Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT), Dr. Susanne Eickhoff,
05.07.2011 18:01
Tropische Meere ohne Korallenriffe
Wie könnte ein tropisches Küstenökosystem dort aussehen, wo Korallenriffe
nicht überlebt haben? Bei zwei Schiffsexpeditionen an die nordafrikanische
Westküste in 2006/7 mit dem Forschungsschiff Poseidon und in 2011 mit FS
Maria S. Merian - bekamen Hildegard Westphal, Direktorin am Leibniz-
Zentrum für Marine Tropenökologie und ihr Team einen Einblick in dieses
Szenario.
Die Expeditionen steuerten die nordmauretanische Küste an. Hier, im Golfe
d´Arguin, erweitert sich der schmale Kontinentalschelf der
nordwestafrikanischen Küste und es entsteht eine Flachwasserzone von bis
zu 150 km Breite. Sie ist im Tropengürtel gelegen, steht jedoch unter dem
Einfluss eines Auftriebsgebietes. Ablandige Passatwinde drücken das
Oberflächenwasser von der Küste weg auf den offenen Ozean. Dadurch strömt
kaltes und sehr nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe nach. Auf dem
flachen Schelf kann es sich auf bis zu 25 Grad erwärmen.
Das sind außergewöhnliche ozeanographische Verhältnisse. Die Forscher
fanden auf dem Schelf sehr trübes Wasser vor. Schon in 2 m Wassertiefe
konnte man ein heruntergelassenes Messgerät nicht mehr erkennen. Die
nährstoffreichen Wassermassen führen hier zu einer starken
Algenproduktion. In Bodenproben vom Schelf konnten die Forscher in einigen
Gebieten größere Mengen an Eisen nachweisen. Mit Staubeinträgen aus der
Sahara wird es ins Meer geweht und düngt dort die Algen zusätzlich. Ein
eutrophes Meeresökosystem mit hoher biologischer Aktivität, ein
hochproduktiver Bioreaktor, entsteht.
Die Sedimente auf dem Meeresboden bestehen hier aus dem feinen Sahara-
Staub, vor allem aber aus Karbonatablagerungen, den grob- und feinkörnigen
Resten von Kalkskeletten. Viele Meerestiere bilden Schalen oder Skelette
aus Kalziumkarbonat, so zum Beispiel Muscheln und Schnecken. Diese
Schalenreste sammeln sich auf dem Meersboden und gewähren einen Einblick
in die Artengemeinschaft der Ökosysteme der Vergangenheit und der
Gegenwart.
Die Forscher fanden eine auffallend geringe Artenvielfalt bei gleichzeitig
hoher Individuenzahl. Schalen und Gehäusereste weisen auf eine Fauna hin,
die typisch für nährstoffreiche Gewässer ist und sich vor allem aus
Suspensionsfressern wie Muscheln, Seepocken oder Röhrenwürmern
zusammensetzt. Sie filtern das Meerwasser und fangen als Nahrung
Kleinstlebewesen oder organisches Material heraus. Immer wieder stießen
die Forscher auf eine Muschelart, die in den Ablagerungen stark
dominierte: Donax burnupi, die Sägezahnmuschel. Skelettreste tropischer
Korallen wurden dagegen trotz der tropischen Wassertemperaturen nicht
gefunden.
Tropische Korallen benötigen sehr nährstoffarmes und klares Meerwasser.
Sie gehören zu den Organismen, die vom Sonnenlicht abhängen. Symbiontische
Algen in ihrem Gewebe betreiben Photosynthese und geben die
Stoffwechselprodukte an die Korallenpolypen ab. Erst durch diese
Energiezufuhr sind die Steinkorallen in der Lage, ihre großen Kalkskelette
zu bilden. Im nährstoffreichen Ökosystem vor Mauretanien dagegen fehlen
solche lichtabhängigen Organismen.
In weiten Teilen der Tropen zeichnet sich in den Küstenbereichen eine
Entwicklung zu ähnlichen Umweltverhältnissen ab. Vielerorts düngen
Einträge aus intensiver Landwirtschaft im Hinterland der Küsten die Meere,
Schwebstoffe aus Rodungsflächen trüben das Wasser. Die Wissenschaftler
vermuten, dass der Schelf vor Mauretanien daher ein Modell für ein
tropisches Küstenökosystem darstellt, in dem die Lebensbedingungen für
Korallenriffe und ihre Artenvielfalt zerstört wurden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hildegard Westphal
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie
Tel: 0421 / 23800 21
Email: hildegard.westphal@zmt-bremen.de
Das LEIBNIZ-ZENTRUM FÜR MARINE TROPENÖKOLOGIE - ZMT in Bremen widmet sich
in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer
Küstenökosysteme. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und
Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber
menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Das ZMT führt seine
Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch,
wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des
nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Das ZMT ist ein Mitglied
der Leibniz-Gemeinschaft.
Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Forschungsprojekte
Sachgebiete:
Biologie
Geowissenschaften
Meer / Klima
Umwelt / Ökologie
Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/image146399
Sedimentprobennahme von Bord eines Beibootes
http://idw-online.de/de/image146400
Grobsediment vom Schelf: vor allem Muscheln und Moostierchen
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news431723
Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution457
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie (ZMT), Dr. Susanne Eickhoff,
05.07.2011 18:01
Tropische Meere ohne Korallenriffe
Wie könnte ein tropisches Küstenökosystem dort aussehen, wo Korallenriffe
nicht überlebt haben? Bei zwei Schiffsexpeditionen an die nordafrikanische
Westküste in 2006/7 mit dem Forschungsschiff Poseidon und in 2011 mit FS
Maria S. Merian - bekamen Hildegard Westphal, Direktorin am Leibniz-
Zentrum für Marine Tropenökologie und ihr Team einen Einblick in dieses
Szenario.
