Freitag, 11. Januar 2013

vertiefend -->> Die #Vorsorge-Lüge - Interview mit Holger Balodis, Journalist und Rentenexperte [via wdr 5]

   


Die Vorsorge-Lüge

Interview mit Holger Balodis, Journalist und Rentenexperte

[via wdr5.de]

http://www.wdr5.de/sendungen/morgenecho/s/d/22.11.2012-06.05/b/die-luege-der-privaten.html


Auch Durchschnittsverdiener sind im Alter von Armut bedroht, wenn sie sich ausschließlich auf die gesetzliche Rentenversicherung verlassen. Nur wer zusätzlich privat vorsorgt, kann auf ein gutes Auskommen im Alter setzen. Doch die zum Ausgleich für das sinkende Rentenniveau von der rot-grünen Regierung geschaffene Riester-Rente ist wegen der oft hohen Kosten und undurchsichtigen Verträge in Verruf geraten. Oft verdienen vor allem die Versicherungen an den Verträgen.

Wie kann verhindert werden, dass Menschen nach einem langen Arbeitsleben im finanziellen Abseits landen? Wie kann angesichts der demografischen Entwicklung ein fairer Ausgleich zwischen Jung und Alt geschaffen werden? Die Politik ringt um Konzepte, die Auseinandersetzung geht quer durch die Parteien. 

 

WDR 5: Können Sie die Riesterrente empfehlen, die ja mittlerweile sehr umstritten ist?

Holger Balodis: Verschiedene Reformen bei der Gesetzlichen Rentenversicherung unter Gerhard Schröder (SPD) und Walter Riester (SPD) und die Einführung der Riesterrente gehen miteinander einher: Bis 2030 wird das Leistungsniveau der Gesetzlichen Rentenversicherung um 20 Prozent sinken. Gleichzeitig hat man die Riesterrente eingeführt. Wie sich nun herausstellt, kann die Riesterrente diese Lücke nicht füllen. Viele Bürger bekommen nicht mal das ausbezahlt, was sie vorher an Beiträgen selbst eingezahlt haben. Für einige wird es sogar ein Verlustgeschäft.

Man kann die Riesterrente nicht generell empfehlen oder ablehnen. Ich würde sagen, für viele Sparer wird die Bilanz schlecht ausfallen. Aber in einige Fällen mit hoher Förderung kann sie sich rentieren. Wenn man sich die Masse der Versicherten anschaut, lohnt sie sich – soweit ich das beurteilen kann – nicht.

WDR 5: Gibt es denn aus Ihrer Sicht eine empfehlenswerte Vorsorge?

Holger Balodis: Ich bezeichne das Anraten zur privaten Altersvorsorge als Vorsorge-Lüge. Man hat Bürgern und auch Politikern in den letzten zehn Jahren eingetrichtert, dass Vorsorge zwingend eine Lebensversicherung oder eine private Rentenversicherung sein muss. Genau das ist falsch. Vorsorge kann auch heißen, dass ich mir dort, wo ich leben möchte, ein Haus oder eine Wohnung anschaffe, die mich im Alter mietfrei stellt. Das kann auch bedeuten, dass ich in Eigenmanagement mein Geld auf Tagesgeldkonten anlege und zu meiner eigenen Verfügung behalte. Wenn ich mir die Zinsentwicklung anschaue, schaffe ich das genauso gut wie eine Versicherung.

WDR 5: Sie sprechen von denjenigen, die überhaupt Geld zum Anlegen haben. Viele können jedoch nur einen kleinen Beitrag zur Seite legen.

Holger Balodis: Und genau das läuft beim derzeitigen Zwang zur privaten Altersvorsorge falsch. Im Armutsbericht erfahren wir, dass die Hälfte der Bevölkerung praktisch nichts hat, was sie anlegen könnte. Und gerade die verweist man jetzt auf die private Altersvorsorge – das kann nicht funktionieren. Wenn man die Statistiken liest, sieht man, dass diese Bevölkerungsschichten eben keine Riester-Verträge abschließen. Wir haben an die 40 Millionen Menschen in Deutschland, die riestern könnten – tatsächlich tun es aber nur rund 15 Millionen und davon ruhen viele Verträge. Die volle Förderung bekommen nur etwa fünf bis sieben Millionen Menschen. Das Konzept funktioniert in der großen Breite überhaupt nicht. Ich fordere deswegen eine "Rentenrolle rückwärts": Nur wenn das Leistungsniveau der Gesetzlichen Rentenversicherung wieder steigt, können wir breite Massen vor der Altersarmut schützen – und das ist finanzierbar.

Das Gespräch führte Petra Ensminger.

 

Redaktion:

Dirk Müller



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