Der Berliner Bezirk Neukölln ist so etwas wie das Armenhaus im Armenhaus der Bundesrepublik – denn das ist deren Hauptstadt. Der Bürgermeister von etwa 312000 Einwohnern heißt Heinz Buschkowsky (SPD). Hier ist ungefähr jeder vierte Erwerbsfähige arbeitslos, im Durchschnitt verfügen Neuköllnerinnen und Neuköllner über ein Einkommen zwischen 700 und 800 Euro, ihre Kinder schafften zu rund 70 Prozent 2008 keinen Hauptschulabschluß. Buschkowsky ist bekannt als Kolumnist der regionalen Bild-Ausgabe und steht Sarrazins Thesen zumindest nicht sehr fern. Die soziale Frage, die er täglich auf den Straßen besichtigen kann, wird da schnell zu einer Migranten- und Einwanderungsfrage. Das ist in Teilen des Bezirks durchaus populär, wie sich an guten Wahlergebnissen für rechte Parteien in einigen Ortsteilen mit alter Westberliner Fronstadtbewohnerschaft seit Jahrzehnten ablesen läßt. Herr Buschkowsky hat kürzlich der Jugendstadträtin seines Bezirks, Gabriele Vonnekold (Grüne), »Mißwirtschaft« und »mangelnde Kommunikation« vorgeworfen, weil in ihrem Etat 2011 mehr als vier Millionen Euro Defizit zu erwarten sind. Buschkowsky, der auch Finanzstadtrat ist, kündigte vorsorglich am 30. Juni 48 Einrichtungen der Jugendhilfe zum 30. September, darunter 25 allgemeinen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche, 15 Schulstationen und acht sonderpädagogischen Projekten. Die Linke des Bezirks nannte das eine »unglaubliche Sauerei«. Die Kündigungen bewirkten auch Entlassungen von Mitarbeitern. Das sei »Gutsherrenart«. Vor Beginn einer Sitzung der Bezirksverordnetenversammlung protestierten Hunderte Kinder, Jugendliche und Sozialarbeiter vor dem Neuköllner Rathaus nd forderten die sofortige Rücknahme der Kürzungsorgie. Nach Aussagen der Jugendstadträtin liegt der Bezirk bei der nach Stunden bemessenen Jugendförderung pro Jahr gegenüber vergleichbaren Bezirken in Berlin weit hinten. Einen ersten Erfolg hatten die Proteste: Die Kündigungen sollen zurückgenommen werden, aber nur befristet – die Verträge gelten bis zum Jahresende.
So soll die Empörung ausgesessen werden. Aus unserer Sicht hilft da nur: Dranbleiben – auch mit einem junge Welt-Abonnement. Wir lassen nämlich nicht locker.
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