Glanz statt Substanz? Der Fall zu Guttenberg
Nicht nur die Doktorarbeit des Verteidigungsministers ist mehr Schein als Sein. Auch seine Bundeswehrreform gerät zunehmend in die Kritik. Planlos, unüberlegt und konzeptionslos führe er die Bundeswehr in eine neue Ära, so der Vorwurf der Kritiker.
Karl Theodor zu Guttenberg: Trotz seines aberkannten Doktortitels- die große Mehrheit der Bürger will nicht, dass der umstrittene Minister zurücktritt. Das ergeben nicht nur Umfragen der Boulevardpresse, sondern auch der ARD. 72 Prozent sind laut Infratest-Dimap der Meinung: zu Guttenberg soll im Amt bleiben. Er gilt als einer, der weiß wo's langgeht, der forsch die Dinge anpackt. Aber kann sich seine Leistung als Minister wirklich sehen lassen? Caroline Walter, Andrea Böll und Chris Humbs haben die vermeintlichen Politik-Erfolge zu Guttenbergs mal unter die Lupe genommen. Der Verteidigungsminister ist kein Doktor mehr. "Na und!" findet die Bildzeitung und hat längst entschieden: Er bleibt. Und das sei gut so. Guttenberg sei doch ein fabelhafter Minister.
Hans-Peter Friedrich (CSU), MdB"Ich denke, dass dieser Minister ein hervorragender Verteidigungsminister ist." Peter Altmaier (CDU), MdB
"Seine politische Arbeit wird weithin anerkannt." Angela Merkel (CDU), Bundeskanzlerin
"Die Arbeit als Bundesverteidigungsminister, die erfüllt er hervorragend und das ist das, was für mich zählt." Aber ist er wirklich so ein guter Minister - wie alle behaupten? Oder auch im Job: mehr Schein als Sein? Zum Beispiel Wehrpflicht - Guttenberg feiert sich dafür, dass er die Wehrpflicht schnell ausgesetzt hat. Doch die Folgen hat er anscheinend nicht durchdacht. Auf den Kreiswehrersatzämtern herrscht Leere. Dabei muss die Bundeswehr den Ausfall der Wehrpflichtigen schleunigst ausgleichen. Aber es kommen kaum Bewerber. Kein Wunder: Bislang ist überhaupt nicht klar, was die Bundeswehr ihren Bewerbern anbieten kann, wie viel Geld, welche Sonderleistungen. Nichts ist geregelt. Klaus Naumann, renommierter Militärforscher, kritisiert Guttenbergs vorschnelles Handeln. Klaus Naumann, Militärforscher
"Der Minister hat keinen Wert darauf gelegt, erst ein Konzept zu entwickeln und dann die Wehrpflicht abzuschaffen und dann die Freiwilligenwerbung in Gang zu bringen. Sondern man hat erst einmal handstreichartig sozusagen das alte Mobiliar herausgeworfen und weiß jetzt nicht, womit man die Bude bestücken soll." Das unüberlegte Aussetzen der Wehrpflicht bringt selbst hohe Generäle in Stellung gegen den Minister. So warnt der Inspekteur des Heeres per Brandbrief eindringlich: Die Bundeswehr wäre nur noch bedingt einsatzbereit. In Zukunft Zitat
" werden wir große Lücken im Personalkörper hinnehmen müssen, die uns langjährig begleiten und nicht auszugleichen sein werden." Doch die ist Lage jetzt schon dramatisch. Bei den Einheiten, die für den Kampfeinsatz ausgebildet werden, mangelt es an Soldaten. Dabei ließ Minister Guttenberg schon vor einem Jahr ankündigen: "Schwarz-Gelb will Bundeswehr-Kampftruppen aufstocken". Dieser Soldat will lieber anonym bleiben. Er bildet für den Einsatz aus. Und berichtet, dass dem Versprechen des Ministers bisher keine Taten gefolgt sind. Stimme nachgesprochen
