Freitag, 10. August 2012

-> Warum Deutschland ein Paradies für Geldwäscher ist - mehr in #MONITOR um 20:15 Uhr auf #tagesschau24 [ARD-Digital]


Monitor Nr. 637 vom 09.08.2012

[Wiederholung am 10.08.2012 um 20:15 Uhr auf tagesschau24 (ARD-Digital)]

http://www.wdr.de/tv/monitor/sendungen/2012/0908/geldwaesche.php5

Keine Kontrolle?

Warum Deutschland ein Paradies für Geldwäscher ist


Bericht: Ralph Hötte, Jan Schmitt, Fidelius Schmid

Sonia Seymour Mikich: "Die globalen Superreichen verstecken 21 Billionen in Steueroasen. Jachten, Schmuck oder andere Vermögenswerte nicht eingerechnet, so eine jetzt veröffentlichte Studie. Eine Billion, zwölf Nullen. Geld, das den Staaten fehlt. Schwarzgeld will irgendwann raus aus der Oase und rein in die Wäscherei. Zurück in den legalen Geldkreislauf. Und die Steuerhinterzieher und Kriminellen wissen, dass das in Deutschland besonders leicht funktioniert. Jan Schmitt, Ralph Hötte und Fidelius Schmid berichten nun, warum wir, die zuverlässigen, gut organisierten Deutschen, nicht immer mit dem Finger auf andere Länder zeigen sollten."

Es geht um die deutsche Schattenwelt. Hier wird geschmuggelt, gedealt und geraubt. Schwarzgeld aus Steuerhinterziehung und Immobilienspekulationen. Milliardengewinne, zur Freude der Branche. Und es geht um Beamtin Britt Paulsen im Standesamt Südangeln, Schleswig-Holstein. Wie das zusammenpasst? Der Reihe nach. Finanzplatz Deutschland. Hier fließt nicht nur viel legales Geld, hier wird auch viel kriminelles Geld verdient. Ca. 50 Milliarden Euro im Jahr, schätzt die

OECD. Aber um etwas damit anfangen zu können, muss dieses Schwarzgeld auch wieder zurück in den legalen Geldkreislauf. Geldwäsche. Beim Bund Deutscher Kriminalbeamter fühlt man sich da von der Politik im Stich gelassen.

Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter: "Deutschland ist verschrien, muss man im negativen Sinne sagen, als Geldwäscheparadies, weil es den Kriminellen hier sehr einfach gemacht wird. Wir haben keine funktionierende Aufsicht im Bereich außerhalb des Bankenwesens. Wir erkennen Geldwäschefälle hier einfach nicht. Und das bedeutet nichts anderes, als dass die Kriminellen, die auf welche Weise auch immer Geld erwirtschaften, sehr erfolgreich damit sind. Und demzufolge auch die Macht dieser kriminellen Organisationen wächst."

Fast alle Anzeigen zu kriminell erwirtschaftetem Geld kommen aus dem Finanzsektor, denn da gibt es eine Aufsicht. Geldwäsche passiert aber nicht nur hier, sondern vor allem auch im ganz normalen Handel. Schmuck, Häuser oder Autos werden mit Schwarzgeld bezahlt und dann legal weiterverkauft. Und das überprüft in Deutschland - quasi niemand. Wie gut Geldströme hierzulande verschleiert werden, zeigt eine Untersuchung des Netzwerks Steuergerechtigkeit. Danach ist Deutschland unter 73 untersuchten Staaten eines der größten Schattenfinanzzentren der Welt und rangiert hinter Ländern wie der Schweiz, den Cayman Inseln, Luxemburg und Jersey auf Platz 9 der Skala. Die EU Kommission hat schon 2005 eine Richtlinie zur Überwachung der Geldwäsche erlassen. Aber Deutschland hat sie einfach nicht umgesetzt, und handelte sich mehrere Vertragsverletzungsverfahren ein. Hauptgrund: Das Fehlen von Aufsichtsbehörden. Dann die scheinbar erlösende Nachricht: In einer Mitteilung der Bundesrepublik vom Januar 2011 schreibt das Finanzministerium an Brüssel:

Zitat: "Die Bundesregierung freut sich, der Europäischen Kommission mitteilen zu können, dass in allen Bundesländern die zuständigen Behörden (…) nunmehr bestimmt sind."

Aufsichtsbehörden bestimmt, und jetzt? Jetzt kommt Standesbeamtin Britt Paulsen in Südangeln ins Spiel. Bisher war sie zuständig für Geburten und Sterbefälle, für Gaststättenkonzessionen, Namensänderungen und vor allem für Hochzeiten. Aber von nun an eben auch noch für Geldwäsche.

Britt Paulsen, Verwaltungsbeamtin: "Zuständig sind wir seit Januar diesen Jahres. Kontrollen habe ich noch überhaupt gar keine gemacht, weil wir da keine Zeit für haben und auch ich überhaupt noch gar nicht geschult bin in diesem Bereich. Man muss im Wirtschaftsrecht fit sein, man muss ... ja, ich denke mal einfach auch Buchführungsunterlagen lesen können, verstehen können. Und das haben wir bei uns in der Ausbildung einfach nicht gelernt."

