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Tschechische KP soll verboten werden
Klage beim Verfassungsgericht vorgeschlagen
Tschechiens bürgerliche Koalitionsregierung, bestehend aus der Demokratischen Bürgerpartei (ODS), der neoliberalen TOP 09 und der Partei Öffentliche Angelegenheiten (VV), erwägt, die Kommunistische Partei Böhmens und Mährens (KSCM) verbieten zu lassen.
Das Verbot ist Teil des Entwurfs einer Klage beim Verfassungsgericht der Republik, die der Jurist Stanislav Nemec vorgeschlagen hat. Anlass war eine hitzige Parlamentsdebatte über einen Gesetzentwurf, mit dem antikommunistische Kämpfer geehrt werden sollten. Der KSCM-Abgeordnete Miroslav Grebenicek hatte den Regierungsparteien in der Diskussion vorgeworfen, mit dem Gesetz terroristische Akte der Vergangenheit würdigen zu wollen, deren Verursacher »Abenteurer ohne Reife« gewesen seien. Nach dem Auftritt des früheren KP-Chefs hatte es Tumulte im Abgeordnetenhaus gegeben; die Vertreter der Koalitionsparteien verließen den Saal.
Eine Senatskommission hat inzwischen den von Nemec eingereichten Antrag geprüft und an das Innenministerium weitergeleitet. Ressortchef Radek John zeigte sich jedoch skeptisch, was die juristische Stichhaltigkeit des Schreibens betreffe. Es sei eher eine Absichtserklärung, die vor dem Verfassungsgericht kaum Bestand haben dürfte, erklärte der VV-Minister.
Der Prager Politologe Jiri Pehe warnte vor den Folgen eines solchen Verbots. Es sei absurd, die Partei 21 Jahre nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Tschechien verbieten zu wollen. Sie habe sich längst als eine politische Kraft in der Gesellschaft etabliert, die von einem beachtlichen Teil der Bevölkerung akzeptiert werde. Immerhin hatte die KSCM bei den letzten Parlamentswahlen 11,6 Prozent der Stimmen erhalten und ist mit 26 Abgeordneten im Parlament vertreten. In vielen Bezirks- und Kreistagen ist die Partei an der Administration beteiligt und kooperiert auf kommunaler Ebene nicht nur mit den Sozialdemokraten, sondern auch mit Vertretern der Prager Regierungsparteien. Nicht zuletzt dank der Kommunisten wurde Staatspräsident Vaclav Klaus im Jahre 2003 für eine weitere Amtszeit wiedergewählt. Klaus hatte sich in der Vergangenheit wiederholt gegen ein Verbot der Partei ausgesprochen.
Sollten die Regierungsparteien jetzt mit einem Verbotsantrag durchkommen, könnte das zudem unabsehbare Folgen für sie selbst haben. Was, wenn die Mitglieder der KSCM sowohl zur Sozialdemokratie als auch zur noch weiter links angesiedelten »Partei der Bürgerrechte« (SPO) des früheren Premiers Milos Zeman wechseln und etwa der SPO zum Einzug ins Parlament verhelfen würden? Bereits aus den Parlamentswahlen im Juni 2010 waren die Sozialdemokraten als stärkste Fraktion hervorgegangen, konnten aber – da die Grünen den Einzug ins Parlament verfehlten – keine Regierungskoalition bilden. Als Reaktion auf ein Verbot der Kommunistischen Partei, so Beobachter, könnte sich das Wahlvolk durchaus deutlich für links entscheiden und alle bürgerlichen Parteien für lange Zeit in die Opposition schicken.
Read more at www.neues-deutschland.deDenn die Position der jetzigen Regierung ist längst nicht so souverän, wie sie es gern glauben machen möchte. Korruptionsaffären im Umwelt- und im Innenministerium, ein schlecht geplanter Haushalt für 2011 und eine Gesundheitsreform, die noch immer nicht in Angriff genommen wurde, zeigen das schwierige Terrain, auf dem sich das Kabinett Necas gerade bewegt. Daher glauben auch Beobachter in Prag, dass die Diskussion um die Kommunistische Partei eine willkommene Ablenkung von den eigentlichen Problemen des Premiers und seiner Minister ist. Die KSCM jedenfalls sehe den Dingen mit Gelassenheit entgegen, wie der Fraktionsvorsitzende der Partei im Abgeordnetenhaus, Pavel Kovacik, jetzt erklärte.
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