Samstag, 26. November 2011

--->>> Obdachlosigkeit hat wieder Konjunktur - Auch in diesem Winter rechnet Dachverband d. Wohnungslosenhilfe mit Kältetoten


Obdachlosigkeit hat wieder Konjunktur

Auch in diesem Winter rechnet der

Dachverband der Wohnungslosenhilfe mit Kältetoten

Von Christian Linde

[via Junge Welt]

 

Mit den sinkenden Temperaturen wächst bei Menschen ohne Dach über dem Kopf die Angst vor dem Erfrierungstod. Und die ist begründet. Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) sind in den vergangenen zwanzig Jahren mindestens 272 Wohnungslose erfroren. Ums Leben gekommen im Freien, unter Brücken, auf Parkbänken, in Hauseingängen, Abrißhäusern, in Gartenlauben und sonstigen Unterständen.

In den letzten Jahren hatte es demnach überproportional viele Kälteopfer in Klein- und Mittelstädten gegeben, aber auch in Großstädten wie Berlin, Mannheim, Ulm, Wuppertal, Hamburg, Münster und München. Weil in diesem Winter mehr Menschen auf der Straße leben müssen als in den Jahren zuvor, forderte der Dachverband der Wohnungslosenhilfe am Dienstag in einer Erklärung die Kommunen auf, die Angebote im Rahmen der aktuellen »Kältehilfe« entsprechend auszuweiten.

Handlungsbedarf bestehe nicht zuletzt deshalb, weil immer mehr Menschen von den Problem betroffen sind. So ist laut BAG W die Zahl der Wohnungslosen seit dem Jahr 2008 um zehn Prozent auf aktuell 248000 Personen angestiegen. »In unserem Grundgesetz ist jedem das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit garantiert, und es ist die Aufgabe und Pflicht der Städte und Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeit, dieses Grundrecht zu schützen«, erklärte Thomas Specht, Geschäftsführer der BAG W. Die Städte und Gemeinden müßten ausreichend viele Notunterkünfte bereithalten und dies in ausreichender Qualität.

Die Träger der Wohnungslosenhilfe machten immer wieder die Erfahrung, daß ein Teil der Hilfebedürftigen die Angebote nicht wahrnimmt. »Viele sind physisch und psychisch nicht in der Verfassung, sich in Massenunterkünften zu behaupten und sich gegen Übergriffe und bei Auseinandersetzungen durchzusetzen.« Zudem seien viele Quartiere zu weit abgelegen, häufig überfüllt und böten tagsüber keine Aufenthaltserlaubnis. Insbesondere dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für kleinere Gruppen, der Wegfall des zeitlich befristeten Aufenthaltsrechts in den Einrichtungen sowie ausreichende Tagesstätten seien erforderlich. Auch die Anmietung von geeigneten Räumen, etwa leerstehende Gewerbeimmobilien, die beheizbar sind und über sanitäre Einrichtungen verfügen, müßte ins Auge gefaßt werden.

Für die Entwicklung seit 2008 sind nach Auffassung der Wohnungslosenhilfe insbesondere drei Faktoren verantwortlich: hohe Mieten, die Haushaltseinkommen und die Sozialpolitik. »Die Verarmung der unteren Einkommensgruppen steht in engem Zusammenhang mit der Dauerkrise am Arbeitsmarkt, die nicht zu einem Absinken der Zahl der Langzeitarbeitslosen geführt hat. Zugleich ist der Niedriglohnsektor aufgrund eines fehlenden Mindestlohns extrem angewachsen«, beklagt die BAG. Dadurch erstrecke sich der von Wohnungsverlust betroffene Personenkreis mittlerweile bis in die Mitte der Gesellschaft.

Negative Effekte habe darüber hinaus der rückläufige Bestand günstiger Wohnungen und das Ausbleiben einer aktiven Wohnungspolitik. Erforderlich sei eine sozial- und arbeitsmarktpolitische Wende. »Wir fordern die Bundesregierung auf, die Lebenslagen von verarmten und wohnungslosen Menschen zur Kenntnis zu nehmen und konkrete Maßnahmen zur Verbesserung auf den Weg zu bringen«, erklärte Winfried Uhrig, Vorsitzender der BAG W.

Auch für die Zukunft rechnet die Organisation mit einem weiteren drastischen Anstieg. Die BAG prognostiziert bis zum Jahr 2015 bundesweit einen Zuwachs um zehn bis 15 Prozent.


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