Donnerstag, 3. November 2011

#Jobcenter u. #Arbeitsagenturen helfen weltweit agierendem Internethändler bei Rekrutierung v. günstigem Saisonpersonal


Geschenk für Amazon

Praktikanten im Weihnachtsgeschäft: Jobcenter und Arbeitsagenturen helfen weltweit agierendem Internethändler bei Rekrutierung von günstigem Saisonpersonal

Von Susan Bonath

[via Junge Welt]


 
Bestellung per Mausklick: Damit das Weihnachtsgeschäft richtig brummen kann, geht Amazon für seine fünf großen Standorte in Deutschland jährlich auf die Suche nach Saisonkräften. Über die Arbeitsagentur rekrutiert das Unternehmen auch in diesem Jahr Tausende Mitarbeiter. Die als Kommissionierer, Verpacker oder Lagerarbeiter Vermittelten bekommen befristete Verträge und müssen teilweise bis zu zwei Wochen gratis für die Firma arbeiten. Das Amt nennt das »Trainingsmaßnahme zur besseren Eingliederung«. Zudem setzt der Konzern auf Hilfskräfte aus Ost- und Südeuropa.

Im Kreis Unna (Nordrhein-Westfalen) wirbt das Jobcenter für das Versandzentrum Werne. Dessen Angaben zufolge braucht Amazon dort »etwa 2000 motivierte Saisonkräfte mit Bereitschaft zu Schicht- und Wochenendarbeit und der Fähigkeit zu körperlich anstrengender Arbeit«. »Mehrere hundert« wolle das Unternehmen nach dem Weihnachtsgeschäft weiter beschäftigen, lockt die Behörde.

Nebenher hat sie auch Stellenangebote herausgeschickt, eins davon an Jochen A. (Name geändert). »In einer beiliegenden ›Rechtsfolgenbelehrung‹ hat man mich gleich auf die Sanktionsmöglichkeiten für Bewerbungsunwillige hingewiesen«, berichtete A. gegenüber jW. Er habe Kontakt zu Amazon aufgenommen und sei zu einer großen Vorstellungsrunde beordert worden. Im Angebot habe ein Dreimonatsvertrag gestanden. »Jeder Arbeitslose sollte in den ersten beiden Wochen unbezahlt auf Probe arbeiten – für ALG II plus Fahrkosten vom Amt«, sagte er.

Pressesprecherin Valeska Kosowski wiegelte ab. Erstens habe es sich um eine Einladung zur Infoveranstaltung gehandelt, zweitens werde das Praktikum allein zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer vereinbart. »Das und die befristeten Arbeitsverträge sind doch für beide Seiten erst mal gut zum Kennenlernen«, sagte sie jW. Außerdem finde das Weihnachtsgeschäft erst ab November statt und stehe nicht in Verbindung mit den Maßnahmen. Im vorliegenden Fall sei es um eine gewöhnliche Einstellung gegangen. Kosowski stritt aber nicht ab, daß man grundsätzlich bei Angeboten auf Sanktionen hinweise. »Hierbei hätten wir die aber nicht angewendet«, versicherte sie.

Auch in Leipzig (Sachsen) haben die Behörden ihre Finger im Spiel. Für den dortigen Standort soll die Arbeitsagentur rund 2800 Arbeitskräfte beschaffen. Am 21.Oktober warb sie ebenfalls damit, daß »mehrere hundert« die Aussicht auf Festeinstellung hätten. Für Pressesprecher Hermann Leistner ist das eine gute Quote. »Im letzten Jahr hat Amazon sogar knapp 1000 Mitarbeiter weiterbeschäftigt. Das zeigt, daß das Ganze kein Schwindel ist«, antwortete er auf jW-Nachfrage. Die Trainingsmaßnahmen seien gängige Praxis. Man wende sie aber »nur bei Bewerbern mit geringer Qualifikation oder bei erstmaliger Beschäftigung bei Amazon« an.

Für sein größtes deutsches Logistikzentrum in Bad Hersfeld (Hessen) ist der Internethändler auf rund 4000 vorweihnachtliche Zusatzkräfte angewiesen. Neben der Rekrutierung über die Ämter wirbt Amazon hier vermehrt auch im Ausland. Am 20.September titelte die Hessisch-Niedersächsische Allgemeine: »Invasion der Saisonkräfte: Container-Camp für 800 Amazon-Mitarbeiter«.

Gemeint waren Osteuropäer. Amazon räumte ein, einen Unternehmer beauftragt zu haben, nach Unterkünften für Arbeiter, »die nicht unmittelbar aus der Gegend kommen«, zu suchen. Konkrete Pläne für ein Containerdorf habe es aber nicht gegeben. Das Camp kam nicht, die Osteuropäer, auf die der Konzern »wegen Personalmangel vor Ort« angewiesen sei, wurden woanders untergebracht.

Julian Jaedicke von ver.di kennt sich am hessischen Standort bestens aus. Dort werde regelrechter Handel über die Agenturen betrieben. »Gibt es viele Arbeitslose, müssen sie zwei Wochen Praktikum machen, gibt es weniger, dann nur eine«, sagte er im jW-Gespräch. Und nicht nur zu Weihnachten setzt das Unternehmen auf Befristung. »Mindestens zwei Drittel der Mitarbeiter sind so beschäftigt«, so Jaedicke.

Damit wolle man die Motivation aufrechterhalten. »Die Leute arbeiten und arbeiten – in der Hoffnung auf einen festen Job.« Zudem sei ihm bekannt, daß Amazon über Zeitarbeitsfirmen polnische und derzeit auch spanische Arbeitskräfte anwerbe. Ansonsten nehme der Konzern aber kaum Leiharbeit in Anspruch: »Der Druck wird durch die Befristung ausgeübt.«

Eine Sprecherin von Amazon wollte sich am Mittwoch auf jW-Nachfrage nicht spontan zu dem Fall äußern. Die angekündigte schriftliche Stellungnahme traf bis Redaktionsschluß nicht ein.

Martin Bersing vom Erwerbslosen Forum Deutschland nannte das Geschäftsgebaren des Internet-Händlers in einer Pressemitteilung »pure Abzocke«. Es sei »unerträglich«, daß Amazon »noch sein glänzendes Weihnachtsgeschäft subventioniert bekommt, während die Menschen zwei Wochen umsonst arbeiten müssen, um Sanktionen zu entgehen.«



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