen
werden.



3. Der Ausschuß betont in mehreren Zusammenhängen die
menschenrechtlich sehr bedenkliche Entwicklung in der
Bundesrepublik Deutschland hinsichtlich der Politik des Abbaus des
Systems der sozialen Sicherungen, vor allem mit dem Blick auf den
gesamten Komplex der Hartz-IV-Gesetzgebung. Der einerseits als
positiv vermerkten Verringerung der Zahl der Arbeitslosen steht
eine deutliche Kritik des Ausschusses an der Art und Weise der
Festlegung der Höhe der Regelsätze für
Arbeitslosengeld-II-Bezieher, die im Widerspruch zu den Forderungen
des Sozialpaktes nicht einen »angemessenen
Lebensstandard« decken, gegenüber. Im gleichen
Zusammenhang stellt der Ausschuß fest, daß die geltende
Regelung, der zufolge Arbeitslose »jede zumutbare
Beschäftigung« anzunehmen haben, zu Verletzungen der
Artikel 6 und 7 des Sozial­paktes führen kann. Der
Ausschuß fordert, daß Regelungen der dem Sozialpakt
beigetretenen Staaten jedem Menschen das Recht auf freie Wahl der
Beschäftigung sowie auf eine faire Entlohnung zu sichern
haben.

Diskriminierungen


4. Der Ausschuß betont an mehreren Stellen seiner
Abschließenden Bemerkungen, daß ungeachtet
früherer, jedoch nicht zufriedenstellend realisierter
Empfehlungen nach wie vor erhebliche Defizite im Zuge der Sicherung
gleichwertiger Lebensverhältnisse im Osten und Westen der
Bundesrepublik bestehen. Neben dem kritischen Hinweis auf die
signifikant unterschiedlichen Raten der Arbeitslosigkeit in den
östlichen und westlichen Ländern fordert der
Ausschuß die Bundesrepublik erneut auf, unverzüglich
effektive Maßnahmen zu ergreifen, um weiteren
Diskriminierungen im Niveau der sozialen Sicherung zwischen den
östlichen und westlichen Ländern vorzubeugen und
bestehende Diskriminierungen, u. a. hinsichtlich der
Einführung von politischen Kriterien in die Entscheidung
über die Gewährung erworbener Ansprüche der
Altersversorgung, zu überwinden.
5. Mehrfach spricht der Ausschuß seine Besorgnis über
die Tatsache aus, daß in der reichen Bundesrepublik ein
ernsthaftes Armutsproblem besteht. Daß 13 Prozent der
Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze leben, 1,3 Millionen
aktiv Beschäftigte zusätzlicher sozialer
Sicherungsleistungen bedürfen, weil ihre Entlohnung nicht
ausreicht, um einen angemessenen Lebensstandard zu sichern, 25
Prozent der Schüler ohne Frühstück zur Schule gehen
und wegen fehlender Bereitstellung von Mittagsmahlzeiten einer
ernsthaften Gefahr der Mangel­ernährung ausgesetzt sind,
erfordere dringend von der Bundesrepublik ein Antiarmutsprogramm,
das dezidiert die im Sozialpakt kodifizierten Menschenrechte zu
beachten habe.



6. Einen nicht geringen Raum in den Abschließenden
Bemerkungen des Ausschusses nehmen dort die das Bildungswesen der
Bundesrepublik betreffenden Besorgnisse ein. Die Feststellung des
Ausschusses, daß die Bundesrepublik in keiner Weise aktiv
geworden ist, um der Empfehlung von 2001, eine Reduzierung der
Studiengebühren – mit dem Ziel ihrer völligen
Abschaffung – einzuleiten, gerecht zu werden, stellt eine
harsche Kritik am Umgang der in der Bundesrepublik für die
Verwirklichung der im Sozial­pakt als verbindlich kodifizierten
Menschenrechte politisch Verantwortlichen dar.

Parlamentsverantwortung


Sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, die wenigen
angeführten Probleme erfordern aus unserer Sicht dringlich,
einen weite Teile der Öffentlichkeit einbeziehenden
Prozeß der Verständigung über die reale Lage der
Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen
Rechte entsprechend den verbindlichen Standards des Sozialpaktes
und über Maßnahmen zur Umsetzung der Empfehlungen des
Ausschusses für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte
zu beginnen. In besonderer Verantwortung dafür sehen wir die
Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland, an erster Stelle
den Deutschen Bundestag in seiner Verantwortung für die
Gesetzgebung und Kontrolle des Regierungshandelns. Wir würden
es als eine hilfreiche Initiative in diesem Sinne erachten, wenn
Sie, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident, die Ihnen
gegebenen Möglichkeiten nutzen, um angesichts der unseres
Erachtens nicht zu übersehenden menschenrechtlichen Relevanz
der von dem Ausschuß kritisch bewerteten Probleme eine
Befassung des Parlamentes der Bundesrepublik Deutschland mit den
sich aus den Abschließenden Bemerkungen des Ausschusses zum
Fünften Staatenbericht der Bundesrepublik Deutschland
über die Umsetzung des Internationalen Paktes über
wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte einzuleiten.
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