Freitag, 18. November 2011

--->>> #Nachruf auf Franz Josef Degenhardt [via Nachdenkseiten]

 

Nachruf auf Franz Josef Degenhardt

 

[Nachdenkseiten]

http://www.nachdenkseiten.de/?p=11349#h03
 


3.12.1931 in Schwelm, 14.11. 2011 in Quickborn

" Väterchen Franz" ist am 14. November 2011 gestorben – an dem Tag, an dem die Nation entsetzt nach Zwickau blickte. Wer zu mystischen Erklärungen neigt, mag darin einen Zusammenhang sehen. Vielleicht ist er aber gar nicht so irrational. Wogegen Franz Josef Degenhardt ein Leben lang gekämpft hatte – es scheint stärker zu sein als er. "Hier im Innern des Landes leben sie noch." Wer weiß, vielleicht hat ihm die Bestätigung dieser Erkenntnis die letzte Kraft zum Leben genommen.

Wir wollten seinen achtzigsten Geburtstag feiern, der knapp drei Wochen später stattfinden sollte. Nun ist ein Totenfest daraus geworden. Degenhardts leise, heisere Stimme wird uns fehlen. Es gibt ja nicht mehr viele seiner Statur. Die Linke hat das Talent, heftiger gegen die eigenen Leute zu kämpfen als gegen den gemeinsamen Feind. Vielleicht werden sich jene, die Degenhardts Ansichten zur untergegangenen Sowjetunion oder zur DDR nicht teilten, jetzt, da er tot ist, ein wenig schämen, wenn sie registrieren müssen, wie sich die Rechte mittlerweile zum Mord rüstete.

Degenhardt hat das ja stets geahnt, die Befürchtung, die Erde könnte, mit den von diesem selbst längst zurückgenommenen Worten seines Gegenspielers Wolf Biermann eher "todrot" als "lebenrot" werden, war groß, auch wenn er sie gelegentlich mit optimistischen Perspektiven übertünchte.

Bei all dem darf man eins nicht vergessen: Der Liedermacher und ehemalige Rechtsanwalt, der Romanautor und politische Aktivist war einfach auch ein besonders liebenswerter Mensch. Die Zuneigung, die er von den meisten Kolleginnen und Kollegen erfuhr, galt nicht nur dem Talent, dem Vorbild im künstlerischen Bereich, sondern stets auch einem Mann, der Wärme und Menschenliebe ausstrahlte. Er wird uns fehlen. Venceremos?

Solche Kraftmeierei wäre verlogen. Das hat Degenhardt nicht verdient. Machen wir es eine Nummer kleiner. "Komm an den Tisch unter Pflaumenbäumen." Freundlichkeit ist schon ein Sieg, wo eine Bande über viele Jahre hinweg Migranten morden kann, ohne entdeckt zu werden.
Thomas Rothschild

Quelle: Erscheint im Folker 01/12 (Vorabdruck mit freundlicher Genehmigung des Chefredakteurs Michael Kleff.)


Posted via email from Dresden und Umgebung

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen