Donnerstag, 17. Februar 2011

Heide Gerstenberger: #Staatsgewalt im #globalen #Kapitalismus [Grundrisse Heft 27]

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Heide Gerstenberger:


Staatsgewalt im globalen Kapitalismus


Die
Globalisierung nationalstaatlicher Souveränität

Von wenigen Ausnahmen und
der Hohen See abgesehen, gehört heute jedes Gebiet der Erde zu einem souveränen
Staat oder ist ein sogenanntes abhängiges Gebiet eines solchen Staates.1
Diese Aufteilung der Welt unter souveräne Nationalstaaten ist das Resultat eines
historischen Prozesses, der seinen Ausgang im 17. Jahrhundert in Europa hatte
und seither zweimal auf grundlegende Weise verändert wurde.  Als die ersten
souveränen Territorialstaaten entstanden, waren sie ein Produkt langer und
verheerender europäischer Kriege. Um Herrschaft zu stabilisieren, entschlossen
sich die in Münster (Westfalen) versammelten Fürsten 1648, den status quo
dadurch zu stabilisieren, dass sie sich gegenseitig die  Herrschaft über das
jeweils eroberte bzw. verteidigte Territorium samt den darin lebenden Menschen
zugestanden. Souveränität entstand als dynastische Souveränität. (Teschke,
2003/2007). Erst als Fürsten ihrer Herrschaftskompetenzen enteignet wurden, 
wurde aus der Fürstensouveränität die Volkssouveränität und aus bloßen
Territorialstaaten wurden Nationalstaaten. Bei dieser Konstitution von
Souveränität durch Machtpolitik gegenüber aktuellen sowie potentiellen äußeren
sowie inneren Konkurrenten ist es bis zur Gründung der UNO geblieben.
2
Seither wird  Souveränität
auf Vorschlag des Sicherheitsrates von der Generalversammlung der
Mitgliedsstaaten verliehen – und zwar nicht auf der Basis einer nach innen und
außen durchgesetzten Machtposition, sondern im Namen des völkerrechtlichen
Prinzips des Rechtes aller Völker auf Selbstbestimmung. Dieses Prinzip wurde und
wird aber sehr selektiv ausgelegt. Die Ausnahme vom generellen Verbot der
Gewaltanwendung ist nämlich nur Bevölkerungen zugestanden worden, über welche
eine Kolonialmacht herrschte. Das internationale Recht verwehrt nicht nur
anderen Staaten, sondern auch Bevölkerungsgruppen innerhalb der neuen
Nationalstaaten das Recht, die von der UNO verliehene Souveränität in Frage zu
stellen. Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit früherer Kolonien wurden deshalb
zugleich jene „Völker“ geschaffen, denen nun Souveränität verliehen wurde.
Die weltweite Verbreitung der rechtlichen und administrativen Formen des
Nationalstaates ist ein Element jener Entwicklung, für die sich inzwischen der
Terminus „Globalisierung“ eingebürgert hat.


In der ersten Phase der Diskussion über Globalisierung, also in den 1990er
Jahren, wurde vielfach angenommen, die Übereinstimmung zwischen alten und neuen
Staaten sei nicht auf die prinzipielle Gleichstellung im internationalen Recht
begrenzt. Vielmehr sei durch die Transformation der Staaten von
Industriegesellschaften zu Wettbewerbsstaaten (Hirsch), will sagen zur
Unterordnung von Politik unter Bedingungen internationaler wirtschaftlicher
Konkurrenz, die Souveränität aller Staaten erheblich beschränkt worden. Auf
diese Weise wurde der Unterschied zwischen der Staatsgewalt in ökonomisch und
politisch führenden Gesellschaften und Staatsgewalt in ökonomisch und politisch
kaum international konkurrenzfähigen Gesellschaften gewissermaßen für analytisch
nebensächlich erklärt. Inzwischen wird deutlicher wahrgenommen, dass
insbesondere die postkolonialen Staaten in der Sub- Sahara ihre Souveränität
lediglich „unter Vormundschaft“ (Mbembe) ausüben können. Die fundamentale
Ungleichheit zwischen rechtlich gleichgestellten souveränen National-Staaten ist
ein Merkmal des globalisierten Kapitalismus.

Die
Internationalisierung von Märkten

In der Entwicklung des
Weltmarktes gibt es drei Wellen verstärkter Internationalisierung. Die erste
begann im 16. Jahrhundert, als von Europa aus vermehrt Fernhandel betrieben und
überseeische Gebiete in Beschlag genommen wurden. Die zweite Welle verstärkter
Internationalisierung setzte in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts
ein. Erneut handelte es sich vor allem um merkantile Verflechtungen, jetzt
allerdings waren Kolonien in die Strukturen kapitalistischer Produktion und
Distribution auf eine Art und Weise integriert, welche die potentielle
Entwicklung einer eigenen industriellen Produktion verhinderte und sie
langfristig auf die Rolle des Exporteurs von Rohstoffen und Agrarprodukten
festlegte.(Giraud, 1996, 135 u. passim)  Im Jahre 1913 hatte der Anteil der
Weltproduktion, der international gehandelt wurde, ein Ausmaß erreicht, das erst
Anfang der 1970er Jahre wieder erzielt werden sollte. Dieser Sachverhalt macht
exemplarisch deutlich, dass Kapitalismus zwar immer schon eine Tendenz zur
Erweiterung und damit zur Internationalisierung eigen war, dass diese Tendenz
aber nicht mit einer sich quasi naturgesetzlich durchsetzenden Dynamik der
Internationalisierung verwechselt werden darf. Politische Entscheidungen haben
im 20. Jahrhundert die Internationalisierung ökonomischer Prozesse über
Jahrzehnte nicht nur zum Stillstand gebracht, sondern sogar zurück geschraubt.
Und politische Entscheidungen waren es auch, die Mitte der 1970er Jahre die
dritte Welle verstärkter Internationalisierung in Gang setzten.

Zwar gab es bereits seit
dem Ende des Zweiten Weltkrieges Strategien zur Liberalisierung des
internationalen Handels, und die Regierungen der USA haben das Recht auf
Selbstbestimmung kolonisierter Bevölkerungen nicht nur aus humanitären Gründen
nachdrücklich vertreten, sondern auch, weil sie Zugang zu Märkten gewinnen
wollten, die ihnen aufgrund der Dominanz von Kolonialmächten bisher weitgehend
verschlossen gewesen waren. Dennoch: der große Umbruch der Weltwirtschaft
erfolgte erst Mitte der 1970er Jahre. Er war ein Produkt der wirtschaftlichen
Krise in den westlichen Industriegesellschaften.

