Sie waren lediglich fünf Stunden am Tag in der neuen Tageseinrichtung - doch das vermeintlich liberale Bürgertum wollte die Jugendlichen offenbar nicht als Nachbarn haben. Seit Dezember 2008 betrieb die Jugendhilfe Göttingen eine Tagesgruppe für Verhaltensauffällige im Stadtteil Nikolausberg. Ein Villenviertel, in dem vornehmlich Professoren leben.
Einige Anwohner klagten gegen eine Änderung des Bebauungsplans, die notwendig gewesen wäre, um die Arbeit der Jugendhilfe auch gesetzlich zu legitimieren. Und sie machten Stimmung gegen die Einrichtung: Sie sei ein "Störpotential", es gebe keinerlei "Gebietsbezug", stattdessen aber "Lärmbelästigungen bis hin zu mutwilligen Sachbeschädigungen", schrieb ein Anwalt der Anwohner.
Dass die Jugendlichen damit nichts zu tun hatten, gibt der Anwalt offen zu. Und doch: Die Klage der Anwohner gegen die Änderung des Bebauungsplans hatte Erfolg. Im März verließ die Jugendhilfe Nikolausberg. Göttingen ist nicht das einzige Beispiel: Auch im Hamburger Nobelviertel Sasel wehren sich Bürger gegen ein Wohnheim für Jugendliche und unweit von Stuttgart kämpft eine Anwohnerinitiative gegen ein Seniorenzentrum - angeblich sei das Projekt überdimensioniert. Die deutsche Gesellschaft verändert sich: Die Einkommensunterschiede wachsen, solidarische Lastenteilung wird offenbar immer mehr zum Fremdwort. Panorama über den Klassenkampf von oben.
Posted via email from Daten zum Denken, Nachdenken und Mitdenken
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen