SPD knickt wieder ein
(Junge Welt)
http://www.jungewelt.de/2011/02-22/055.php
Mit Entrüstung haben Sozialverbände und Vertreter der Linken auf den »Kompromiß« zur künftigen Ausgestaltung der Hartz-IV-Leistungen reagiert, den Vertreter der Regierungsparteien und der SPD in der Nacht zum Montag vereinbarten. Dieser sieht vor, die Regelsätze außer um die bereits beschlossenen fünf um weitere drei Euro zu erhöhen allerdings erst im kommenden Jahr. Ferner erhalten die Kommunen 1,6 Milliarden Euro für ein »Bildungspaket« sowie weitere Gelder für Schulsozialarbeiter. Mittelfristig sollen die Kommunen auch von den Kosten für die Altersgrundsicherung entlastet werden. Des weiteren wurde für drei Branchen Zeitarbeit, Sicherheitsgewerbe und Weiterbildung die Festsetzung von gesetzlichen Mindestlöhnen vereinbart. Die SPD verzichtete in der Schlußrunde allerdings komplett auf ihre Forderung nach Gleichbehandlung von Leiharbeitern und Stammkräften. Der Vorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bezeichnete dies in einer ersten Reaktion in etwas eigenartiger Farbdefinition als »schwarz-gelben Zynismus«.Partei und Fraktion Die Linke äußerten sich empört über den »Kompromiß«. Das Ergebnis sei eine Verhöhnung der Betroffenen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung der Vorsitzenden Gesine Lötzsch und Klaus Ernst sowie des Fraktionschef Gregor Gysi. Alle »Hartz-IV-Parteien« hätten sich »mit den statistischen Fälschungen der Arbeitsministerin abgefunden und die Vorgaben des Urteils des Bundesverfassungsgerichts ignoriert«. Zudem würden Kinder aus einkommensschwachen Familien durch das sogenannte Bildungspaket stigmatisiert und gedemütigt. Die Partei werde alle juristischen Möglichkeiten nutzen, um dem im Grundgesetz verankerten Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum Geltung zu verschaffen. Auch die Parteichefin der Grünen, Claudia Roth, äußerte am Montag »erhebliche Zweifel« an der Verfassungskonformität der Regelsätze. Ihre Partei hatte an den Schlußberatungen nicht mehr teilgenommen.Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, bezeichnete »das Geschacher der letzten Wochen und Tage um drei Euro« als »die erbärmlichste Farce, die die deutsche Sozialpolitik je erlebt hat«. Das Ergebnis sei »ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und ein Affront gegenüber dem Bundesverfassungsgericht«, so Schneider. Wie auch der Präsident des Sozialverbandes SoVD, Adolf Bauer, geht Schneider davon aus, daß sich die Karlsruher Richter alsbald erneut mit den Hartz-IV-Regelsätzen beschäftigen werden.Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) wertete die Hartz-IV-Einigung dagegen als großen Erfolg. Man habe in der Nacht zum Montag »sozialpolitische Geschichte« geschrieben, sagte die CDU-Politikerin am Morgen in Berlin. »Die ganz großen Gewinner« dieser Reform seien die Kinder und die Kommunen. Es habe sich der Grundgedanke durchgesetzt, nicht insgesamt mehr Geld in das Hartz-System zu geben, sondern mehr für Kinder zu investieren. Auch SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach am Morgen im Deutschlandfunk von einem »guten Ergebnis«. So erhielten künftig weitere 1,2 Millionen Menschen in Deutschland Mindestlöhne, um von ihrer Arbeit leben zu können. Allerdings könne er nicht ausschließen, daß die jetzige Einigung nicht verfassungskonform sei.Der Vermittlungsausschuß von Bundestag und Bundesrat soll den Kompromiß bereits am heutigen Dienstag durchwinken. Eine Sondersitzung des Bundesrats zur endgültigen Verabschiedung wird für Freitag angestrebt.
jW-Bericht
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