Erste Anzeichen dieser
Krise gab es in den späten 1960er, frühen 1970er Jahren, als sich die
Nachkriegskonjunktur ihrem Ende zuneigte und Produktivitätsreserven nahezu
ausgeschöpft waren. Es gab damals keine grundlegend neue Technologie, in deren
Nutzung hätte investiert werden können, und Auslandsinvestitionen waren noch
vergleichsweise selten. In der vorhergehenden Phase der Vollbeschäftigung hatten
Gewerkschaften in den Industriegesellschaften an Verhandlungsmacht gewonnen und
beträchtliche Lohnerhöhungen durchsetzen können. Der Kalte Krieg provozierte
zwei Belastungen für die Staatshaushalte: erhebliche Ausgaben für Rüstung und
gleichzeitig wachsende Ausgaben für Sozialleistungen. Das westliche System
sollte ja nicht nur militärisch, sondern auch materiell und ideologisch
verteidigt werden. In dieser Situation eines profit squeeze waren
Kapitaleigner zunehmend auf der Suche nach lukrativen Anlagemöglichkeiten. Sie
wurden ihnen geliefert, als es in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre möglich
wurde, in großem Maßstab in Finanzmärkte zu investieren. Diese Möglichkeit ergab
sich aus dem Zusammenbruch des Weltwährungssystems von Bretton Woods.

Geschaffen worden war
dieses System 1944. Das damals in dem kleinen neu-englischen Ort Bretton Woods
beschlossene Abkommen sollte eine erneute Weltwährungskrise dadurch verhindern,
dass feste Wechselkurse im Verhältnis zum Dollar und folglich auch zu den
anderen beteiligten Währungen eingerichtet wurden. Um kurzfristige
Schwierigkeiten bei der Beibehaltung der Wechselkurse zu überwinden, wurde der
Internationale Währungsfond (IWF) gegründet, in den Mitgliedsländer Einlagen
zahlten, auf die notfalls zurück gegriffen werden konnte. Falls das nicht
ausreichte, konnte beim IWF auch die Genehmigung zu geringfügigen Ab- und
Aufwertungen einer nationalen Währung beantragt werden. Über Jahrzehnte hinweg
waren die Wechselkurse aber nahezu vollständig stabil. Entgegen der Einwände vor
allem des Vertreters der britischen Regierung, John Maynard Keynes, wurde in
Bretton Woods der Dollar als internationale Leitwährung etabliert und
festgelegt, dass die USA Anforderungen von ausländischen Staatsbanken, ihre
Dollarguthaben in Gold umzutauschen, nachkommen würden. Für 35 Dollar sollte 1
Unze Gold ausbezahlt werden. 1944 konnte sich kaum jemand vorstellen, dass die
Goldvorräte der USA einmal nicht mehr ausreichen könnten, solchen Umtausch
regelmäßig vorzunehmen. Eben dies ist dann aber doch eingetreten. Im Kalten
Krieg zahlten die USA erhebliche Beträge an Entwicklungshilfe an Regierungen in
Entwicklungsländern, die dazu dienen sollten, eine Orientierung dieser
Regierungen auf die Sowjetunion zu verhindern. Faktisch haben diese Zahlungen in
vielen Ländern ein System der ausländischen Alimentierung lokaler Führungskräfte
etabliert. Um die Kosten für den Vietnam Krieg aufzubringen, ließ die Regierung
der USA Geld drucken. Damit entwertete sie den Dollar, musste Dollar aber nach
wie vor zum festgelegten Satz in Gold konvertieren. Die Situation
verschlechterte sich zusätzlich, weil die Förderung von Gold nicht in dem Maße
stieg, wie das 1944 unterstellt worden war. Bereits in den 1960er Jahren kam es
auch zur Herausbildung des sog. Euro-Dollar-Marktes, einer Entwicklung, die als
Vorläuferin des heute immensen Offshore Systems zu werten ist. Viele US
Firmen transferierten damals ihre ausländischen Gewinne nicht zurück in die USA,
sondern deponierten sie in europäischen, insbesondere britischen Banken. Die
Banken arbeiteten mit diesen sog. Eurodollars – und zwar zu Bedingungen, die -
weil es sich nicht um die heimische Währung handelte - nicht den heimischen
Kredit- und Mindestreserveregelungen unterlagen. Um einer möglichen Einfrierung
von Guthaben in den USA vorzubeugen, gingen auch immer mehr ölproduzierende
Länder, ging insbesondere die UdSSR dazu über, die in Dollar erhaltenen Erlöse
für Öl nicht in den USA, sondern in Europa zu deponieren. Damit entwickelte sich
ein internationaler Kapitalmarkt außerhalb der nationalen Regulierungen. Heute
spricht man noch immer von Euro-Dollar-Geschäften, doch sind damit alle
Geschäfte gemeint, die mit einer Fremdwährung getätigt werden. Historisch
bedeutete die Entwicklung des Euro-Dollarmarktes eine Schwächung der
Wirkungsweise des Systems von Bretton Woods von den Rändern her. Denn mit 
Euro-Dollar-Geschäften ließen sich die Kapitalverkehrskontrollen – bei Duldung
der jeweils zuständigen Regierungen – zumindest teilweise umgehen.


Es waren allerdings
weniger die Euro-Dollar-Märkte als vielmehr die veränderte Handelsbilanz der USA
mit der Bundesrepublik einerseits und Japan andererseits, die zum Ende des
Systems von Bretton Woods führte. Durch den Aufschwung dieser beiden
Wirtschaften kam es zu immer mehr Dollarreserven in den jeweiligen
Nationalbanken. Die US Zentralbank sah sich nicht mehr in der Lage, sie auf
Verlangen in Gold zu konvertieren. 1971 kündigte die Regierung der USA an, in
Zukunft seien Dollar nicht mehr frei in Gold konvertierbar. 1973 kündigte sie
das Abkommen von Bretton Woods endgültig auf. Damit endeten die festen
Wechselkurse. Folglich konnte jetzt auf Wechselkursänderungen spekuliert werden.
Durch diese politische Entscheidung eröffneten sich ganz neue Möglichkeiten der
spekulativen Investition auf dem Markt für Währungen. Dagegen bedeutete die
Freigabe der Wechselkurse für alle, die Güter entweder exportierten oder
importierten, ein erhebliches Risiko. Um das Risiko einer Veränderung der
Geldwerte zwischen dem Abschluss eines Vertrages und der tatsächlichen
Transaktion abzuschwächen, wurde das Finanzinstrument der
Wechselkurssicherungsgeschäfte genutzt. Bald wurden die dafür entwickelten
Finanzprodukte aber nicht mehr nur im Zusammenhang von Gütertransaktionen
gehandelt, sondern als eine neue Art von Spekulationsobjekten angeboten.
Inzwischen übertrifft der Handel mit derartigen Finanzprodukten den Handel mit
Währungen zum Zwecke des Warenaustauschs um ein Vielfaches.