"Dieselben Einheiten müssen immer wieder in den Einsatz. Sie werden verschlissen. Viele länger dienende Soldaten müssen jedes Jahr in den Einsatz gehen, weil keine zusätzlichen Kampfverbände vorhanden sind. Es wird weiter gespart auf Kosten der Soldaten." Guttenberg inszeniert sich als großer Reformer, der die Bundeswehr umbauen und zukunftsfähig machen will. Aber bei der Finanzierung der Reform präsentiert er keine klare Linie. Auf der einen Seite hat er mitbeschlossen, dass die Bundeswehr Milliarden einsparen soll, um dann festzustellen: Die Reform kostet zusätzlich Geld. Klaus Naumann, Militärforscher
"Man hat ja auch das Gefühl, dass der Minister als Tiger gestartet und möglicherweise als Bettvorleger gelandet ist. Er hat im Kabinett gesagt, ich spare acht Milliarden. Er kann es jetzt nicht mehr einlösen. Er muss das rechtfertigen, aber er kann das nur rechtfertigen, wenn er ein tragfähiges Konzept hat. Dieses Konzept ist aber bis heute nicht erkennbar." Ein Minister ohne Plan? Selbst im eigenen Haus, im Verteidigungsministerium, rumort es kräftig. KONTRASTE liegt ein internes Positionspapier aus dem Ministerium vor, vom Januar. Darin beklagen sich hohe Offiziere über das Chaos in Sachen Reform. Bei den Soldaten entstehe insgesamt das Zitat
" Bild einer intransparenten, ressourcenverschwendenden, ungesteuerten Reformarbeit." Es gäbe keine klaren Vorgaben vom Minister, wie die neue Bundeswehr konkret aussehen soll. Es sei "kein hinreichender Reformansatz" zu erkennen. Klaus Naumann, Militärforscher
"Der Minister hat seinen eigenen Leuten nicht klar gemacht durch seine Führung, in seiner Führung nicht klar gemacht, was diese Reform soll, was das Personal dazu beitragen kann. Und wenn er so mit seinen Leuten umgeht, dann wird er an dieser Reform scheitern." Afghanistan und Soldaten im Einsatz - die Lieblingskulisse von Guttenberg. Er benutzt diese Auftritte, um sich als zupackender Minister zu inszenieren. Einer, der sich um seine Soldaten und ihr Wohl kümmert. Die Realität sieht anders aus. Viele Soldaten müssen nach ihrem Einsatz immer noch darum kämpfen, dass ihre seelischen Wunden, ihre Traumatisierung anerkannt wird. Sie kämpfen auch um Entschädigung für Verletzungen und um die Versorgung der Hinterbliebenen. Um die Situation zu verbessern, hat der Bundestag schon längst konkrete Maßnahmen beschlossen. Doch Minister Guttenberg hat bisher nichts davon umgesetzt -von wegen Einsatz für die Truppe. Rainer Arnold, Mitglied im Verteidigungsausschuss, erlebt solche Versäumnisse immer wieder. Rainer Arnold (SPD), MdB, Mitglied Verteidigungsausschuss
"Herr zu Guttenberg lässt die Soldaten im Stich. Das sieht man ja an der Frage, dass er eben nicht dem Auftrag des Bundestages folgt und mehr für hinterbliebene Soldatenfamilien oder verwundete Soldaten tut. Also, auch im Bereich der Bundeswehr wird seine Persönlichkeitsstruktur sehr, sehr deutlich. Es ist viel Schein und wenig Sein." Aber den schönen Schein beherrscht er perfekt. Die Bild-Zeitung macht für ihn Stimmung. Und Blätter wie die BUNTE sorgen weiter für Glamour und Popularität. Mit der Boulevardpresse spricht er gern. KONTRASTE wollte er kein Interview geben. Kritische Fragen passen halt nicht zur Guttenberg-Show. Die innige Nähe zur Springerpresse will zu Guttenberg jetzt übrigens ausnutzen, um für den Dienst in der Bundeswehr zu werben. Heute wurde bekannt, dass das Verteidigungsministerium eine breit angelegte Werbekampagne mit Schwerpunkt in den Springer-Blättern starten will.
Autoren: Andrea Böll, Chris Humbs und Caroline Walter
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen