Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Hohenheim, Florian Klebs, 24.02.2011 10:14Wahlplakate verlieren an Bedeutung: Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg
als ForschungsobjektBildplakate wirken stärker als Textplakate / Universität Hohenheim
untersucht auch TV-Duell am 16. März 2011 / Prof. Dr. Frank Brettschneider
im InterviewWie wichtig sind die Spitzenkandidaten wirklich? Wie wirken Wahlplakate
und Wählerumfragen? Lassen sich Wähler im Web 2.0 besonders mobilisieren?
Und welchen Parteien gelingt es sich verständlich zu machen? Kurz vor der Landtagswahl sind diese Themen Schwerpunkt der wissenschaftlichen Arbeit des Hohenheimer Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft von Prof. Dr. Frank Brettschneider. Highlight ist die Live-Auswertung des TV-Duells: 180
repräsentative Fernsehzuschauer bewerten die Aussagen von
Ministerpräsident Stefan Mappus und SPD-Herausforderer Nils Schmid in
Echtzeit 100 davon an der Universität Hohenheim, 80 an der Dualen
Hochschule Baden-Württemberg in Ravensburg.Vier Wochen vor der Wahl wird der Wahlkampf zum ersten Mal so richtig
sichtbar: Die Parteien beginnen mit der Plakatierung. Herr Brettschneider,
finden die klassischen Wahlplakate heute überhaupt noch Beachtung?Zunächst einmal machen sie darauf aufmerksam, dass der Wahlkampf begonnen hat. Sie haben also eine Signalfunktion. Doch ihre tatsächliche Wirkung ist begrenzt: Wahlplakate verändern die politischen Einstellungen der Wählerinnen und Wähler kaum. Die Hauptfunktion der Plakate besteht vielmehr darin, die Aufmerksamkeit auf bestimmte Themen zu lenken.
Wahlplakate wirken also vor allem dann, wenn sie relevante Themen
ansprechen und wenn sie gut gemacht sind.Wie erkenne ich denn ein gutes Wahlplakat?Am Inhalt und an der Gestaltung. Es muss sich um Themen handeln, die für
die Wählerinnen und Wähler relevant sind. Denn ein relevantes Thema zieht
Aufmerksamkeit auf sich.Und es gibt gestalterische Merkmale, die ein Wahlplakat interessant
machen. Bilder erzielen generell mehr Aufmerksamkeit als Texte. Unsere
Forschungen zeigen eindeutig: Schon nach wenigen Millisekunden werden
Bildplakate unbewusst besser bewertet als Textplakate.Woran liegt das genau?Bilder erzielen eine größere Aufmerksamkeits- und Aktivierungswirkung.
Denn die Bildelemente eines Wahlplakats werden schneller und länger
betrachtet als der Rest eines Plakates; fast 70 Prozent der
Betrachtungszeit entfallen auf die Bildbereiche. Betrachter erinnern sich
auch besser an Bildplakate als an Textplakate und sie werden häufiger
den richtigen Parteien zugeordnet.Das nennen wir "Bild-Überlegenheitseffekt". Er lässt sich übrigens in
allen Wählergruppen feststellen. Wichtig ist außerdem: eine klare
Gliederung; die Verwendung assoziationsreicher, emotional positiv
besetzter Bilder und ein ausgewogenes Kontrastverhältnis. Freundliche und
leuchtende Farben kommen besser an als schrille und grelle Farben.Wie untersuchten Sie Plakate und ihre Wirkung?Wir kombinieren Befragungen von Wählerinnen und Wählern mit
Blickaufzeichnungen, dem so genannten Eyetracking. Dabei wird
millisekundengenau der Blickverlauf eines Probanden beim Betrachten von
Wahlplakaten festgehalten. So können wir feststellen, welche
Personengruppen wie lange wohin geschaut haben. Das erlaubt uns, Schlüsse
auf die Wirkung der Plakate zu ziehen. Auch bitten wie die Teilnehmer
unserer Studie die Plakate mit und ohne Parteilogo anhand eines
Fragebogens zu bewerten.Nach welchen Kriterien unterscheiden Sie Wahlplakate?Wenn wir die Wirkung von Plakaten untersuchen wollen, unterscheiden wir
insbesondere zwei Typen: Kopfplakate und Themenplakate. Auf reinen
Kopfplakaten ist ein Kandidat oder eine Kandidatin abgebildet, meist
versehen mit dem Namen, dem Parteilogo und einem Slogan. Diese Plakate
haben keine besonders große Wirkung. Sie machen zwar die Kandidaten/innen
etwas bekannter, aber viele Menschen sind auch früher oder später von
diesen Plakaten "genervt".Anders ist das bei den Plakaten der Spitzenkandidaten. Auf deren
Kopfplakaten wird in der Regel ein Thema oder eine besondere Eigenschaft
wie zum Beispiel Verlässlichkeit oder Führungsstärke angesprochen.
Solche Plakate wirken durch die Verbindung eines Themas mit einem
Spitzenkandidaten.Dann gibt es noch die reinen Themenplakate: Bildung, Wirtschaft, Umwelt
damit können Parteien die Aufmerksamkeit der Menschen auf ihre Kernthemen
lenken. Dafür darf das Plakat aber nicht überfrachtet sein. Wie wir
herausgefunden haben, ist die Kombination aus einem Foto, das die
Aufmerksamkeit auf sich zieht, und einem passenden Slogan am
wirkungsvollsten. Reine Textplakate hingegen wirken hingegen in der Regel
gar nicht oder sogar abstoßend.Wie wichtig sind Plakate im Vergleich zu anderen Wahlkampfinstrumenten?In Zukunft werden Wahlplakate etwas an Bedeutung verlieren. Völlig
unwichtig werden sie jedoch nie sein. Aber der Anspruch an ihre Qualität
wird wachsen. Und: Bei begrenzten finanziellen Mitteln für die Wahlwerbung
müssen sich Parteien entscheiden, welchen Mix unterschiedlicher
Wahlkampfinstrumente sie einsetzen wollen. Da wird es eine Verschiebung
geben weg vom Plakat, hin zum Internet.Wissenschaftliche Begleitung des WahlkampfsIn den kommenden Wochen versendet die Universität Hohenheim zum Thema
Landtagswahl voraussichtlich folgende Pressemitteilungen: Wahlprogramme: Wie verständlich sind sie? Wahlkampf 2.0: Welche Strategien gibt es? Und mobilisiert das Internet
die Wähler? TV-Duell: wissenschaftlicher Feldversuch: Welche Aussagen finden
Zustimmung, welche Aussagen polarisieren?Kontakt für Medien:
Prof. Dr. Frank Brettschneider, Universität Hohenheim, Fachgebiet
Kommunikationswissenschaft, Tel.: 0711 459-24030 oder -22870, E-Mail:
frank.brettschneider@uni-hohenheim.deText: Konstantinidis / TöpferArten der Pressemitteilung:
Forschungsergebnisse
ForschungsprojekteSachgebiete:
Gesellschaft
Medien- und Kommunikationswissenschaften
Politik
PsychologieDie gesamte Pressemitteilung erhalten Sie unter:
http://idw-online.de/de/news410498 Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution234
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