Weil Kapitaleigner ein
Interesse hatten, die Möglichkeiten der Investition in Finanzmärkte
wahrzunehmen, forderten sie die Aufhebung der bislang geltenden
Kapitalverkehrsbeschränkungen. Ausgehend von den USA und der Schweiz hat eine
Regierung nach der anderen dieser Forderung in den Jahren nach 1974 entsprochen.3
Die wachsende Bedeutung der Finanzmärkte wurde weiter gefördert, als die
ölproduzierenden Staaten, die sich in der OPEC zusammengeschlossen hatten, in
den Jahren 1973 und 1974 den Preis für Rohöl um insgesamt ein Vierfaches
erhöhten. Das verteuerte die Produktion und den Transport von Gütern. In vielen
Konzernen erfolgte eine vermehrte Orientierung auf Investitionen in den
Finanzmarkt. Vollbeschäftigung war Vergangenheit. Die ökonomische Dominanz der
Finanzmärkte, wichtigstes Unterscheidungsmerkmal dieser dritten Welle der
Internationalisierung gegenüber vorhergehenden Wellen, wurde erleichtert, weil
sich nahezu gleichzeitig die Kommunikationstechnik entwickelte, die
internationale Finanztransaktionen nahezu ohne Zeitverlust ermöglichte.

Der Beginn jener Epoche,
für die sich der Terminus „Globalisierung“ eingebürgert hat, ist also ziemlich
genau auf die Mitte der 1970er Jahre zu datieren. Angestoßen durch ökonomische
Krisen, steht ihre konkrete Entwicklung doch in engem Zusammenhang mit
politischen Entscheidungen. Im politischen mainstream wurde und wird
dieser Zusammenhang allerdings geleugnet und statt dessen behauptet, es handle
sich um eine unausweichliche Entwicklung, der sich politische und
gesellschaftliche Kräfte nicht entgegen stemmen könnten. Vielmehr sei es jetzt
erforderlich, die nationale Wirtschaft international konkurrenzfähig zu machen.
Vielen galt und gilt Konkurrenz seither nicht mehr nur als ein Mittel
wirtschaftlicher Aktivität, sondern als die unausweichliche Zielsetzung von
Gesellschaften. Die Verteidigung des Wirtschaftsstandorts wurde zur nahezu
ausschließlichen Leitlinie von Politik. Sonstige politische Programme, wie etwa
Brandts „Mehr Demokratie wagen“ oder auch Kennedy’s „New Frontier“ galten als
Konzepte, die angesichts der Dynamik globaler Konkurrenz wie Träumereien
wirkten. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde diese kapitalistische
Welt, in der das Prinzip der Konkurrenz zum politischen Leitmotiv erhoben worden
war, nahezu global.
Die Notwendigkeit zur Verteidigung anderer Ziele, wie
die Absicherung und Erweiterung sozialer und liberaler Grundrechte, die durch
die Konfrontation zwischen den Blöcken immer wieder erzwungen worden war,
entfiel.

Die grundlegende
Veränderung der Weltwirtschaft ist durch politische Entscheidungen herbeigeführt
worden. Von der Entscheidung für den Krieg in Vietnam und den immer neuen
Entscheidungen zugunsten einer Korrumpierung von Führungskräften in
Entwicklungsländern, bis zum Verzicht auf die Schaffung eines neuen
Weltwährungssystem, das nicht auf dem Dollar als Leitwährung basiert hätte  und
der anschließenden Aufhebung von Kapitalverkehrsbeschränkungen handelte es sich
nicht um Entwicklungen, die ohne Alternative gewesen wären. (Huffschmid, 2002,
124-127) Mit ihren Folgen sind heute allerdings tatsächlich alle Staaten
konfrontiert. Solange nicht neue internationale Stabilität geschaffen wird, ist
politisch nur der Spielraum umstritten, den es für nationale Politik auch unter
den gegenwärtigen Bedingungen gibt.

Eine der zentralen Folgen
frei flottierender Wechselkurse ist die Notwendigkeit, die nationale Währung zu
stabilisieren.4
Denn die Liberalisierung der Kapitalmärkte hat alle nationalen Währungen
zueinander in Konkurrenz gesetzt. Devisen werden seither nicht mehr nur – und
sogar nur noch zu einem kleinen Teil - gekauft, um ausländische Waren bezahlen
zu können, sondern weil sie heute selbst Anlageobjekte sind. Das Ausmaß der
Stabilisierungspolitik, das die Europäische Zentralbank verfolgt, wird von
linken Ökonomen kritisiert; dass die Möglichkeiten der Staatsverschuldung unter
den neuen Bedingungen eingeschränkt sind, wird nicht bestritten. Nach wie vor
werden von Kritikern der aktuellen Politik Investitionsprogramme zur Schaffung
von Arbeitsplätzen gefordert, aber eine Kreditfinanzierung von Sozialpolitik in
dem selben Maße, wie sie beispielsweise in der Bundesrepublik in den 1960er
Jahren praktiziert wurde, ist heute nicht mehr möglich. Diese Verengung des
politischen Spielraums ist eine der Einschränkungen staatlicher Souveränität,
die auch die Industriegesellschaften trifft. Sie reicht nicht so weit wie die
Einschränkungen, die viele Entwicklungsländer in der Form der sog.
Konditionalitäten akzeptieren mussten, wenn sie beim IWF um Kredite nachsuchten,
ist aber dennoch beträchtlich.

Gleiches gilt für
Maßnahmen zur Sicherung des Standorts für Güterproduktion und Dienstleistungen.
Seit die Kommunikationstechnologie die Organisation von Produktionsketten und
von Dienstleistungen ermöglicht, die in unterschiedlichen Ländern angesiedelt
sind, gibt es in vielen Bereichen faktisch einen globalen Arbeitsmarkt. Damit
hat der Einsatz souveräner Regulierungskompetenz zur Abschottung des nationalen
Arbeitsmarktes erheblich an Wirkung verloren. Heute besteht die wichtigste
Wirkung dieser nach wie vor betriebenen Politik darin, dass sie immer wieder von
Neuem ein Reservoir an Arbeitskräften schafft, die – weil sie ohne gültige
Papiere sind -  besonders schlecht bezahlt und besonders hart ausgebeutet werden
können. Während internationale Institutionen wie der IWF, das GATT und
inzwischen die WTO die Öffnung der nationalen Grenzen für den Güterverkehr und
den Kapitalverkehr vorangetrieben haben und neuerdings vereinzelt sogar die
bisherigen Ausnahmen angreifen, die sich Regierungen von Industriegesellschaften
vorbehalten hatten, ist die rechtliche und militärische Abschottung gegen
unkontrollierte Arbeitsmigration die Regel geblieben. Die Möglichkeit einer
Verlagerung von Produktion und von Dienstleistungen ins Ausland hat die
Konkurrenz um einen Arbeitsplatz, der ein Auskommen sichert, dennoch in
erheblichem Maße globalisiert. Es ist diese Entwicklung, die der Politik immer
wieder von Neuem Nationalismus zuführt und damit zugleich eine ideologische
Aufrüstung nationaler Einheit.

