global news 2536 10-11-11: So wird die Eurozone zertört:
Deutschland (neben China) größter Falschspieler der Weltwirtschaft
[via jjahnke.net]
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Die Bundesregierung zusammen mit den deutschen Arbeitgebern trägt die Hauptschuld, wenn die Eurozone auseinander bricht, was immer wahrscheinlicher wird, oder wenn zur Verhinderung einer solchen Entwicklung Deutschland dauerhaft Ausgleichszahlungen an seine von der deutschen Wirtschaftspolitik geschädigten Nachbarn leisten muß, bzw. die EZB immer mehr die Notenpresse anwerfen muß und dann die deutschen Verbraucher über Inflation bluten werden. Es begann alles mit der deutschen Rolle an der Vorfront der neoliberalen Globalisierung zu Beginn der 90er Jahre, nachdem die kommunistische Weltkonkurrenz abgedankt hatte. Deutschland trieb nun mit anderen Schrittmachern die beschleunigte Aufnahme der chinesischen Nicht-Marktwirtschaft in die für Marktwirtschaften geschaffene WTO vor sowie die Osterweiterung der EU bis in den tiefsten Balkan von Rumänien und Bulgarien und schließlich die Geburt und ebenso verantwortungslose Erweiterung der Eurozone um Länder wie Griechenland.
Und als nun das Niedrigstlohnland China und die Niedrigstlohn-Beitrittsländer freien Zugang zum deutschen Markt hatten und die Partner in der Eurozone nicht mehr abwerten konnten, begannen die deutschen Arbeitgeber zusammen mit der Bundesregierung, die deutschen Löhne immer mehr unter die Inflationsrate zu prügeln. Das Ziel war - neben der Bereicherung der Arbeitgeber -, sich auf diese Weise einen einmaligen Wettbewerbsvorteil für den deutschen Export zu sichern. An die Stelle der DM als deutsche Ikone trat die Exportweltmeisterschaft. Sie wurde von allen politischen Lagern von rechts bis links blind und ohne Rücksicht auf die für die Eurozone schon absehbaren Folgen gefeiert.
Der größte Teil der Exportüberschüsse wurde mit der Eurozone erwirtschaftet. Allein mit Frankreich, Italien, Spanien, Griechenland und Portugal baute Deutschland von 2000 bis zum Krisenjahr 2009 einen gigantischen kumulierten Leistungsbilanzüberschuß von 593 Mrd Euro auf (Abb. 17195).
Die Arbeitgeber betrieben die Lohndrosselung mit beispielhafter Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer oder Drohung damit. Die Bundesregierung sorgte mit der Verweigerung der anderswo üblichen Mindestlöhne, der gesetzlichen Erleichterung der Leiharbeit und mit dem Abbau des sozialen Netzes über die Hartz-Gesetze für den von unten unbehinderten Fall der Löhne. Gleichzeitig wucherte ein Niedriglohnsektor in Deutschland hoch, zu dem bereits jeder fünfte Arbeitnehmer zählt und in fünf ostdeutschen Bundesländern mehr als 4 aus 10.
Der machte den Arbeitnehmern zusätzlich Angst, dort hinein abzusteigen, falls sie in ihren Lohnforderungen nicht Bescheidenheit üben würden. Andererseits mißbrauchte die Bundesregierung diesen Niedriglohnsektor zur Beschönigung der (auch anders frisierten) Arbeitsmarktzahlen, die fortan als Beweis für die Berechtigung von Lohnbescheidenheit und Hartz-Gesetzen herhalten mußten. Der entsprechende Schlachtruf hieß: "Sozial ist, was Arbeit schafft".
Doch mit einer solchen Entwicklung wurde nicht nur der Export gefördert sondern gleichzeitig die Massenkaufkraft in den Keller getrieben. Deutschland hatte die ungünstigste Entwicklung der privaten Nachfrage (Abb. 15657) und erschwerte damit seinen Europartnern, Importe aus Deutschland mit eigenen Exporten nach Deutschland auszugleichen. Die drastische Erhöhung der MWSt trug das ihre dazu bei, weil auch die Importe verteuert wurden, während die Exporte keine steuerliche Belastung erfuhren.
Der Irrsinn wurde total, indem nun die neoliberale Globalisierung als Begründung für diese zerstörerische und auf längere Sicht geradezu masochistische Politik herhalten mußte, als sei die Globalisierung vom Himmel gefallen und nicht von der Bundesregierung in Abstimmung mit der Unternehmer-Lobby mitbetrieben worden. Deutsche Politiker versteckten sich fortan als angeblich ohnmächtig hinter der von ihnen mitangerichteten Globalisierung.
