Das Thema Leiharbeit sorgt am niedergehenden Schiffbau- und aufstrebenden Windkraftstandort Bremerhaven für Konflikte. Teilweise nehmen dies sogar handfeste Form an: Als vor zwei Wochen im Einkaufszentrum »Waterfront« in Bremen-Gröpelingen die 12. Bremer Zeitarbeitsmesse – unter dem schönen Motto »Arbeit mit Zukunft« – stattfand, versammelten sich dort zirka 20 Aktivisten des »Bündnisses gegen Leiharbeit«, einem Zusammenschluß verschiedener sozialpolitischer Gruppen. Mit Flugblättern, Redebeiträgen und Transparenten wurden die Besucher informiert. Allerdings ließen die Veranstalter der Messe die Demonstranten nicht lange von ihren verfassungsmäßigen Rechten Gebrauch machen. Mehrere Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma griffen die Aktivisten offenbar gezielt mit Tritten und Faustschlägen an und verletzten mehrere Demonstranten. »Wir wurden bis in den Stadtteil hinein von den Sicherheitskräften verfolgt und haben daraufhin eine Prüfung der Vorkommnisse durch Rechtsanwälte veranlaßt«, berichtete Herbert Thomsen, Berater beim Bremer Erwerbslosenverband (BEV) und einer der Organisatoren des Protests gegenüber jungen Welt.
Ver.di opponiert Doch nicht nur bei den privaten Wachschützern liegen die Nerven blank. Einige Tage zuvor – am 17. Mai – hatten sich im Bremerhavener »City-Hotel« Lobbyisten der Zeitarbeitsfirmen der Region versammelt, um eine Werbeveranstaltung mit dem Titel »Jobmotor Zeitarbeit« abzufeiern. Einer der wichtigsten »Event-Partner« war die städtische Leiharbeitsfirma »Personal aktiv«, Marktführer in der gewerblichen »Arbeitnehmerüberlassung im Großraum Bremerhaven/Cuxhaven. Geschäftsführer der »Personal aktiv« ist Siegfried Breuer, Vorsitzender des SPD-Ortsvereins Bremerhaven und gleichzeitig Geschäftsführer der Mutterfirma Arbeitsförderungszentrum (AFZ), die sich ebenfalls in kommunaler Hand befindet. In der ersten Reihe bei der Eröffnungsveranstaltung saß Sozialdezernent Klaus Rosche. Rosche ist Aufsichtsratsvorsitzender des AFZ und war bis Anfang März noch 2. Bevollmächtigter der örtlichen IG Metall. Für die Forderung der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, die Stadt möge ihre Beteiligung an »Personal aktiv« aufgeben, sehe er »keinen Handlungsbedarf«, stellte der Sozialdezernent klar. Der ver.di-Ortsverein Bremerhaven hatte im Vorfeld der Veranstaltung öffentlich moniert, das Geschäftsmodell von »Personal aktiv« bestehe darin, Firmen Beihilfe zu leisten, das Kündigungsschutzgesetz zu umgehen (siehe junge Welt vom 26. Mai).
Da die Veranstalter Proteste erwarteten, wurde auch zur Veranstaltung am 17.5.2011 kurzfristig eine Security-Firma – als Sponsor (!) – angeheuert. Die Security-Leute hatten aber einen ruhigen Abend. Die befürchteten Proteste blieben aus.
Der örtliche DGB-Vorsitzende und IG-Metall-Geschäftsführer Karsten Behrenwald – ursprünglich auch als Diskussionsteilnehmer auf der »Jobmotor Zeitarbeit«-Veranstaltung eingeplant – ließ sich wegen kurzfristiger Erkrankung entschuldigen. Kurz darauf schied Behrenwald aus dem Aufsichtsrat des AFZ aus, blieb aber Teilhaber der zum Netzwerk des AFZ gehörenden Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft (BQG). Die betreibt nach Auskunft ihres Geschäftsführers Heinz Häring immerhin »Kundenbetreuung« für »Personal Aktiv«: »Die haben große Kunden, die immer ein wenig gestreichelt werden müssen«, erklärte der ehemalige Betriebsratsvorsitzende der Schichau-Unterweserwerft vor einiger Zeit gegenüber der Nordsee-Zeitung.
Interessengeflecht Dieses eigenartige, für Bremen typische lokale Interessengeflecht zwischen Gewerkschaften, SPD und öffentlicher Arbeitsförderung kontrastiert auffällig mit den öffentlichen Erklärungen der IG-Metall-Spitze zur Leiharbeit – gibt aber auch einen Hinweis darauf, warum die Haltung der Gewerkschaften in dieser Frage in der Praxis oft zweideutig ist. Erst vor einer Woche hatte der Zweite Vorsitzende der IG Metall, Detlef Wetzel, vehement gegen die aktuelle Werbekampagne des neuen Bundesverbands der Personaldienstleister (BAP) Stellung bezogen. Leiharbeit sei eine »Sackgasse« für die Beschäftigten, unterschiedliche Standards zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft – etwa bei Lohn, Arbeitszeit und Urlaubstagen– gehörten ein für allemal abgeschafft. »Wenn hier nicht bald eine sinnhafte Lösung gefunden wird, dann werden wir das Thema Leiharbeit zu einem Generalthema in den Tarifrunden mit Gesamtmetall machen«, sagte Wetzel in Frankfurt/Main.
Herbert Thomsen vom Bremer Erwerbslosenverband kritisiert die Haltung von IG Metall und ver.di zur Leiharbeit als halbherzig. Die Gewerkschaften hätten das Zeitfenster Anfang 2011 zur Erzwingung eines Branchenmindestlohns und die Aufnahme der Leiharbeit ins Arbeitnehmerentsendegesetz verstreichen lassen. Beide Regelungen lägen »im ureigensten Interesse« der in der Zeitarbeitsbranche vertretenen Unternehmen. Daß der DGB und seine größten Gewerkschaften, IG Metall und ver.di, diese »Notsituation« der Leiharbeitsbranche nicht ausgenutzt haben, hält Thomsen indes nicht für Zufall: »Schon im Jahr 2003, bei der Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und dem Unterlaufen des Prinzips ›Gleicher Lohn für gleiche Arbeit‹ hörte man von den DGB-Gewerkschaften nur leise Kritik am Verhalten Kanzler Schröders. Schließlich saßen auch zwei ranghohe DGB-Gewerkschafter in der Hartz-Kommission, die Lohn- und Sozialabbau inhaltlich vorbereitete«, so Thomsen.Read more at www.jungewelt.de |
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