Was bislang angeführt
wurde, sind jene Veränderungen der Staatsgewalt in industriell führenden
Gesellschaften, für die Joachim Hirsch den Terminus „Wettbewerbsstaaten“ geprägt
hat. Es handelt sich zusammengefasst um die verstärkte Orientierung nationaler
Politik an internationaler ökonomischer Konkurrenzfähigkeit. Konkret bedeutet
dies, dass Regierungen bestrebt sind, Kapital dadurch im Land zu halten, dass
Kapitaleignern immer neue Möglichkeiten der Profitproduktion geboten werden und
immer neue Möglichkeiten, die erzielten Profite möglichst ungeschmälert zu
erhalten. Im Zentrum dieser Politik stehen die Strategie der Deregulierung von
Arbeitsbedingungen, vor allem also der Aufweichung von Kündigungsschutz, sowie
der Senkung von Steuern und Abgaben, die von Unternehmen zu entrichten sind. Da
die Krise überall eine Schwächung von Gewerkschaften bewirkte, wurden in allen
Industriegesellschaften Errungenschaften, welche Arbeitskräfte im Laufe von
hundert Jahren und vor allem in den drei Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg
erkämpft hatten, zurück geschraubt. Gleichzeitig wurde die Verringerung der von
Unternehmen zu entrichtenden Steuern zum allgemein gängigen Mittel der
Standortkonkurrenz.

Neben der
Internationalisierung von Märkten, auf denen legal mit Gütern, Arbeitskraft und
Finanzprodukten gehandelt wird, ist die aktuelle Epoche der
Internationalisierung auch durch die verstärkte Entwicklung illegaler
Marktbeziehungen geprägt. Der illegale Handel mit Waffen und Diamanten, mit
Drogen, Frauen, Kindern und mit Organen, illegale Müllgeschäfte sowie
international organisierte Piraterie ist mit Hilfe der Kommunikationstechnologie
sehr viel problemloser zu organisieren als in früheren Zeiten und zahlreiche
Offshore
Finanz-Zentren  erleichtern heute die „Wäsche“ illegal erworbenen
Geldes. (Masciando, Hg. 2004)Vielfach wird die Globalisierung illegaler
Aneignung als Resultat einer Vereinigung von Verbrechersyndikaten
unterschiedlicher Nationalität interpretiert, wobei besonders gerne auf das 1993
in Prag durchgeführte „Gipfeltreffen“ zwischen russischen und italienischen
Gruppierungen verwiesen wird, aber auch auf Kontakte zwischen chinesischen
Triaden und kolumbianischen Kartellen oder nigerianischen Drogendealern.
Derartige Verbindungen gibt es, doch ist der Zusammenhang zwischen illegaler
Aneignung und Staatsgewalt unzutreffend analysiert, wenn unterstellt wird,
Staatsgewalt sehe sich heute generell durch die Aktivitäten international
agierender „organisierter Kriminalität“ bedroht.5
Doch geht die verbreitete Vorstellung, das international organisierte Verbrechen
agiere entweder in einem mehr oder minder staatsfreien Raum oder habe die
öffentliche Gewalt in manchen Staaten in einem regelrechten Würgegriff,
weitgehend an der Realität vorbei. Die „große Narration“ des transnationalen
Verbrechens hält der empirischen Analyse vor allem deshalb nur unzureichend
Stand, weil illegale Aktivitäten in vielen Staaten heute ein Element der
Staatstätigkeit sind. (Bayart, 2004, 98) Für Georgien – und in vorsichtiger
Zurückhaltung auch für andere postsozialistische Gesellschaften – entwickelt
Barbara Christophe die These, dass die Vorstellung von einer Kolonialisierung
der Staatsgewalt durch unabhängige gesellschaftliche Akteure scheitern muss,
wenn es sich um Gesellschaften handelt, die „eigentlich nur noch als staatliche
Veranstaltungen existieren.“ (2005, 65) Ganz entsprechend betonen  Jean-François
Bayart, Stephen Ellis und Béatrice Hibou (1997/1999), dass die neuen
Möglichkeiten illegaler Aneignung, welche Globalisierung und Privatisierung
eröffnet haben, ganz überwiegend durch mehr oder minder stabile Allianzen
zwischen politischen und kriminellen Eliten genutzt werden. In einigen Staaten
der Sub- Sahara sei diese Zusammenarbeit derart eng, dass von einer
Kriminalisierung des Staates gesprochen werden müsse. Nicht die jeweiligen
nationalen Gesellschaften, wohl aber der Zugang zu Märkten ist hier in
erheblichem Maße „staatlich veranstaltet“, weshalb denn auch die politisch
bestimmte Abschöpfung über die Wirkungsweise ökonomischer Konkurrenz dominiert.
Auch wenn derartige Erscheinungen nur für ganz spezifische Staaten zutreffen, so
ist kriminalisierte Staatsgewalt heute doch nur vordergründig ein lediglich
nationales Phänomen, vielmehr handelt es sich um Entwicklungen, die aufs Engste
mit Prozessen der Globalisierung verwoben sind. In zahlreichen Ländern, die über
global nachgefragte Bodenschätze verfügen, waren und sind große ausländische
Konzerne an der Herstellung und Aufrechterhaltung von Strukturen der Korruption
beteiligt. Zudem hat erst die Duldung der Entstehung von Offshore
Finanz-Zentren durch Regierungen von Industriegesellschaften die „Wäsche“
illegal erworbenen Geldes in einem historisch bislang unbekannten Maße
erleichtert.


