Montag, 6. Juni 2011

Heutzutage ist #Kapital #im #Überfluss in der entwickelten Welt #vorhanden - Robert Skidelsky: Sporadische Arbeit


Robert Skidelsky: Sporadische Arbeit
[Nachdenkseiten]
http://www.nachdenkseiten.de/?p=9668#h05


Heutzutage ist Kapital im Überfluss in der entwickelten Welt vorhanden; die Sparquote geht zurück, während die Leute mehr konsumieren und die Produktion verlagert sich zunehmend auf Dienstleistungen; ein Bereich mit begrenzten Möglichkeiten der  Produktivitätssteigerung.

Also lässt das Wirtschaftswachstum – der Anstieg der Realeinkommen – nach. Das war schon vor der großen Rezession der Fall, deshalb ist es erst recht schwierig geworden, Vollzeitarbeitsplätze zu schaffen, die angemessen entlohnt werden. Daraus folgt die Zunahme geringfügiger, nicht kontinuierlicher Teilzeitbeschäftigung.

Der andere Aspekt des Problems ist die langfristige Zunahme der Arbeitslosigkeit durch den technologiegetriebenen Umbau der Arbeitswelt, die weitgehend auf Automatisierung zurückzuführen ist. Einerseits ist das ein Zeichen für wirtschaftlichen Fortschritt: Die Leistung jeder Arbeitseinheit steigt stetig. Es bedeutet aber auch, dass weniger Arbeitseinheiten benötigt werden, um die gleiche Warenmenge zu produzieren.

Die Lösung des Marktes besteht darin, freigesetzte Arbeitskräfte im Dienstleistungssektor zu beschäftigen, aber viele der Branchen im Bereich der Dienstleistungen sind ein Sammelbecken für aussichtslose Tätigkeiten, die keine Möglichkeiten der Weiterentwicklung bieten. Immigration verschärft die beiden Aspekte des Problems. Ein Großteil der Migration ist unbeständig, insbesondere innerhalb der Europäischen Union – heute hier, morgen fort – und nicht mit den Kosten verbunden, die bei Vollzeiteinstellungen anfallen.

Das ist zwar für Arbeitgeber attraktiv, aber es handelt sich um Tätigkeiten mit geringer Produktivität und der Mehrheit der Erwerbsbevölkerung eines Landes wird es zunehmend erschwert, dauerhafte Beschäftigungsverhältnisse zu finden.

Sind wir demzufolge zu einer wirtschaftlichen Erholung ohne Beschäftigungszuwachs verurteilt? Werden Arbeitsplätze in Zukunft so rar sein, dass viele Arbeitskräfte einen Hungerlohn akzeptieren müssen, um überhaupt eine Anstellung zu finden, und werden sie zunehmend auf Transferleistungen angewiesen sein, während markträumende Löhne unter das Existenzniveau sinken?
Doch lassen wir diese düsteren Aussichten beiseite und denken darüber nach, wie eine zivilisierte Lösung für das Problem technologiegetriebener Arbeitsplatzverluste aussehen könnte. Die Antwort ist sicherlich in der Umverteilung von Arbeit zu finden. Dem angloamerikanischen Ökonomen ist ein derartiger Vorschlag ein Gräuel. In Holland und Dänemark werden ganz unterschiedliche gestaltete Programme zur Arbeitsumverteilung zur Norm und in Frankreich und Deutschland sind sie auf dem Vormarsch. Das Schlüsselelement bei einem solchen Ansatz ist die Trennung der Arbeit vom Einkommen.

Ein dänisches Gesetz aus dem Jahr 1993 erkennt das Recht an, nicht kontinuierlich zu arbeiten und gewährt zugleich das Recht auf ein kontinuierliches Einkommen. Arbeitnehmer haben alle vier oder sieben Jahre die Möglichkeit, sich für ein "Sabbatjahr" zu entscheiden, das auch in kürzere Abschnitte unterteilt werden kann.

Arbeitslose treten an die Stelle derjenigen, die eine Auszeit nehmen und die ihrerseits 70% der Arbeitslosenunterstützung bekommen, die sie erhalten würden, wenn sie ihren Arbeitsplatz verlören (normalerweise 90% des Gehalts). Dänischen Gewerkschaften ist es gelungen solche gesetzlichen Rechte des Einzelnen zu nutzen, um die Arbeitszeiten ganzer Fimenbelegschaften zu verringern und die Anzahl der festen Arbeitsplätze so zu erhöhen.

Quelle:
Project Syndicate  http://www.project-syndicate.org/commentary/skidelsky41/German

Anmerkung Orlando Pascheit:

Nicht ganz erklärlich ist, wie die Skidelsky darauf kommt, dass in Deutschland Programme zur Arbeitsumverteilung auf dem Vormarsch sind – er meint wahrscheinlich den Einsatz von Kurzarbeit in Krisenzeiten.
Allerdings erscheint mir das Grundproblem nicht in der Verteilung von Arbeit, sondern in der ungleichen Verteilung der Einkommen zu liegen. Es kann nicht angehen, dass Abteilungsleiter von Banken in einem Monat mehr verdienen als ein Arbeitnehmer nicht nur in prekären Jobs in einem Jahr.

Die Bekämpfung der ungleichen Verteilung von Einkommen ist allerdings mit weitaus mehr Konflikten beladen, als der Dissenz zwischen angelsächsischen und kontinentaleuropäischen Wissenschaftlern.
Die Übermacht des Kapitals gegenüber den Arbeitnehmern ist nicht naturgegeben, sondern von einer kapitalhörigen Politik so gewollt bzw. stellt den Grundzug einer plutokratischen Gesellschaftsordnung dar, der Herrschaft weniger, die Geld im Überfluss haben.
 

Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken

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