Montag, 28. November 2011

--->>> Nach der Wahlschlappe will Die Linke verstärkt auf außerparlamentarische Initiativen zugehen. [via JW]


Ernüchternde Bilanz

Berlin: Nach der Wahlschlappe will Die Linke

verstärkt auf außerparlamentarische Initiativen zugehen.

Landeschef Lederer räumt schwere Versäumnisse ein

Von Christian Linde

[via Junge Welt]
 
http://www.jungewelt.de/2011/11-28/043.php
 

Das waren noch Zeiten: Insgesamt 366292 Berliner votierten bei den Wahlen zum Abgeordnetenhaus Ende 2001 für die PDS. Dies entsprach einem Stimmenanteil von 22,6 Prozent. Knapp zehn Jahre und zwei Legislaturperioden später, am 18. September dieses Jahres, machten gerade noch 170829 Menschen bzw. 11,7 Prozent der Wähler ihr Kreuz bei der Linken. Damit hat sich der Stimmenanteil mehr als halbiert; eine Fortsetzung der Koalition mit der SPD war nicht mehr möglich. Rund neun Wochen nach der Wahlschlappe wurde auf einem Landesparteitag versucht, die Ursachen des Desasters zu erforschen.

Dabei zog Klaus Lederer am Sonnabend eine ungewohnt selbstkritische Bilanz. »Es ist uns insgesamt nicht oder nur unzureichend gelungen, unsere Regierungsbeteiligung mit einem politischen Projekt zu verbinden, das von einem Großteil unserer potentiellen Wählerschaft getragen wurde«, räumte der Landesvorsitzende ein. Darüber hinaus habe es bei zentralen stadtpolitischen Themen »gravierende Fehleinschätzungen« gegeben.

Ob die Mietenentwicklung, das Investorenprojekt Mediaspree oder das von der Partei aktiv bekämpfte erste erfolgreiche Volksbegehren in der Geschichte Berlins zur Teilprivatisierung der Wasserbetriebe: Die Linke sei am Ende sogar »Zielscheibe des Protests« geworden. Zwar habe man frühzeitig etwa den Verkauf der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft GSW als einen Fehler bezeichnet. »Half nichts, war zuwenig, überzeugte nicht«, resümierte Lederer.

Für Ellen Brombacher, Sprecherin der Kommunistischen Plattform, habe bereits die Präambel des Koalitionsvertrages aus dem Jahre 2002, mit dem sich die Linke der SPD-Linie weitgehend angepaßt hatte, den Weg vorgezeichnet. Deutliche Worte fanden in der Debatte jedoch nicht nur die prinzipiellen Skeptiker von Regierungsbeteiligungen. Immer wieder moniert wurde der »beschämende Umgang« mit dem Berliner Wassertisch und von Wohnungsverlust bedrohten Mietern. »Wir haben das Wohnungsproblem viel zu spät erkannt. Das fällt uns jetzt auf die Füße«, so Evrim Sommer, Mitglied der Abgeordnetenhausfraktion. »Abgewählt worden sind wir, weil wir keine linke Politik gemacht haben«, kritisierte noch deutlicher Thomas Licher, Fraktionsvorsitzender in der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln. So habe man mit Heidi Knake-Werner und Carola Bluhm über zehn Jahre die Sozialsenatorin gestellt.

Ergebnis: eine unzureichende Wohnkostenübernahmeregelung für Langzeiterwerbslose. Zudem hätten in den eigenen Reihen vielgepriesene Projekte, wie der öffentliche Beschäftigungssektor, in der Bevölkerung kaum ein Echo erzeugt.

Vor allem junge Delegierte kritisierten massive »Kommunikationsdefizite« innerhalb der Partei, in der durch eine »Politik von oben nach unten« agiert wurde. Wesentliche Teile der Mitgliedschaft hätten – im Unterschied zu den Bundestagswahlen – die Unterstützung im Wahlkampf deshalb verweigert. Still wurde es im Saal, als Michail Nelken, langjähriger Parlamentsabgeordneter, die mangelnde Sachkenntnis bei den Mandats- und Funktionsträgern der Linkspartei als eines der strukturellen Probleme der Partei kennzeichnete.

Noch mehr Sorgen als das Wahlergebnis bereitete den 142 Delegierten im Hotel Ramada am Alexanderplatz allerdings die Zukunft. Derzeit habe die Partei noch 8522 Mitglieder – Tendenz weiter sinkend. Vor allem die Möglichkeit der Beteiligung von Mitgliedern und »zivilgesellschaftlichen Akteuren« soll deshalb verbessert werden. »Sonst ist der Niedergang der Partei nicht aufzuhalten«, beschwor Horst Arenz aus der Bezirksorganisation Friedrichshain/Kreuzberg mit Blick auf den Zulauf bei den Grünen und der Piratenpartei, die Delegierten.

Den Weg aus der Krise will die Partei vor allem über Bündnisse mit sozialen Bewegungen und außerparlamentarischen Initiativen ebnen. In diesem Sinne versteht sich der zum Abschluß des Parteitages mit großer Mehrheit verabschiedete Leitantrag des Vorstandes mit dem zweideutigen Titel »Offensiv in die Opposition« auch als »Angebot an Bewegungen, Verbände und Vereine«.

Übrigens: Der strategische Schulterschluß beginnt bereits mit dem heutigen Tag. Das aktuell laufende Volksbegehren zur »Rettung der S-Bahn« soll ab sofort durch Unterschriftensammlung aktiv unterstützt werden.



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