Zur
politischen Ökonomie der Globalisierung


Die Entwicklung des
Kapitalismus war nie unabhängig von Politik, doch unterscheiden sich seine
historischen Phasen durch die jeweilige Dominanz bestimmter Politiken. Für die 
aktuelle Phase ist der Verzicht auf die Errichtung eines neuen und verbesserten
Weltwährungssystems samt der Freigabe des Kapitalverkehrs prägend geworden. Und
seit der Rentabilitätskrise in den 1970er Jahren dominieren die - zumeist als
neoliberal bezeichneten - Politiken zur Senkung staatlich regulierter Lasten auf
Profite und zur staatlich vermittelten Eröffnung neuer Anlagemöglichkeiten. Die
Profitproduktion – und damit die Sicherung des nationalen Standorts - soll durch
die Senkung von Umsatzsteuern und durch die Aufweichung historisch erkämpfter
Arbeiterinnen- und Arbeiterrechte erleichtert werden. Im europäischen Rechtsraum
wird dieser Prozess neuerdings durch den Europäischen Gerichtshof
vorangetrieben. In zwei Entscheidungen6
hat der EuGH die Auffassung vertreten, wenn Grundrechte mit den in der Union
geltenden wirtschaftlichen Grundfreiheiten (wie etwa der Niederlassungsfreiheit)
kollidierten, müsse abgewogen werden, ob im Einzelfall dem Schutz der
Grundfreiheiten der Vorzug zu geben sei. In einer Entscheidung vom 8. April 2008
wurde das Recht deutscher Gebietskörperschaften, öffentliche Ausschreibungen an
Mindeststandards zu koppeln, mit Hinweis auf die Dienstleistungsfreiheit
bestritten.7
 Der Grundrechtsbestand der Mitgliedsstaaten wird somit
wirtschaftlichen Zielsetzungen untergeordnet. Sofern der historisch
durchgesetzte Bestand an Grundrechten als ein zentrales Element der Staatsgewalt
in einigen der Mitgliedsstaaten angesehen wird, beobachten wir hier ein
Vordringen neoliberaler Strategien, die den historisch geformten Kern des
Rechtssystems und damit der Staatsgewalt betreffen. Die Zielsetzung, neue
Möglichkeiten der profitablen Anlage von Kapital zu eröffnen, hat eine Welle
der Privatisierungen
zuvor öffentlicher Dienstleistungen in Gang gesetzt.
Privatisiert wurden und werden vielerorts Eisenbahnen, die Versorgung mit
Elektrizität und Wasser sowie der Zugang zu Bildung. Zunehmend re-privatisiert
werden Risiken wie Krankheit, Arbeitslosigkeit und Versorgung im Alter. David
Harvey bezeichnet diese Strategien als die „Enteignung“ erworbener Ansprüche.
(2005, Kap.4)


Während das beschriebene
Vordringen neoliberaler Strategien in den verfassungsmäßig abgesicherten Bestand
der Grundrechte für Europa gilt, ist das Vordringen dieser Strategien in den
Kernbereich des staatlichen Gewaltmonopols ein weltweites Phänomen. Private
Angebote von Sicherheit im Sinne von security sind ebenso wenig neu wie
die Tendenz privater Sicherheitskräfte, sich polizeiliche Kompetenzen anzumaßen.
Neu ist allerdings, dass die Angebote privater Sicherheitsfirmen vielerorts an
die Stelle staatlicher Bereitstellung von Sicherheit getreten sind.  Wenn
private Firmen geheuert werden, um die Sicherheit in bestimmten Wohnvierteln
sowie in den heimischen und ausländischen Niederlassungen von Unternehmen zu
gewährleisten, so besteht immer auch die Gefahr, dass Gewaltmitteln genutzt
werden, deren Einsatz Privaten untersagt ist. Was aber, wenn Regierungen das
Vordringen des Marktes in das Zentrum des staatlichen Gewaltmonopols vertraglich
absichern? Vor allem in den USA, inzwischen aber auch bereits in Europa, sind
einzelne Gefängnisse beziehungsweise bestimmte Aufgaben in Gefängnissen
privatisiert. Derartige Privatisierung prägt die Art und Weise, in der das
Gewaltmonopols des Staates zur Anwendung kommt. Das Ziel der Resozialisierung,
in Gefängnissen ohnehin kaum zu erreichen, wird den Erfordernissen einer
gewinnbringenden Organisierung des Strafvollzugs geopfert.


Während manche Anbieter
von Sicherheit lediglich lokal agieren, handelt es sich bei  Unternehmen, die
nicht nur security, sondern regelrechte Militärdienstleistungen anbieten,
um global players. Kaum eine andere Branche hat in den 1990er Jahren
derartige Zuwächse erzielt. Dieses Wachstum war sowohl angebots- als auch
nachfragegetrieben. Das Angebot an qualifiziertem Personal erwuchs aus dem Ende
des Kalten Krieges und des Apartheid-Systems in Südafrika. Nachfrage kam und
kommt überwiegend, aber keineswegs ausschließlich,  aus den USA und aus
Entwicklungsländern. (Singer, 2003, I.4.)  Manchmal heuern Regierungen
Ausbildungs- und Sicherheitsspezialisten an, vielfach beauftragen sie Söldner
mit der Sicherung ausländischer Niederlassungen, gelegentlich leasen sie ganze
Waffengattungen. Nicht selten bezahlen sie mit dem potentiellen Wohlstand ihres
Landes, zum Beispiel mit Schürfrechten. Anders als die Privatisierung von
Gefängnissen, trifft die Zulassung eines Marktes für Militärdienstleistungen den
Kern der Staatsgewalt.


Hier handelt es sich
nämlich nicht mehr nur darum, dass von ökonomisch interessierter Seite Einfluss
auf staatliche Entscheidungen ausgeübt wird. Selbst wenn dem Militär eines
Staates ausdrücklich die Aufgabe zugewiesen wird, für einen „gesunden
Freihandel“ (healthy free trade) Sorge zu tragen, wie dies für die
Streitkräfte der USA seit dem Ende des Kalten Krieges und seit 1999 auch für die
NATO gilt,8
so verbleibt der Einsatz des staatlichen Gewaltpotentials in der Hoheit des
Staates. Formal gilt dies auch, wenn Verträge mit Anbietern von
Sicherheitsfirmen und Militärdiensten geschlossen werden, doch wird der
tatsächliche Einsatz des Gewaltpotentials dann sowohl durch Erwägungen der
Konkurrenz mit anderen Anbietern als auch durch das Bestreben gesteuert,
zukünftige Nachfrage zu sichern. (Scahill, 2007, Kap.  10 u. passim) Bewirkt der
Markt für Militärdienstleistungen in hochentwickelten Industriegesellschaften,
dass die parlamentarische Kontrolle von Militäreinsätzen zumindest
eingeschränkt, wenn nicht sogar ganz ausgehebelt wird, ermöglicht er
Regierungen, die über geringes militärisches Potential verfügen, eine schleunige
Aufrüstung. So engagierte etwa die Regierung von Sierra Leone 1995 die damals
noch in Südafrika stationierte Firma „Executive Outcomes“ und bezahlte
die immensen Kosten mit Schürfrechten (Bendrath 1999); 1998 leaste die
äthiopische Regierung für den Grenzkonflikt mit Eritrea eine gesamte Luftwaffe
einschließlich der Piloten, Mechaniker und des Bodenpersonals. Ähnlich verfuhr
die Regierung des Sudan im Jahre 2002.  Unbeschadet der im einzelnen
unterschiedlichen Wirkung solcher inzwischen zahlreichen Einsätze  privater
Militärfirmen (Silverstein, 2000, Kap. 4; Singer, 2003, Teil II), in jedem Fall
bedeutet ein solcher Einsatz eine Verquickung politischer Entscheidung und
politischer Verantwortung mit den Bedingungen der Produktion von Profit im
Sicherheits- und Kriegsgewerbe.