Aber warum soll sich die organisierte Kriminalität nun gerade vor Britt Paulsen fürchten? Ganz einfach. Die EU hat den Bund angemahnt, der hat nach einer Gesetzesnovelle die Länder in die Pflicht genommen und Schleswig-Holstein hat die Aufsicht über das Geldwäschegesetz an die Ordnungsbehörden delegiert. Und jetzt soll es also Brtit Paulsen richten.

Reporter: "Was verstehen Sie von Geldwäsche?"

Britt Paulsen, Verwaltungsbeamtin: "Von Geldwäsche verstehe ich eigentlich gar nichts. ... Ja, kann man so sagen."

Das Problem: Ihr hat weder jemand gesagt, welche Betriebe sie kontrollieren soll, noch was oder auch wie sie kontrollieren soll.

Britt Paulsen, Verwaltungsbeamtin: "Wir haben hier bei uns im Bereich 16 Gemeinden mit ungefähr 1.100 Gewerbebetrieben. Und für den Bereich Geldwäschegesetz bin ich halt die einzige Mitarbeiterin, die die Aufgabe wahrnehmen soll."

Reporter: "Also Sie sind hier die oberste Kontrolleurin für Geldwäsche?"

Britt Paulsen, Verwaltungsbeamtin: "Genau das bin ich. Für das Geldwäschegesetz kontrolliere ich ... soll ich alle Betriebe kontrollieren, ja."

Auch Amtsleiter Albert weiß nicht, wie er seiner Mitarbeiterin die neue Zuständigkeit für die Schattenwirtschaft erklären soll.

Heiko Albert, Amtsleiter Südangeln: "Ich kann mich aus den letzten 27 Jahren, die ich diese Aufgabe wahrnehme, nicht erinnern, dass es auf so krasse Weise zu einer Zuständigkeit gekommen ist, die wir praktisch nicht umsetzen können."

Geldwäsche. Es geht um Steuerhinterziehung, Schwarzgeld, organisierte Kriminalität. Es geht um Milliarden. Auch in Rheinland-Pfalz. Hier hat das zuständige Ministerium die Geldwäsche-Aufsicht auf die Kreisebene delegiert. Beim Städtetag ist man ratlos, denn nötig wären eigentlich speziell geschulte Mitarbeiter. Aber vom Land bekommen die Kommunen nicht eine einzige Stelle mehr, um Unternehmen zu überprüfen.

Prof. Gunnar Schwarting, Städtetag Rheinland-Pfalz: "Dazu müssten Se eigentlich in die Bücher der Unternehmen schauen. Und wer weiß, wie kompliziert es ist, im Rahmen der organisierten Kriminalität solche Zahlungsströme oder überhaupt so etwas zu verfolgen, der weiß, das ist eine Aufgabe, die mit unserem Personal und seiner Qualifikation schlicht so nicht zu leisten ist."

Ein ähnliches Bild auch in anderen Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen wurde bisher kaum geprüft und in ganz Thüringen gibt es nur zwei Prüfer für 22.000 Unternehmen. Wir fragen beim Bundesfinanzministerium, ob man die EU-Richtlinie nach der letzten Gesetzesnovelle tatsächlich für umgesetzt hält. Von dort heißt es schriftlich:

Zitat: "...das "Gesetz zur Optimierung der Geldwäscheprävention" vom 22. Dezember 2011 (...) erfüllt alle Erfordernisse dieser Richtlinie..."

Alles im Lot also, glaubt Berlin. Von der EU-Kommission aber droht möglicherweise neues Ungemach. Denn die bloße Nennung von Aufsichtsbehörden sei nicht ausreichend. Am Ende zähle das Ergebnis.

Jonathan Todd, Europäische Kommission (Übersetzung MONITOR): "Wir haben uns schon mehrmals an die Bundesregierung gewandt, um eine wirkliche Umsetzung der EU-Richtlinie zu erreichen. Und das wird auch so weitergehen, denn schließlich ist es unsere Aufgabe sicherzustellen, dass die Geldwäsche-Richtlinie in Deutschland wie in allen anderen Mitgliedsstaaten auch wirklich umgesetzt wird."

Sebastian Fiedler, Bund Deutscher Kriminalbeamter: "Es reicht also nicht, dass die einzelnen Länder entsprechende Zuständigkeiten benennen, sondern es ist zwingend erforderlich, dass auch eine effektive Aufsicht stattfindet. Und so lange das nicht geschieht, ist die entsprechende Richtlinie der Europäischen Union nicht umgesetzt. Es ist insofern nur folgerichtig, dass die EU-Kommission sich Gedanken darüber macht, ob sie noch mal an die Bundesregierung herantritt und im Zweifel ein neues Vertragsverletzungsverfahren eröffnet."

Geldwäscheparadies Deutschland. Das Problem wird von der Politik wegdelegiert. Und so werden zigtausende Unternehmen einfach nicht kontrolliert, weil kaum einer dafür Zeit hat. Für Britt Paulsen ist gerade Hochsaison. Im Sommer wird besonders viel geheiratet. Die Geldwäscher wird es freuen.

Sonia Seymour Mikich: "Standesbeamtin und Geldwäsche-Fachfrau - das ist doch wahres Multi-Tasking."



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