Beispielsweise hat Erhard Eppler davon gesprochen, daß sich die Gestaltungsmöglichkeiten für Politik durch die Globalisierung der Märkte dramatisch verringert hätten und Politiker gar nicht mehr das leisten könnten, was die Bürger von ihnen erwarten. Oder Gerhard Schröder: "Man darf ja nicht darüber hinwegsehen, daß die Globalisierung uns zu bestimmten Maßnahmen zwingt". Oder Bundespräsident Köhler: "Die Welt ist in einem tief greifenden Umbruch. Wer hier den Zug verpaßt, bleibt auf dem Bahnsteig stehen". Auch der Brüsseler SPD-Industriekommissar Günter Verheugen argumentierte ähnlich: "Wir müssen unsere Volkswirtschaften bewußt dem Wettbewerb aussetzen. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in billiger produzierende Länder ist nicht mehr aufzuhalten."
In Deutschland haben sich die Löhne und Gehälter immer weiter von den expandierenden Unternehmens- und Vermögenseinkommen nach unten wegentwickelt (Abb. 16010). Jetzt führt das DIW in seinem neuesten Wochenbericht nicht nur vor, wie viel die Arbeitnehmer über die letzten Jahre verloren haben: Das waren beim Bruttoeinkommen eines mittleren Angestellten inflationsbereinigt 7,4 %, so daß im vergangenen Jahr gegenüber dem Jahr 2000 jeden Monat schon 155 Euro in der Tasche fehlten, im gesamten Jahr 1.860 Euro; allein in den letzten 5 Jahren wurden es jedes Jahr 350 Euro weniger (Abb. 17189).
Das DIW hat auch vorgeführt, wie sich unter den Arbeitseinkommen noch einmal eine Schere geöffnet hat. Die Höchstverdiener im obersten Zehntel haben über die letzten Jahre verbraucherpreisbereinigt noch einmal um 2,6 % zulegen können, während im untersten Zehntel 10,1 % verloren gingen (Abb. 17193). Dementsprechend spitz sind die Einkommenspyramide (Abb. 17194) und dann auch die Vermögenspyramide geworden (Abb. 14178).
Was diese Politik angerichtet hat, wird nun immer deutlicher, indem der Euro-Scherbenhaufen von Tag zu Tag anwächst und die Politik keine Antwort mehr auf das Diktat der Märkte findet, die ja von berechtigten Ängsten der Anleger in Staats- und Bankenanleihen bestimmt werden. Der soziale Riß durch Deutschland ist seit der Jahrhundertwende immer tiefer geworden, hat die Massenkaufkraft gedrosselt und die zerstörerischen Ungleichgewichte in der Wettbewerbsfähigkeit der Euroländer hochgetrieben.
Diese Ungleichgewichte abzubauen und wenigstens zeitweise auch umzukehren, wäre nur noch in einem sehr langfristigen Prozeß möglich, für den die Euroregierungen keine Zeit mehr haben und der von der deutschen Politik eine Kehrtwende verlangte, zu der sie jedenfalls bisher nicht bereit ist.
Auch die ganze oder teilweise Vergemeinschaftung der Schulden (wie jetzt vom Sachverständigenrat mit der Auslagerung von Schulden in einen gemeinsamen Tilgungsfonds vorgeschlagen) wird nicht helfen, weil dann das Vertrauen der Märkte in die für diesen gigantischen Fonds von 2,3 Billionen Euro bürgenden Retterländer Schaden nehmen muß.
Schon jetzt mußte der Rettungsfonds EFSF in der vergangenen Woche doppelt so viel Zins anbieten, wie für Bundesanleihen geboten werden, weil die Märkte auch diesem Konstrukt nur sehr begrenzt Vertrauen entgegenbringen. Auch macht ein Schuldentilgungspakt (ebenfalls vom Sachverständigenrat vorgeschlagen) wenig Sinn, wenn nicht gleichzeitig der deutsche Niedriglohnwettbewerb eingestellt wird. Und mehr als ein Viertel der deutschen Staatsschuld über den von den Sachverständigen vorgeschlagenen Tilgungsfonds zum doppelten oder noch höheren Zins zu finanzieren, macht wegen der jährlichen Mehrkosten für Deutschland von mindestens 10 Mrd Euro erst recht keinen Sinn.
Hier dampft eine Super-Titanic auf einen Super-Eisberg zu. Alle bitte in die Euro-Rettungsbote. Oder hat man die auch vergessen?
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
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