Friedrich-Schiller-Universität Jena, Sebastian Hollstein,
Soziologen der Uni Jena erforschen die Auswirkungen von Totalitarismus auf
junge Menschen
In Griechenland protestieren fast jeden Tag tausende Menschen gegen ihre
Regierung. Oft sind es Jugendliche, die keine Perspektive für die Zukunft
sehen. Ähnlich sieht es in Portugal aus. In Spanien campieren tagelang
tausende junge Menschen auf einem zentralen Platz, um auf ihre prekäre
Situation aufmerksam zu machen. Fast die Hälfte von ihnen ist arbeitslos
trotz sehr guter Ausbildung. "In vielen europäischen Staaten fühlt sich
die Jugend von der Politik ausgegrenzt und nicht mehr repräsentiert", sagt
Prof. Dr. Klaus Dörre von der Friedrich-Schiller-Universität Jena. "Wenn
es nicht gelingt, solche Proteste in demokratische Prozesse einzuhegen,
kann eine Eigendynamik entstehen, die in den Extremismus führt." Das habe
die Vergangenheit bewiesen.
In dem jetzt gestarteten EU-Projekt MYPLACE ("Memory, Youth, Political
Legacy and Civic Engagement") wollen Sozialwissenschaftler von 14
europäischen Universitäten in den nächsten vier Jahren untersuchen,
inwieweit Erfahrungen mit Totalitarismus und Extremismus junge Menschen
von heute beeinflussen. "Dabei wird es zwar vor allem um Rechtsextremismus
gehen, aber es sind z. B. baltische Staaten beteiligt, in deren
Vergangenheit der Stalinismus eine große Rolle spielt", erklärt der
Soziologe Dörre, der den Jenaer Bereich leitet. Gemeinsam mit Kollegen von
der Universität Bremen trägt er die Ergebnisse für Deutschland zusammen.
Ost und West untersuchen die Sozialforscher getrennt.
Durch die nationalsozialistische Vergangenheit sei in Deutschland das Tabu
noch sehr klar ausgeprägt, sagt Dörre. In der politischen Gegenwart
spielten deshalb rechtsextreme Parteien kaum eine Rolle. Nichtsdestotrotz
sei die Gefahr nicht gebannt. Man könne auch die Diskussion um
Rechtsextremismus nicht auf die Frage der Bildung reduzieren.
Oftmals steckten dahinter Interessenverletzungen, die auf extremes
Gedankengut treffen.
Derzeit ist das in ganz Europa zu beobachten. Aus der Wirtschaftskrise
gingen manche Staaten als Gewinner andere als Verlierer hervor. Die
Bevölkerung der Verlierer wendet sich von ihren Regierungen ab und sucht
teilweise Alternativen in Extremen. In den Gewinnerstaaten werden
nationalistische Parteien stark, die sich von den Krisenverlierern
abschotten wollen. Der europäische Einigungsprozess sei dadurch in Gefahr,
schließlich sei er vor allem ökonomisch getrieben. "Derzeit hat eine
rechtspopulistische Welle in verschiedenen europäischen Ländern wie
Finnland oder den Niederlanden populistische Parteien in die Parlamente
gespült", sagt Prof. Dörre. "Dort ist es den Rechtsextremen gelungen, sich
von der Geschichte zu distanzieren und auch kulturelle Themen, wie etwa
die Islamdiskussion, für ihre Zwecke zu benutzen." Charismatische
Führungspersönlichkeiten täten dann ein Übriges.
Deshalb hat die Europäische Union MYPLACE als sehr wichtig eingestuft und
sich direkt unterstellt. Jede Universität erhält 400.000 bis 500.000 Euro.
In Jena werden davon eine Postdoc- und eine Doktorandenstelle finanziert.
Kontakt:
Prof. Dr. Klaus Dörre
Institut für Soziologie der Universität Jena
Carl-Zeiß-Straße 2, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945520
E-Mail: Klaus.Doerre[at]uni-jena.de
Arten der Pressemitteilung:
Forschungsprojekte
Sachgebiete:
Gesellschaft
Politik
Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-jena.de
Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter der WWW-Adresse:
http://idw-online.de/de/image144672
Prof. Dr. Klaus Dörre leitet den Jenaer Bereich des EU-Projekts "MYPLACE".
Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder erhalten Sie unter:
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Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution23
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