Montag, 28. Februar 2011

#Geschäft #mit #der #Hoffnung [via Neues Deutschland] #Nahrungsergänzungsmittel


 

Geschäft mit der Hoffnung

Von Walter Willems

(Neues Deutschland)

http://www.neues-deutschland.de/artikel/191984.geschaeft-mit-der-hoffnung.html
 

Täglich kommen zehn neue Nahrungsergänzungsmittel auf den Markt

Manche hoffen auf jugendliche Haut, andere auf dicke Muskeln, die meisten auf robuste Gesundheit. Immer mehr Menschen ergänzen ihre Ernährung gezielt mit speziellen Präparaten, etwa Vitaminen, Mineralien oder Enzymen. Ein Viertel bis gut ein Drittel der Bundesbürger schluckt Umfragen zufolge solche Pulver und Pillen gelegentlich bis regelmäßig.

Supermärkte, Drogerien, Apotheken und vor allem das Internet bieten eine Vielzahl von Nahrungsergänzungspräparaten, die sich schon lange nicht mehr auf die klassischen Vitamine und Mineralstoffe beschränken. »Das Spektrum der Produkte ist unüberschaubar«, sagt Andreas Hahn. Der Lebensmittelforscher der Universität Hannover geht von Tausenden Artikeln auf dem deutschen Markt aus, »und jeden Tag kommen etwa zehn neue Präparate dazu«.

Die meisten Verbraucher treibt die Hoffnung auf körperliches Wohl zum Kauf solcher Präparate. »Der Konsum von Ergänzungspräparaten steigt mit dem Alter«, weiß Hahn. Mitunter kann die Einnahme solcher Präparate sinnvoll sein. Säuglinge bekommen im ersten Lebensjahr Vitamin D zur Vorbeugung von Rachitis. Schwangere nehmen Folsäure, um den Nachwuchs vor Neuralrohrdefekten wie etwa offenem Rücken zu schützen.

Auch wenn Magen- oder Darmerkrankungen die Nahrungsabsorption einschränken, können solche Präparate einen drohenden Nährstoffmangel abwenden. Aber abgesehen von solchen Ausnahmen sehen viele Ernährungsforscher den derzeitigen Trend mit gemischten Gefühlen. »Die normale Bevölkerung braucht solche Präparate nicht«, konstatiert Helmut Heseker von der Universität Paderborn, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). »Wir haben ganzjährig ein großes Angebot an frischem Obst und Gemüse.«

Die klassischen Vitaminprodukte bergen – in normaler Menge genommen – zumindest kaum Risiken. Aber in hoher Dosierung kann ihre Einnahme auf Dauer schaden: Das gilt insbesondere für Vitamin A. Auch Vitamin E kann in großen Mengen die Leber schädigen, Vitamin C zu Nierensteinen führen. Betakarotin kann bei Rauchern die Gefahr für Lungenkrebs steigern, zu viel Folsäure die Entstehung von Darmkrebs begünstigen. Um solche Risiken abzuwenden, rät Hahn, Multipräparate in normaler Dosierung zu verwenden.

Besondere Vorsicht geboten ist bei übermäßiger Einnahme bestimmter Spurenelemente wie Eisen, Zink oder Kupfer. Denn die Absorption dieser Stoffe im Körper hängt von einem fein untereinander ausbalancierten Gleichgewicht ab. So kann etwa eine hohe Eisenaufnahme die Verwertung von Zink stören.

Eine andere Gefahr entdeckten Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln in einer Studie: In fast zwölf Prozent der in Deutschland erworbenen Ergänzungspräparate fanden sie Spuren verbotener Anabolika.

Auch andere Verunreinigungen wurden bereits nachgewiesen, darunter Medikamente wie Kortison oder Antibiotika, aber auch Stoffe wie Blei und Arsen. »Das sind Gifte, die mit Gesundheit gar nichts zu tun haben«, warnt der Mediziner Burkhard Göke vom Klinikum München. Seine Erklärung für Rückstände: »Viele Präparate stammen aus Anlagen, in denen auch Medikamente hergestellt werden.«

Insbesondere vor Internetanbietern aus dem Ausland wie etwa den Niederlanden oder den USA sollten sich Verbraucher hüten. Aber auch deutschsprachige Internetseiten garantieren nicht, dass ein Produkt tatsächlich aus Deutschland kommt. »Mit vielen Präparaten gehen Verbraucher zu leichtfertig um«, sagt Göke.

Unabhängig von derartigen Problemen bezweifeln manche Experten grundsätzlich, dass isolierte Nährstoffe einen gleichwertigen Ersatz zu Naturprodukten bieten. Erst kürzlich rüttelten etliche Studien am Wert von Pillen mit der mehrfach ungesättigten Omega-3-Fettsäure DHA.

Die teuren Fischölkapseln sollen etwa vor Herzerkrankungen und Demenz schützen und die kognitive Entwicklung von Kindern anregen. Heseker rät, lieber regelmäßig fettreichen Fisch zu essen. Ein zweites Beispiel: Obst und Gemüse schützen erwiesenermaßen vor Herzkreislauferkrankungen.

Für in Tabletten gepresste Inhaltsstoffe wurde eine solche Wirkung noch nie nachgewiesen. Auch der Cholesterin senkende Effekt von Knoblauch fällt bei Einnahme der viel beworbenen Dragees auf einen Bruchteil.


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