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Bundestagsdebatte zum rechten Terror - Das ganz breite Bündnis der Weißwäscher
von Martin Suchanek - www.arbeitermacht
Einstimmig hat der Bundestag am 22. November einen Entschließungsantrag aller Bundestagsfraktionen zu „der vereinbarten Debatte Mordserie der Neonazi-Bande und die Arbeit der Sicherheitsbehörden" angenommen (Link zur pdf-Datei mit dem Antrag: http://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2011/ 36618004_kw47_vorschau/index.html).
So wird des komplette Versagen der gegenwärtigen wie früherer
Regierungen, aus jahrzehntelang tolerierter, wenn nicht provozierter
Verstrickung des Verfassungsschutzes in den braunen Sumpf noch eine
„Sternstunde des Parlamentarismus". Dabei ist die gemeinsame
Entschließung nur ein weiteres Dokument der Heuchelei.
Immer schon für die Opfer?
Read more at www.linkezeitung.dePlötzlich trauern alle. Den Opfern wird ihr Mitgefühl ausgesprochen
und „zügige" und „umfassende" Aufklärung versprochen. Zügig? Nach über
zehn Jahren?! Und natürlich sind die Abgeordneten auch betroffen:
„Wir sind zutiefst beschämt, dass nach den ungeheuren Verbrechen
des nationalsozialistischen Regimes rechtsextremistische Ideologie in
unserem Land eine blutige Spur unvorstellbarer Mordtaten hervorbringt."
Betroffen mögen sie ja sein. Doch verkommt das Ganze zur kompletten
Heuchelei angesichts der Tatsache, dass die Bundesrepublik selbst nach
dem Zweiten Weltkrieg unter Einbindung nationalsozialistischer
Funktionäre in allen Staatsämtern „wieder aufgebaut" wurde, dass die
deutschen Geheimdienste immer fest auf Kontinuität zum NS-Staat setzen.
Auch wenn die Nazi-Morde - jedenfalls für die breite Öffentlichkeit -
neu ans Tageslicht gekommen sind, so sind Morde, Anschläge, Angriffe
durch Nazis auf MigrantInnen, auf Linke, auf Antifas, selbst auf
GewerkschafterInnen und die Linkspartei keine Ausnahme, sondern brutaler
Alltag.
Statt sich mit dieser Realität zu beschäftigen, verklären die ParlamentarierInnen Deutschland lieber:
„ Wir stehen ein für ein Deutschland, in dem alle ohne Angst
verschieden sein können und sich sicher fühlen - ein Land, in dem
Freiheit und Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit lebendig sind."
Allein, dieses Deutschland gibt es nicht. Wie sicher soll sich denn
ein Flüchtling fühlen, der kurz vor seine Abschiebung in Hunger, Elend,
Folter oder gar den Tod steht? Und wer steht für diese Abschiebungen
denn ein? Sind das nicht jene PolitikerInnen, jener Staat, die nun für
„Respekt, Vielfalt und Weltoffenheit" einstehen?
Wie sicher sollen sich jugendliche AntifaschistInnen fühlen, die in
den letzten Jahren nicht nur von Nazis angegriffen, verletzt oder gar
ermordet wurden? Wie sicher sollen sich MigrantInnen fühlen, die von
Rassisten wie Sarazin diffamiert werden, deren reaktionäre Thesen den
brauen Sumpf erst recht zu Taten ermutigen?
Wie sicher sollen sich beispielsweise Muslime fühlen, die nicht nur
von Nazis, sondern auch von Staat und bürgerlicher Gesellschaft unter
einen Generalverdacht als „islamistische Terroristen" gestellt werden.
Und wer stellt sie überhaupt unter diesen? Braune Banden oder doch
„respektvolle und weltoffene" RepräsentantInnen „unseres" Staates,
„unserer" Demokratie?
Der Staats soll's richten
Hinter der ganzen Schönrederei der ParlamenterierInnen verbirgt sich
im Grund nur, dass es den meisten der Abgeordneten nicht in erster Linie
um die Opfer der Nazis, sondern um das „Ansehen" des Landes, den guten
Ruf Deutschlands geht, dem die Nazi-Jungs und -Mädels schaden.
Angesichts der Verstrickung von V-Leuten des Verfassungsschutzes in
die Nazi-Mordserie, kommen freilich auch die ParlamenterInnen nicht
umhin, hier „Aufklärung" zu verlangen.
„Die jetzt bekannt gewordenen Zusammenhänge dieser unmenschlichen
Verbrechen belegen auf traurige Weise, dass die Strukturen der
Sicherheitsbehörden auf Bundes- und Länderebene dringend überprüft
werden müssen."
Viel schwammiger und doppeldeutiger geht's nicht. Die Linkspartei mag
wider besseren Wissens in diesen Satz ihre Forderung nach Abschaffung
der Geheimdienste hineininterpretieren. Die „SicherheitspolitikerInnen"
der Union samt zahlreicher Adlaten in anderen Parteien werden das als
Argumentationsgrundlage für mehr Zentralisierung und Ausbau des
Verfassungsschutzes, von staatlicher Überwachung und Aushebelung von
Bürgerrechten betrachten.
Daran lässt bei allem demokratischen Getue letztlich auch die Entschließung des Bundestages keinen Zweifel:
„Wir sind entschlossen, sowohl die politisch-gesellschaftliche
Auseinandersetzung mit Rechtsextremisten und ihren Verbündeten vertieft
fortzusetzen als auch die unabdingbaren Konsequenzen für die Arbeit der
Sicherheitsbehörden rasch zu ziehen."