Die Expeditionen steuerten die nordmauretanische Küste an. Hier, im Golfe
d´Arguin, erweitert sich der schmale Kontinentalschelf der
nordwestafrikanischen Küste und es entsteht eine Flachwasserzone von bis
zu 150 km Breite. Sie ist im Tropengürtel gelegen, steht jedoch unter dem
Einfluss eines Auftriebsgebietes. Ablandige Passatwinde drücken das
Oberflächenwasser von der Küste weg auf den offenen Ozean. Dadurch strömt
kaltes und sehr nährstoffreiches Wasser aus der Tiefe nach. Auf dem
flachen Schelf kann es sich auf bis zu 25 Grad erwärmen.
Das sind außergewöhnliche ozeanographische Verhältnisse. Die Forscher
fanden auf dem Schelf sehr trübes Wasser vor. Schon in 2 m Wassertiefe
konnte man ein heruntergelassenes Messgerät nicht mehr erkennen. Die
nährstoffreichen Wassermassen führen hier zu einer starken
Algenproduktion. In Bodenproben vom Schelf konnten die Forscher in einigen
Gebieten größere Mengen an Eisen nachweisen. Mit Staubeinträgen aus der
Sahara wird es ins Meer geweht und düngt dort die Algen zusätzlich. Ein
eutrophes Meeresökosystem mit hoher biologischer Aktivität, ein
hochproduktiver Bioreaktor, entsteht.
Die Sedimente auf dem Meeresboden bestehen hier aus dem feinen Sahara-
Staub, vor allem aber aus Karbonatablagerungen, den grob- und feinkörnigen
Resten von Kalkskeletten. Viele Meerestiere bilden Schalen oder Skelette
aus Kalziumkarbonat, so zum Beispiel Muscheln und Schnecken. Diese
Schalenreste sammeln sich auf dem Meersboden und gewähren einen Einblick
in die Artengemeinschaft der Ökosysteme der Vergangenheit und der
Gegenwart.
Die Forscher fanden eine auffallend geringe Artenvielfalt bei gleichzeitig
hoher Individuenzahl. Schalen und Gehäusereste weisen auf eine Fauna hin,
die typisch für nährstoffreiche Gewässer ist und sich vor allem aus
Suspensionsfressern wie Muscheln, Seepocken oder Röhrenwürmern
zusammensetzt. Sie filtern das Meerwasser und fangen als Nahrung
Kleinstlebewesen oder organisches Material heraus. Immer wieder stießen
die Forscher auf eine Muschelart, die in den Ablagerungen stark
dominierte: Donax burnupi, die Sägezahnmuschel. Skelettreste tropischer
Korallen wurden dagegen trotz der tropischen Wassertemperaturen nicht
gefunden.
Tropische Korallen benötigen sehr nährstoffarmes und klares Meerwasser.
Sie gehören zu den Organismen, die vom Sonnenlicht abhängen. Symbiontische
Algen in ihrem Gewebe betreiben Photosynthese und geben die
Stoffwechselprodukte an die Korallenpolypen ab. Erst durch diese
Energiezufuhr sind die Steinkorallen in der Lage, ihre großen Kalkskelette
zu bilden. Im nährstoffreichen Ökosystem vor Mauretanien dagegen fehlen
solche lichtabhängigen Organismen.
In weiten Teilen der Tropen zeichnet sich in den Küstenbereichen eine
Entwicklung zu ähnlichen Umweltverhältnissen ab. Vielerorts düngen
Einträge aus intensiver Landwirtschaft im Hinterland der Küsten die Meere,
Schwebstoffe aus Rodungsflächen trüben das Wasser. Die Wissenschaftler
vermuten, dass der Schelf vor Mauretanien daher ein Modell für ein
tropisches Küstenökosystem darstellt, in dem die Lebensbedingungen für
Korallenriffe und ihre Artenvielfalt zerstört wurden.
Weitere Informationen:
Prof. Dr. Hildegard Westphal
Leibniz-Zentrum für Marine Tropenökologie
Tel: 0421 / 23800 21
Email: hildegard.westphal@zmt-bremen.de
Das LEIBNIZ-ZENTRUM FÜR MARINE TROPENÖKOLOGIE - ZMT in Bremen widmet sich
in Forschung und Lehre dem besseren Verständnis tropischer
Küstenökosysteme. Im Mittelpunkt stehen Fragen zu ihrer Struktur und
Funktion, ihren Ressourcen und ihrer Widerstandsfähigkeit gegenüber
menschlichen Eingriffen und natürlichen Veränderungen. Das ZMT führt seine
Forschungsprojekte in enger Kooperation mit Partnern in den Tropen durch,
wo es den Aufbau von Expertise und Infrastruktur auf dem Gebiet des
nachhaltigen Küstenzonenmanagements unterstützt. Das ZMT ist ein Mitglied
der Leibniz-Gemeinschaft.
Arten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
Forschungsprojekte
Sachgebiete:
Biologie
Geowissenschaften
Meer / Klima
Umwelt / Ökologie
Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/image146399
Sedimentprobennahme von Bord eines Beibootes
http://idw-online.de/de/image146400
Grobsediment vom Schelf: vor allem Muscheln und Moostierchen
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news431723
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