Vielleicht in der Hoffnung, dass die Entscheidung im Sommerloch
nur begrenzte Öffentlichkeit findet, stimmte der Bundessicherheitsrat
Anfang Juli 2011 einem umfangreichen Rüstungsexportpaket mit
Saudi-Arabien und Algerien zu. Das Ausmaß der Empörung über die
deutschen Panzerlieferungen an Saudi-Arabien hat die Schwarz-Gelbe
Regierung offensichtlich überrascht. Nach Medienberichten, wie etwa dem
für gewöhnlich gut informierten Rüstungsnewsletter „Griephan Briefe"
(28/2011), waren die Panzer für Saudi-Arabien allerdings nur die Spitze
des Eisbergs. Algerien, das gerade erst seine Demokratiebewegung blutig
niedergeschlagen hat, soll im Zeitraum von zehn Jahren modernste
Rüstungs- und Sicherheitstechnologie aus Deutschland erhalten. Der
Gesamtwert dieser Geschäfte soll 10 Mrd. Euro betragen. Die einzelnen
Geschäfte waren teils bereits seit Monaten vorbereitet worden und
erhielten nun vom Bundessicherheitsrat grünes Licht.
Einen besonderen Stellenwert dabei hat der Verkauf einer Panzerfabrik an
Algerien, da es hier um eine umfangreiche und langfristig angelegte
rüstungstechnische Zusammenarbeit mit einem undemokratischen Regime
geht. Informationen darüber kamen im März 2011 erstmals an die
Öffentlichkeit. Die Rüstungsschmiede Rheinmetall will in einem Joint
Venture mit MAN in Algerien eine Panzerfabrik aufbauen, in der
Fuchspanzer montiert und instand gesetzt werden können. Die Komponenten,
aus denen die Panzer zusammengesetzt werden, sollen nach wie vor in
Deutschland hergestellt werden. Für den Export der Komponenten ist die
Kontrolle noch deutlich schlechter als für vollständige Rüstungsgüter.
Neben dem Fuchs sollen weitere Militärfahrzeuge wie etwa der "Unimog"
gebaut werden. Dafür war bereits im März zur Abwicklung des Geschäftes
mit Unterstützung der Firma Ferrostaal AG die Firma "Rheinmetall Algérie
SPA" gegründet worden, an der auch Daimler beteiligt ist.
Der im Geheimen tagende Bundessicherheitsrat stimmte als Teil des
algerischen Rüstungsdeals auch der Lieferung von zwei, optional auch
drei, Fregatten zu. Profiteur des Geschäfts ist Blohm & Voss. Die
Werft hat vergleichbare Kriegsschiffe (MEKO Variante) bereits
erfolgreich an Südafrika verkauft.
Die Kritik an der Aufrüstung des libyschen Regimes im Kontext der
Flüchtlingsabwehr hat offensichtlich keinen dauerhaften Eindruck auf die
deutsche Regierung gemacht. Sie stimmte als weiterem Teil des
Milliardengeschäfts auch umfangreichen Aufträgen im Bereich der
Grenzsicherung zu. Von diesem Programm zur Kontrolle von
Bevölkerungsbewegungen profitiert Cassidian (die Sicherheitssparte des
EADS Konzerns), die deutsche Tochter des französischen Rüstungskonzern
Thales, Rhode & Schwarz und Carl Zeiss. Die Vorbereitungen für
dieses Geschäft und für die vertiefte Zusammenarbeit in der
Flüchtlingsabwehr hatte Kanzlerin Angela Merkel bereits im Dezember 2010
beim Besuch des algerischen Präsidenten Abdelaziz Bouteflika in Berlin
getroffen.
Es ist noch zu früh, um aus den Rüstungsgeschäften im ersten Halbjahr
2011 einen zuverlässigen Trend abzuleiten. Alles was bis jetzt bekannt
wurde, ist jedoch besorgniserregend, denn die Rüstungslieferungen an
arabische Diktaturen wurden keineswegs beendet. Im Gegenteil deuten die
aktuellen Entscheidungen darauf hin, dass speziell die Regime, die aus
Sicht der NATO-Staaten einen Stabilitätsfaktor in der Region darstellen,
noch intensiver beliefert werden als zuvor. Diese Tendenz zeichnet sich
auch für die Exporte anderer europäischer Ländern wie Spanien,
Frankreich und Großbritannien ab. Die Aktien der Rüstungsunternehmen
steigen bereits in Vorfreude auf die Geschäfte. Die Börsen hoffen
offenbar auf einen arabischen Frühling für das Rüstungsgeschäft.
http://www.imi-online.de/2011.php?id=2325
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