Schießtraining und Waffen für Neonazis:
Bericht: Ralph Hötte, Nikolaus Steiner
Sonia Seymour Mikich: "Die Mordserie der mutmaßlichen Rechtsterroristen aus Zwickau zeugen von einem geschulten Umgang mit Waffen. Und jetzt etwas, was sich wohl keiner so richtig vorstellen kann. Um gezieltes Schießen zu lernen, müssen Neonazis gar nicht in den Untergrund oder ins Ausland, sie lernen es hierzulande, ganz legal. Und bekommen von den Behörden den eigenen Waffenbesitz genehmigt. Ralph Hötte und Nikolaus Steiner über ein fatales Kontrollversagen."
Neonazis verteilen mal wieder Flugblätter vor deutschen Schulen. Diesmal mit einer besonderen Botschaft.
Zitat: "Geht nicht zur Bundeswehr, denn auch im zivilen Bereich kann man Dinge erlernen, die einem in der Zukunft hilfreich sein können. Geht deshalb in Schützenvereine!"Schießtraining in Schützenvereinen? Warum drängen Neonazis ihren Nachwuchs dazu, in Schützenvereine einzutreten? Wir sind in einem der größten Deutschlands, in Erfurt und treffen den Vorstand.Bernd Brückner, Bürger-Schützen-Corps Erfurt
Bernd Brückner, Bürger-Schützen-Corps Erfurt: "Wenn Sie als Schütze hier ausgebildet werden, lernen Sie den gesamten Umgang der Waffe, das Beherrschen der Waffen, die Zielsicherheit. Also eigentlich das alles, was Sie brauchen, um mit einer Waffe umgehen zu können."
Was das konkret heißt, zeigt das Beispiel Thomas B. Erst Mitglied im Kampfbund Deutscher Sozialisten, dann bei den Jungen Nationaldemokraten der Jugendabteilung der NPD. 2009 gründet er den Stützpunkt Lörrach und leitet ihn. Kurz darauf findet die Polizei in seinem Haus verschiedene Waffen und - Bombengrundstoffe. Chemikalien, Zündschnüre, ein Fernzünder und Sprengstoff-Fachliteratur. Derzeit läuft ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wegen Vorbereitung eines Sprengstoff-Verbrechens. Auch Thomas B. ist Mitglied in einem Schützenverein und hat, offiziell von einer Behörde genehmigt, eine Waffenbesitzkarte. Scharfe Waffen im Besitz von Rechtsextremen. In Sachsen hat dazu das Innenministerium vor zwei Wochen eine Anfrage beantwortet. Demnach besitzen 38 Rechtsextreme in Sachsen zurzeit 156 Lang- und Kurzwaffen - ganz legal.Bernd Brückner, Bürger-Schützen-Corps Erfurt: "Wenn ich die Anzahl höre von 38 Personen, 105 Langwaffen und soundso viel Kurzwaffen noch, nein ... das macht mich sprachlos."Dass Rechtsextreme in Schützenvereinen mit Waffen umgehen, das können die Vereine oft selbst gar nicht verhindern. Wenn die rechten Mitglieder es verstehen, ihre Gesinnung zu verbergen.Reporter: "Wer ist verantwortlich dafür, dass hier fast 160 Lang- und Kurzwaffen in den Händen von Rechtsextremen sind?"Bernd Brückner, Bürger-Schützen-Corps Erfurt: "Das sind eindeutig die Behörden, die es zugelassen haben, die die Genehmigung dazu erteilt haben."Zuständig sind in Sachsen, wie woanders auch, die Waffenbehörden. Wir hätten gern in einem Interview den sächsischen Innenminister gefragt, wie es sein kann, dass bekannte Rechtsextreme in seinem Land Waffenbesitzkarten erhalten. Doch ein Interview bekommen wir nicht. Stattdessen teilt man uns schriftlich mit:Zitat: "Wenn die Antragsteller die waffenrechtlichen Regelungen erfüllen, haben die Waffenbehörden trotz sorgfältiger Prüfung keine Handhabe gegen Rechtsextremisten."Diese Auffassung könnte ein folgenreicher Irrtum sein. Das Waffengesetz bietet den Behörden durchaus eine Möglichkeit, aktiven Rechtsextremen eine Waffenbesitzkarte zu verweigern. § 5 verlangt die Zuverlässigkeit eines Antragstellers.Zitat: "Die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen in der Regel Personen nicht, die gegen den Gedanken der Völkerverständigung, insbesondere gegen das friedliche Zusammenleben der Völker gerichtet sind."Frank Göpper, Forum Waffenrecht e. V.
Frank Göpper, Forum Waffenrecht e. V.: "Der Schlüssel im Waffengesetz ist die Zuverlässigkeit. Die besitzen Personen nicht, die in extremistischen Parteien Mitglied sind bzw. sich verfassungsfeindlich betätigen. Dann gibt das Waffengesetz immer die Möglichkeit, waffenrechtliche Erlaubnisse zu entziehen. Wenn dies nicht getan wird, ist es ein Problem des Vollzugs des Waffengesetzes durch die einzelne Behörde."
Ein Problem des Vollzugs gibt es offenbar auch bei Thomas B. Seine Waffenbesitzkarte hat er heute immer noch. Dass dem Neonazi eine Waffenerlaubnis überhaupt erteilt wurde, ist schon mehr als fragwürdig, aber dass die Behörden sie ihm nach all dem nicht längst abgenommen haben, wer soll das noch verstehen? Ein Interview von der zuständigen Waffenbehörde in Ulm bekommen wir nicht, schriftlich teilt man uns mit:Zitat: "Es lägen keine ausreichenden Gründe vor, um die Waffenerlaubnis zu entziehen."Waffen- und Schießtraining für Neonazis, das funktioniert auch noch über einen anderen Weg, den Reservisten-Verband der Bundeswehr. Über ihn kommen Rechtsextreme legal an Waffen. Zum Beispiel Winfried Petzold, Landtagsabgeordneter der NPD in Sachsen, der schon vom "bevorstehenden Endkampf" gesprochen hatte. Oder Helmut Herrman, Leipziger NPD-Chef, er wurde verurteilt, weil er Parolen der Waffen-SS verwendet hatte. Der Präsident des Reservistenverbands der Bundeswehr, Schiesstraining für Rechtsextreme in seinem Verband?Roderich Kiesewetter, Präsident Reservistenverband der Bundeswehr
Roderich Kiesewetter, Präsident Reservistenverband der Bundeswehr: "Für mich ist es unverständlich, ich sage ganz offen, hier sind möglicherweise Fehler auch durch den Verband gemacht worden. Und die müssen wir korrigieren. Sie dürfen nicht mehr an der Ausbildung teilnehmen, sie dürfen nicht mehr schießen und sie werden bis Jahresende ausgeschlossen."
In den Schützenvereinen jedenfalls werden Neonazis wohl weiter schießen und auch selbst Waffen bekommen. Solange Waffenbehörden das Gesetz so anwenden wie bisher.Sonia Seymour Mikich: "Ist schon ziemlich unfassbar."
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