Donnerstag, 7. Juli 2011

"Ratingagenturen nur #Teil #des #Spiels" - Peter Bofinger im Gespräch [via Nordsee-Zeitung]


"Ratingagenturen nur Teil des Spiels"

Im Gespräch mit Peter Bofinger
[via Nordsee-Zeitung]
 
http://www.nordsee-zeitung.de/Home/Nachrichten/Startseite/Ratingagenturen-nur-Teil-des-Spiels-_arid,594803_puid,1_pageid,52.html
 

Berlin. Die in den USA ansässigen Ratingagenturen spielen bei der Griechenland-Rettung eine entscheidende Rolle. Nun drohen die Bonitätsprüfer damit, die geplante Beteiligung privater Gläubiger als Zahlungsausfall zu werten, was die Krise in anderen hoch verschuldeten Euro-Ländern verschärfen könnte. Mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger sprach darüber unser Berlin-Korrespondent Stefan Vetter.

Herr Bofinger, offenbar haben Ratingagenturen mehr Macht als ganze Staatengemeinschaften. Wie ist das möglich?

Die Macht der Ratingagenturen ergibt sich daraus, dass Banken, Versicherungen und Pensionsfonds nur Papiere mit bestimmten Mindest-Qualitätsmerkmalen halten dürfen. Die entsprechende Qualitätsprüfung erledigen die privaten Ratingagenturen, von denen es weltweit nur drei gibt. Ihre Macht resultiert also vor allem aus dem fehlenden Wettbewerb.

Können sie für ihre Entscheidungen haftbar gemacht werden?

Nein, die Ratingagenturen berufen sich darauf, dass sie wie Journalisten nur "Meinungen" abgeben, die durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt sind, und dass sie deshalb für falsche Ratings nicht haften müssen.

Warum nehmen Staaten die Meinung der Ratingagenturen praktisch wie ein Gottesurteil hin?

Das Grundproblem ist, dass heute das Wohl und Wehe der Währungsunion von den Finanzmärkten abhängt. Die Märkte entscheiden, ob sie einem einzelnen Euro-Land weiter Geld geben oder nicht. Denn anders als die USA oder Großbritannien hat dieses Land keine Möglichkeit sich über eine eigene Notenbank zu finanzieren.

Und was folgt daraus?

Ein Teufelskreis. Wenn die Märkte zu dem Urteil kommen, ein Euro-Land ist finanziell in Not, dann steigen dort die Zinsen, was es dem Land schwieriger macht, seine Schulden zu bedienen. Dann sagen die Ratingagenturen, die Möglichkeit der Schuldenrückzahlung verschlechtert sich, was weitere Zinserhöhungen nach sich zieht. Letztlich sind die Ratingagenturen also nur Teil des Spiels.

Würden Sie sagen, dass die Ratingagenturen für die Zuspitzung der Griechenland-Krise verantwortlich sind?

Sie verschärfen den Teufelskreis. Das Hauptproblem ist die mangelnde Bereitschaft der Politik zu grundlegenden Lösungen.

Was schlagen Sie vor?

Der Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, indem man für die Währungsunion ein einheitliches Finanzierungsinstrument schafft. Es würde schon reichen, griechische Anleihen in Anleihen des Euro-Rettungsfonds zu tauschen. Dann wäre die Macht der Ratingagenturen über Griechenland gebrochen. Nur handelt es sich dabei um eine Art Vorstufe für Euro-Bonds, und da winken finanzstarke Euro-Länder wie Deutschland ab.

Könnte man auf die Ratingagenturen komplett verzichten?

Prinzipiell ja. Nötig wären dann ein umfassendes eigenständiges Rating der Banken und Versicherungen und eine akribische Überprüfung dieser Ergebnisse durch die staatliche Finanzaufsicht.

Und wie ließe sich die Kreditwürdigkeit von Staaten begutachten?

Maßstab könnte die Schuldenstandsquote eines Landes sein. Je höher sie ist, desto unsicherer die finanzielle Situation des Landes.

Politiker fordern europäische Ratingagenturen in Konkurrenz zu den US-Bonitätsprüfern. Was halten Sie davon?

Das ist eine nahe liegende Lösung, wobei es sich um wirklich unabhängige Einrichtungen handeln müsste. Eine staatliche Rating-Agentur zu Beurteilung anderer Staaten würde das Problem nicht lösen. Mit der Schaffung europäischer Rating-Agenturen würde mehr Wettbewerb einziehen. Um die Pleitegefahr von Staaten beurteilen zu können, sind viel umfangreichere Kenntnisse erforderlich als für die Begutachtung einzelner Unternehmen. Die Branche würde sicher sorgfältiger arbeiten, wenn mehr Bonitätsprüfer ihre Dienste anböten.

Ratingagentur stuft Portugal herunter

Nach Griechenland wurde jetzt auch Portugals Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau gesenkt. Die Ratingagentur Moody's reduzierte die Note des Landes um vier Stufen von "Baa1" auf "Ba2". Es drohen weitere Herabstufungen, da der Ausblick "negativ" bleibt. Ab der Note "Ba1" spricht Moody's von "substanziellen Kreditrisiken". Moody's hält es für wahrscheinlich, dass auch Portugal wie Griechenland ein zweites Hilfspaket braucht.


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