Damit wird aber das
ohnehin kritische Verhältnis zwischen Militär und Polizei auf der einen und
Staatsgewalt auf der anderen Seite zusätzlich prekär. Tatsächlich lässt sich die
Art und Weise der Anwendung des staatlichen Gewaltpotentials auch im Falle der
ausschließlichen Nutzung staatlichen Personals nie vollständig vorab bestimmen,
sondern lediglich nachträglich kontrollieren. Denn zur Erfüllung der ihm
übertragenen Aufgaben muss diesem Personal eine gewisse Autonomie zugestanden
werden. Im Falle des Militärs ist diese Autonomie heute durch internationale
Abkommen über die Rechte von Gefangenen und von Nicht- Kombatanten
eingeschränkt. Übertretungen werden im Prinzip durch Kriegsgerichte untersucht
und abgeurteilt. Angestellte privater Unternehmen unterliegen aber keiner
Kriegsgerichtsbarkeit. Und während einerseits darauf hingewiesen wird, dass sie
womöglich weniger grausam sind, weil sie nicht aus politischen oder religiösen
Motiven töten, gibt es inzwischen mannigfache Beispiele, nicht zuletzt aus dem
Einsatz der Angestellten der Firma Blackwater im Irak, dass sie ihren
Marktwert zu sichern suchen, indem sie ihre Wirksamkeit ohne Rücksicht auf
irgendwelche Schutzrechte nachweisen.


Als besonderer Vorzug
privater Militärdienstleister erweist sich schließlich die Möglichkeit, sie ohne
Zustimmung von Parlamenten und damit ohne Information der Öffentlichkeit
einzusetzen. Regierungen der USA haben diesen Vorzug genutzt, indem sie privates
Militär für den Krieg gegen Drogen in Südamerika verpflichteten. Weil auf diese
Weise nicht das Leben von US-amerikanischen Soldaten riskiert wird, erspart sich
die Regierung eine öffentliche Debatte über die Legitimität solcher Einsätze.9
Die bereits erprobten ebenso wie die möglichen Nutzungen privater
Militärdienstleistungen schwächen nicht das staatliche Gewaltmonopol, sie
schwächen aber die Möglichkeit nationaler demokratischer sowie internationaler
Kontrollen.

Wenn sich eine Regierung
(oder auch eine Rebellengruppe, die eine Regierung bekämpft10)
auf dem globalen Markt Gewaltpotential beschafft, geschieht dies in Form eines
Vertrages. Damit ist eine spezifische Entwicklung der jüngsten Phase des
Kapitalismus, die
Kontraktualisierung,
bis in den Kernbereich der Staatsgewalt, das staatliche Gewaltmonopol,
vorgedrungen. In Anlehnung an eine Formulierung des zeitweise für Afrika
zuständigen Vertreters der Firma „Elf“ lassen sich derartige Vereinbarungen als
„Verträge über Souveränität“ bezeichnen.11
Verträge zwischen Regierungen und privaten Unternehmen bzw. Vereinigungen
sind nicht neu. Die Vergabe von Privilegien an Handelsgesellschaften, die
Kolonialmächte gegen Zahlungen verliehen, waren ein zentrales Element früher
Handelspolitik. Anders als früher können heute in vielen Fällen jedoch die
privaten Vertragspartner die Bedingungen diktieren.12
 

Bei Verträgen handelt es
sich prinzipiell um Regulierungen, die zeitweise Stabilität und damit
Kalkulierbarkeit herstellen sollen. Das gilt auch für Verträge, die zwischen
souveränen Staaten geschlossen werden. Obwohl diese Staaten im internationalen
Recht als Gleiche gelten, können es sich manche Staaten eher leisten, bestimmten
Verträgen nicht beizutreten bzw. bestimmte Konventionen nicht zu ratifizieren.
Ein besonders eklatanter Fall der Ausnutzung einer solchen Machtposition liegt
in der Weigerung der USA vor, den Vertrag von Rom zur Errichtung eines
Internationalen Strafgerichtshofes zu ratifizieren. Von wenigen Ausnahmen
abgesehen – dazu zählen insbesondere das Streitschlichtungsverfahren der WTO und
die Hafenstaatskontrolle – sind Verletzungen von Verträgen zwischen Staaten
faktisch aber kaum exekutierbar. Deshalb hängt das Ausmaß der Veränderungen, die
mittels global governance erreichbar sind, davon ab, ob ökonomisch,
politisch und militärisch mächtige Staaten bereit sind, sich den
Vertragsbestimmungen zu fügen. Trotz dieser Begrenzungen hat sich in den
Jahrzehnten seit dem Zweiten Weltkrieg eine erhebliche Internationalisierung von
Staatsgewalt vollzogen. Andererseits ist auch eine neue Art der Emanzipation
von Staatsgewalt
zu konstatieren. Denn privatrechtliche Verträge zwischen
Vertragspartnern unterschiedlicher Staatsangehörigkeit werden heute zunehmend
unabhängig von staatlicher Sanktionsgewalt geschlossen. Das erklärt sich aus dem
Fehlen einer internationalen Instanz zur Entscheidung privater
Rechtsstreitigkeiten. Im Konfliktfall müssen sich Kontrahenten deshalb an ein
nationales Gericht wenden. Weil das – insbesondere für den ausländischen
Vertragspartner - umständlich und oft sehr langwierig ist, nutzen
Vertragspartner im internationalen Handel heute überwiegend Schlichter. Diese
Praxis hat sich in den letzten Jahrzehnten weltweit verbreitet. Sie hat auch
eine markante Veränderung erfahren.
Als sich – gefördert durch
die Internationale Handelskammer in Paris - das Schlichtungswesen zunächst
verbreitete, einigten sich Vertragspartner häufig darauf, im Falle eines
Konfliktes prominente französische oder Schweizer Rechtsprofessoren als
Schlichter zu bestellen. Diese Schlichter bedienten sich zur Kennzeichnung ihrer
Praxis der alten Bezeichnung lex mercatoria. In der frühen Neuzeit waren
damit die Verfahrensregeln bezeichnet worden, die sich unter
Fernhandelskaufleuten herausbildeten. Jetzt schlichteten Professoren
Rechtskonflikte zwischen privaten Vertragspartnern, aber auch zwischen
Regierungen und Unternehmen nach der Maßgabe dessen, was sie persönlich für
aktuell geltende Rechtsbräuche im Weltmarkt erachteten. Die Legitimation der
Verfahren basierte ausschließlich auf der Reputation der Schlichter. Mit der
raschen Entwicklung der Schlichtungspraxis drängten U.S.-amerikanische Kanzleien
auf den wachsenden Markt. Seither wird zunehmend darauf verzichtet, sich im
Falle einer gescheiterten Schlichtung an ein nationales Gericht zu wenden. In
der aktuellen Praxis werden für den Konfliktfall zwar nach wie vor
Schlichtungsverfahren vorgesehen, im Zentrum steht jetzt aber die Praxis der
Aushandlung komplizierter vertraglicher Regelwerke. Diese Praxis hat sich aus
den vielen Schlichtungsverfahren der siebziger und achtziger Jahre entwickelt.
Die daran Beteiligten entwickelten im Laufe der Zeit Formulierungen, die
potentielle Konflikte möglichst schon vorab verhindern oder doch regeln sollen.
Die Wirkungskraft dieser Verträge basiert nicht nur auf keinem Gesetzbuch,
sondern auch auf keiner Doktrin. Sie wird ausschließlich durch praktische
Nützlichkeit legitimiert. (Dezalay & Garth, passim) Solche Verträge bleiben in
der Regel gültig, so lange es ein gegenseitiges Interesse an ihrer Fortsetzung
gibt.13
Diese Prozesse der Kontraktualisierung sind Ausdruck der ungleichen
territorialen Reichweite kapitalistischer Verwertungsprozesse und staatlicher
Sanktionsgewalt.