Wer ist „wir"? Sicher könnten die Partei DIE LINKE und einzelne
Abgeordnete von Grünen und SPD sowie GewerkschafterInnen, die im
Parlament sitzen, noch mit einem gewissen Recht für sich beanspruchen,
Mobilisierungen gegen Nazi-Aufmärsche und RassistInnen unterstützt zu
haben. Es ist daher auch kein Zufall, dass die Partei DIE LINKE mehr als
alle anderen im Bundestag vertretenen Parteien zur Zielschiebe von
Nazi-Angriffen wurde. Eine Tabelle der Bundestagsfraktion belegt z.B.,
dass seit Anfang 2010 jeden Monat mehrere Büros und Mitglieder der
LINKEN Ziel von rechten Anschlägen wurden.
Auch GewerkschafterInnen wurden in den letzten Jahren immer wieder - gerade im Osten - von Nazis angegriffen.
Auch wenn wir mit der politischen Strategie und Taktik dieser
Organisationen im Kampf gegen die Nazis nicht übereinstimmen, so ist es
ganz klar, dass auch sie wirklich ins Visier der Rechten gekommen sind -
z.T. wegen ihres anti-faschistischen Engagements, zum Teil, weil es
sich um Organisationen handelt, die aus der Tradition der
Arbeiterbewegung, dem Todfeind des Faschismus kommen.
Am anderen Extrem des parlamentarischen Spektrums wiederum sind
CDU/CSU durch ihr anti-faschistisches Engagement bisher wenig
aufgefallen. Statt dessen wurden sie nicht müde, die Gefahr des
„islamistischen Terrorismus" oder gar des „Linksterrorismus" an die Wand
zu malen, wenn in Berlin ein paar Autos brannten, die, wie sich nun
herausgestellt hat, gar nicht von Linken angezündet worden waren.
Doch was ergibt sich für die ParlamentarierInnen neben einer
„fassenden Fehleranalyse", die noch zu machen wäre. Die Möglichkeit
eines NPD-Verbot soll „überprüft" werden. Und sonst?
„Wir müssen gerade jetzt alle demokratischen Gruppen stärken, die
sich gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus
engagieren. Wir werden prüfen, wo dem Hindernisse entgegenstehen. Wir
brauchen eine gesellschaftliche Atmosphäre, die ermutigt, gegen
politischen Extremismus und Gewalt das Wort zu erheben.
Rechtsextremistischen Gruppen und ihrem Umfeld muss der
gesellschaftliche und finanzielle Boden entzogen werden.
Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt."
Hier zeigt sich auch, worauf die „Konsequenzen" für die Arbeit der
Sicherheitsbehörden hinauslaufen. Sie - die „staatliche Gewalt" - soll
weiter ihre Pflicht tun, nur besser.
Antifaschismus von „demokratischen Gruppen" ist dabei immerhin
ausdrücklich erlaubt, ja die finanziellen Mittel dafür sollen nicht
einmal beschnitten werden - solange deren Aktivitäten brav
zivilgesellschaftlich, gewaltfrei und frei von „politischem Extremismus"
von links bleiben.
Dass CDU/CSU und FDP, dass die offen staatstragende Opposition aus
SPD und GRÜNEN solche Erklärungen einbringen und unterstützen, wird
niemand verwundern. Doch auch die Linkspartei hat dem nicht nur
zugestimmt, sie durfte den Antrag sogar mit einbringen. Und sie will
damit, wie Gregor Gysi in seiner Rede vor dem Bundestag deutlich machte,
bei solchen Anlässen aus der Ecke des parlamentarischen Schmuddelkindes
kommen. Nachdem Gysi in seiner Rede auch manche Kritik an anderen
Parteien vorgebracht hat, schloss er seine Rede am 22. November mit
folgenden Worten:
"Herr Präsident, meine Damen und Herren, zu begrüßen ist trotzdem
- das ist mein letzter Satz - die erste gemeinsame Erklärung
hoffentlich aller Abgeordneten des Deutschen Bundestages. Die Bedeutung
besteht darin, dass wir trotz unterschiedlichster Auffassung in vielen
Fragen den Rechtsterroristen in Deutschland sagen: Ihr scheitert an uns
gemeinsam von der CSU bis zur Linken." (http://www.linksfraktion.de/reden/rechtsterroristen-scheitern-uns-gemeinsam-csu-linken/)
Dieser Schluss dokumentiert die politische Blindheit und
Alternativlosigkeit der Linkspartei in Sachen Antifaschismus und
Antirassismus. Während die rechten Morde und die Verstrickung der
Verfassungsschutzes wieder einmal beweisen, dass weder Staat,
Geheimdienst noch die bürgerlichen Parteien wie die CSU etwas zum Kampf
gegen den Faschismus taugen, freut sich Gysi über einen gemeinsamen
Antrag, der zu nichts verpflichtet, dessen ganze politische Bedeutung
darin besteht, dass die Verantwortung der bürgerlichen Parteien und
ihres Systems für den Aufstieg der Nazis verharmlost werden.
Mehr noch, die Linkspartei erschwert mit ihrer Zustimmung die
Entwicklung eines wirklich effektiven Widerstandes gegen die
FaschistInnen. Dieser liegt niemals in inhaltlich leeren, gemeinsamen
Erklärungen mit allen möglichen ParlamentarierInnen. Vielmehr geht es
um den Aufbau einer Arbeitereinheitsfront, eines breiten, von den
Organisationen der Lohnabhängigen wie Gewerkschaften, Sozialdemokraten,
Linkspartei, von Anti-KapitalistInnen, von Jugendlichen, MigrantInnen,
militanten Antifas samt ihrer Gruppierungen getragenen
Aktionsbündnisses, das sich zum Ziel setzt, die faschistischen
Organisationen, ihre Vorfeldstrukturen offen zu bekämpfen und zu
zerschlagen.
http://www.arbeitermacht.de/infomail/591/bundestag.htm
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