Griechische Empörung
Von Heike Schrader, Athen
[Junge Welt]
Als Antwort der Betroffenen auf die neuen von Regierung und Kreditgebern geforderten Sparmaßnahmen fand am Mittwoch der dritte Generalstreik des Jahres in Griechenland statt. Die Beteiligung im öffentlichen Dienst und wichtigen Teilen der privaten Wirtschaft war umfassend: Sämtliche Schulen, Universitäten und Behörden blieben geschlossen, der öffentliche Fernverkehr ruhte, die Schiffe blieben in den Häfen, die Krankenhäuser nahmen nur Notfälle auf, und alle größeren Industriebetriebe standen still. Starke Behinderungen gab es bei den Banken, wo sich nach Angaben der Gewerkschaftsdachverbände 90 Prozent der Angestellten der staatlich kontrollierten Finanzinstitute beteiligten. Dem Streik hatten sich auch viele Einzelhändler angeschlossen.Der gestrige Generalstreik war ein auch für das widerständige Griechenland außergewöhnlicher. Denn neben den beiden Gewerkschaftsdachverbänden GSEE (private Wirtschaft) und ADEDY (öffentlicher Dienst) hatte auch die Bewegung der »Empörten Bürger« zu Protestaktionen aufgerufen. Bereits in den frühen Morgenstunden versammelten sich die Menschen auf den Straßen der Hauptstadt, mit dem Ziel, das griechische Parlament symbolisch abzuriegeln. Denn dort sollte gestern die Diskussion um das »Mittelfristige Programm für eine finanzwissenschaftliche Strategie« in der zuständigen Kommission beginnen. Es sieht umfangreiche Privatisierungen, neue drastische Steuererhöhungen für die Erwerbstätigen und Rentner sowie weitere Beschneidungen bei den öffentlichen Ausgaben vor.Die vollständige Umzingelung des Parlaments gelang nicht, da die Polizei bereits zuvor den Bereich um den Eingang weiträumig abgesperrt hatte. Vor dem Gebäude aber hatten sich gegen Mittag bereits Zehntausende »Empörte« versammelt, die ihren Widerstand gegen die den Volkswillen mißachtende Politik lautstark zum Ausdruck brachten.Parallel dazu fanden in Athen gleich drei weitere Kundgebungen und Demonstrationen statt. Die größte davon war die der Gewerkschaftsfront PAME. Die der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) nahestehende Organisation beteiligt sich nicht an den Mobilisierungen der »Empörten«, deren Ablehnung aller Parteistrukturen von KKE und PAME als »reaktionär« kritisiert wird. Es brauche einen »koordinierten und gezielten Kampf«, erklärte Alekos Avranitidis vor den versammelten Gewerkschaftern in Athen. In einem anschließenden Marsch zog die PAME zum Syntagmaplatz vor das Parlament und forderte die dort Versammelten auf, sich ihrem Kampf für eine radikale Veränderung der Verhältnisse anzuschließen.Zeitgleich fanden wenige hundert Meter voneinander entfernt die Kundgebungen der Gewerkschaftsdachverbände sowie der unabhängigen Basisgewerkschaften und der außerparlamentarischen Linken statt. »Die Erwerbstätigen weigern sich, ein weiteres Mal für die Schuldenkrise und die Fehler der neoliberalen Politik zu bezahlen«, erklärte Stathis Anestis, Generalsekretär der GSEE. Nachdem auch diese Demonstrationszüge am Syntagmaplatz angelangt waren, kam es dort zu Zusammenstößen mit der Polizei. Demonstranten versuchten, die Absperrung zu überwinden. Schwerere Auseinandersetzungen lieferten sich am Nachmittag Autonome mit der Polizei. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten. So gingen in Thessaloniki 20000 Menschen auf die Straße.Laut Medienberichten soll Ministerpräsident Giorgios Papandreou am Mittwoch seinen Rücktritt angeboten haben, um die Bildung einer großen Koalition zu ermöglichen.
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