Im Unterschied zu dieser
Herauslösung der Funktionsweise des globalen Kapitalismus aus nationalen
Regulierungen des Marktes handelt es sich beim Offshore- Komplex um
staatlich verfügte Ausnahmen von der Allgemeinheit der Gesetze in einem
nationalen Rechtsraum. In den letzten Jahrzehnten sind immer mehr Staaten dazu
übergegangen, aus ökonomischen Erwägungen gesonderte Rechtsräume - gewissermaßen
Inseln im Territorium des nationalen Rechts - zu schaffen. Offshore
Strukturen für Finanzdienstleistungen gibt es auch mitten in westlichen
Industriegesellschaften, vor allem in der Londoner City. Das macht bereits
deutlich, was Vertreter des Internationalen Rechts für alle Offshore
Strukturen betonen: Obwohl sie vielfach auf Inseln oder in besonders
abgeteilten, manchmal sogar eingezäunten Gebieten angesiedelt sind, handelt es
sich nicht um Territorien, sondern um Rechtsräume. (Hampton 1996) Regierungen
souveräner Staaten beschließen Ausnahmen vom nationalen Recht, von denen
Nicht-Staatsbürger profitieren können. Diese besonderen Bedingungen bieten sie
auf dem Weltmarkt an. Anders gesagt, sie vermarkten die Tatsache, dass
Souveränität nicht nur genutzt werden kann, um nationale Rechtsgleichheit
durchzusetzen, sondern auch, um auf solche Durchsetzung zu verzichten.
(Gerstenberger/Welke
2005) Im wesentlichen haben wir es mit drei Formen von Offshore
Strukturen zu tun:




  • mit freien Wirtschaftszonen, international
    in der Regel als Export Processing Zones bezeichnet,



  • mit dem Angebot von Schiffsregistern, die
    es ermöglichen, Schiffe unter sehr günstigen Bedingungen unter der Flagge
    des betreffenden Staates fahren zu lassen und Seeleute legal überall auf der
    Welt zu besonders niedrigen Heuern einstellen zu lassen und schließlich



  • Offshore

    Finanzzentren

Alle diese Formen gibt es
in sehr unterschiedlichen Ausprägungen. Leben manche Offshore
Finanzzentren überwiegend von Finanzdienstleistungen, so andere vor allem von
der Möglichkeit, illegal erworbenes Geld zu waschen; lassen manche
Flaggenstaaten inzwischen die Einhaltung internationaler Vorschriften auf den
Schiffen ihrer Flotten kontrollieren, so werben andere mehr oder minder offen
mit dem Verzicht auf solche Kontrollen. Und Regierungen, die Export
Processing Zones
einrichten, akzeptieren zumeist nach wie vor, dass die dort
investierenden Firmen keine Vereinigungsfreiheit einräumen und auch andere
Arbeitsrechte verletzen.

Trotz inzwischen
durchgesetzter Kontrollen und Verbesserungen haben wir im Rechtsraum Offshore
nach wie vor einen Bereich vor uns, in dem Kapitalismus pur herrscht.
Staatsgewalt ist hier lediglich eine rechtliche Fiktion. (Picciotto 1999) Formal
konstituiert wird er durch die Vermarktung nationaler Souveränität, zusätzlich
aber auch durch die Duldung, ja sogar Förderung durch Regierungen entwickelter
Industriegesellschaften. Viele der Offshore Finanzzentren sind on
shore
geplant worden, und der Entwicklung einer weltweiten
Steuervermeidungsindustrie wurde ebenso wenig Einhalt geboten wie der Praxis der
Ausflaggung. In der Phase des weltwirtschaftlichen Umbruchs waren Regierungen
ganz überwiegend bestrebt, Kapital am Standort zu halten. Die Praxis der
Umgehung heimischer Steuer- und Sozialgesetze und heimischer Löhne wurde
akzeptiert, weil diese als Behinderung der Durchsetzung auf dem Weltmarkt
angesehen, Auseinandersetzungen mit den zuvor erstarkten Gewerkschaften und
anderen sozialen Kräften aber noch nicht gewagt wurden. Inzwischen hat sich
nicht nur für die Schifffahrt gezeigt, dass sich die Standards, die Offshore
geboten werden, schnell als internationaler Maßstab durchsetzen. Insgesamt hat
der Offshore Komplex erheblich zur Dynamik der Deregulierungskonkurrenz
zwischen den Nationalstaaten beigetragen. Das wurde möglich, weil Souveränität
nicht nur Basis für Regulierungen ist, sondern eben auch das Recht der
Nichtregulierung umfasst. Auf diese Weise wurde nationale Souveränität aber
gewissermaßen zu einer Handelsware.


Schlussfolgerungen ?

In allen kapitalistischen
Staaten ist das staatliche Monopol legitimer Gewaltsamkeit rechtlich
durchgesetzt, folglich auch die Berechtigung zur zwangsweisen Sanktionierung
rechtlicher Regulierung. Im Kern solcher Regulierung steht in kapitalistischen
Gesellschaften der Schutz des Privateigentums. Da in diesen Gesellschaften die
Arbeitskraft eine Ware ist, fällt das Eigentum an dieser Ware formal ebenso
unter den staatlichen Schutz des Privateigentums wie Eigentum an Kapital und
Boden. Insofern konstituiert Staat Gleichheit. Diese Gleichheit steht aber im
Widerspruch zur fundamentalen Ungleichheit in den Produktionsverhältnissen. In
eben diesem Widerspruch besteht die zuerst von Hegel und dann von Marx
konstatierte Trennung von Staat und Gesellschaft. Marxistische Rechts- und
Staatstheoretiker sowie Theoretikerinnen haben immer wieder dargelegt, dass es
eben dieser Widerspruch ist, der den Staat zu einem Element kapitalistischer
sozialer Beziehungen macht, weil er auf diese Weise als neutraler Repräsentant
der Allgemeinheit in Erscheinung treten und die bestehenden Verhältnisse
folglich stabilisieren kann. (vgl. z.B. Hirsch 2005; Buckel 2007)

