Mittwoch, 1. Juni 2011

Deutschland im Jahr 2011: 1,68 Millionen Kinder unter 15 Jahren - 15,3 Prozent - leben in einer »Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft


Internationaler Kindertag:

Kein Grund zum Feiern

Gastkommentar

Von Sabine Zimmermann
[via Junge Welt]
 

Deutschland im Jahr 2011: 1,68 Millionen Kinder unter 15 Jahren – 15,3 Prozent – leben in einer »Hartz-IV-Bedarfsgemeinschaft«. In Ostdeutschland ist die Quote mit 25,7 Prozent fast doppelt so hoch wie in Westdeutschland (13,2 Prozent).

Doch angeblich sind längst nicht alle diese Kinder benachteiligt: Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung hat kürzlich erklärt, nur acht Prozent der Kinder in der BRD seien arm. Eine Zahl, die verantwortlichen Politikern helfen dürfte, die Lage schönzureden.

Eine weitere Statistik sagt aus, die Zahl der Arbeitslosen liege derzeit bei unter drei Millionen. Tatsächlich sind mehr als vier Millionen Menschen betroffen, zählt man die Teilnehmer an Förder- und Fortbildungsmaßnahmen und vorruhestandsähnlichen Regelungen und die sogenannte stille Reserve hinzu. Dazu kommt, daß neue Jobs überwiegend im Niedriglohnbereich entstehen und so der ergänzende Bezug von Hartz IV weiter zunimmt. Diese Arbeitsmarktsituation bestimmt das Leben von immer mehr Kindern.

Besonders armutsanfällig sind Alleinerziehende und ihre Kinder. Im Januar 2011 lebten rund 626000 Alleinerziehende von Hartz IV, das sind 40 Prozent. Die Gründe: Sie gehen oft einer schlecht bezahlten Tätigkeit nach, arbeiten in Teilzeit und sind – insbesondere wegen fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten – besonders häufig erwerbslos. Das hat fatale Folgen für ihre Kinder: Armut ist vielfach prägend für das spätere Leben und setzt schnell einen Fahrstuhl nach unten in Gang.

Wollte die Bundesregierung ernsthaft etwas gegen Kinderarmut tun, müßte das soziale System bei Hilfebedürftigkeit wirklich existenzsichernd gestaltet werden. Kinder sind eben keine »kleinen Erwachsenen«, für deren Bedarf pauschal ein Prozentsatz der Hartz-IV-Leistungen für Erwachsene festgesetzt werden kann. Dies hat auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt.

Doch statt die Regelsätze anzuheben, hat man das sogenannte Bildungs- und Teilhabepaket aufgelegt und damit ein bürokratisches Monstrum geschaffen. Vor diesem Hintergrund ist die derzeit geringe Zahl der Anträge auf Mittel aus dem Programm nicht verwunderlich, zumal eine echte Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben auch mit zehn Euro im Monat nicht möglich ist.

Die Partei Die Linke fordert deshalb eine eigenständige Kindergrundsicherung, die unabhängig von Hartz IV macht. Weiter muß dem Lohndumping vieler Unternehmer durch Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von zehn Euro pro Stunde endlich der Garaus gemacht werden, um den Bezug ergänzender Hartz-IV-Leistungen zu beenden. Solange nichts dergleichen geschieht, wird der Internationale Kindertag kein Feiertag in unserem Land sein, sondern der Tag, an dem auf die traurige Lage vieler Familien hingewiesen werden muß.

* Die Autorin ist arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfrak­tion im Bundestag


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