Die Entwicklung der
letzten Jahrzehnte fordert die theoretischen Konzepte der kapitalistischen
Rechts- und Staatsform in doppelter Weise heraus. Zum einen haben politische
Entscheidungen bewirkt, dass die Bereiche, in denen gewissermaßen „Kapitalismus
pur“ herrscht, erheblich an Bedeutung gewonnen haben. Folglich gilt es, die
zumeist stillschweigend getroffene Annahme, dass Kapitalismus nicht ohne
kapitalistische Staatsgewalt funktionieren kann, präzisier zu fassen. Zum
anderen wird zunehmend deutlich,  dass im globalisierten Kapitalismus nicht mehr
nur wie in einer früheren Phase der Entwicklung kapitalistische und
nicht-kapitalistische Gesellschaften miteinander verwoben sind, sondern sehr
unterschiedliche kapitalistische Gesellschaften. Sie alle verfügen über
nationale Souveränität, vielfach auch über die institutionellen Formen, die
zuerst in bürgerlichen Gesellschaften entstanden sind, dennoch gibt es heute
zahlreiche kapitalistische Gesellschaften, in denen der Staatsapparat vor allem
als Institution zur privaten Bereicherung fungiert, in denen folglich politische
Konkurrenz und nicht ökonomische Konkurrenz über die Chancen der Aneignung
entscheidet. Wer sich angesichts derartiger Erscheinungen nicht auf das Argument
zurück ziehen will, dass es sich um den Ausdruck eines  noch nicht
abgeschlossenen Entwicklungsprozesses handelt, muss noch einmal neu über die
Form kapitalistischer Staatsgewalt nachdenken. Das haben wir noch vor uns.

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1 Im südchinesischen Meer
liegen die winzigen Archipele Paracelsus und Spratleys. Mehrere Staaten
erheben Ansprüche, vorläufig sind die Archipele jedoch gewissermaßen
staatenlos. (Chemillier- Gendreau, 1996)  Auch ein kleines, zwischen
Kuweit, Irak und Saudi Arabien gelegenes Gebiet gehört zu keinem Staat,
sondern wird als „neutrale Zone“ bezeichnet. Trotz aller neuerdings
vermehrt erhobener Besitzansprüche gelten vorläufig auch noch die Arktis
und die Antarktis als gemeinsames Eigentum der Menschheit.


2
Eine erste Abweichung von
dieser machtpolitischen Konstitution souveräner Nationalstaaten erfolgte
1919, als die Siegermächte des Ersten Weltkrieges jenen politischen
Gebilden, die aus der Zerschlagung des Österreichisch-Ungarischen
Reiches hervorgingen, staatliche Souveränität zugestanden.



3
Österreich erst 2001




4
Bis vor kurzem konnten
sich die USA diesem Erfordernis weitgehend entziehen.



5
Heiner Busch hat
dargelegt, dass sich der Terminus „organisierte Kriminalität“ in Europa
im Zusammenhang einer bestimmten, in den letzten Jahrzehnten des 20.
Jahrhunderts entwickelten Polizeistrategie durchgesetzt hat. Überwiegend
auf den Drogenhandel konzentriert, dominiert in den europäischen
kriminalpolitischen Debatten nicht mehr die Vorstellung vom klassischen
Berufsverbrecher, sondern der Straftäter als homo oeconomicus. Es solle
nicht mehr um die kleinen Fische, sondern um die großen Geschäftemacher
gehen (1999, 30 und passim) Es solle auch nicht mehr in erster Linie um
die Aufklärung einzelner Straftaten, sondern um die Aushebung
international organisierter Banden gehen. (ibid, 32)



6
  Es handelt sich um die
Entscheidungen Viking vom 11.12. 2007 und die Entscheidung Laval vom
18.12. 2007.



7
Konkret ging es im Fall
Rüffert um die Bedingung, dass auch ausländische Bewerber zusagen
sollten, tarifrechtlich ausgehandelte Mindestlöhne zu bezahlen.


8 Im April 1999 wurde die NATO,
zuvor eine Organisation zur Verteidigung des territorialen Bestandes der
Mitgliedsstaaten, in ein militärisches Bündnis umgeformt, das überall
auf der Welt gegen die potentielle Gefährdung ökonomischer, politischer
und ökologischer Interessen der Mitgliedsstaaten eingesetzt werden soll.


9 Ein weiterer Vorzug –
vorläufig scheint er noch nicht genutzt zu werden – besteht in der
Möglichkeit, Abkommen über den Verzicht auf den Einsatz bestimmter
Waffen durch Verträge mit privaten Unternehmen zu unterlaufen.


10 Die großen Anbieter von
Militärdienstleistungen betonen regelmäßig, dass sie nur Verträge mit
legitimierten Regierungen schließen. In konkreten Konflikten war und ist
aber häufig privates Militär auf beiden Seiten im Einsatz.


11 Die Formulierung fiel im
Zusammenhang eines Korruptionsprozesses, in welchem der konzernintern
als „Monsieur Africain“ bezeichnete Angestellte aussage. (Le Monde,
25.10.1999)


12 Mit dem in den 1990er Jahren
von der OECD (Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit)
vorbereiteten Multinationalen Abkommen über Investitionen war geplant,
international agierende Unternehmen und Regierungen auch rechtlich auf
die gleiche Stufe zu stellen. Dieses Abkommen - abgekürzt MAI - sollte
Regierungen nicht nur dazu zwingen, ausländische  Investoren genau so zu
behandeln wie einheimische, sondern Investoren auch berechtigen, Staaten
vor Schiedsgerichten zu verklagen, wenn sie die Bedingungen für
Investitionen änderten. Souveräne Staatsgewalt wäre ganz allgemein zum
Vertragspartner für privates Kapital herabgestuft worden und Staaten
hätten Schadensersatz zahlen müssen, wenn sich aufgrund demokratischer
Entscheidungen die Bedingungen für die Profitproduktion, zum Beispiel im
Bereich des Umweltrechts, geändert hätten. Das MAI wurde durch eine
internationale Kampagne verhindert, seine Zielsetzungen wurden aber
nicht aufgegeben. Inzwischen sind sie in einigen bilateralen Abkommen,
–so etwa im Nordamerikanischen Freihandelsabkommen – verwirklicht.


13 Wird ein Schiedsspruch nicht
akzeptiert, können nach wie vor nationale Gerichte angerufen werden.
Manche Fachleute betonen deshalb, dass die internationale
Schiedsgerichtsbarkeit weiterhin nationaler Justizhoheit integriert
bleibt. Formal trifft dies zu, faktisch ist es weitgehend ohne
Bedeutung.

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